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15 Seiten

Leviathan

Romane/Serien · Fantastisches
Als sich die Schleuse öffnete, sagte eine kultivierte Stimme: “Es geht los.“ Die Hand des Sprechers schloss sich fester um den Griff des Schlägers. „Ja...es geht los.“, lautete die Antwort.


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In dumme Situationen gerät man häufig durch dumme Ideen. Der Einfall, das Motorboot zu mieten, war definitiv eine dumme Idee. Und sie kam natürlich von Paul.

„Wahrscheinlich ist eine Düse verstopft...oder so! Muss mal alles durchsehen!“ Paul hatte sich über den Motor gebeugt und hantierte mit öligen Fingern und einem Schraubenschlüssel in dessen Eingeweiden herum.

Tanja lehnte an der Kajüte, die Arme unter der Brust verschränkt. Sie verdrehte genervt die Augen

„Bist Du seit Neuestem auch noch Fachmann für Verbrennungsmotoren oder was?“

Paul reagierte nicht auf die schnippische Bemerkung seiner Frau. Nur Lisa und Markus grienten ein wenig.

„Mist!“, rief Paul wütend aus. „Ich verstehe nicht, warum der verdammte Motor einfach den Geist aufgibt....!!“

„Ist doch halb so schlimm! Ist doch nichts weiter, als dass wir auf offenem Meer treiben, dass das Wetter immer mieser wird, dass keiner eine Ahnung hat, wo wir sind und dass das der krönende Abschluss unseres wundervollen Urlaubs sein sollte!“

„Ach, bitte Tanja! Was soll das denn jetzt! Willst Du etwa mich dafür verantwortlich machen, dass der Scheißmotor nicht mehr laufen will?!“ Er funkelte seine Frau wütend an. Die berüchtigte Schlagader, die über seine Stirn verlief, war vor Zorn angeschwollen. „Ich kann doch nicht wissen, dass die einem einen solchen Schrott andrehen! Und überhaupt: Ihr wart doch alle einverstanden, als ich vorgeschlagen habe, ein Boot zu mieten und gemeinsam rauszufahren! Jetzt bleibt ´s an mir hängen, wenn was nicht so glatt geht? Oder was?“

Tanjas Augen verengten sich für einen Sekundenbruchteil – dann senkte sie den Blick. Sie wusste nur zu gut, dass es nicht nur für sie sehr unangenehm werden würde, würde sie ihren Mann noch weiter provozieren. Paul Nachtwey mochte in der Möbelbranche einen gewissen Ruf als kompetenter Marketingfachmann haben – in seinem sozialen Umfeld indes waren sein Jähzorn und seine Neigung zu Gewalttätigkeiten legendär und längst ein offenes Geheimnis.

Dass auch seine attraktive und intelligente Frau viel zu oft schon Bekanntschaft mit seiner „Handschrift“ gemacht hatte, wurde nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand rumgetratscht.

Markus sah mit hilflosem Blick zu Tanja herüber, während Lisa, seine Dauerverlobte, versuchte, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen.

Beide waren so etwas wie die „besten Freunde“ des Ehepaars und mehr als einmal zur unfreiwilligen Zeugenschaft ehelicher Zwistigkeiten im Hause Nachtwey verurteilt worden.

„Vielleicht sollten wir versuchen Hilfe zu holen? Ich meine ja nur...“, sagte Markus zögerlich. Vermutlich wollte er so etwas wie einen konstruktiven Beitrag leisten und nicht als der unentschlossene, zu jeder eigenen Entscheidung unfähige Charakter dastehen, der er war; möglicherweise lag ihm auch daran, die gespannte Situation zu entschärfen – wie auch immer: Jedenfalls lenkte er Paul von seiner Frau ab.

„Ach...und wie stellt sich das der Herr Anwalt vor?“, sagte er mit säuretriefender Stimme.

„Ich...also...ich dacht´ mir...es gibt doch bestimmt ein Funkgerät an Bord...und ... äh...“

„Das Du selbstverständlich bedienen kannst! Rufst die Seenotrettung, wir werden aufgefischt und alles ist in Butter! Oder was?“ Es gehörte zu den hervorstechendsten Eigenschaften des Diplomkaufmanns Paul Nachtwey, allein durch seinen Tonfall Menschen demütigen zu können.

Markus Lieberherr war zwar selbständig als Rechtsanwalt, jedoch geradezu lächerlich erfolglos. Im Grunde lebten er und Lisa Schwerdtner von dem bescheidenen Einkommen, dass sie als Modeschneiderin verdiente.

Paul hielt ihn für einen Totalversager, eine „absolute Doppelnull“. Dass er ihn und seine „langweilige Zicke“ von Freundin überhaupt in seiner Nähe duldete, hatte einen ganz schlichten Grund: Die beiden amüsierten ihn!

„Müssen zusehen, dass wir irgendwie den Kahn flott kriegen. Oder Land erreichen. Soweit ich weiß, müssen hier rum einige Inseln sein. Schätze mal, dass es einfacher sein wird, an Land, als auf offener See.“ Er richtete sich auf, reckte die muskulösen Schultern und starrte hinaus zum Horizont.„Bin mir sicher, dass wir nicht weit weg von Land sind!“, murmelte er.
Keiner der anderen entgegnete etwas. Eine plötzlich aufkommende Windbö zerwühlte Pauls volles, braunes Haar. Er kniff die Augen zusammen und sah zum Himmel:„Scheint sich wirklich was zusammen zu brauen.“

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Der perfekt manikürte Zeigefinger des Mannes namens Schmitz glitt an Zahlenkolonnen entlang, als es klopfte. Er seufzte.„Ja?“

„Entschuldigen Sie, Herr Schmitz, eben kam ´n Anruf. Sie soll´n zum Chef kommen!“ Die Sekretärin verstummte und stand etwas linkisch, gummikauend im Türrahmen.

Schmitz seufzte erneut:„Ach...ist er im Hause? Worum handelt es sich?“
„Weiss nich`! Es hiess nur: ´Sofort und nich´ gleich!!´...“

„Tja...dann muss ich wohl...“ Er lächelte.

„Wie weit sind Sie mit den Listen?“

„Bin mit dem ersten Quartal fast fertig...ich...denk´ heut´ abend...“

Schmitz zog die bleiche Stirn kraus: „Ach Frau Meyer! Es wäre wirklich zu begrüßen, wenn Sie sich ein wenig beeilen könnten. Eine ganze Woche für die Inventur erscheint mir doch ein klein wenig zu lange. Nun ja...ich werde mich dann mal nach oben begeben. Ich hoffe sehr, dass Sie mir heute abend wirklich das erste Quartal vorlegen können Machen Sie sich wieder an die Arbeit! “ Er machte eine kleine Pause und lächelte:
„Sofort, heißt das...!!“

Die junge Frau erschrak und verließ eiligen Schrittes das Büro. Schmitz erhob sich mit einem leisen Lachen, strich seinen perfekt sitzenden dunkelschwarzen Dreiteiler glatt, griff nach der Kladde auf seinem Schreibtisch und verließ das Büro durch die rückwärtige Tür.

Schmitz drückte den obersten Knopf und wartete, dass sich der Aufzug in Bewegung setzte.

„Moment, Moment!! Nehmen Sie mich mit!!“, rief eine Stimme. Sie gehörte Meier von der Inneren Verwaltung. Er zwängte sich durch die zugleitenden Aufzugtüren. „Danke...war knapp!“ Meier war ein kleiner, untersetzter Mann mit wenigen weißen Haaren, die ihm jetzt in wilden Fransen vom Kopf abstanden. Er schnappte nach Luft wie ein Kiemenatmer auf dem Trockenen.
„Muss in die Drei!“, japste er. „Haben Probleme mit den Gerätschaften! Ärgerliche Sache, es ist immer die Drei! Zu oft im Einsatz! Komme einfach nicht zur Ruhe!“ Er wischte fahrig über den Ärmel seines schwarzen Anzugs. Er war von der gleichen Machart wie der von Schmitz. Jedoch verzichtete Meier auf die Weste.„Im Grunde müsste man den Laden für eine Weile komplett dichtmachen! Die ganze Anlage wieder auf Vordermann bringen. Pfeift längst auf dem letzten Loch. Unmöglich, so das volle Programm zu fahren.“ Meier musterte sein Gegenüber:„Na Schmitz, nicht unterwegs, neue verdammte Seelen einfangen, wie?“

„Klienten! Wir nennen sie Klienten!“, antwortete der Jüngere kühl.

„Ach ja...Sprachregelung...neue Zeiten...pfff!“ Meier pfiff abfällig durch die Zähne.„"Ich sag´ Ihnen was: Alles schön und gut, was ihr Jungen hier so alles verändert habt! Aber ich, bin ´n altes Frontschwein, habe Sodom und Karthago mitgemacht. War 64 – 68 in Rom. Waren andere Zeiten damals! Härtere! Aber wenn Sie mich fragen: Auch bessere! Verdammt!“ Der Blick seiner trüben, grauen Augen schweifte ab. Er riss sich zusammen und räusperte sich:„Na ja, bringt nichts, den alten Zeiten nachzuhängen!“ Er sah zur Anzeigentafel. „Meine Etage kommt gleich...“ Er musterte sein Gegenüber und fragte mit unverhohlener Neugier in der Stimme: „Fahren noch höher, was? Zum Alten?“

Schmitz hob andeutungsweise die linke Augenbraue. „In der Tat!“

Für einen winzigen Sekundenbruchteil loderte eine rotes Flämmchen in Meiers Augen auf.„Sieh an, sieh an...Sie machen sich, Schmitz...muss ich schon sagen...“

„Ihre Etage, Herr Meier“

„Wie? Oh ja, richtig!“ Er trat auf den Korridor. „Man sieht sich!“

„Sicher!“, antwortete Schmitz, die Türen glitten zu und der Aufzug setzte seinen Weg bis ganz nach oben fort.

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Frau Müller, die Chefsekretärin, lächelte, als Schmitz das Vorzimmer betrat. „Schön, dass Sie es so schnell einrichten konnten. Sie können direkt durchgehen. Seine Exzellenz erwartet Sie bereits “

„Ich weiß, danke!“, sagte Schmitz freundlich. Er blieb kurz vor der großen, mit Obsidian verkleideten Tür stehen, besah sein Spiegelbild und rückte die schwarze Seidenkrawatte zurecht. Dann klopfte er und betrat das Büro.

Der Raum war von gewaltigen Ausmaßen, die geschmackvoll – funktionale Einrichtung durchgehend und dezent in Schattierungen eines einzigen Farbtones, schwarz, gehalten. Die Stirnseite des Büros wurde von einer großen Fensterfront eingenommen. Die Jalousie des Fensters war zurückgefahren worden. Das Leuchten von vielen tausend Feuern floss von draußen in den Raum und bedeckte das schwarze Interieur mit lavaroter Glut. Auch den Hutständer, an dem eine karierte Bommelmütze hing und die linker Hand am riesigen Schreibtisch lehnende Golftasche.

Er stand mit dem Rücken zur Tür und sah hinaus. Sein massiger Oberkörper füllte gut und gerne zwei Drittel des Fensters aus. Der Widerschein der Feuer spiegelte sich auf seinem kahl rasierten Schädel. Er hatte die Arme hinter dem breiten Rücken verschränkt und bewegte die langen, aber erstaunlich feingliedrigen Finger in einem eigenen Rhythmus. Durch nichts gab er zu erkennen, dass er das Eintreten Schmitz bemerkt hätte.

Eine nahezu erdrückende Fülle von ungeheurer Macht und Autorität ging von ihm aus. Sie schien beinahe physisch greifbar. Nicht einmal die karierte Hose und das gelbfarbene Polohemd waren der Gesamterscheinung des Großen Vorsitzenden und Alterspräsidenten der Verdammnis AG abträglich.

Unwillentlich hielt Schmitz den Atem an und duckte sich ein wenig, während er nahe bei der Tür stand und wartete.

Ohne sich umzudrehen, ohne dass ihm anzumerken gewesen wäre, dass er von dem anderen Notiz genommen hätte, sprach er:„Ah, Schmitz. Kommen Sie, nehmen Sie Platz.“

Schmitz legte den langen Weg über den tiefen Teppich zum Schreibtisch zurück und setzte sich auf den Besuchersessel.

Der Große Vorsitzende griff nach der Fernbedienung auf der Fensterablage, drückte einen Knopf, die Jalousie glitt vor das Fenster und schloss das Licht der Feuer aus. Dann wendete er sich um und ließ erneut seine Bassstimme ertönen: „Freut mich, dass Sie sich beeilt haben. Machen Sie sich locker Schmitz, nicht so steif!“ Er sah Schmitz belustigt an und hob die tätowierten Rundbögen über seinen schwarzen Augen.

„Ähem...Danke, Euer Exzellenz“. In Schmitz Stimme schwang leichte Nervosität mit. Etwas zu hastig sagte er: "Wir können leider die Inventurlisten noch nicht vorlegen. Bedauerlicherweise dauert die Fertigstellung über Gebühr lange. Indes habe ich mir erlaubt, die Umsatzzahlen für das vergangene Geschäftsjahr zu Exzellenz Kenntnisnahme mitzubringen. Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Geschäftsentwicklung auch die gewagtesten Prognosen übertroffen hat und dass wir auf dem besten Wege...“

Der Große Vorsitzende lachte. Sein Doppelkinn mit dem schwarzen Knebelbart hüpfte auf und ab. Mit glucksender Stimme sagte er: „Schmitz, Schmitz...ich weiß doch, dass Ihr Jungs ganz hervorragende Arbeit leistet. Habe mich eben noch selbst davon überzeugt!“ Er hielt inne und musterte Schmitz mit scharfem Blick:„Aber um solche Kinkerlitzchen kümmere ich mich nicht mehr – schon lange nicht mehr. Kommen Sie, Schmitz, schauen Sie mich nicht so an! Nein, es geht um was anderes. Was wissen Sie über den Liopleurodon?“

Schmitz sah ihn überrascht an, Erfurcht klang in seiner Stimme als er antwortete. “Ah! Der Leviathan! Meeresreptil, gehört zur Gattung der Flossenechsen. Ausgewachsene Tiere messen bis zu 25 Meter, bei einem Gewicht von 150 Tonnen. Carnivor. Drei Meter großer Kopf, gewaltige Kiefer, scharfe Zähne, 30 Zentimeter lang. Perfekt an das Meer angepasst. Lauerjäger. Der größte Fleischfresser, den die Welt je gesehen hat. Ein wahres Meisterwerk der Schöpfung...ähem...Verzeihung!“

„Seien Sie nicht albern! Fahren Sie fort!“

„Nach menschlichem Wissens...pardon: Ermessensstand bereits vor 150 Millionen Jahren, im ausklingenden Jura, ausgestorben. Der gängige blanke Unsinn. Nun ja...Wie dem auch sei: Wir setzten die Tiere bis ins frühe neunzehnte Jahrhundert gelegentlich ein. Als reines Unterhaltungsprogramm und um die menschliche Erfindungsgabe in Bezug auf Mythen und Legenden anzuregen. Dies lag allerdings noch vor meiner Zeit, ähem... aufgrund einer Übereinkunft mit.....“ Er unterbrach sich, und nickte nach oben, „erklärten wir uns bereit, die Tiere künftig unter Kontrolle und in Gefangenschaft zu halten. Was sehr, sehr bedauerlich ist - wenn Euer Exzellenz mir diese Bemerkung gestatten! Denn die Aufzucht und Pflege des Liopleurodon in zwangsweise beengten Verhältnissen ist in höchstem Maße problembelastet. Derzeit verzeichnet die Abteilung ´Meereslebewesen´ des Tierparks einen Restbestand von vier Tieren. Davon sind drei männlichen Geschlechtes! Aufgrund des Ausbleibens von Nachkommen steht zu befürchten, dass es in absehbarer Zeit keine Liopleurodon mehr geben wird“ Mit einem Seufzer echten Bedauerns verstummte Schmitz.

Die schwarzen Augen des Großen Vorsitzenden ruhten ernst auf Schmitz. Er richtete sich zur vollen Größe auf und strich sich über den Bart. Erstaunlich leise sagte er: „Sie sind - wie nicht anders zu erwarten! – bestens informiert. Gratuliere! Aber eines wissen Sie anscheinend noch nicht... . Betti ist verschwunden!“

„Ähem...Verzeihung, ich vermag nicht ganz zu folgen...“

„Das Weibchen, Mann! Die Schleuse wurde geöffnet. Sie ist frei! Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, was das bedeutet!“

„Oh...in der Tat...das ist...ähem...Ich werde umgehend dafür sorgen, dass der Verantwortliche ausfindig gemacht und zur Rechenschaft gezogen wird!

Euer Exzellenz!“

Der Präsident winkte ungeduldig ab: „Das kann warten!! Vordringlich ist dafür Sorge zu tragen, Betti wieder zurückzuholen. Nicht dass ich der Kleinen den Ausflug nicht gönnen würde. Aber ich denke, wir können uns keine Vorfälle leisten...könnten in Teufels Küche kommen...im übertragenen Sinne natürlich!“

Schmitz hob eine Augenbraue und musterte den Vorgesetzten aufmerksamen Blickes.

„Sie gehören zu den besten Leuten hier, Schmitz. Keine Widerrede! Also! Setzten Sie alle Hebel in Bewegung und veranlassen Sie alles notwendige. Umgehend! Ich denke wir haben uns verstanden?“

Schmitz nickte.

„Gut!“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Muss mich sputen. Habe noch eine Verabredung!“ Er ging zum Hutständer und setzte die karierte Bommelmütze auf, die ebenso seltsam deplaziert wirkte, wie der Rest der Kleidung des Großen Vorsitzenden. Er schulterte die große Golftasche und blickte Richtung Fenster als er sagte: „Sie sind ja immer noch da...“

Schmitz erhob sich und beeilte sich den Raum zu verlassen. Er nickte der Chefsekretärin zu und folgte dem langen Korridor zum Aufzug. Ein Lächeln umspielte seinen schmalen Mund. „Immer noch eine imposante Erscheinung – das muss man ihm lassen! Beinahe möchte man ihm seinen bizarren Modegeschmack verzeihen!“

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Tanja Nachtwey kauerte mit angezogenen Beinen am Bug des kleinen Motorbootes. Obwohl inzwischen die Sonne schien und die See sich beruhigt hatte, klapperten ihr die Zähne vor Kälte.

Ihre Augen waren vom Salzwasser gerötet und brannten. Das blonde Haar klebte ihr in nassen Strähnen am Gesicht. Ihr Körper fühlte sich zerschunden an. Sie spürte jeden einzelnen Muskel. Aber sie lebte, sie alle hatten überlebt. Beinahe ein Wunder...

Der Sturm hatte die ganze Nacht gewütet, das kleine Boot war von gewaltigen Wellen wie der redensartliche Spielball herumgeworfen worden; riesige Brecher waren auf sie herabgedonnert, hatten versucht das Boot auseinander zu brechen; der Wind hatte an ihnen gezerrt, wollte sie von Deck reißen, hinab in die Tiefe, sie alle in einem nassen Grab zur letzten Ruhe betten. Aber sie hatten überlebt.

Hatten sich mit nie für möglich gehaltener Kraft an dem zähen, tapferen kleinen Boot fest gehalten; hatten Unmengen Meerwasser geschluckt, hatten es wieder erbrochen, hatten sich an das Schiffchen festgekrallt, hatten die Hiebe der Wellen ein – und weggesteckt – stundenlang. Und überlebt. Ja, es war beinahe ein Wunder!

Tanja starrte auf das Meer, sah in der Ferne den Blas eines Wales, aber schenkte ihm keine Beachtung. Sie blinzelte in die Sonne. Und fühlte sich merkwürdig stolz und erhaben. Überlebt!

Aus dem Inneren des Bootes drang die arrogante Nörgelstimme von Paul nach oben. Er war mit Markus unter Deck gegangen, um das eingedrungene Wasser auszuschöpfen und um festzustellen, ob ihnen noch Vorräte – in erster Linie Trinkwasser – verblieben waren.

Tanja zuckte zusammen. Der Klang der Stimme ihres Mannes vertrieb das merkwürdige Hochgefühl, das sich für einen kurzen Moment ihrer bemächtigt hatte. Sie sah sich um.

Lisa war am Heck des Bootes damit beschäftigt, Decken auf den Planken zum Trocknen auszubreiten. Sie hatte eine lange, hässliche Wunde am Oberschenkel. Aber sie verrichtete ihre Arbeit, tapfer, mit zusammengebissenen Zähnen.

Tanja beobachtete die zierliche Frau. Sie hatte eigentlich auch nicht wirklich viel für Lisa übrig – freilich aus ganz anderen Gründen als ihr Mann! – aber sie empfand ein wenig Mitgefühl für sie; wegen des verbissenen Eifers, mit dem sie sich um die klatschnassen Decken kümmerte.
´Etwas tun...egal was...dann geht ´s schon irgendwie! Vielleicht nicht so schlecht!?´, dachte Tanja, als die Männer wieder nach oben kamen.
„Wenn Du ´s nicht machst, mach´ ich ´s eben. Hätte ich eh wissen können, dass Du keinen Mumm hast!“ Paul erschien auf Deck.

Seine Silhouette zeichnete sich im Sonnenlicht vorteilhaft vor dem blauen Himmel ab. Die kräftigen dunklen Locken. Das Gesicht mit der eleganten Nase und dem kräftigen Kinn. Der durchtrainierte Oberkörper, die starken Muskeln vom Licht ausmodelliert.

´Traummann...´, dachte Tanja bitter.

Jetzt kam auch Markus an Deck: Klein, untersetzt, schütteres Haar, unterwürfige Haltung, ein weiteres Mal gedemütigt von Paul, dem Starken, dem Macher, dem Traummann.

Tanja biss sich auf die Unterlippe. Markus kroch förmlich wie ein geprügelter Hund zu Lisa. Die nahm ihn in den Arm.

´Hast was besseres verdient, Kleine! Aber wer hat das nicht...´, dachte Tanja und sah auf. Ihr Mann stand über ihr.

„Der Kahn scheint ´n Leck zu haben. Jemand muss in ´s Wasser, von außen nachsehen. Er...“, er nickte verächtlich zum Ende des Bootes, „...macht ´s nicht! Werde selbst ranmüssen! Wie immer!“

Tanja biss fester auf ihre Unterlippe. Die Worte ließen sich dennoch nicht aufhalten:„Selbst ist der Mann...und wenn ´s noch so ´n Murks ist!“

Die Faust traf sie hart und unvermittelt am Jochbein. Die Wucht des Schlages warf sie gegen die Reling. Sie stieß sich den Hinterkopf. Ein grelles Feuerwerk aus reinstem Schmerz explodierte hinter ihren Augen.

Paul packte ihr Kinn und riss ihren Kopf hoch. Angsterfüllt sah sie ihm in die Augen. Rote Wut verzerrte Pauls schönes Gesicht. Seine Stimme war ein hasserfülltes Zischen:„Pass auf! Pass bloß auf Du...“

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Betti beschleunigte ihren monströsen Rumpf mit perfekt synchronisierten Schlägen ihrer paddelartigen Flossen. Sie tauchte an die Wasseroberfläche, brach hindurch, erhob sich zu einem Zehntel ihrer Länge aus dem Wasser und schlug donnernd auf. Meterhoch spritzte das Wasser und formte einen Krater. Das Liopleurodon – Weibchen verschwand wieder in den Fluten. Um sich selbst drehend tauchte sie hinab in tiefere Gefilde. Nach den langen Jahrhunderten in Gefangenschaft genoss sie die neugewonnene Freiheit voller Übermut.

Sie trieb Fischschwärme vor sich her, erschreckte eine Gruppe Pottwale mit einem vielzahnigen Grinsen und genehmigte sich zwischendurch einen unvorsichtigen Hai, der sie fälschlich für einen Wal gehalten hatte. Sicher, es fühlte sich nicht so an wie damals, vor unendlich langer Zeit, als das Meer wärmer war, als ihre Vorfahren in der Tiefe auf die Ophthalmosaurus – Weibchen gelauert hatten, die einmal im Jahr in großen Schwärmen von weit her gekommen waren, um ihre Jungen im Meer lebend zu gebären. Aber schlecht, schlecht war es nicht.

Es fühlte sich gut an. Sie war gewissermaßen ganz in ihrem Element. Und sie wollte sich einmal so richtig amüsieren.

Betti filterte Wasser durch die Öffnungen in ihrer Schnauze. Ihre hochfeinen Sinne – stereo ausgelegt und sogar denen der Haie weit überlegen – unterrichteten ihr Gehirn über alle Lebewesen, die sich im Umkreis von mehreren hundert Seemeilen befanden.

Sie erkannte Delphine, Wale, Haie, unzählige Fischschwärme und witterte Riesenkraken in den finstersten Tiefen des Ozeans. Doch es war die Präsenz von etwas anderem, dass ihre Aufmerksamkeit weckte und sie antrieb.

Es war nur klein – nicht vergleichbar mit den Walen. Nicht so schneidig und wehrhaft wie die Haie. Nicht eins mit dem Meer wie die Fischschwärme. Es war fremd, es gehörte nicht hierher.

Aber Betti witterte eine Macht, die nicht von gewaltigen Kiefern und der immensen Kraft stählerner Muskeln herrührte: Einen machtvollen Willen! Den Willen alles zu beherrschen, den Willen sich jedes Ding und jedes Lebewesen untertan zu machen! Das Liopleurodon – Weibchen, Herrscherin der Meere in längst vergangenen Zeitaltern der Erdgeschichte spürte in ihrem kleinen Fleischfressergehirn so etwas wie eine Herausforderung.

Der Instinkt der Jägerin war geweckt. Sie beschleunigte mit mächtigen Schlägen der Flossen....hin zu der fremden Macht, die von den unbekannten Wesen ausging. Sie wollte ihre Kräfte mit jener Macht messen.

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Prustend tauchte Paul auf. Die Muskeln seiner Arme zeichneten sich unter der gebräunten Haut ab, als er sich an der Reling hochstemmte. Lisa reichte ihm eine der Decken, die inzwischen einigermaßen getrocknet waren.

Er schüttelte das nasse Haar. Er hatte eine hochzufriedene, triumphierende Miene aufgesetzt. Er genoss sichtlich die erwartungsvolle Anspannung der drei anderen. Es bereitete ihm Vergnügen, die Spannung bis zum Äußersten zu dehnen.

„Jaaaa...“, fing er enervierend langsam an und beobachtete sein Publikum mit Wohlgefallen. Tanja stand mit ineinander verkrampften Händen an der gegenüberliegenden Bordwand. Die Knöchel ihrer Hände traten weiß hervor. Das große Hämatom auf ihrem Wangenknochen brannte wie Feuer.

„Ja, es war ein Leck, recht klein...“, er machte eine Geste gespielter Bescheidenheit, die in ihrer Selbstgefälligkeit noch widerlicher war als sein überheblicher Blick.

„Hab ´s, denke ich, abdichten können!“

„Oh Paul, das ist...wunderbar!“, stammelte Lisa mit ehrfürchtiger Stimme.
´Blöde Tucke! Kriech´ dem Bastard doch noch in den Hintern!´, dachte Tanja angewidert.

„Na ja, war nichts besonderes...musste eben ein richtiger Mann ran! Nicht wahr, Markus?“ Der Angesprochene lächelte gequält und wurde puterrot. Tanja nagte an ihrer Unterlippe. In ihrem Innern wiederholte sie drei Worte. Ständig, unaufhörlich, wie ein Mantra: ´Ich hasse Dich, ich hasse Dich, ich hasse Dich....´

In hundert Meter Tiefe schwebte das Liopleurodon – Weibchen. Sie beobachtete das Boot schon eine ganze Weile aus ihren kleinen Reptilienaugen.

Sie hatte dem Wesen zugesehen, wie es unbeholfen an dem länglichen Ding entlanggetaucht war. Hatte seine erbärmlich schwächlichen Gliedmaßen im Wasser zappeln gesehen.

Ihre Sinne hatten ihr mitgeteilt, dass dieses Tier nur für einen winzigen Moment unter Wasser bleiben konnte – kaum länger als sie selbst benötigte, um ihr riesiges Maul mit den langen Zähnen zu öffnen. Trotzdem war das Wasser rings um das fischförmige Ding, von dem das Wesen herabgestiegen war, angefüllt von jenem Willen, den sie viele Seemeilen entfernt schon gespürt hatte.

Es war stark, dieses Tier. Und Betti, die kein anderes Tier jemals zu fürchten gehabt hatte, empfand auf einmal Angst.

Sie glitt tiefer. Beachtete nicht die Fische, die in panischem Schrecken Reißaus nahmen. Immer tiefer in das Dunkel der See.

Sie saugte Wasser durch ihre Nüstern. Ihr vorzüglicher Geruchssinn nahm Maß. Sie bewegte die Flossen. Stieg auf. Ihr Ziel war das Ding, auf dem das Wesen war. Sie beschleunigte. Sie bleckte die Zähne... .

„Ich denke, wir können noch eine Weile durchhalten – zum Glück haben wir genügend Trinkwasser. Und die eisernen Rationen haben den Sturm auch unbeschadet überstanden. Ich schätze, man sucht ohnehin längst nach uns!“ Paul war ganz der Herr der Lage. Selbstsicher. Überlegen. Der Held. Ein Siegertyp.

„Was ist, Tanja? Willst Du Deinem Gatten nicht auch ein wenig gratulieren? Was würdest Du nur ohne mich tun, hm?“

„Ohne Dich...wäre ich wohl kaum...“ Der Kiel zerbarst mit ohrenbetäubendem Krachen. Der riesige Schädel des Liopleurodon - Weibchens bohrte sich wie ein Rammbock durch den Rumpf. Der Leviathan witterte Panik und Entsetzten. Seine Schnauze bekam eines der Wesen zu fassen – es war noch schwächlicher als das Tier im Wasser! - und wirbelte es einige Meter weit hoch in die Luft. Als Lisa Schwerdtner wieder dem Meer entgegenfiel, war das letzte, was sie sah, ein unfassbares Maul.

Das Monster stieg auf, erhob sich bis zu den Brustflossen aus dem Meer, ragte über der Beute auf - und ließ sich mit seiner ganzen Masse auf das halb zerstörte Boot fallen. Es warf den Kopf herum und schnappte wild um sich. Dann tauchte es wieder ab.

„Oh mein Gott, oh mein Gott...was ist das...oh mein Gott...ich will nicht sterben!! Oh mein Gott!!!!“ Markus kreischte wie ein Besessener, kurz davor den Verstand zu verlieren. Er hatte sich an Tanja geklammert, seine Augen waren in wahnsinniger Todesangst aus den Höhlen hervorgetreten. Selbst an einen Überrest des Motorbootes geklammert registrierte sie alles mit fatalistischer Ruhe.

Sie spürte mit seltsam geschärften Sinnen die selbstsüchtige Panik Markus, der noch vor wenigen Minuten gesehen hatte, wie das Ungeheuer seine Freundin verschlungen hatte.

Sie sah klar und deutlich, dass Paul einige Meter entfernt bewusstlos mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser trieb. Sie hörte die Schläge von drei Meter langen, paddelartigen Flossen unter Wasser. Sie bewunderte einen Rachen, angefüllt mit Zähnen, jeder einzelne Reißzahn so lang wie ihre Ellenbogen.

Sie hörte die Knochen ihres Mannes wie Essstäbchen brechen. Sie bemerkte, wie sich das brodelnde Wasser verfärbte. Sie blickte in ein lidloses trübes Reptilienauge. Und dachte – kurz bevor sie das Bewusstsein verlor:
„Nimm ´ mich!“

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Eine schwarz gekleidete Gestalt stand am Strand der kleinen kargen Felseninsel. Sie sah auf die beiden ohnmächtigen Menschen herab und strich sich nachdenklich über das Kinn. Obwohl eine starke Brise vom Meer herüberwehte, behielt das sorgfältig gescheitelte Blondhaar des Mannes seinen tadellosen Sitz.

„Und?“, fragte der Mann namens Schmitz ohne sich umzudrehen als eine zweite Person, ebenso in einen schwarzen Dreiteiler gekleidet, leise herantrat. Der andere Mann räusperte sich verlegen:

„Also...hmm...wir haben sie. Sie hat auf den Lockruf reagiert. Mussten sie ruhigstellen. War noch völlig aus dem Häuschen... „

„Keine ganz angemessene Metapher, wie mir scheint. Aber...nun gut...!“ Er blickte weiter versonnen auf Tanja Nachtwey und Markus Lieberherr.

„Ich nehme an, dass sich die beiden, wenn sie wieder bei Bewusstsein sind, an nichts erinnern werden?“

„Selbstverständlich, Herr Schmitz!“

„Gut, ausgezeichnet... . Sagen Sie, Schmitt: Wurde dem Mann eigentlich schon einmal ein Angebot unterbreitet?“

„Äh...nicht das ich wüsste...äh...“

„Ich denke, dass wir das so bald wie möglich nachholen sollten. Ärgerlich genug, dass wir bei der ganzen Geschichte schon einen Klienten verloren haben. Wir standen im Falle Nachtweys kurz vor der Vertragsabwicklung...wirklich sehr ärgerlich!“

„Was ist mit der Frau, seiner Witwe...sollen wir...ich meine...äh...“ Schmitz drehte sich zu seinem Mitarbeiter um und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Mit tadelnder Stimme sagte er:
„Sie sollten lernen, sich in ganzen Sätzen auszudrücken, Schmitt. Das bringt sie weiter, glauben Sie mir!“ Er wendete sich wieder ab und sagte mit seltsam fernem Tonfall: „Aber um ihre unausgesprochene Frage zu beantworten: Nein, ich fürchte, das wäre Zeitverschwendung...“


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„Nur herein, nur herein, Schmitz! Kommen Sie - bin richtig neugierig, was sie mir zu berichten haben!“ Der Große Vorsitzende, einmal mehr in seinen Golfdress gewandet, räkelte sich in seinem Schreibtischsessel.

Schmitz nahm Platz und erstattete in nüchtern - sachlichem Tonfall Bericht:“...kamen unsere Spezialisten auf die Idee, es mit dem Paarungsruf eines Männchens zu versuchen. Anscheinend sind sich die Tiere in gewisser Weise darüber bewusst...ähem...dass ihre Art vom Aussterben bedroht ist. Nun ja...wie dem auch sei: Das Weibchen reagierte und wir konnten sie wieder einfangen. Sie ist nunmehr wieder sicher untergebracht.“

„Und sonst...keine...Vorkommnisse?“

„Leider doch, Euer Exzellenz. Wir haben das Ableben zweier Menschen zu ...ähem...beklagen. Zu meinem eigenen, allergrößten Bedauern gehörte auch ein Mensch namens Paul Nachtwey dazu. Seit langem bei uns aktenkundig und unter der Vertragsnummer 93/9393/666 geführt. Nun ja...Das andere Opfer ist eine Frau; allerdings keine unserer Klienten.“ Der große Vorsitzende nickte mit seinem großen, glattrasierten Schädel.„Na ja, Schmitz! Deswegen müssen wir den Laden nicht gleich dichtmachen!“ Er lachte dröhnend.„Und...haben ihre internen Ermittlungen etwas ergeben?“ Er sah Schmitz aus seinen schwarzen Augen scharf an.

„Nun...es scheint beinahe so, als wäre Meier von der Inneren Verwaltung in die ganze Angelegenheit mehr als nur oberflächlich involviert...“

„Ach? Sagen Sie bloß! Kenne den alten Meier gut. Hat sich einige Auszeichnungen verdient...damals...lange her....“

„Ja, das ist allgemein bekannt. Nun, er hielt sich in der letzten Zeit ständig bei den Becken auf. Anscheinend saß er stundenlang davor. Einer der Pfleger sagte aus, dass er sich einmal sehr auffällig für den Schleusenmechanismus interessiert habe...Schließlich ist seine Aversion gegen jegliche Modernismen bekannt...Er hat die Angewohnheit, ständig den guten...Verzeihung!...schlechten alten Zeiten nachzutrauern. Somit sprechen einige Indizien gegen ihn beziehungsweise sogar für seine Täterschaft...ähem...“

Der große Vorsitzende hob eine tätowierte Augenbraue und verschärfte den Blick:

„Sie scheinen nicht davon überzeugt zu sein, dass es Meier war?“

Schmitz hob seinerseits eine Augenbraue und erwiderte ruhig den Blick des Großen Vorsitzenden. „Ich möchte mir nicht anmaßen, die Kompetenz unserer Ermittler anzuzweifeln. Es wird alles seinen üblichen Verfahrensgang nehmen.“

„Sie sagen es, Schmitz, Sie sagen es!“ Der Große Vorsitzende lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück. Er gähnte herzhaft.„Na dann, Schmitz...will sie nicht aufhalten, haben jetzt bestimmt eine Menge aufzuarbeiten, was?“

Schmitz erhob sich:„Euer Exzellenz!“ sagte er und verbeugte sich. Er spürte den Blick seines Vorgesetzten im Rücken, als er gemessenen Schrittes zur großen Tür des Büros ging...und noch als er den Aufzug anforderte.

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Es war ein perfekter Abschlag. Der Ball beschrieb eine elegante Flugbahn, erreichte seinen Scheitelpunkt, verlor an Höhe, senkte sich dem Boden entgegen und landete weich auf dem Grün. Eine feingliedrige, weiße Hand beschattete schlohweiße Augenbrauen. Das erwürdige Haupt mit dem langen weißen Haar und dem vollen Bart nickte zufrieden.

„Nicht schlecht! Du wirst immer besser!“, der große Vorsitzende der Verdammnis AG setzte einen Ball auf den Abschlagpunkt, wählte das Neunereisen und ging in Position

„Ja, Übung macht den Meister, nicht wahr?“ Der Weißhäuptige schmunzelte:
„Es war ein wenig wie in alten Zeiten...Erfurcht vor der Macht und Stärke der Schöpfung...und dem ´Allmächtigen im Himmel´...ettzetera, ettzettera. Du weißt ja, wie ich meine vielen Titel hasse!“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.„Ich frage mich nur...Dein Mann, dieser Schmitz...meinst Du, er...“

„Ein sehr aufgeweckter Bursche. Sehr eifrig. Vielleicht ein wenig zu eifrig. Ich fürchte, ich werde nicht umhin kommen...“

„Doch nicht etwa??“

„...nicht umhin kommen, ihn zu befördern. Hole ihn in den Vorstand. Da hab´ ich ihn besser unter Kontrolle!“

„Ich sehe schon: Es ist und bleibt Dein Laden! So sollte es auch sein!“

Der große Vorsitzende holte zum Schlag aus, als der andere weitersprach.

„Aber sag´ mir eines: Warum die Frau? Sie gehörte uns!“

Der Angesprochene hielt mitten im Schlag inne und zwinkerte:„Eine kleine Schurkerei...“

„Du bist ekelhaft!“

„Du auch, bisweilen... Bruderherz!“ Sprach ´s und schickte den Golfball auf eine ebenbürtig gelungene Flugbahn.
 
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Kommentare  

Auch diese Geschichte hat mir gut gefallen. Der Humor ist hier zwar nicht ganz so deutlich wie bei "Die Nebenrolle", was der Geschichte aber keinen Abbruch tut!
Teufel und Gott, bzw. Hölle und Himmel haben es Dir ja richtig angetan, was? Wobei Dich die Beziehung der Höllenvertreter zum Menschen im Besonderen interessieren.
Die Figur der Tanja finde ich am interessantesten!
Und die Pointe, bzw. die Auflösung der Geschichte ist Dir auch wieder gut gelungen!

Gruss
Ingo


Ingo Gärtner (09.11.2004)

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