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Schwarz sein

Romane/Serien · Aktuelles und Alltägliches
Bemerkungen eines Außenseiters unter Außenseitern

Einleitung
Als in den achtziger Jahren die Ersten auftauchten, nannte man sie sich noch Grufties oder auch einfach nur Waver. Wie so vieles war es keine ureigene deutsche Erfindung. Es schwappte wohl – wie manches andere – von der „Insel“, auch bekannt als England, auf ´s Festland, namentlich auch nach Deutschland. Damals war alles anders: „Schwarze“, wie man diese Menschen der Einfachheit nennen sollte, waren so eine Art „Luxuspunks“. Sie trugen etwas andere Kleidung – meistens schwarze. Sie sahen seltsam aus, wenngleich sie im Unterschied zu den Punks, nicht zum Lumpenproletariat gehörten bzw. gehören wollten. Sie waren bleich, schwarz, wortkarg, wirkten auf die „Anderen“ vom Establishment fremd, manchmal auch furchterregend. Ihre Helden waren Bands wie „The Cure“, „Echo and the Bunnymen“, “Sisters of Mercy”, “Bauhaus” und “Dead Can Dance”. Daneben waren schon damals Sachen wie Okkultismus, aber auch Interessen an Kunst oder Literatur zu beobachten. Aber das waren – damals – Randerscheinungen. Wichtig waren in erster Linie das eigenartige Styling und die Musik. Es herrschte eine ähnliche „no future“ – Stimmung wie bei den Punks. Nur eben weniger aggressiv, ohne Anarchiegeschrei, Pogotanzen, Bierexzesse und dergleichen. Eher so etwas wie eine nach außen hin demonstrierte Traurigkeit und Schwermut. Dass man geboren war in eine kalte, grausame Welt, deren Untergang unweit bevorstand.

Auch im Nachhinein seltsam erscheint es, wenn ein braver Gymnasiast von den seinerzeit sehr populären Anti – Atomkraft – Demos, friedensbewegten Diskussionsrunden und Solidaritätskonzerten (u. a. zugunsten der solidarnosc – Bewegung in Polen), direkt überging zum andersartigen „Schwarzsein“. Von einem auf den nächsten Tag Bundeswehrparka und Palistinänsertuch ab- und stattdessen schwarze Kleidung anlegte. So geschah es mir, 1984 war das Jahr meines Eintritts. In das, was man heute „schwarze Szene“ nennt, damals aber eigentlich keinen Namen hatte. Es war nur das Andere, das Außenseitertum, was anzog, faszinierte.

Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die damaligen Mittelschichtjugendlichen, welche das Privileg hatten, höhere Schulen zu besuchen, v. a. eine bizarre Neigung zur ernsthaften Basisarbeit zum Erhalt des Weltfriedens hatten. Wo es durchaus gang und gebe war, sich gegen die Isolationshaft der RAF – Terroristen in aller Entschiedenheit auszusprechen („Folter“), wo man Friedenstäubchen auf blauem Grund auf der Schultasche mit Stolz zur Schau trug; wo man meinte, dass SMV (sog. Schülermitverantwortung) geeignet war, die Aktionen und politischen Taten der Außerparlamentarischen Opposition (APO) der Mütter und Väter an Wirkung noch bei weitem zu übertreffen. Ja, das war es , was von der nachwachsenden Bildungselite erwartet werden musste. So fern man nicht zur anderen, auch nicht kleinen Gruppe gehörte: Jenen, die - damals schon fortschrittlicher als ihre Eltern - sich nach einem Leben im Wohlstand nebst eigener Unternehmung, namentlich im Finanzsektor zuzüglich lebenslanger Mitgliedschaft in der erstmals seit längerer Zeit an der Macht befindlichen CDU sehnten. Aber Gruftie ? Das passte nicht in das Bild der mehrheitsfähigen Daseinskonzepte!
Leider war nicht alles schwarz, was seidig glänzte. Auch wenn die Begegnungen mit anderen Schwarzen seinerzeit eher spärlich gesät waren: Die, die ich hatte, waren eher ernüchternd und gekennzeichnet von dem, was man wohl „Ausgrenzung“ bzw. - bei Wechsel des Blickpunktes – „Abgrenzung“ nennen muss. Denn ein äußeres Erscheinungsbild zog mitunter den Blick ähnlich gewandeter Personen an, irgendwann kam es auch – sofern gar nicht mehr vermeidbar – zu einem Gespräch. Im Verlaufe eines solchen kam man dann auf Musik zu sprechen. Was nicht ganz verwunderlich ist, da das Hören von Musik gerade während des Heranwachsens eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist. Und musste feststellen, dass die Unkenntnis eingangs genannter Bands und deren Musik vor allem eines bedeutete: Nulllinie, Exitus, Aus, Gestorben! Es muss hinzugefügt werden, dass die Nennung der Namen Keith Jarrett, Al Di Meola, Bach, Charlie Parker und Paco De Lucia usw. nicht allein auf Unverständnis stieß; nein, hatte man sich solcherart als Anhänger der Musikspielarten Jazz, Fusion und Klassik zu erkennen gegeben (später sollte man das „outen“ nennen), so war man ein für allemal und unwiederbringlich erledigt und wieder draußen. Aus der Szene.
Da ich aber die schwarze Kleidung nicht ablegen wollte – eine gewisse Sturheit, manchmal Konsequenz genannt, gehört eben mal dazu - , war ich auch weiter außen vor bei den Anderen, den mehrheitsfähigen Heranwachsenden. Gleich ob es sich dabei um angehende Linksintellektuelle und Grünenabgeordnete handelte oder um die besondere Spezies der sog. (Möchtegern-)Yuppis (Young Urban Professionals).
Vom Gefühl und den Kleidern her schwarz, dabei aber als Modern Jazz und Klassik liebender und spielender Mensch von den Schwarzen abgelehnt, waren die von Menschen- und Nächstenliebe durchdrungenen Aktivisten der Friedensbewegung nicht wirklich besser: Schon damals fielen schmückende Bezeichnungen wie „Satanist“ – wobei ich eingestehe, dass ich mit diesem Begriff seinerzeit nichts, aber auch gar nichts anzufangen wusste; zumindest aber wurde ein stiller Charakter, der sich, nach außen durch die „Trauerkleidung“ demonstriert, nur in dauerndem Selbstmitleid erging, als untauglich für ernsthaften Aktivismus zum Wohle der Welt eingestuft. Vater Staat war, was die Tauglichkeit anging, allerdings anderer Meinung. Und so stand nach abgelegter Abiturprüfung der Wehrersatzdienst an. Möglicherweise lag es am Einsatz in der Krankenpflege (weißer Kittel): Die schwarze Kleidung wurde nur noch in der Freizeit und immer seltener angelegt – schließlich verschwand sie bzw. war nicht mehr alltägliche „Ausgehuniform“. Die Zeit verging. Es folgten Studium, Arbeit und alles, was früher oder später jeden oder fast jeden treffen mag. Das juvenile Intermezzo schien zu dem zu werden, was solcherlei gemeinhin darstellt: Eine Episode im eigenen Leben, allenfalls gut, um als kleiner Schwank in trauter Nostalgierunde („Weißt du noch, damals, als........“) zum Besten gegeben zu werden. Eine Stufe im Sozialisationsprozess des Heranwachsenden. Nur..........das Gefühl, das mich seinerzeit bewogen hatte, das schwarze Gewand zu tragen: Es war nie wirklich verschwunden! Und so mag es für manche überraschend gewesen sein, für mich selbst war es kein großer Schritt:: Nach Abschluss von Studium und ersten Gehversuchen im Beruf, legte ich sie wieder an, die schwarze Kleidung. Denn das gefühlte Anderssein erforderte auch einen Wechsel – besser eine Rückbesinnung – auf ein äußeres Anderssein. Es war schwarz. Und jetzt sollte es auch nicht lediglich alleine, sondern zusammen mit Gleichgesinnten gelebt werden!
Die „neue“ Szene
Waren die achtziger Jahre gekennzeichnet von einer allgemeinen Nüchternheit, einem schonungslosen Realismus, der sich u. a. in einem neuen Streben nach persönlicher Vollkommenheit – in erster Linie nachzuweisen über die Gehaltsklasse – ohne dabei irrationale Träumereien zuzulassen - , aber auch in einem neuen Bewusstsein in Hinblick auf soziale Missstände und Umweltschutz ausdrückte, änderte sich dies in den Neunzigern. Zwar galt und gilt nach wie vor der als erfolgreich, der ein großes Einkommen nachweisen kann; zwar hat sich - wenn auch eher zwangsweise – ein gewisses ökologisches Denken auf breiter Front in den Köpfen festgesetzt (Mülltrennung!); zwar zeigt man, so man denn hierauf angesprochen wird, sich stets betroffen wegen des Elends in der Welt, es gab Lichterketten und Friedensdemonstrationen, es wird gerne (?) gespendet – dennoch: Ein wachsender Trend ist der Rückzug ins Private, eine offene Konsumfreudigkeit , die von einer ins gigantische angewachsenen Unterhaltungsindustrie noch zusätzlich geschürt wird, dabei aber auch eine vermehrte Sinnsuche. Die Suche nach einem „Etwas Mehr“ für das eigene Leben, mehr jedenfalls als Arbeitsalltag, Fernsehsport und Trallala. So nimmt es nicht Wunder, dass auch eine Szene neu entstand, die sich eigentlich längst selbst beerdigt hatte.
Auf einmal sah man – etwa ab Mitte der Neunziger - Szeneblätter am Kiosk – wurden hin und wieder junge Menschen in dunkelschwarzen Klamotten auch bei Tage in den Fußgängerzonen gesichtet. Es kamen „Szeneläden“ auf, die in erster Linie Boutiquen für den etwas anderen, schwarzen Geschmack waren (z. B. eröffnete im Jahre 1992 der erste X –Tra –X Shop, mittlerweile eine Kette inklusive online –shop, die heute drei große Filialen zählt und sich bei Szenegängern einer fanatischen Zuneigung erfreut) und nicht zuletzt: In Leipzig, der heimlichen Hauptstadt des Bundeslandes Sachsen, wurde das sog. Wave – Gotik – Treffen (WGT) zu einer festen Institution und feiert sich seit nunmehr bald zwölf Jahren als „jährliches Zusammenfinden“ der „schwarzen Szene“ zu Pfingsten.
Ein Trend, der ab Mitte der Neunziger Jahre vielerorts zu beobachten war, war das Wiederaufbereiten längst vergessener und überstandener Moden aus früheren Jahrzehnten. Der Mainstream fing an, sich mit dem Zeitalter des schlechten Geschmackes, den Siebzigern, zu befassen. Modedesigner erkannten auf einmal in Unsäglichkeiten wie Schlaghosen, Plateausohlen und PVC – Jacken ungeahnte Möglichkeiten, der nicht mehr vorhandenen Kreativität einen neuen Schub zu verpassen. Die Massen an Verbrauchern stürzten sich dankbar auf den wiederaufbereiteten Müll. Denn das war es: Müll! Dinge, die schon in der Zeit ihrer ursprünglichen Entstehung hässlich waren. Dennoch aber dem damaligen Zeitgeist entsprungen waren. Als aber findige Marketingstrategen und scheinbar Kreative daran gingen, die Müllcontainer eines überwunden geglaubten Jahrzehnts zu plündern, war dies nichts als Recycling - Zeitgeist aus zweiter Hand.
Die schwarze Szene verhielt sich innerhalb des allgemeinen „Retrobewusstseins“ noch konsequenter: Man ging zurück in die Zeit des viktorianischen England, streifte die Epoche der Aufklärung und landete schließlich beglückt im Mittelalter. Die Bezeichnung „Gruftie“ – ohnehin eher von Szenefremden für die Schwarzen gewählt – wich, als ob es innerhalb der Szene eine Art Referendum gegeben hätte, der Bezeichnung „Gothic“. Szenegänger nannten und nennen sich seither überwiegend „Goth“. Dabei verweisen die Worte einerseits auf das 19. Jahrhundert, nämlich auf die Zeit der in der Romantik entstandenen sog. „gothic - novel“, neben einigen anderen v. a. repräsentiert durch Bram Stoker (Dracula) und Mary Shelly (Frankenstein); des weiteren nahm man aber auch Bezug auf die kunsthistorische Epoche der Gotik, die ihre Blüte im Hochmittelalter erreichte und im 16. Jahrhundert durch die Renaissance abgelöst wurde. Dieses Zurückwenden in vermeintlich bessere Zeiten ging einher mit einem wachsenden Interesse an der Literatur der romantischen Epoche – wobei die Kenntnisse meistens kaum über die vorstehend genannten Schauerromane hinausgehen – sowie an Bildender Kunst und Architektur. Dabei fielen und fallen nach wie vor mit stressender Permanenz die Eigenschaftswörter „düster“, „melancholisch“ und „dunkel“, gerne verknüpft mit einem neu entdeckten Hauptwort:: Romantik!
Ich muss gestehen, dass ich selbst seit längerem ein Bewunderer bestimmter romantischer Autoren war, namentlich des Prototypen des romantischen Poeten, dem englischen Adligen George Gordon Noel Lord Byron. Desgleichen konnte ich den Gemälden des romantischen Landschaftsmalers Caspar David Friedrich ebenfalls seit der Schulzeit einiges abgewinnen. Und die Musik der Romantik? Soweit es einzelne Komponisten wie Chopin, Brahms, Mendelssohn und mit Abstrichen Tschaikowski betrifft – bitte gerne! Was allerdings hieran „düster“ ist...hat sich mir bis heute nicht aufgetan.
Ein weiterer gesamtgesellschaftlicher Trend, der natürlich auch nicht an einer Sub – bzw. Gegenkultur wie der schwarzen Szene vorbeiging, war die Hinwendung zu Esoterik, Mystizismus und Okkultismus. Es könnte am wachsenden Zerfall der einstmals stabilen Strukturen des sozialen Nahraums liegen, an der Entfremdung des Einzelnen von der ihm zugedachten Stellung innerhalb der Gesellschaft, an der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der christlichen Kirchen, an der Übertechnisierung und scheuklappenblinder Fortschritts- und Technologiegläubigkeit – was auch immer die Ursache sein mag! Auffällig ist es schon, das Interesse vieler Menschen in der schwarzen Szene an alternativen Glaubensrichtungen, an Naturreligionen, Merkwürdigkeiten wie Vampirismus und Satanismus, Engeln, Schamanismus, Wicca – Kult und Magie im allgemeinen. Obwohl ich für meinen Teil Dingen wie Esoterik in allgemeinen und Magie im besonderen eher distanziert gegenüberstehe, weckten trotzdem die Leute, welche sich da als Hexe, Schamanin, Vampir oder „Fürst der Finsternis“ bezeichneten, meine Neugier. Das mag wohl auch daran liegen, dass auch ich die Spielerei mit Symbolen des alternativen Glaubens, insbesondere mit dem Pentagramm/Drudenfuß und auch Kreuzen damals wie heute betrieben habe...
Schließlich - das sei jedoch nur der Vollständigkeit erwähnt – gibt es noch eine weitere Ausrichtung innerhalb der Szene, die sich mit der „düsteren“(!) Erotik beschäftigt. Namentlich geht es hierbei um S/M und Fetisch – Sex. Es wäre durchaus möglich, dass der Hang zu schwarzen Lack- und Lederoutfits, wie sie von denen bevorzugt werden, die solcherlei Formen der Nächstenliebe praktizieren, gewissermaßen die Eintrittskarte in die schwarze Szene darstellt. Damit habe ich mich indes nie näher beschäftigt, da das Thema mich eher langweilt. Von daher enthalte ich mich auch im weiteren jeden Kommentars.
Wie dem auch sei: Mein Interesse, in erster Linie hervorgerufen durch die einschlägigen Szenemagazine und deren umfangreiche Kleinanzeigenrubriken, war geweckt. Und ich begab mich auf die Suche. Einerseits um zu verstehen, was es ausmacht „Goth“ zu sein; andererseits wollte ich die Menschen kennen lernen, die ihr Anderssein in der schwarzen Szene lebten. Dass es dabei zu insgesamt eher unangenehmen Begegnungen und Erlebnissen kam, sei schon vorweg gesagt. Dennoch sollen im folgenden - zusammengefasst unter einzelnen Stichworten – einige Randbemerkungen, welche freilich völlig subjektiv und ohne den Anspruch auf objektive Wahrheit(en) sind, dem interessierten Leser angeboten werden
Gothic - Klischees
„Klischee“ – ein Wort das ursprünglich aus der Druck – bzw. Reprotechnik stammt, wird im übertragenen Sinne gerne negativ behaftet gebraucht. Es bedeutet dann „Abklatsch“ bzw. „Nachahmung ohne Eigenerfindung“. Von Außenstehenden wird die Szene gerne als durch und durch „klischeehaft“ empfunden. Mit einem Hang zur Uniformierung, einer einheitlich schwarzen versteht sich! Sieht man einmal ganz davon ab, dass jeder Normalbürger, so er denn die Kleidung trägt, die dem momentanen Modediktat entspricht, sich nicht weniger uniformiert – nur eben nicht unbedingt monochrom – so scheint es in der Tat innerhalb der Szene einige unabdingbare Verhaltensvorschriften zu geben, die sich auf das äußere Erscheinungsbild des Szenegängers auswirken. Dass diese ihrerseits eine Nähe zum klischeehaften nicht verleugnen können, ist den Schwarzen teilweise durchaus bewusst. Wenn man dann trotzdem in seiner Person die jeweiligen Klischees überreich erfüllt, geschieht dies bei intelligenteren Zeitgenossen mit einem Schulterzucken und der Bemerkung: „Was soll ´s! Mir gefällt ´s!!“ Eine sehr sympathische Haltung, die ich im übrigen teile: Denn auch in meiner Person vereinigen sich so einige klischeehaften Erscheinungen – wenn auch etwas ausgedünnt und nicht ganz der reinen Le(e)hre entsprechend.

- Kleidungsstil
Der Schwarze trägt schwarz. Das ist natürlich eine Tautologie und es scheint überflüssig, dies ausdrücklich zu erwähnen. Dennoch bin ich stets auf´ s Neue verwundert, welche Bedeutung der Kleidung im besonderen beigemessen wird.
Es genügt keinesfalls nur schwarz angezogen zu sein. Der wahre Goth, diese Auffassung hat zumindest die Mehrheit, kleidet sich, sofern er nicht die Befähigung zum Selbstschneidern hat, nicht in Massenkonfektion sondern wählt die Produkte, wie sie von bestimmten Boutiquen angeboten werden. Die an anderer Stelle erwähnte X – Tra- X- Kette ist bei echten Szeneinsidern vergleichbar mit den überteuerten Kleidungsläden italienischer Modedesigner für den Geldadel. Es gehört anscheinend zum guten Ton, wenigstens die Grundausstattung aus dieser Quelle zu beziehen. Entsprechend ist dieses Unternehmen bei Veranstaltungen der Szene gerne präsent, so selbstverständlich beim alljährlichen WGT und anderen Festivals. Dass das Heft „Zillo“, von dem an anderer Stelle noch zu reden sein wird, regelmäßig die mehrseitigen Anzeigen des Szenekonfektionärs druckt und gerne mal die eine oder andere Gefälligkeitsreportage – gegen Bares- über einen X – Tra – X – Shop bringt, ist ein gewisser Hinweis auf die marktführende Stellung dieses Ladens und seiner Bedeutung für die schwarze Szene. Sicher gibt es auch andere, selbständige Bekleidungsläden. Allerdings hängen dort mehrheitlich Sachen, die das X – Tra X – Label tragen bzw. vom selben Hersteller stammen. Dies ist per se nichts Schlimmes. Auch ich muss eingestehen, dass ich manche Stücke aus dem Katalog zu schätzen weiß. Ich bin sogar Eigentümer eines Satinhemdes mit schwarzer Spitze, welches zwar meistens im Schrank hängt und schon einige Ausbesserungsarbeiten über sich ergehen lassen musste – dennoch: Es ist mir lieb und teuer, wenn auch kaum getragen. Fraglich erscheint jedoch, ob dieses Unternehmen wirklich noch „underground fashion“ anbietet bzw. herstellt. Wenn auch nicht vergleichbar mit dem schwedischen Billigschneider Hennes & Mauritz (H&M), so wird dieses Unternehmen keineswegs auf exklusive Einzelanfertigung setzen (können), sondern ebenfalls Massenware billig ein –und teuer verkaufen. Welche selbstverständlich ihre dankbaren Abnehmer, sprich Käufer, findet.
Recht beliebt sind knöchellange Ledermäntel in der Szene. Dies mag ein Überbleibsel aus den Achtzigern sein. Damals wurden solche gerne von englischen Musikern bzw. Musikgruppen getragen (Sisters of Mercy, Echo and the Bunnymen). Aber auch der mir nicht näher bekannte Actionfilm „Matrix“ schien hier stilbildend gewirkt zu haben. Wie dem auch sei: Man sieht sie oft, diese Mäntel. Im übrigen bei männlichen wie weiblichen Schwarzen. Dass freilich nicht jeder Mantel aus schwarzem Porknappa szenekompatibel ist, war eine recht amüsante Erfahrung meinerseits, die ich in Leipzig machen durfte. Mehr zufällig kam ich in ´s Gespräch mit einem jungen Mann, der in einem sog. „Secondhandshop“, welcher zu einem Großteil Neuware aus dem X – Tra – X – Katalog anbot (sic!), auf der Suche nach einem Mantel war. Meiner schien ihm zu gefallen. Als wahrer Kenner war ihm nicht entgangen, dass mein Mantel etwas anders geschnitten ist, als die von den Szenegängern getragenen. Als ich ihm sagte, dass der Schneider auf den Namen C&A hört, war die Reaktion ein schmerzverzerrtes Gesicht (zunächst) und ein ironisches Lächeln (später). Dass Anderssein anscheinend Markenbewusstsein und damit Anpassung an die Massen, denen man sich gerade nicht zugehörig fühlt, nicht notwendig ausschließen muss, wurde mir spätestens bei dem Leipziger Erlebnis klar; zuvor hatte ich zumindest den leisen Verdacht gehegt – immer dann, wenn ich Kleinanzeigen studierte, in denen händeringend nach exklusiver Kleidung (aus einem bekannten Katalog) gesucht wurde.
Gleichwohl sollte man Gnade vor Recht ergehen lassen und einräumen, dass es nicht nötig ist, gänzlich im Einheitsschwarz durch ´s Leben zu gehen. Auch die Farben „weiß“ für Hemden und Blusen sowie „blutrot“ (Samtmäntel) sind gestattet. Auch „dunkelblau“ ist in den Szenegeschäften zu finden. Allerdings steht über Allem der „Dresscode Black“. Dies musste auch der Sänger Christian Pohl von der deutschen Formation „Blutengel“ erfahren. Obwohl dieser Zeitgenosse an und für sich nach meiner bescheidenen Meinung weder zu musikalischen noch geistigen Höhenflügen in der Lage ist, soll an dieser Stelle aus einem Interview mit dem Magazin „Orkus“(09/ September 2002) zitiert werden:
„Alle meine persönlichen Erfahrungen bezüglich der Kleiderordnung machen mich wahnsinnig! Da war ich nun beim Wave Gotik Treffen und hatte eine blaue Hose an! Prompt regte man sich in unserem Gästebuch darüber auf. Gerade auf dem WGT könne man so etwas doch nicht machen. Gut, dass mich die Leute nicht einen Tag zuvor mit einem pinkfarbenen T – Shirt gesehen haben.“
- Styling
Schwarze Kleidung ist eine Sache. Wer wirklich dazu gehört, muss auch auf bestimmte Weise gestylt sein. Dies fängt bei den Haaren an: Gefärbt müssen sie sein, schwarz ist gängig, bei weiblichen Gothics sind platinblond und rot geduldete Ausnahmen. Schlechte Karten hat man als Mann, wenn man dazu gehören möchte und sowohl auf das Färben als auch auf lange (!) Haare verzichtet. Es ist zwar nur eine Vermutung, aber ich kann die Blicke, die mich an Orten der Begegnung wie z. B. Mittelaltermärkten oder auch nur Fußgängerzonen treffen, nur auf eine Weise interpretieren: „He, Du...Fremder...Schwarz...So, So. Mantel schön und gut! Jeans, Hemd, Pullover. Alles schwarz. Aber blonder Kurzhaarschnitt. Tss. Tss. Tsss...Das geht doch nicht! So wirst du nie dazu gehören...“
Selbstverständlich sind Haarfarbe und –länge nicht alles. Wer Goth sein möchte, sollte auch einen Tattoo – und Piercing – Laden hin und wieder von innen gesehen haben. Und einen solchen entsprechend verschönert verlassen haben. Der echte Szenegänger hat etwa drei bis dreißig Tattoos und mindestens fünf Piercings – wobei das ordinäre Ohrlochstechen hier gänzlich außen vor bleibt. Auch hier von vorneherein ausgespielt haben diejenigen bemitleidenswerten Menschen, die aus medizinischen Gründen (Allergien) keinen Silberschmuck vertragen oder jene, die wegen der Zwänge des Alltags (Arbeitsstelle) gezwungen sind, zu verzichten. Es sollte jedoch eingeräumt werden, dass diese Leute, so sich denn die Mühe machen, Aufklärungsarbeit zu leisten, mit etwas konfrontiert werden, was in der Szene regelmäßig ganz groß und in Sperrdruck auf den schwarzen Bannern steht:: Toleranz! Indes in einer Art und Weise, die an das Zitat des Schriftstellers Patrick Süskind gemahnt: „Jenes lauwarme Gefühlsgemisch aus Ekel, Verachtung und Mitleid – bekannt als Toleranz!“. Frei nach dem Motto: „Intolerant sind alle anderen, mein Mitgefühl, dass es bei Dir nicht zum echten Schwarzsein reicht, hast Du. Ansonsten lass ´ mich besser in Ruhe.“ Wer auf Piercings und Tattoos verzichtet, weil er dieses möglicherweise albern oder unschön findet, darf – eigentlich zum Glück – nicht mal mit dieser freundlichen Form der Duldung rechnen.
Des weiteren sollte der Goth geschminkt sein. Vermutlich ist auch dies eine Reminiszenz an die guten alten Zeiten, als ein Gruftie selbstverständlich auch Make Up trug. Vorreiter waren insoweit - neben anderen Ikonen – die Musiker von The Cure und vor allem deren Chef Robert Smith. Leichenblass geschminkte Gesichter und schwarz geränderte Augen, das ist es, was einen Untoten ausmacht! Vielleicht.
Problematisch kann so etwas werden, wenn man von Natur aus nicht zu aseptischer Blässe, sondern eher zur gesunden Bräune neigt. Eine Bekannte von mir hatte da entsetzlich zu leiden. Als ein Mensch, die schon bei den geringsten Anzeichen von Sonne knackbraun wurde, konnte sie diese unleidliche Eigenschaft nur mit mehreren Schichten Puders bekämpfen. Ein Griechenlandaufenthalt ließ sie aber einmal jede Vorsicht vergessen. Sie kehrte aus dem Urlaub mit einer Gesichtsbräune zurück, die bei Kollegen Bewunderung, Komplimente und sicher auch Neid hervorrief. Sie selbst lebte wochenlang in tiefen Depressionen und dachte zeitweilig an Suizid. Was sie in letzter Konsequenz unterließ – obwohl sie damit ihrem Schönheitsideal vermutlich recht nahe gekommen wäre...
Eine Empfehlung am Rande für alle schwarzen Schwestern und Brüder, die alljährlich zur Sommerzeit mit dem Problem zerfließender Schminke zu kämpfen haben: Der deutsche Hersteller „edding“ bietet seit etlichen Jahren einen sog. „permanent marker“ an. Dieser ist absolut wasserfest auf allen Materialien ...und in schwarz erhältlich!

- Schmuck
Aus Sterlingsilber sollte er sein, der Szeneschmuck. Auch ein noch so großes Pentagramm ist nichts, wenn es „nur“ aus Gold oder ordinärem Messing besteht. Nachvollziehbar ist dies insoweit, als dass mit dem Edelmetall der Mond und somit die Nacht verbunden wird, während die Sonne auf Gold festgelegt ist. Das Material allein macht es natürlich nicht: So wäre es wohl reichlich lächerlich, würde sich eine schwarze Seele der Nacht mit einem Häschen oder einer Diddl – Maus aus Silber schmücken.
Kreuze – nicht etwa Kruzifixe – sieht man wohl am häufigsten. In den seltensten Fällen werden diese als Zeichen christlichen Glaubens getragen. Ich glaube persönlich auch nicht, dass ein Goth das Kreuz als Andenken an den Opfergang Jesu, den dieser als Mensch für die Menschen ging, trägt. Vielmehr handelt es sich dabei auch um ein Symbol, das mit Friedhöfen, Beerdigungen und dem Tod verbunden wird. In Zusammenhang mit der schwarzen Trauerkleidung gibt man dann ein ganz gutes Bild ab. Das Bild eines in ständiger Trauer lebenden Menschen, der aber nicht aus konkretem Anlass heraus trauert, sondern allgemein wegen des Zustandes dieser kalten und lieblosen Welt. Eine schöne Erklärung, die mancher Überprüfung standhalten könnte und mitunter auch Zustimmung bei Anderen, also Nichtschwarzen, finden könnte. Indes hege ich die leise Vermutung, dass die Kreuzträger eher daran denken, ihr Szeneoutfit zu komplettieren, als dass sie sich Gedanken über die tiefergehende Kreuzessymbolik machen. Warum sollte es in der schwarzen Szene anders sein, als bei den Bunten, wo seit jüngerer Zeit Kreuze von überzeugten KirchenaustreterInnen getragen werden, weil es gerade Modetrend ist?
Unter Umständen ein wenig anders liegt der Fall bei denen, die das Kreuz umgedreht, mithin als sog. „Antikreuz“ tragen. Denn dies ist bekanntlich ein Symbol des Antichristentums bzw. des Satanismus. In der Literatur gab es im 19. Jahrhundert den (später) so bezeichneten „literarischen Satanismus“, zu den Hauptvertretern zählte man Byron (das Drama „Cain“) und Charles Baudelaire (die Gedichtsammlung „Les Fleures Du Mal“); im 20. Jahrhundert gab es – zumeist alberne – Spielereien in der Rockmusik mit dem Teuflischen, man denke an die Band „Black Sabbath“. Meistens hatten die Genannten hier wie da nichts mit echter Teufelsanbetung oder auch nur einer antichristlichen Gesinnung zu tun. Etwas anders lag der Fall da schon bei einer Subspezies des Heavy Metal, dem Black Metal. Wo nachweislich sog. Musiker sich als Mörder, Totschläger oder wenigstens als Brandstifter und Grabschänder hervortaten.
Es soll hier keineswegs geleugnet werden, dass es so etwas wie „echten“ Satanismus in Form einer Antireligion gibt. Mitunter treten satanistische Zirkel auch durchaus beachtlich organisiert auf. In den Vereinigten Staaten ist die „Church Of Satan“ des mittlerweile verstorbenen Gründers Anton Szandor LaVey zwar nicht gerade der große Renner im Vergleich zu Glaubensgemeinschaften wie der „Scientology Church“ – gleichwohl etabliert. Dasselbe gilt für den „Temple of Set“ und ähnliche Organisationen. Mit Sicherheit gibt es auch „echte“ Satanisten innerhalb der schwarzen Szene. Wenig verwunderlich, denn Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ist im modernen westlichen Industrie- und Wohlfahrtsstaat ein gerne wahrgenommenes Freiheitsrecht. Was im übrigen, sieht man von gelegentlichen Mahnungen seitens der christlichen Kirchen und Sommerlochgeschichten der freien Rinnsteinpresse ab, auch meist unwidersprochen geschehen kann.
Allerdings kann das Tragen antichristlicher Symbole auch nichts weiter als Provokation sein. Denn was den Angehörigen der Metal – Szene erlaubt ist, soll auch den Schwarzen nur recht und billig sein. Freilich ohne die Prollattitüde, wie sie den Metallern nach öffentlichem Meinungsbild anhaftet, zumindest aber oft und gerne unterstellt wird. Nein, der Goth begreift sich gerne als denkendes Wesen, dem selbstverständlich (post-)pubertäres Anecken und Provozieren genauso fern liegt, wie dem Metalfan der Gehörschutz beim Besuch eines „Manowar“ – Konzertes. So kann das Tragen eines umgedrehten Kreuzes oder Pentagramms wahlweise als Auflehnung und Rebellion gegen gesamtgesellschaftliche Missstände begriffen werden, für die neben der Politikerkaste stets auch die Kirche, namentlich die römisch – katholische, verantwortlich gemacht wird; oder man trägt schlicht und einfach mit dem Antikreuz auf „subtile“ Weise seine grundsätzliche Antihaltung zur Schau. Soweit so gut – bzw. schlecht, je nach Betrachtungsweise.
Eher peinlich wird es indes, wenn die Provokateure anfangen, über die mangelnde „Toleranz“ (schon wieder!) und Nichtakzeptanz ihrer gutgemeinten Antihaltung seitens der Gesellschaft zu klagen. Würde man die tränenfeuchten Texte hierzu auf den Kleinanzeigenseiten der Magazine „Orkus“, „Sonic Seducer“ und mit Abstrichen „Zillo“ auswringen, wäre man vermutlich in der Lage, mit der gewonnen Flüssigkeit die Wüste Sahara in ein blühendes Paradies auf Erden zu verwandeln. Gäbe man noch das Destillat aus Internetforen hinzu, würden möglicherweise Dürrekatastrophen ein für allemal der Vergangenheit angehören. Dabei sollte eigentlich ein jeder, der sich irgendwann dazu entschließt, in provozierender Weise aufzutreten, sich auch darüber im klaren sein, dass er/sie hin und wieder auf bestimmte Dinge angesprochen wird. Erstaunlich eigentlich, dass Menschen, die in der Lage sind, mühelos zwei Spalten einer Kleinanzeigenseite mit recht „flüssigem“ Text zu füllen, offenbar außerstande sind, sich gegenüber Fragern zu artikulieren. Ebenfalls für mich immer wieder faszinierend, nachgerade phänomenal, wie man „Toleranz“ einfordern kann, ohne dabei selbst einen Millimeter von den eigenen Vorurteilen – mithin der eigenen Intoleranz! – abzuweichen: Bestes Beispiel sind Äußerungen wie: „Man sollte die Kirche abschaffen...sie brachte in der Vergangenheit nur Leid über die Menschen“ und ähnlich lautender Unsinn, der nicht dadurch gehaltvoller wird, dass man als Hobbyhistoriker Hinweise auf die Zeit der Inquisition, der Hexenverfolgung, der Kreuzzüge und ähnliches hartes Faktenmaterial gibt.

-Rotwein, Rosen, Räucherstäbchen
Deutschland ist eine Nation von Biertrinkern. Eine Aussage, die einerseits einen sehr wahren Kern enthält, andererseits außer Acht lässt, dass die Deutschen auch zu den größten Weinproduzenten und -trinkern weltweit gehören. Ein Glück für die Schwarzen: Denn so kann der Liebe zu dem aus Trauben gewonnenen alkoholischen Getränk ohne Nachschubsängste gefrönt werden. Rot muss er sein und schwer, soll er die Karaffen und Kelche der Gothics füllen. Und ein Gläschen Rotwein, genossen zu später Stunde und beim Schein schwarzer Kerzen, schafft die richtige Stimmung für ein tiefschürfendes Gespräch. Vielleicht bekommt man dann endlich heraus, was der Sinn des Lebens ist.
Es geht natürlich auch anders: Beispielsweise ist es erlaubt, billigen Fusel aus Pappkartons und -bechern unter dem schützenden Dach einer Bahnhofshalle zu genießen. Oder wie Wasser zu saufen. Dass der sich unweigerlich einstellende Vollrausch am darauffolgenden Tag keine wirklich verwertbaren Ergebnisse bezüglich der Sinnfrage präsentiert, dafür aber wenigstens zur allgemeinen Melancholie nun einen gehörigen Katzenjammer beschert, ist wenigstens ein Ergebnis. Auch wenn es sich nach einiger Zeit wieder verflüchtigt.
Dass der rote Wein rein farblich zum Outfit passt, ist schon mal von vorneherein eine mehr als glückliche Fügung. Dass er darüber hinaus auch als geschmacklich akzeptabler Ersatzstoff für Blut herhalten kann, erwärmt die kalten Herzen der Schwarzen. Denn eine weitere Merkwürdigkeit in der Szene ist der Hang zum „Vampirismus“. Zumindest gibt es nicht wenige weibliche und männliche Wesen, die sich selbst als Vampir bzw. Vampirella bezeichnen. Dabei stellt man sich in der Regel feingliedrige, blasse Wesen vor, die bei Vollmond aus dem bleiverglasten Fenster ihrer Kemenate sehen und ab und an ein weiteres trauriges Verslein auf schwarzes Papier malen; gelegentlich rollt eine kleine schwarze Träne aus dem Augenwinkel das Kinn hinab. Dumm ist nur, dass der Vampirmythos die regelmäßige Einnahme einer flüssigen Proteindiät vorschreibt. Echte Vampire schrecken selbstverständlich nicht davor zurück, sich gegenseitig haarfeine Schnitte beizubringen und das austretende Blut aufzusaugen bzw. abzulecken. Schwierig wird es, wenn die Trinkmenge über den Inhalt eines Fingerhutes für Liliputaner hinausgehen soll. Aber dann ist es erlaubt zum Wein zu greifen. Der Symbolwirkung wegen. So spielt es letztlich auch keine Rolle, dass Vampire keine schöngeistigen, nachtaktiven Poeten sind, sondern Wesen, die sich von Blut, vorzugsweise Menschenblut, ernähren.
Dass Rosen – und nicht etwa die traditionellen Nelken (Friedhofsschmuck) – geschätzt werden, liegt aller Wahrscheinlichkeit nach an einem gewissen Schönheitsempfinden innerhalb der Szene. Auch wenn ich mitunter dazu neige, die Rose in erster Linie als ein gnadenlos überzüchtetes Gewächs zu bezeichnen, der Möglichkeit beraubt, sich selbst auf natürlichem Wege fortzupflanzen, so haftet ihr doch eine gewisse sterile, künstliche Perfektion und Schönheit an, die zu Zeiten auch mir gefällt. Warum auch nicht? Schließlich ist diese Blume meistens auch dornenbewehrt, was den positiven Nebeneffekt hat, dass man sich stechen kann. Somit auf elegantem – ästhetischem – Wege die Versorgung für das nächste Blutritual sicherstellen kann.
Weitaus merkwürdiger ist da schon der Hang zu Rächerstäbchen und bestimmten ätherischen Ölen, namentlich dem Patchouli. Erinnert dies doch eher an das Gebaren der Hippies der Sechziger bzw. nachgeborenen Blumenkinder der Siebziger Jahre und kann schwerlich in Zusammenhang mit den Schwarzen gebracht werden. Es sei denn, man versteigt sich zu der kühnen Behauptung, dass die Schwarzen die wahren Hippies von heute seien. Zumindest durfte ich diesen interessanten Gedanken (?) dereinst mal im Internet auf einer Seite, die sich der schwarzen Szene widmet(e), lesen.
Wie dem auch sei: Gerade Patchouli – sowohl als Räucherwerk wie auch als „Szeneparfüm“ („Der Kick!“ verspricht die Werbeanzeige eines Szeneladens) anzutreffen, erfreut sich eines immensen Zuspruchs.
Wer jemals den Mut aufbringen sollte, als „Zivilist“ einen Szeneladen zu betreten, wird diesen süßlich – muffigen „Duft“ irgendwann unter die Nase gerieben bekommen: Entweder weil das ganze Ladenlokal ohnehin dermaßen danach stinkt, dass sich zivilisierte Geschmacksnerven am liebsten umgehend in den Vorruhestand verabschieden möchten, um sich, zurückgelehnt im Lehnstuhl des würdevollen Ruheständlers, echten olfaktorischen Genüssen, wie dem betörenden Duft von Holzschutzmitteln oder Autoabgasen hinzugeben. Oder weil irgendwann ein kleines leichenblasses Etwas den Laden betritt und dabei mit einer sprachlos machenden Selbstsicherheit die Duftschwaden, in die das Wesen eingehüllt ist, dem Laden im allgemeinen und allen anderen Anwesenden im besonderen entgegenwirft. Soweit es mich betrifft: Ich konnte mich noch nie an aufgedrängter duftstofflicher Bereicherung erfreuen. Ganz gleich, ob es sich dabei am „Chanel No. 5“ oder eben Patchouliwolken handelt.
Sorgfältige Recherchen meinerseits haben ergeben, dass man in der Vergangenheit – d. h. im Frankreich des 19. Jahrhunderts – den Patchouliduft unter anderem deswegen schätzte, weil ihm eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben wurde. Indes glaube ich nicht, dass die junge Frau im kriegerischen Nahkampfgothoutfit, welche seinerzeit in einem Secondhandladen neben mir stehend Plattenregale durchwühlte, dieses im Sinne hatte, als sie mich mit ihren Duftwolken beinahe k. o. schlug. Vielleicht wusste sie auch von der insektenabweisenden Wirkung der Patchouli – Pflanze? Und hatte dabei folgenden Einzeiler im Kopf: „Umschwärm´ nur der Motte gleich mein Licht – Ich sag´ Dir: Diese Festung knackst Du nicht!“
Zugegeben, manche glauben auch, dieser Duft erinnere an den Tod. Ja...Hierzu gebe ich zu bedenken, dass echter Verwesungsgeruch zwar auch unter die allgemeine Kategorie „süßlich“ fällt, indes letztlich weniger geeignet ist, um damit Boutiquen zu parfümieren.
Musik
Keine Subkultur scheint ohne Soundtrack bzw. klingenden Wandbehang auszukommen. Oftmals scheint sich die Zugehörigkeit zu einer Szene für manche Menschen nur über die musikalischen Vorlieben zu definieren. Unweigerlich wird man - jedenfalls nach meiner Erfahrung – irgendwann gefragt, was man denn so für Musik höre. Wohl dem, der einen ähnlichen, bestenfalls identischen Musikgeschmack hat! Pech für den, der den szenekompatiblen Musiken wenig bis nichts abgewinnen kann. Mir selbst im übrigen unbegreiflich, weshalb ausgerechnet der Musik ein solch hoher Stellenwert beigemessen wird. Auch wenn sich die Interessen der Schwarzen nicht hierauf reduzieren bzw. zu reduzieren sind: Ohne gewisse Grundkenntnisse geht von vorne herein schon mal gar nichts; darüber hinaus sollte man wenigstens einige wenige Musiker bzw. Musikgruppen nicht nur kennen, sondern auch gut finden. Auch wenn ich tief in meiner schwarzen Seele die eigene Überzeugung hege, dass derlei in erster Linie ein weiterer Beleg für Oberflächlichkeit ist – was man selbst gerne anderen unterstellt - , habe ich gleichwohl seit meiner „schwarzen Wiedergeburt“ versucht, mich in die Musik der Szene hineinzuhören und das eine oder andere kennen zu lernen. Dabei durfte ich manches entdecken, was mir gefiel (selten!) und vieles, was eher geeignet war/ist, den Mageninhalt zu entleeren (häufig!)
Ich möchte aber an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass die folgenden Bemerkungen aus einer rein subjektiven Warte heraus geschrieben sind. Weiter räume ich ein, dass ich alles andere als ein Experte im Hinblick auf Stile und Spielarten in diesem Bereich bin. Nichts von dem, was der (hoffentlich) geneigte Leser hier über sich ergehen lassen muss, erhebt den Anspruch auf irgendeinen, wie auch immer gearteten Wahrheitsgehalt. Allerdings: Wenn hin und wieder das eine oder andere Messer gewetzt werden sollte, nehme ich derlei gerne und billigend in Kauf!

Ein weites Feld...
Eines muss man eingestehen: Gar mannigfaltig ist das, was da so alles unter den Obergriff „schwarze“ oder „düstere“ Musik gepackt wird. Selbstverständlich gibt es immer wieder selbstberufene Aufklärer, deren Hauptbeschäftigung es zu sein scheint, die Einhaltung eines geschmacklichen Reinheitsgebotes zu überwachen und keine sich ihnen bietende Gelegenheit auslassen, als solche wenigstens als sprachgewaltige Leserbrief – und Kleinanzeigenschreiber in den einschlägigen Postillen aufzutreten. Dass auch so manches Internet - Forum mit derlei wichtigtuerischem Geschreibsel zugemüllt wird, ist beinahe nicht der Erwähnung wert. Bedauerlich nur, dass es für derlei Abfall keine fest installierten Anti – Spam – Programme auf den Servern der Betreiber solcher Seiten gibt. Die Fachpresse lässt sich davon freilich nicht beeindrucken und bietet ein recht breites Spektrum an Geschichten und Rezensionen an. Die würden indes auch die Machwerke aus dem Bereich des deutschen Schlagers in ihren Erzeugnissen featuren, sofern dahinter ein finanzstarker Werbekunde und Anzeigenschalter steht und sie in der Lage wären, eine dünne, für die Leserschaft glaubhafte, Rechtfertigung zu erdichten. Dies ist eine weitere, traurige Geschichte, auf die ich noch an anderer Stelle eingehen werde.
Im folgenden sind meine Betrachtungen und Gedanken zu einzelnen Bands und Musikrichtungen unter wenige, so allgemein wie möglich gehaltene Kategorien zusammen gefasst. Dass ich vieles nicht einmal erwähnen werde, hängt allein damit zusammen, dass mein Langmut, den ich benötige, um mich durch die diversen Tonträger durchzuhören, seine Grenzen hat. Möge dies als „intolerant“ empfunden werden – ich werde mich hüten hieran etwas zu ändern. Meine seelische und körperliche Gesundheit ist mir lieb und teuer.

-Rockiges
Gothic – Rock und Deathrock passen hier schon mal bestens rein! Wie gut, dass es von klugen Menschen erdachte Kategorien gibt. Ich bin mal so kühn zu behaupten, dass jede Band, die als instrumentale Keimzelle die Instrumente E – Gitarre, Bass und Schlagzeug besitzt und weder Jazz noch Schlager spielt, auch eine Rockband ist. Hat den Vorteil, dass ich um Feingliederungen herumkomme und eigenartige Wortschöpfungen wie „dark – wave„ nicht mit Überschriften adeln muss.
Die „Sisters Of Mercy“ gelten als die Urformation und damit Begründer des Gothic – Rock. Jedenfalls veröffentlichte diese Band Anfang der Achtziger Jahre (1982) ihre erste Single und seitdem zahlreiche Alben, die in erster Linie molltonale, mit Grabesstimme vorgetragene Weisen enthalten. Die dieser Band zugeschriebene Bedeutung für die Entwicklung dieser Spielart der Rockmusik sei ihr von meiner Seite gnädigerweise zugestanden. Außer einer Kassette, die mir ein Bekannter Mitte der Achtziger aufnahm und die sich hin und wieder ins Tapedeck verirrte, kenne ich nichts weiter. Dass die Musik damals die Wirkung eines Barbiturates auf mich hatte, erwähne ich auch nur, um die zahlreichen Fans der Band vor den Kopf zu stoßen.
Etwas anders liegt da der Fall schon bei The Cure. Denen konnte ich nämlich zeitweilig nur schwerlich entgehen, da eine damalige Flamme eingeschworener Fan war – wobei ich mich hin und wieder wundere, dass Frauen sich nicht gegen die Vermännlichung des englischen Lehnwortes „Fan“ im Deutschen wehren. Was diese Combo für mich recht sympathisch macht, ist die nachhörbare Tatsache, dass die Musiker sich im Laufe der Jahre beachtlich entwickelt haben. Waren die ersten Alben noch geprägt von einer – durchaus eigenen - Punkattitüde, m a. W.: von grauenhaftem Dilettantismus, so schufen Robert Smith und seine Mannen in der Folgezeit richtig hübsche Lieder. Beispielsweise den Hit „Friday (i´m in love)“, den ich gerne mal im Radio höre. Dass der wahre Szeneinsider und Bewunderer der ersten Stunde selbstredend die Spätwerke für gänzlich – aus der „schwarzen“ Perspektive – unbedeutend hält, sollte niemanden wirklich wundern. Wenn man selbst schon nicht erwachsen werden will oder kann, dann gesteht man dies erst recht keinem anderen zu. Und gebraucht dann gerne Begriffe wie „kreativer Ausverkauf“, da man es nicht ertragen kann, wenn einstige Helden im Zuge des Erwachsenwerdens zu Musikern heranreifen und dann auf einmal schöne Lieder schreiben (können).

Mehr so aus den USA scheint – soweit ich es begriffen habe – der „Deathrock“ zu kommen. Hierzu wird auch die Band „Cinema Strange“ gezählt. Ein Trio (Gesang, Gitarre, Bass), das, bei Konzerten erweitert um einen Drumcomputer, ihre eigene Variante von (Rock-)Musik zelebriert. Das hat was, diese eigen- und einzigartige Mischung aus laienhaften Geräuscheruptionen, sinnentleerten Aneinanderreihungen von Wörtern (keine Texte!) und dabei durchaus interessanten instrumentalen Leistungen. Hinzu kommt ein vollkommen überdrehtes Ga –Ga –Image, das die Band zum Alptraum eines jeden gesprächsbereiten Musikjournalisten macht. Ich persönlich mag diese drei Clowns und höre mir ihre Form des Musikkabaretts ungelogen gerne, wenn auch nicht häufig, an.
Bei anderen Deathrockbands wäre mitunter die Bezeichnung „Suiciderock“ m. E. passender. Denn die Lautsprecher meiner Anlage hätten tatsächlich nach dem Abspielen eines Samplers, der nur Gruppen enthielt, die sich diesem Genre zurechnen, um ein Haar Selbstmord begangen. Was vermutlich auch für die Musikinstrumente gilt, die in den Händen dieser Dam- und Herrschaften ihre zweckentfremdete Behandlung über sich ergehen lassen müssen. Da die Anschaffung von Instrumenten mit nicht eben geringen Kosten verbunden ist, bleibt dabei wenigstens zu hoffen, dass es eher selten zu Veröffentlichungen kommt.

Einer gewissen Akzeptanz innerhalb der Szene darf sich auch die Metalfraktion erfreuen. Das ist schön und sorgt im übrigen dafür, dass ich eine Heft – CD schon mal des öfteren in den Player schiebe. Weniger schön ist es, wenn gestandene Metaller plötzlich zur Gohic – Band mutieren und dann auch noch kommerziellen Erfolg haben. Vorbildfunktion kommt hier insbesondere der süddeutschen Band „Atrocity“ zu. Diese aus dem Schwäbischen (Ludwigsburg) stammende Gruppe, begann zu Beginn der Neunziger als Death – Metal – Band. Zur damaligen Zeit erlebte dieser Stil seine Blüte. Der richtig große Erfolg blieb aus. Trotz regelmäßiger Gefälligkeitsrezensionen in der Metalpresse. Das lag natürlich auch daran, dass der Markt reichlich übersättigt war. Mögliche Ursache hätte auch eine gewisse Mittelmäßigkeit sein können – aber das sind nichts als Spekulationen. Da aber nicht nur unter Musikanten die Maxime „man muss schließlich leben“ gilt, unterzog sich die Band und v. a. Sänger und Sprachrohr Alexander Krull einem ständigen Imagewandel. Gab man sich anfangs als Derbstmetaller mit sozialkritischem Touch (beim Debut „Hallucinations“), wandelte sich Krull später zum Okkultisten, um dann nach der (gelungenen) Platte mit dem Elektro – Duo „Das Ich“ („Die Liebe“) zum Intellektuellen zu werden, der gerne mit Nietzsche – Zitaten um sich warf. Geholfen hatte dies alles nichts. Bis der Band das zu Hilfe kam, was ab Mitte der Neunziger der Trend schlechthin wurde: Die Retrowelle! Der allgemeine Aufbereitungswahn brachte die Band dann auf den Gedanken, ein Album mit Eigeninterpretationen von Kassenknüllern der Achtziger Jahre aus dem Bereich Synthie – Pop und der NDW (Neuen Deutschen Welle) auf den Markt zu werfen. Dieses Machwerk, welches den Namen „Werk 80“ trägt, brachte ihn dann, den bisher ausgebliebenen Verkaufserfolg.
Namentlich bei denen, die sich der schwarzen Szene zugehörig fühlen. Das liegt an einer Absonderlichkeit, die ich mir nicht so recht erklären kann, dennoch meinerseits mit einigem Befremden beobachtet wird: Die völlig willen-, kritik – und letztlich hirnlose Manie in Bezug auf die glorreichen Achtziger! Ich möchte hier nichts dagegen sagen, dass man als zeitgeschichtlich interessierter Mensch auf Spurensuche geht bzw. sich auf den Weg macht, die Wurzeln der Szene, die nun mal in diesem Jahrzehnt liegen, zu ergründen. Wenn jedoch mit einem Male alles, was damals an Grausamkeiten im Popbereich erbrochen worden war, als Ausdruck des neuerwachten „New – Romantic“ – Bewusstseins angesehen wird, frage ich mich ernsthaft, wozu von Natur aus vernunftbegabte Wesen wohl noch alles fähig sind. Dass die Presseorgane der Szene in ihren Beiträgen der unheiligen Zweckehe von „Dummheit“ und „Dreistigkeit“ ständig neue Denkmäler errichten, wundert mich eigentlich längst nicht mehr – Empörung empfinde ich doch. Trauriges „Lowlight“ dieser journalistischen Frechheiten, war die Rezension einer neuen CD der saarländischen Popsängerin „Sandra“ in der Zeitschrift „Orkus“. Nachdem der Rezensent bzw. pinselnde Tintenfisch feststellte , dass „man nach all den Jahren wieder einmal von Sandra in den Bann gezogen (wird), gelangt er am Schluss zum Fazit: „Selbst mit 39 Jahren liefert Sandra noch schöne Popmusik, die man sich getrost in die Achtziger – Sammlung im CD – Regal stellen kann.“ (Orkus Nr. 05 . Mai 2002). Demnächst wird die ehemalige Friseuse aus dem kleinen Saarland wohl beim WGT auftreten.
Und nahtlos schließt sich der nächste Abschnitt an.

-Poppiges/Elektronisches
Gut! In Ordnung! Nichts gegen einen gepflegten Popsong. Auch nichts gegen Formationen wie die aus Österreich stammenden „L´ Ame Immortelle“, die sich ganz gerne in der Nähe des im Trüben und Seichten fischenden „Europops“ aufhalten. Denn die haben immerhin eine attraktive Frontfrau, die sogar die Bezeichnung „Sängerin“ verdient. Ebenfalls nichts gegen die Reanimation der britischen Synthiepopper „Depeche Mode“. Liedern wie „The Great Commandment“ muss sogar ich einen gewissen Klassikerstatus zuerkennen. Nur: Warum um alles in der Welt muss diese Art von Musik zwanghaft mit den Unworten „dark wave“ oder (noch schlimmer) „romantic electro“ etikettiert bzw. zugekleistert werden? Ich meine mich zu erinnern, dass „Depeche Mode“ in der Zeit ihrer größten Erfolge einfach als ein Popliedchen schreibendes Kollektiv angesehen wurden, die sich hauptsächlich elektronischen Instrumentariums bedienten. Demnächst steht wahrscheinlich noch die Wiederauferstehung von „Human League“ (selbe Ecke wie D.M.) auf den Seiten des „Orkus“ oder „Sonic Seducer“ an! Und wenn man sich schon nicht entblödet, der Leserschaft „Sandra“ anzubieten (s. h. vorherigen Abschnitt), sollte man in letzter todesverachtender Konsequenz auch deren Vorgängerduo „Baccara“ einschließlich des kompletten Backkataloges empfehlen. Dies am besten in der Weise, dass man ein repräsentatives Meisterwerk, z. B. „Yes Sir, I can Boogie!“, auf den monatlichen CD – Sampler packt – unter der Rubrik „Klassiker des old – romantic Pops“.
Ich schätze, es hat wohl damit zu tun, dass ein Goth nicht einfach so Popmusik konsumieren kann – wegen des Images. Solange es aber möglich ist, Eigenschaftswörter wie „dark“ bzw. in der teutonischen Fassung „düster“ oder „romantic“ unter schreibwütiger Mithilfe der Szenepresse mit Popmusik in Verbindung zu bringen, kann man den Argumenten Außenstehender leicht Paroli bieten. Dass man selbst kein Jota besser ist, als die Sklaven des Konsumterrors und des medial gesteuerten Massengeschmacks, die man gerne mit hochnäsiger Verachtung straft, scheint nicht in den Bereich der Selbsterkenntnis zu fallen.

EBM bedeutet ausgeschrieben „Electronic Body Music“. Für die Anhänger handgemachter Musik lässt diese Bezeichnung Schlimmes befürchten. Diesen wird die Musik in vollem Umfang gerecht. Es handelt sich nämlich um rein elektronische Musik, die mit Synthezisern und (hauptsächlich) Computern geschaffen wird. Ich enthalte mich hier arroganter Bemerkungen wie : „Um Musiker zu sein, sollte man den Beweis erbringen können, über ein Gehör zu verfügen!“ oder „Gut, dass es Computer gibt! So sind auch Leute, die nicht mal die geringste instrumentale und/oder vokale Begabung besitzen, dennoch in der Lage, sich als Musiker auszugeben.“ Denn: Diese Art der Musik besitzt insoweit meine Sympathie, als dass sie nach wie vor – trotz verhaltener Charterfolge – mit dem Untergrund verwurzelt ist. Dabei auch meistens eine derbe Härte besitzt, die sich durchaus mit manchen Sachen aus dem Metalbereich messen kann. Außerdem ist die ganze Sache sehr rhythmisch und eignet sich daher bestens zum Tanzen. Das ist doch schon mal was! Was ich, als unwissender Laie, indes nicht kapiere, ist der Umstand, dass sich die EBM – Leute bzw. deren Anhängerschaft stets von der Techno – Szene abgrenzen müssen. Daher hatte ich mal ein wenig Mut gefasst und einen Experten zu Rate gezogen. Dieser erklärte mir, dass Techno „so der totale Ausverkauf (ist), eben diese ganze Kommerzkacke!“ EBM sei dagegen „echt voll underground und eh nur geil!!“ Aha! Ursprünglich wollte ich seinen Namen und Postanschrift nebst E – Mail – Adresse hier nennen. Ich könnte mir vorstellen, dass er sehr anregende Begegnungen haben würde, vorzugsweise mit Liebhabern des Techno. Er beklagte sich mitunter, nicht genügend Sozialkontakte zu haben. Leider habe ich den Zettel, auf dem seine Daten notiert waren, verloren.

-Akustisches/Mittelalterliches
Da viele Schwarze im Grunde ihres kleinen schwarzen Herzens sehr romantisch sind und Vollmondnächte und Kerzenschein lieben, vielleicht aber auch mal gerne am Lagerfeuer sitzen, erfreut sich auch die Folkmusik einer gewissen Beliebtheit. Dementsprechend gibt es auch nicht wenige Gruppen, die auf akustischen Instrumenten das Herz erwärmende Lieder spielen. Welche auch auf CD gepresst werden. Was soll´ s, denke ich mir und lass es gut sein.
Da aber Folkmusik seit Ewigkeiten produziert wird – die ersten Lieder stammen noch aus der Kreidezeit – muss natürlich ein neuer Name her, sofern man darauf aus ist, auf den Festivals der schwarzen Szene zu spielen. Dieser lautet „Neofolk“.
Mal ganz davon abgesehen, dass es schon erstaunlich ist, wie weit man die Selbsterniedrigung als Künstler/Musiker treiben kann, indem man sich in solche Schubladen widerspruchslos einordnen lässt, darf an dieser Stelle einmal der Worterfindungsreichtum der Sprachakrobaten der Musikpresse ins Scheinwerferlicht gerückt werden. Nicht ins Neonlicht, wie ich deutlich klarstellen möchte. Zwar nahm ich dereinst mal an, dass das Präfix „neo“ ein Kürzel für das Edelgas Neon ist; mittlerweile weiß ich aber, dass es aus dem Griechischen kommt und soviel wie „erneuert“ beziehungsweise schlicht „neu“ bedeutet. Also „Neufolk“ bzw. „neue Folkmusik“. Das macht neugierig. Also mal hören. Und siehe da: Die Lieder dieser Gruppen sind tatsächlich hervorragend für´ s Lagerfeuer geeignet! Dabei auch völlig innovationsfrei und bar jeder Eigenerfindung, so dass sie mit Fug und Recht die Bezeichnung „neue Folkmusik“ tragen. Aber vielleicht habe ich nur wieder alles falsch verstanden!? Und das „neu“ bezieht sich darauf, dass die Musikanten eher jung an Jahren sind. Wer weiß? Schade ist nur, dass die Verbraucher, solcherart von der bevorzugt gelesenen Presse irregeleitet, die Platten dieser Langweiler kaufen. Und leider selten bis nie die Bekanntschaft mit großartigen Bands der ersten Stunde, wie z . B. den Briten „The Pentangle“ oder „Fairport Convention“ machen werden.

Das Mittelalter war eine tolle Zeit: Minne, Met, Mystik und Magie; Burgen, Schlösser, viele Rösser und dazu noch schöne Kleidung. So in etwa lässt sich eine weit verbreitete Überzeugung in der schwarzen Szene kurz umrissen darstellen. Das „R – Wort“ wollte ich hier mal vermeiden - damit die entsprechenden Tasten nicht festklemmen. Es gibt auch viele bekennende Mittelalterfans, die häufiger als man es ertragen kann, betonen, dass dies die Epoche sei, in der sie gerne gelebt hätten. Wegen...s. h. oben! Nicht selten werden solche Bekenntnisse mit einem verträumt verklärtem Kinderblick und einem Seufzer, dem Gesang der Buckelwale gleich, unterstrichen. Bis das Handy klingelt. Oder der PC abstürzt.
Dementsprechend gibt es auch Gruppen, die „Mittelaltermusik“ spielen. Angesichts der Fülle an erhaltenen Partituren und Tonträgern aus dieser Zeit ein echtes Phänomen. Soweit ich es überblicken kann, gibt es kein Festival mehr, das ohne Mittelalterabteilung auskommt. Dieser Trend verhalf sogar alten Heulern wie der deutschen Gruppe „Ougenweide“ zum Comeback. Wobei in erster Linie neuere Bands, die mittelalterliche Elemente mit Rockmusik und dem entsprechenden Instrumentarium verbinden, die Kassen klingeln lassen. Teilweise sind richtig tolle Sachen dabei. So entstammen auch die Potsdamer „Subway To Sally“ ursprünglich dieser Ecke. Deren Musik und Texte können sich dennoch hören lassen. Möglicherweise weil diese Band längst den Ursprüngen bzw. Kinderschuhen entwachsen ist und nur noch Musik macht. Auch „In Extremo“ aus Berlin finden mein Wohlwollen; wenngleich ich deren Musik eher für Metal mit Dudelsäcken und deutschen Texten halte – aber immer noch erträglicher als selbst ernannte „Könige der Spielleute“, die nicht müde werden zu behaupten, „authentisch“ zu sein. Dass aus diesem Dunstkreis auch Totalausfälle wie das Projekt „Tanzwut“ (eine krude Mischung aus „mittelalterlichen Klängen und tanzbaren Grooves“) kommen, ist lediglich ein Beleg dafür, dass die größten Schwätzer auch die schlechteste Musik machen. Zum Glück sind Verbraucher nicht wirklich so dumm, wie es die Vertreter der Plattenfirmen und diese Künstler gerne hätten. So kann ich mir ein dämonisch – schadenfrohes Grinsen auch jetzt nicht verkneifen, wenn ich daran denke, dass „Tanzwut“ trotz ständiger Anwesenheit in der Fachpresse in Bezug auf ihre Verkaufszahlen nicht direkt erfolgreich sind. Eher im Gegenteil: Totale Pleite! Ha!

-Erfolgreiches
Es gibt auch noch die Helden. Das sind die Musiker, Bands, Projekte – was auch immer, die so richtig Kohle einfahren. Die auf so vielen Titelseiten vertreten sind, dass man damit mühelos den Berliner Reichstag/Bundestag tapezieren könnte. Oder den Kölner Dom, falls das genehmer ist. Die überwiegend Zuspruch finden. Die man kennen muss. Und die für manche Leute der einzige Grund sind, warum sie sich in der schwarzen Szene und nicht in irgendwelchen daily – soap – Fanclubs aufhalten.

Hierzu gehört die finnische Band „HIM“. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Rockband, die Songs und Alben produziert, die an angloamerikanischen Rock der Sechziger und Siebziger erinnern. Dieses übrigens selbst überhaupt nicht bestreiten, wie ich in einem Interview mit einer Musikerzeitschrift angenehm berührt lesen durfte. Und das, was sie machen, machen sie gut. Kann man hören, ist ordentlich gespielt , produziert – was will man mehr? Doch sobald jemand „man“ schreibt, macht er den Leser glauben, dass dies allgemeine Meinung ist. Daher, um auch denen, die es natürlich besser wissen, gerecht zu werden, im folgenden eine Expertenmeinung zur Band. Diese stammt von Volkmar Kuhnle. Der ist Autor des „Gothic - Lexikons“ und verfügt über das wahre Fachwissen. Bitte sehr Herr Kuhnle, ihr Auftritt!
„Ihren Reiz bezieht die Band aber weniger aus ihrem Album, sondern mehr aus dem androgynen Sexappeal von Ville Valo, der insbesondere auf weibliche Fans seine Wirkung nicht verfehlt.“

Ein weiterer Kassenmagnet ist „Lacrimosa“, die Schöpfung des Komponisten und Texters Tilo Wolff. Eines der letzten echten Independantprojekte. Noch dazu eines der erfolgreichsten aller Zeiten. Dafür sollte man (d. h. jeder!) eigentlich Respekt aufbringen können. Eben! Natürlich ist es gleichwohl gestattet, zu fragen, weshalb „Lacrimosa“ so erfolgreich sind. Die Antwort: Weil ´s gut ist! Vor allem, soweit es die Musik betrifft. Denn diese Mischung aus Rock, der bestimmt nicht zufällig in die Vergangenheit verweist und symphonischen Elementen kann sich hören lassen. Gehört wirklich zu den ganz, ganz wenigen Sachen, die bei mir häufig laufen. Ist auch die einzige Szeneband von der ich mehr als drei Tonträger stolz mein Eigen nenne. Bei so viel Klasse kann ich dann auch verschmerzen, dass die Lyrik des Herrn Wolff mich mitunter eher innerlich zusammenzucken lässt und die Gesangsleistungen des Meisters und seiner Partnerin Anne Nurmi nach wie vor bescheiden sind. Und ihr lieben Schwarzen, die ihr ganz anderer Meinung seid und schon ansetzen wollt zur wortgewaltigen Entgegnung: Wartet den nächsten Abschnitt ab, auf dass ihr wahrhaft Zeter und Mordio schreien könnt!

-Unerträgliches
Möglicherweise ist im Verlaufe dieses Kapitels, welches sich mit der Musik der Szene aus der Sicht eines Unwissenden befasst, verhalten angeklungen, dass ich vieles für nicht ganz so toll halte. Um es anders auszudrücken: Die Abfall- bzw. Durchfallquote liegt so bei schätzungsweise 85 Prozent. Ohne die Alben von „Lacrimosa“ könnten möglicherweise die Neunzig voll gemacht werden. Doch das Schlimmste folgt zum Schluss!

Die aus dem süddeutschen Raum (Karlsruhe) stammende Gruppe „Umbra Et Imago“ bescherte mir bereits Migräneanfälle, bevor ich auch nur ein Tondokument aus deren Werkstatt kannte. Allein der Anblick des Frontplatthirsches reichte aus, um mir die Hornhaut zu verätzen und Kobolde in meinem Kopf Bowling spielen zu lassen. Auch dass sich dieser Herr erfrecht, sich selbst „Mozart“ zu nennen, ist von einer so unfassbaren Impertinenz, dass sich dagegen sogar manche Gebrauchtwagenhändler und Politiker schamhaft hinter dem Kleiderschrank verstecken müssten. Aber, dem Wesen nach gutmütig und (leider) auch neugierig, habe ich mir dann doch, wenn auch leicht besorgt, gestattet, in Produktionen dieser „Kultband“ hineinzuhören. Um ´s kurz zu machen: Schlechteste Musik, schlechteste Texte, unglaublich widerliches Artwork (Photos). Aber damit längst nicht genug: Möglicherweise den leisen Verdacht hegend, dass das, was man an silbernen Frisbees herstellt, nicht so ganz für Einkünfte sorgen könnte, hat diese Gruppe auch ein Image nebst Botschaft: Sex! In der Variante S/M. So nutzt das unmusikalische Sprachrohr der Band jede sich bietende Gelegenheit, über dieses Thema zu schwadronieren. Darf sogar darüber schreiben. So in dem an und für sich ganz lesenwerten Buch „Gothic!“. Da man natürlich als Goth auch ein Stück weit belesen ist, gibt es zum Schluss noch ein Nietzsche – Zitat, das den Leser in dumpfes Brüten versetzen soll. Hilft aber alles nichts: Flachsinn lässt sich nun mal nicht durch den Einbau echten und fremden Gedankenguts aufpolieren. Und die Botschaft? Die lässt sich kurz und knapp auf den Punkt bringen: „Ficken für Frieden und Toleranz!“ So gesprochen auf dem Wacken Open Air im Jahre 2001. Das reicht!!

Da ich gerade bei Größenwahn bin: Auch die selbsternannten „Goethes Erben“ scheinen über eine beträchtliche Selbstsicherheit zu verfügen. Aber ja, natürlich: anspruchsvolle Texte, untermalt von Musik und ein charismatischer Sänger. So oder so ähnlich würden die Anhänger dieses Projektes - fälschlich – wie auch in anderen Fällen – mitunter als Band bezeichnet - daherreden. Was an Stilblüten wie „Sterben ist ästhetisch bunt“ genial oder wenigstens „anspruchsvoll“ sein soll, vermag sich mir nicht zu erschließen. Aber, na ja, Literatur! Es klingt zumindest – so beim Lesen – ziemlich geistvoll. Da lasse ich dann doch mal Milde walten und lehne mich wieder entspannt zurück.
Bis die CD läuft...Ich fasse es nicht! Musik, die in ihrem Minimalismus von einer so bitteren Armut ist, dass einem die Schöpfer beinahe Leid tun könnten. Beziehungsweise die angemieteten Studiomusiker, die hiermit ihr Geld verdienen müssen. Keinerlei harmonische Entwicklung, nur endlose Ostinati auf akustischen Instrumenten und dazu Synthiegewabber. Gekrönt vom Rezitator der Band (Wieso eigentlich Sänger?), welcher seine Prosatexte im Stile eines Bühnendarstellers aufsagt. Und plötzlich geht mir auf, womit ich es hier zu tun habe: Absurdes Theater! Sonst nichts! Musik ist es nicht, genauso wenig wie hier Musiker am Werke sind. Da ändert auch die Single „Glasgarten“ nichts, trotz des Einsatzes des begabten Sängers Peter Heppner („Wolfsheim“). Ein Diamantsplitter macht einen Haufen parfümierten Abfall nicht genießbarer. Und tschüss!!!

Zeitschriften
Die Gärtner lesen Gartenzeitschriften, die Modelleisenbahner Modelleisenbahnzeitschriften, die Sammler Sammlerzeitschriften, die Musiker Musikerzeitschriften und die Schwarzen lesen Schwarzenzeitschriften...äh... Natürlich gibt es auch Gedrucktes im Bereich der Printmedien, was seine Leserschaft in der Szene findet. Es gibt auch Schwarze, die selbst Zeitschriften machen. So genannte „Fanzines“, ein Kunstwort, das aus „Fan“ und „Magazin“ zusammen gesetzt ist. Von diesen Heften, die den Untertitel „Von der Szene – für die Szene“ wahrhaft verdienen, soll dieses Kapitel nicht handeln. Nein, hier sollen einige Anmerkungen zu professionellen journalistischen Produkten erfolgen. Hefte, die ein jeder an fast jedem Kiosk für nicht zu wenig Geld erstehen kann. Über die das eine oder andere Wort gesagt werden soll. Im übrigen habe ich es ohnehin angedroht...
Da die Musik einen hohen Stellenwert innerhalb der Szene hat, ist es nur folgerichtig, dass die „Szeneblätter“ in erster Linie Musikmagazine sind. Demnach befassen sich gut und gerne 90 Prozent der Beiträge mit Bands, Musikern und Plattenkritiken. Die Schwarzen haben nun auch noch ein oder zwei andere Interessenschwerpunkte, so z. B. Magie, Mittelalter, Friedhöfe, Literatur und nicht zu vergessen Kleidung, so dass dazu auch das eine oder andere Artikelchen in den Heften zu finden ist. Schließlich haben fast alle auch einen umfangreichen Kleinanzeigenteil, der weidlich genutzt wird, um Kontakte zu knüpfen, Grüße zu versenden und selbstverfasste Lyrik zu veröffentlichen. Ich selbst fing an, diese Hefte wegen der Kleinanzeigen zu lesen. Denn: Schließlich wollte ich Menschen aus der Szene kennen lernen. Im übrigen sind diese Seiten auch geeignet, um etwas über die Gedankenwelt der Szenegänger zu erfahren. Aus eigener Erfahrung behaupte ich hier, dass man in der Tat interessante und nette Menschen kennen lernen kann. Auch ein schöner alter Brauch, das Briefeschreiben nämlich, ist in der Szene nach wie vor weit verbreitet. Ein Grund vielleicht auch für Szenefremde, die auf der Suche nach Brieffreundschaften sind, hier mal einen Blick zu riskieren. Sofern sie die hohen Kosten für die Hefte hinzunehmen bereit sind und mit dem redaktionellen Teil leben können.
Ich werde mich hier auf die „Großen Drei“(das Triumvirat!), die Hefte also, die den Kuchen im wesentlichen unter sich aufteilen, beschränken. Andere kenne ich nicht oder nur flüchtig. Abhängig von der Zeit, die mir von Kioskinhabern für ´s ungestörte Lesen zugestanden wird (eher im Bereich der Millisekunde...). Genug der Vorrede, los geht ´s!

- ZILLO
Das dienstälteste Heft ( seit 1990) ist das „Zillo“. Dementsprechend fällt der Tonfall hin und wieder etwas „herangereifter“ bzw. erwachsener aus als in den Konkurrenzprodukten. Das Layout ist für meinen Geschmack im Bereich des Erträglichen, beim Inhalt wird so mancher Wermutstropfen durch die Cartoons aufgewogen. Damit meine ich allerdings die „Dead“ – Serie, die zwar keine Hochkomik bietet, aber doch, indem sie die Szene und deren Klischees ein wenig auf die Schippe nimmt, ganz amüsant ist. Das versucht der Autor auch mit einer neueren Serie, die den schönen Titel „Die kleine Gruftschlampe“ trägt. Er versagt kläglich mit seinen albernen Vampirwitzchen! Aber, wie heißt es doch so schön: „nomen est omen!“ und wer in seinem Schatzkästlein des gepflegten Humors nichts anderes aufbewahrt als einen solchen Titel, bringt eben auch sonst nichts (mehr) zu Stande.
Zum Glück für den Autor, dass er für „Zillo“ arbeitet. Denn eines muss ich den Blattmachern lassen: Ein gewisses Geschick im Bereich des Marketing haben sie. Was die so alles an Liebhaberstücken aus eigener Schmiede, gerne mit dem Wort „Kult“ belegt, monatlich anbieten – nicht übel! So werden neben T – Shirts, Trink – und Aschenbechern auch die gesammelten Werke des Zeichners feil geboten; strategisch günstig unmittelbar vor den Kleinanzeigen, so dass man irgendwann mal einen näheren Blick riskiert. Und vielleicht bestellt. Respekt, Respekt! Ein feiner Zug obendrein. So besteht doch wenigstens ein reelle Chance für den Zeichner, sich seine Existenzgrundlage zu sichern. Auch sonst sind sie nicht ungeschickt, die „Zillo“ – Leute. Denn die Kooperation der X –Tra – X – Kette mit dem Heft (einer wirbt für den anderen) ist sicherlich für beide Seiten in kaufmännischer Hinsicht befriedigend: Der Konfektionär zahlt erhebliches für seine Mammutanzeigen (so alle zwei Monate), dafür laufen ihm auch weitere Adepten zu, die ihr Taschengeld in Szenekleidung anlegen. In ähnlicher Weise wirkt man auch mit der Tonträgerhandelskette WOM (World Of Music) zusammen. Die einen (WOM) sorgen für das Material um die CD – Beilage voll zu kriegen, die anderen („Zillo“) bringen dafür regelmäßig auf der letzten Seite die ganzseitige und farbige (teuer!) Anzeige der Kette. Doch, ich bin des Lobes voll und würde beinahe zum Abschluss noch einen Toast ausbringen, wenn mir nicht soeben einfiele, dass das Heft auch einen redaktionellen Teil hat!
Neben dem Gängigen, also massenweise Interviews und Homestories von angesagten Bands und solchen, die es nach dem Willen ihrer Investoren (Plattenfirmen) gerne wären, gibt es noch Realsatire wie die Fortsetzungsnovelle „Magie: Das Formlose Feuer gestalten“ und wahre Kleinodien des vielleicht gut und aufklärerisch gemeinten, indes aber schlichtweg peinlichen Journalismus.
Zu letzterem zählt der Aufmacher in Heft 9/2001 „Wir sind keine Mörder!“. Hintergrund hierfür war die Berichterstattung der gar nicht lieben Kollegen aus der Nachrichtenecke und des Boulevards in Zusammenhang mit dem sogenannten „Satanistenmord von Witten“. Eine gute Gelegenheit für die Massenmedien, das berüchtigte Sommerloch über Wochen mit nervtötenden Reportagen zum konkreten Fall und zum Thema „Satanismus, Grufties und Gothic –Szene“ zu füllen. Während die anderen Hefte sich hierzu nur am Rande äußerten und im übrigen das Ganze mit der gebührenden Nichtbeachtung straften, war die „Zillo“ - Redaktion offenbar von allen guten oder bösen Geistern verlassen. So schrieb man ein flammendes Plädoyer nebst einzeiligen Aussagen von Szenegängern zusammen, welches vielleicht die Begnadigung durch den allmächtigen Boulevard (namentlich „Spiegel“ und „Bild“) bewirken sollte, tatsächlich nicht nur mir Tränen des Schmerzes in die Augen trieb. Mit Beruhigung durfte ich wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass die Leser des Blattes nicht nur aus Heulsusen bestehen, die in ständiger Furcht vor der gesamtgesellschaftlichen Hexenjagd leben zu müssen glauben; entsprechend wurde die Redaktion auf der Leserbriefseite für ihren Griff in die Untiefen der Latrine abgestraft. Ich danke Euch, schwarze Schwestern und Brüder, die ihr doch wisst, was es heißt, anders zu sein und zu empfinden! Und Euch, Schreibern des „Zillo“, „ab imo peccore“ (von ganzem Herzen): Gute Besserung!

- Sonic Seducer
Auch der „Sonic“ durfte sich bereits mit einer Jubiläumsausgabe selbst feiern (Nr. 50, Heft 9/2002). Das Heft spricht eher die jüngeren Menschen an. Was gut ist, denn die Szene benötigt den Nachwuchs. Nicht auszudenken, wenn diese nur noch aus vergreisten Cure – Fans der ersten Stunde bestehen würde! Entsprechend ist der Stil eher im weitgehend erträglichen Plauderton von Heranwachsenden gehalten. Dass der harte Kern der Redaktion aus Damen und Herren besteht, die überwiegend schon jenseits der Dreißig sind, stört mich dabei nicht. Andere schon, aber die lesen das Heft natürlich nie. Kaufen es nur wegen der monatlichen CD – Beilagen. Diese enthalten meistens auch einen umfangreichen Multimediateil, u. a. mit Videomitschnitten von den großen Festivals (WGT und M´ ERA LUNA, „Zillo“ – Festival bleibt außen vor, s. u.). Ich hatte leider das Pech, dass mein alter Rechner nicht in der Lage war, diese Filmchen darzustellen. Mittlerweile konnte ich dies nachholen, da ich zwischenzeitlich aufrüstete. So darf ich nunmehr, in Demut vor dem Monitor kniend, den lichtvollen Ausführungen von Szenegrößen im O – Ton lauschen. Einmal mehr wird mir dabei klar, warum Interviews eine Überarbeitung und Schlussredaktion dringend benötigen.
Reichlich erbärmlich finde ich hingegen die Bösartigkeiten in Richtung Konkurrenz. Namentlich an die Adresse des „Zillo“, welches die Oberhausener scheinbar abgrundtief hassen. So geschehen in der Rubrik „Hot und Schrott“, wo die Redaktion in Ausgabe 8/2002 unter anderem befand:“(Wie wäre es)wenn Ihr(...).Euch mal selbst was cooles ausdenken würdet, statt einfach nur plump jede brauchbare Idee von uns zu klauen.“. Wohl der Neid, weil das „Zillo“ das Unternehmen X – Tra –X als Werbekunden an sich binden konnte. Verständlich wegen der (hoffentlich) bekannten Tatsache, dass sich Zeitschriften nicht über die verkaufte Auflage finanzieren (können), sondern in erster Linie über die teuer zu bezahlenden Anzeigen durch werbewillige Unternehmen.
Einen sehr positiven Eindruck hinterlässt auf mich der Kleinanzeigenteil. Nicht zuletzt deshalb, weil der zuständige Redakteur gerne mittels launiger Kommentare mit den Anzeigenschreibern in Dialog tritt. Dies geschieht im übrigen in wirklich netter und sympathischer Weise. Das finden auch die Inserenten und grüßen den „Tipper“ regelmäßig. Darüber hinaus findet sich auch auf der „Sonic Seducer“ Homepage eine Abteilung, in der Kleinanzeigen kostenlos online aufgegeben werden dürfen. Eine löbliche Einrichtung, die leider auch Schmarotzer und Schmeißfliegen anzieht, welche diese Rubrik als Werbeforum missbrauchen. Da bleibt für die Aufrechten und Anständigen zu hoffen, dass die Kleinanzeigenabteilung in der jetzigen Form dennoch erhalten bleibt.

- ORKUS
Und dann gibt ´s da noch den „ORKUS“. Beziehungsweise „die ORKUS“, wie mir völlig schleierhaft, stets und ständig gesagt und geschrieben wird. Bisher konnten auch wiederholte Nachfragen bei Freunden, die es wissen müssten, nicht dafür sorgen, die schwarzen Wolken, die mein Verständnis um mindestens 30 Lumen abdunkeln, zu vertreiben. Daher: Wer diesbezüglich Aufklärungsarbeit leisten möchte, ist herzlichst willkommen.
Das Heft ist recht ansprechend aufgemacht: Innen ganz in Schwarz – Weiß gehalten, wird das Titelblatt von guten Farbportraits von Musikern und „Musikern“ geziert. Gedruckt ist das Ganze auf nicht glänzendem Papier und das Layout ermöglicht ein kopfschmerzfreies Lesen ohne dass man gezwungen wäre, gestaltungsbedingte Lückentexte auszufüllen. Inhaltlich ist es von einer gewissen Vielfalt. Diese umfasst den obligatorischen Musikteil, mit allem, was so dazugehört, eine Literaturseite, eine Filmseite, ein wenig Kunst ist auch dabei und natürlich eine in Szenekreisen schon legendäre Kleinanzeigenabteilung. Damit nicht genug, seit Neuem (November 2002) gibt es auch noch einen CD – Sampler. Was will man also mehr? Alles top, nix mit flop!
Wirklich? Natürlich nicht! Ich will nicht einmal was dagegen sagen, dass das antimusikalische Grauen in Gestalt von „Umbra Et Imago“ immer wieder für die eine oder andere Titelgeschichte gut ist. Immerhin hat das Label genügend bezahlt. Dem Blatt sei meinerseits nicht verwehrt, Einkünfte zu erzielen, um sich am Markt zu behaupten. Davon hängen auch Arbeitsplätze ab. Nur: Ärgerlich wird es, wenn der Anschein erweckt wird, derlei allein für die Fans und Bewunderer (soll ´s wirklich geben...) zu tun. Dies stellt eine so feiste Lüge dar, dass man diese Personen bzw. Delinquenten mit Roland Koch - Reden nicht unter zwanzig Monaten bestrafen sollte. Ich weiß nicht, aber die Leser dieser Postille scheinen in diesem Punkt jeglichen Feingefühls beraubt zu sein. Alle, mit denen ich sprach, scheinen im festen Glauben zu leben, dass die Basisnähe des „ORKUS“ über jeden Zweifel erhaben ist. Das könnte freilich auch an den schmachtenden Editorials liegen. So als die ehemalige Chefin vom Dienst, Anja Lochner, dorten tränenreich Abschied von den treuen Lesern nahm. Hat „der Liebe wegen“ hingeschmissen. Da blieb wahrscheinlich kein Auge mehr trocken. Ja, ja, Abschied ist immer auch ein bisschen Sterben...
Oder das Geleitwort in der Ausgabe Nr. 11/2002. Da waren ein paar Worte zu der ersten Multimedia - CD fällig. Nun gestehe ich jedem zu, auf das stolz zu sein, was man geschaffen hat. Auch wenn es nur ein CD – Sampler ist. Wie man allerdings ohne rot zu werden, behaupten kann, es stecke das „Herzblut“ (sic!) in dieser Scheibe - da werde ich blass! Ein solcher Schwulst soll einzig und allein dazu dienen, die Leser glauben zu machen, dass die Blattmacher ebenso fest verwurzelt in der Szene sind wie diese und alles nur aus Idealismus und wahrer Liebe und Freundschaft zu den Empfindsamen draußen machen. Dass auch diese CD – Beilagen ein Werbemedium für die hierauf enthaltenen Künstler sind, würde nie erwähnt werden. Wahrscheinlich wäre es erst vorbei mit dieser Scheinheiligkeit, wenn statt der Schecks und Überweisungen der Werbekunden nur noch patchouli – getränkte Dankesbriefe mit morbider Lyrik beim Verlag eingingen.
Auch in intellektueller Hinsicht versteht sich die Redaktion - bzw. einige Mitarbeiter - trefflich darauf, ein äußerst dünnes Brettchen zu bohren; in etwa von der Dicke eines IKEA – Echtholzfurniers (Durchschlagpapier!). Hiermit spiele ich nicht auf die Berufung Oswald Henkes (Goethes Erben) zum Kolumnisten an! Nur rein vorsorglich! Nein, ich denke eher an Äußerungen wie diese:“(...).Doch ich frage mich dann wieder: muss es sein, dass es immer wieder neues Leben gibt? Kann die Menschheit nicht einfach aussterben? Quasi als Sinn des Lebens?“. Dieser gnadenlose Schwachsinn, den der Schreiber selbst mit Sicherheit für Philosophie hält, war eine (vermutlich) rhetorische Frage, gestellt an Anne – Varney Cantodea von „Sopor Aeternus“ (Nr. 12/01/2002/2003). Zu seinem Pech hatte er es mit einem denkfähigen Menschen zu tun, die ihn in angemessener Form zu Recht ge - und auf seinen Platz (Tipper von Kleinanzeigen) verwiesen hatte.
Obwohl ich noch weitere Beispiele und Zeugnisse der ganz eigenen Kompetenz der „ORKUS“ – Mitarbeiter anführen könnte, soll es doch hiermit sein Bewenden haben. Denn ich werde den Verdacht nicht los, man könnte annehmen ich hasste den „ORKUS“!? Aber nein. Mir gefällt die Zeitschrift doch auch. Wieder Freunde? Na prächtig!
Poeten, Intellektuelle und das Internet
Deutschland! Eine Kulturnation ersten Ranges!! Das Volk der Dichter und Denker!!! Gerade wer sich zur Intelligenz zählt, also zur einzig wahren Vorhut einer Nation, scheut sich hierzulande nicht , diese Sache mit den Dichtern und den Denkern zu betonen. Dass diese Beschreibung der Deutschen vor allem im revolutionären Frankreich des 19. Jahrhunderts in Gebrauch war, um ironisch – spöttelnd auf die urdeutsche politische Schlafmützigkeit hinzuweisen, scheinen diese Vertreter der geistigen Elite nicht zu wissen. Bildung heißt mitunter die Hürde, welche einer nehmen muss, um das, was er so von sich gibt, auch mit Inhalt anzureichern. Bei vielen ist diese zu deren ganz privatem Glück aber eher niedrig angesetzt – und kann folglich einfach überrannt werden!
Doch warum diese Einleitung? Weil auch die schwarze Szene einige Dichter und Denker beheimatet. Nein, wirklich, ich spiele nicht auf die „Professionellen“ an! Die ohnehin schon ihr Fett weg haben. Gemeint sind die vielen, vielen Hobbypoeten und Philosophen, die versteckt hinter Künstlernamen ihre Werke und ihr Gedankengut in den Heften und seit geraumer Zeit auch im Internet selbstlos vor der dankbaren Leserschaft ausbreiten. Dankbare Leserschaft? Aber ja – und wehe nicht!
Nicht spötteln möchte ich über jene lyrischen Ergüsse, die in ihrer naiv – schlichten Machart ein Zeichen jugendlicher Sinnsuche sind. Das Heranwachsen ist nun mal eine Zeit der Konflikte und ewigen Gefechte mit alten Besserwissern, auch als Eltern und Lehrer bekannt. Insoweit ist mein Gedächtnis intakt genug, um mich daran zu erinnern, dass ich auch nicht besser war. Nein, was mir eher Kummer bereitet, ist der Umstand, dass viel zu viele PoetInnen, trotz beeindruckenden Umganges mit der Sprache, in Klischees förmlich zu ersaufen scheinen. Kaum ein Gedicht das nicht die Worte „Tod“, „Sterben“, „Leere“, „Schmerz“, „Dunkelheit“(auch erlaubt:: “Finsternis“) und ähnliches enthält. Als würde man zwanghaft gegenseitig voneinander abschreiben. Schade. Obschon ich die Hoffnung hege, dass die Begabten irgendwann auf den Trichter kommen und feststellen, dass auch Melancholie nicht notwenig im Stile einer Grabrede dargestellt werden muss. Hinderlich könnte allenfalls der begeisterte Zuspruch mancher Leser sein. Dieser fällt meistens ähnlich aus: „Wie schön! Seufz!“; „Das hat mich jetzt unheimlich berührt!! Auch: Seufz!“; „Das ist so wunderschön!! Erst Recht: Seufz!!“. Wer erst mal so im schwarzen Kerzenlicht steht, wird es sich vielleicht zweimal überlegen, ob er seine Poesie zugunsten von Originalität und dem, was in manchen Kreisen (weniger in der Szene) als „eigener Stil“ bezeichnet wird, verändert. Wiewohl man möglicherweise Gefahr laufen könnte, dabei die Fähigkeit zur selbstkritischen Analyse und Annahme von fremder Kritik zu verlieren bzw. nie zu erlernen? Wer weiß? (Es wäre im übrigen reichlich albern und vollkommen stillos, mir aufgrund dieser Ausführungen einen Verriss zu bescheren, um meine Kritikfähigkeit auszutesten...)
Da ich bemerke, dass die letzten Worte unter Umständen zum Nachdenken angeregt haben könnten, möchte ich doch noch eine kleine lyrische Gemme einrücken, die zwar nicht aus meiner eigenen Feder stammt, gleichwohl „echt wunderschön“ ist:

„Unter den Gräsern nähre ich mich von Dunkelheit
Viele Tage schon besessen und furchtlos
Kleine Welt die ich ertasten kann
Ab und zu find ich Kupfererz Diamanten und Granit
Doch es siegt jener Teil in mir
Der mich immer weiter zieht

Zeig mir den Weg nach unten
Ich hasse den Tag ich hasse das Licht
Zeig mir den Weg ins Dunkel
Wo Einsamkeit herrscht kein Spiegel für mein Gesicht

Wohlige Kälte
Lindert das Feuer tief in mir
Feuchter Erdgeruch ich höre mein Graben
Die Substanz des Bodens ändert sich
Bin schon durch den Mittelpunkt
Kein Gefühl für Raum und Zeit
Dann kommt Licht und ein Känguruh
Und ich weiß ich bin zu weit.

Zeig mir den Weg nach unten
Ich hasse den Tag ich hasse das Licht
Zeig mir den weg ins Dunkel
Wo Einsamkeit herrscht kein Spiegel für mein Gesicht“
( „Weg Nach unten“ von dem Album „The Schlechtst of“ der Band Knorkator)

Der Goth, der etwas auf sich hält, interessiert sich für Literatur. Dies ist ungeschriebenes Gesetz und wird gestützt von einem Geltungswillen, der in Bezug auf die Quote den Wahlergebnissen der SED in der DDR gleichkommt. Auch der Schrumpfkopf und Vorsteher einer gewissen deutschen „Musik“ – Gruppe (Nein, ich nenne den Namen nicht!), gibt sich gerne als belesen aus. Kann auch sein... Immerhin liest der debile Revolvermann Otto in der britischen Filmkomödie „A Fish Called Wanda“ auch Nietzsche. Man muss nicht alles verstehen können, was man so liest. Besser dran als die bedauernswerten Mitmenschen, die des Lesens nicht mächtig sind, ist man allemal.
Wenn man schon liest, dann natürlich richtig. Das heißt: Philosophisches meistert man ebenso mühelos wie den „ORKUS“ oder das Telefonbuch. Beneidenswert!
Da belesene Menschen mitunter auch das eine oder andere zu sagen haben, ist es nur zu verständlich, dass sie ein Forum benötigen. Eine Rednerbühne wie weiland im antiken Rom, wo sie dann ihre Weisheiten zum Segen vieler kund tun.
Das ist das Internet. Und die bevorzugte Spielwiese des Schwarzen, der sich selbst zur Intelligenz zählt, sind die Foren der schwarzen Szene. Derer gibt es einige im Netz.
Zu den wirklich leidvollen Erlebnissen, die mir noch heute den Erinnerungsschmerz förmlich in alle Gliedmaßen treiben, gehört meine eigene zeitweilige Mitgliedschaft in einer solchen schwarzen Gemeinschaft von Seelenverwandten im Cyberspace. Noch heute denke ich mit Schrecken daran, wie an diesem Ort zumeist junge Menschen unter dem Schutz der für das Web typischen Anonymität ihr Halbwissen, von dem ihre Köpfe übervoll waren, rücksichtslos ausgossen. Damit andere, die vermeintlich weniger gebildet oder – nach deren Auffassung - einfach „blöder“ waren, auch nicht den Hauch einer Chance hatten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Damit man mich richtig versteht: Ich hatte und habe nichts gegen junge Leute. Ich lege keinen Wert auf die üblichen Insignien eines machtvollen Geistes (Abitur, Studium und derlei mehr) – entscheidend ist allein, ob jemand über genügend gesunden Menschenverstand verfügt. Insoweit setze ich als bekannt voraus, dass hierzu kein Wissen, schon gar kein Halbwissen, benötigt wird. Manchmal war dieses auch schon mal eher hinderlich.
Da ich, wie mittlerweile ebenfalls bekannt sein dürfte, sehr um meine eigene Gesundheit besorgt bin, werde ich dieses Kapitel sehr kurz halten. Dafür liefere ich dem Leser ein repräsentatives Beispiel, damit er nachvollziehen kann, weswegen m. E. derartige Orte der Begegnung besser zu meiden sind. (Dies gilt natürlich nicht für die Anhänger einer bestimmten Truppe aus dem Badischen...)
Auf Foren gibt es sog. „threads“, also Themenbereiche über die je nach Lust und Laune unter Anleitung eines sog. „Mods“ (Moderator) geredet werden darf. Die Gedanken sind frei und schwirren daher ungebändigt überall herum. Möglicherweise auch ohne Verstand?!
Die letzte Diskussion, die ich live und in Farbe miterlebte, behandelte das Thema „Gewalt gegen Frauen“; im konkreten Falle ging es um die verdammenswerte Praxis in einigen Staaten Afrikas, Frauen bzw. Mädchen zu „beschneiden“. Ich gehe davon aus, dass der Leser weiß, was damit verbunden ist.
Nach einer Weile der noch lesenswerten und erträglichen Diskussion, bequemte sich dann auch der Moderator zu einer sachdienlichen Äußerung. Diese lautete : „Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel für den Relativismus ethischer Normen!!“
Der ich nur ein Wilder ohne Bildung bin, denke ich: „Ist es nicht ein schönes Gefühl? Im handgeschnitzten Elfenbeinturm auf einem Stapel von Reclamausgaben der größten Denker zu ruhen und seinen eigenen Hinterkopf zu betrachten?“. Überflüssig zu erwähnen, das die wenigen Menschen, die einen Beitrag hätten leisten können, hiernach keine Lust mehr hatten.
Und was soll nun dieses Beispiel sagen? „Nimm Dich stets in Acht – der deutsche Bildungsspießer allerorten wacht!“ Klar? Dann eben nicht!

Zum Schluss...
Nun lieber Leser wirst Du dich fragen: „Was ist es, was einen hauptberuflichen Spötter und Zyniker dazu bringt, trotzdem am Schwarzsein fest zu halten?“ Ich verstehe Dein Anliegen. Die Antwort: Es ist das Lebensgefühl, anders zu sein und anders sein zu wollen! In der Szene, mit ihr oder gänzlich ohne sie. Sonst nichts!
Schade...

Mein Dank geht an meine hochgeschätzten Brieffreunde: Sebinn, Artemisia, Anke, Josef und Peru und vor allem Bozena. So lange es Leute wie Euch gibt...erst recht!
 
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 (13.07.2006)

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