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Rede an alle Schreibenden

Nachdenkliches · Experimentelles
Robert Zobel, Schriftsteller aus dem wunderschoenen Schwerin, haelt jetzt eine wichtige Rede auf einer imaginaeren Versammlung zur Feier seiner selbst am 27. Augus 2004 in einem Wordprogramm.

Kollegen und Freunde!

Wir haben uns heute hier feierlich versammelt, um mit allen erdenklichen Trinkgefaessen auf die Schrift anzustossen und mit allen Schreiberlingen der Welt, die jene Literatur lieben und nach Beruehmtheit streben, zusammen in die Zukunft Deutschlands und der Welt zu blicken.

Vor 25 Jahren, als ich gegruendet wurde, befand ich mich in der alten DDR. Die Buerger waren leidgeprueft, hatten Grenzen im Kopf, die der Staat legte und die Literatur beschraenkte sich auf tschechische Maerchen und verbotene Flugblaetter, die ich nie lesen konnte, weil es sie nicht gab. Heute, 25 Jahre später, bin ich ein grosser Leser, der mehr als 50 Buecher ordentlich, 200 peripher und 2000 Buecher zerstueckelt gelesen hat. Der Jahre lang in seinem Kopf geforscht und mehr als 687 Milliarden Gedanken gedacht hat. Diese gewaltige literarische Veränderung ist ein wahres Wunder.

Wenn ich auf meinen Lebensverlauf zurückblicke, bin ich außerordentlich stolz. Wenn ich vorausblicke, bin ich von Zuversicht und Kraft erfüllt.

Der Geist ebnet stets in seiner Bewegung den kulturellen Weg. Die gesellschaftlichen Widersprüche, die in jeder Nation vorhanden sind, geben uns Literaten das Futter. Stoff, den man zwischen Buchdeckel weben kann. Ebenso sucht der Geist immer den Vergleich zwischen den Menschen, nach der Wahrheit und dem eigenen Ich. Der Literat ist ein guter Denker, wenn er aufdeckt und entwickelt.

Vor 25 Jahren, mitten im sozialistischen Brudereinheitsbrei, den Wimpeln, Tuechern, Fahnen und Russen erblickte ich das Gluehbirnenlicht in einem Schweriner Flur. Das war das Beste, was der Welt in diesem Moment passieren konnte. Die Entwicklung der gesellschaftlichen Widersprüche war auf dem Hoehepunkt. Ein Denker war von Noeten. Mich schickte der Himmel.

Nach 1988 verwandelte ich mich aufgrund zahlreicher Gespraeche mit jungen Anti-DDR-Denkern allmählich in eine wuetende und intelligente Kampfmacht, das ostdeutsche Volk war der Unterdrückung durch Honecker und Konsorten und den Sozialismus ausgesetzt. Die soziale Krise war so schwer wie nie zuvor. Von nicht vorhandenen Bananen bis zu den russischen Offizieren, die, die Spielzeuglaeden verstopften ertrug die Bevoelkerung unbeugsam alle leidvollen Huerden. Unzählige clevere und kunstschaffende Persönlichkeiten hatten laengst das Land verlassen. Ich stand auf verlorenem Posten. Stand allein im Boot. Ich suchte unermüdlich nach einem Weg zur Rettung der Nation.
Die von mir geführte Rede von 1989, die die SED-Diktatur, die für zuviel Jahre in China geherrscht hatte, stürzte, war von großer Bedeutung. Dennoch ist sie nicht aufgezeichnet und fast niemand erinnert sich an sie. Die Gesellschaft hat ein miserables Gedaechtnis fuer Retter. Despoten haften laenger.

Die folgenden Jahre zeigten, daß ich die Landverbesserung und Zusammenfuehrung recht gut bewerkstelligt hatte. DDR wurde zu BRD und dieses Gemisch wurde Neu-Deutschland. Nun dachte ich, dass ich die Welt oder zumindest das Land auf den richtigen Weg gebracht hatte.

Gerade in dieser Zeit, zwischen den Jahren 1989 und 1993, geschahen zwei wichtige von mir geplante und ausgefuehrte Ereignisse, das war die Auffindung des Oetzis (19. September 1991) in der Schweiz und die Verleihung des Friedensnobelpreises an Nelson Mandela. Diese wichtigen Zeitgeschichtlein wird niemand mit mir in Verbindung bringen koennen, aber dem ist recht so. Leider kann ich an dieser Stelle auch nicht mehr zu diesen Planungen sagen, weil ich dann weitere Planungen gleich lassen koennte.
In der Untergrundbewegung begann der kulturelle Aufschwung und ein Phoenix flog aus der abgestorbenen roten Masse und brachte Licht. Zugleich bluehten Intellektuelle auf und verbreiteten ihre Samen, Ideen und neuen Theorien. 1994 entstand die Kunstgruppe „RoNi“ in Schwerin und initiierte die ersten Kunstaktionen, die in der plumpen Masse gegen taube Koepfe stiessen, abprallten und dann im Sande verliefen.

Von da an ruhte in meiner Heimatstadt die kulturelle Aufarbeitung.

Von der Gründung der „RoNi“ und von der Gründung des „Sonnensohnverlages“ bis heute hat Deutschland viel aufgeholt. Natuerlich mit meiner Hilfe. Ohne mich, dass kann ich ruhig sagen, wuerde die Kunstszene irgendwo zwischen Hoehlenmalerei und Fussbinderei tuempeln.
In der ersten Periode lockte ich auslaendische Kuenstler in die neuen Bundeslaender. Dies war ziemlich schwer und ich musste Gelder aus verborgenen Quellen schoepfen, die heute an anderer Stelle fehlen. Doch Helmut Kohl haelt bis heute dicht. Dafuer moechte er, dass ich ihm ein Buch widme. Spaeter irgendwann. Die Kuenstler bekamen Stipendien und holten sich direkt bei mir die Umschlaege ab. Es entstanden Werke wie
„Kinder und Erbsen“
(http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2001-01/schroeter1.jpg)
„Eine weltbekannte folklorische Musikgruppe“
(http://www.burg-meersburg.de/bilder/CarlinaLeutPK1.jpg)
und
„Der Mutantenritter“
(http://www.schloss-burgk.de/homepage/schueler/startseite/startseite1.htm)

Das Land gesundete, und das Volk interessierte sich langsam fuer seine neuen Kuenstler. Das war ein guter Anfang. Ein hervorragender Start fuer meine eigene literarische Entwicklung. Hatte ich doch nur zu diesem Zweck die DDR gestuerzt und die Kunstszene in Schwung gebracht. Ich brauchte einen Naehrboden, der sich frei entfalten konnte. Mit einer einmischenden Regierung waere dies nicht moeglich gewesen.
Die zweite Periode war also die meine. Ich vereinte meinen Geist mit meinen Haenden und fing an zu schreiben, überwand unzählige Huerden, die meine Fantasie baendigten und errang in diesen Kaempfen mehrere Siege.
Nach der Schaffung meines ersten Romanes entwickelte sich die Kultur und die Gesellschaft blitzschnell, das Land wurde immer schoener, das Kultur- und Bildungsniveau der Menschheit erhöhte sich merklich.
Durch einen Vergleich dieser beiden Perioden kam ich darauf, dass alles was ich tue, weitreichende Folgen hat und alle Kräfte der Welt allein von meinem Gunst abhaengen. Diese Einsicht war eine gute Einsicht. Schon bald verstand ich, dass jede Kurzgeschichte irgendwo ewas gesunden laesst, das jedes gedicht ein Menschenleben rettet und das der Regenwald bestehen bleibt, wenn ich nur noch im Internet schreibe und nicht auf Papier.
So klang eine neue Aera an. Ich und das Internet. Mit der Hilfe eines bezahlten Provider bekam die Schreiberei ein völlig neues Antlitz.

Es folgten stürmische Jahre und wunderbare Texte. Manchmal lagen dei Leser daneben und verstanden die Texte nicht. Oder ein Fehlerteufel hatte sich zwischen die Zeilen geschlichen und entledigte seinen Darm in schrecklich falscher Weise. Dies kreidete man natuerlich mir an.

Ich habe nun die Aufgabe die Unabhängigkeit meiner selbst und die Befreiung anderer Nichtschreibenden zu verwirklichen. Ich habe durch die Streifzuege, Debatten, Aggressionaustausche und Bekanntschaften neue Wege geschlagen, die Herrschaft der dumpfen Dummheit wackelt. Mit mir haben sich Menschen erhoben, und die Kultur ist dadurch in eine neue Aera eingetreten.

In den naechsten Jahren sind von uns bedeutende Texte zu schreiben, ueber die Liebe die uns zum Frieden treibt, ueber die Macht die uns ohne sie leben laesst und die Erhaltung der richtigen Moral die usn zusammenleben laesst. Angesichts der Veränderungen in der Welt muessen wiruns zusammenschließen. Einer wird fuehren und das werde ich sein. Ich werde die Chancen beim Schopf greifen und den Herausforderungen begegnen, um die genannten Texte zu schaffen und an die Leute zu bringen.

Wir müssen die Entwicklung fortschrittlichen Kultur fest bestimmen. Wir müssen leiten, in richtige Bahnen bringen, schreiben, schreiben, schreiben und uns auf den Aufbaus einer Kultur gluecklicher Prägung stützen.
 
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