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5 Seiten

Vom Prinzen, der auszog, um Freunde zu finden

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Täglich saß er da, der Prinz und blickte nachdenklich vor sich hin. Sein Gesichtsausdruck schien sich niemals zu verändern, noch nie hatte ihn jemand lachend oder weinend gesehen. Er lebte in völligem Luxus, besaß alle möglichen Spielsachen, und wann immer er etwas brauchte, er brauchte seinen Wunsch nur auszusprechen, und schon bekam er ihn erfüllt. Doch kein Spielzeug konnte ihm lange Vergnügen bereiten, schon nach kurzer Zeit begann es ihn zu langweilen und stand nur noch in der Ecke rum. Irgendwann gab es kein Spielzeug mehr, was er nicht besaß. Irgendetwas fehlte ihm, doch er wusste nicht was.
Als er heranwuchs, begann er zu lesen und verschlang ein Buch nach dem anderen. So las und lernte er viel über die Welt, von der er noch nie etwas gesehen hatte, da er den Palast noch nie verlassen hatte. Immer wieder las er auch etwas über Freunde und Freundschaft, was ihn besonders neugierig machte.
"Was ist eigentlich Freundschaft?", fragte er eines Tages seine Eltern. Sein Vater überlegte, fing immer einen Satz an, konnte aber keinen beenden und bat schließlich seine Frau, seinem Sohn dieses Wort zu erklären. Doch auch der Mutter gelang es, dem Prinzen zu sagen, was Freundschaft ist. Enttäuscht zog der Prinz sich zurück, verbrachte umso mehr Zeit mit Lesen und hatte nur einen Wunsch: er wollte Freunde haben.
Als er 18 Jahre alt wurde, beschloss er in die weite Welt zu ziehen, um Freunde zu finden. Seine Eltern waren darüber nicht sonderlich begeistert, doch ließen sie ihn ziehen. Mit einem Beutel Gold ritt er davon.
Nach einer Weile kam er in eine Stadt und beschloss dort Rast zu machen und in ein Wirtshaus einzukehren. In dem Wirtshaus saß eine Gruppe junger Leute, die etwa in seinem Alter waren. Vielleicht könnten das ja seine Freunde werden, dachte er sich und beschloss sie einzuladen. Die Leute nahmen die Einladung dankend an, er durfte sich zu ihnen an den Tisch setzen, aber sonst schenkten sie ihm kaum Beachtung, außer wenn er Fragen stellte. Trotzdem gab er ihnen ein Getränk nach dem anderen aus. Spät in der Nacht brach die Gruppe auf, dankte ihm noch mal für die Einladung und ließ ihn zurück. Weg waren sie, nur die hohe Rechnung hatte er behalten.
"Aber warum lädst du wildfremde Leute ein und lässt dich von ihnen auch noch ausnutzen?", fragte der Wirt, der sein enttäuschtes Gesicht bemerkt hatte.
"Ich wollte Freunde finden", antwortete der Prinz. Der Wirt lachte. "Aber du kannst dir doch Freunde nicht kaufen."
"Aber was sind denn Freunde", fragte der Prinz.
"Freunde sind immer für einander da, sie vertrauen sich, sind ehrlich zueinander, und sie nehmen einem so, wie er ist und mögen einem nicht für das, was er besitzt", erklärte der Wirt.
"Ihr meint, auch wenn ich arm wäre, würde es einen Freund nicht stören", fragte der Prinz.
"Ganz genau, Geld spielt keine Rolle."
"Ich glaube, ich verstehe es jetzt", sagte der Prinz. "Ich danke euch."
"Du wirst im Laufe deines Lebens noch viel dazu lernen, wenn du Erfahrung gesammelt hast", fügte der Wirt noch hinzu.
Während der Nacht dachte der Prinz noch lange Zeit nach, bevor er schließlich einschlief.
Am nächsten Morgen sah er wieder eine Gruppe junger Leute dort sitzen. Er beschloss, diesmal nicht wieder mit Geld Eindruck machen zu versuchen, sondern fragte einfach, ob er sich zu ihnen mit an den Tisch setzen dürfe, da er neu in der Stadt sei und niemanden kenne. Höflich wurde er aufgenommen, die Leute stellten sich ihm sogar einzeln vor, auch er stellte sich vor, verschwieg aber, dass er ein Prinz war, er hatte ja vom Wirt gelernt, dass echte Freunde einen Menschen nicht wegen ihres Reichtums mögen. Diese Menschen waren viel netter als die vom vergangenen Abend, sie ließen ihn richtig an ihrem Gespräch teilhaben. Der Prinz war richtig erfreut darüber. Aber nach ein paar Stunden brach auch diese Gruppe auf, verabschiedeten sich herzlich von ihm, wünschten ihm noch alles Gute und ließen ihn auch zurück. Dabei hatte er so gehofft, er dürfe sich ihnen anschließen. Der Wirt bemerkte wieder sein enttäuschtes Gesicht.
"Freunde findet man nicht von einem Tag auf dem anderen. Menschen kommen und gehen. Du musst Geduld haben. Manchmal entstehen Freundschaften auch erst nach jahrelanger Bekanntschaft", erklärte der Wirt. Der Prinz nickte verstehend.
"Sieh dir erst einmal ein wenig von der Welt an und lass alles auf dich zukommen", riet der Wirt.
Nach einer Weile zog der Prinz los. Während seiner Reise kam er an vielen Städten vorbei, wo er einkehrte. Er traf auch auf viele Menschen, sprach aber nur mit ihnen, ohne sich Hoffnung zu machen in ihnen Freunde zu finden. Er hatte schon vieles gelernt von dem Wirt. Die Welt da draußen gefiel ihm sehr gut, auch wenn er noch keine Freunde gefunden hatte, war er dennoch glücklich, denn er hatte schon vieles gesehen und auch schon viele Menschen kennen gelernt, all das, was er vorher noch nicht kannte.
Eines Tages auf einsamen Weg sah er ein etwa gleichaltriges Mädchen am Wegesrand sitzen, als er näher kam, sah er, dass sie weinte.
"Hallo, was ist los mit dir, kann ich dir helfen?"
"Meine Eltern und ich sind von Räubern überfallen und ausgeraubt worden. Ich konnte fliehen, aber meine Eltern wurden beide getötet von ihnen."
Der Prinz erschrak, er konnte nicht verstehen, dass Menschen zu so etwas fähig sein konnten.
"Ich bin jetzt so allein, ich weiß nicht, wo ich hin soll", weinte das Mädchen. "Ich habe niemanden mehr. Was soll ich denn jetzt tun?"
Dem Prinz tat alles so leid, dass er ihr helfen wollte. "Mach dir keine Sorgen, ich kann für dich ein kleines Häuschen irgendwo kaufen, dann hast du wieder eine Bleibe. Und ich kann dir Geld geben, dass du genug Essen und Trinken hast."
"Aber wie willst du das denn tun", fragte das Mädchen.
"Weißt du, ich bin ein Prinz, und ich besitze viel Geld."
"Nein, das kann ich nicht annehmen und das bringt mir meine Eltern auch nicht zurück", lehnte sie ab.
"Aber ich möchte doch so gern helfen", sagte er.
"Was macht ein Prinz wie du hier und wieso willst du unbedingt einem einfachem Mädchen wie mir helfen?", fragte sie.
Da erzählte er ihr, dass er sein Leben im Palast seiner Eltern verbracht hatte, aber endlich mal etwas von der Welt sehen wollte. Das Mädchen hörte aufmerksam zu und sagte, sie hätte sich einen Prinzen ganz anders vorgestellt.
"Wenn du mir wirklich helfen möchtest, dann leiste mir Gesellschaft, nimm mich mit auf deine Reise, ich möchte nicht allein sein", sprach sie dann. Der Prinz freute sich.
"Sehr gern", antwortete er und beinahe lächelte er zum ersten Mal in seinem Leben.
So zogen sie los. Wenn er irgendwo mit ihr einkehren wollte, lehnte sie stets ab, sich von ihm etwas bezahlen zu lassen, lieber zog sie es vor, durch Geschirr spülen ihr essen zu verdienen. Oft aßen sie auch selbst gepflücktes Obst, schliefen unter freiem Himmel, und sie brachte ihm auch bei, wie man angelt. Er lernte sehr viel von ihr und fand immer mehr Gefallen am "einfachen" Leben. Immer wenn er etwas zu erzählen hatte, hörte sie aufmerksam zu. Oft sagte sie ihm, wie froh sie sei, dass er sie begleitet. Er dachte im Laufe der Zeit immer über die Worte des Wirtes nach und begriff, dass er in ihr einen Freund gefunden hatte.
Nachdem er nun einige Monate fort von seiner Heimat war, beschloss er zurückzukehren und bat Sonrisa, so hieß das Mädchen, ihn zu begleiten.
"Ich möchte dich meinen Eltern vorstellen, wir können dir, wenn du möchtest, dort eine Arbeit geben."
Sie freute sich und beschloss mitzukommen.
Vorher wollte der Prinz noch in die Stadt zurückkehren, die er als erstes besucht hatte, um dem Wirt noch einmal für seine weisen Ratschläge zu danken. Als sie dort ankamen, stellten sie fest, dass die Taverne verschossen war. Der Wirt, der ihm jedoch vom Fenster aus gesehen hatte kam heraus und war erfreut ihn zu sehen.
"Aber was ist denn mit Eurer Taverne, warum habt Ihr verschlossen?", fragte der Prinz besorgt. Der Wirt erklärte traurig, dass er sie nicht mehr halten konnte, weil die Geschäfte zu schlecht waren und sie schließlich aufgeben musste.
"Warum kommt Ihr nicht mit, Ihr könntet in unserem Palast als Koch arbeiten", schlug der Prinz auch ihm vor.
"Das würde wirklich gehen?", fragte der Wirt.
"Aber natürlich. Ihr ward mein erster Freund, den ich kennen gelernt habe. Ohne Euch wäre ich nie weitergekommen. Seht, das ist Sonrisa, ich habe sie kennen gelernt, sie wird uns auch begleiten."
Der Wirt war überglücklich und schloss sich an.
Als sie den Palast erreichten wurde der Prinz feierlich empfangen. Auch seine Eltern waren glücklich und erleichtert, ihn unversehrt wieder zu sehen.
"Mutter, Vater, seht, ich habe Freunde gefunden", rief er und lachte zum ersten Mal.
Seine Eltern baten ihn darauf, erst einmal allein mit ihm zu sprechen. Als sie ungestört waren, fragten sie ihn, wer die Leute seien, wie er sie kennen gelernt habe. Stolz erzählte der Prinz die ganze Geschichte.
"Weißt du", fing sein Vater dann an. "Das freut uns ja wirklich alles zu hören, aber das sind einfach Menschen, sie passen einfach nicht zu uns. Was auch immer du ihnen versprochen hast, gib ihnen einfach einen Beutel voll Gold und lass sie weiterziehen. Du wirst sie bald auch vergessen."
"Aber warum denn?", fragte der Prinz, der damit nicht gerechnet hatte. "Es sind meine Freunde, zum ersten Mal bin ich glücklich und ich will sie nicht wieder verlieren", sagte er dann und weinte zum ersten Mal.
"Dir ist es also wirklich wichtig mit ihnen", fragte die Mutter, die Mitleid bekommen hatte. Der Prinz nickte und weinte immer noch.
"Warum sollen wir sie dann hier nicht aufnehmen und ihnen Arbeit geben, was ist so schlimm daran, wenn es einfache Menschen sind?", fragte die Mutter. "Siehst du nicht, wie viel es unserem Sohn bedeutet, wir wollten doch auch immer, dass er glücklich ist."
Der König dachte nach. "Nun ja, eigentlich spricht wirklich nichts dagegen. Wenn es das ist, was du wünschst, sollen sie bleiben."
"Danke Vater, danke Mutter", rief der Prinz voller Freude und fiel seinen Eltern um den Hals.
Mit der Zeit lernten auch der König und die Königen viel über das Thema Freundschaft und verloren auch alle Vorurteile gegenüber den einfachen Menschen.
 
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Kommentare  

Wirklich eine ganz entzückende Geschichte für Kinder. Schade, dass die noch nicht hervorgeholt worden ist.

doska (03.05.2009)

Hallo, mir gefällt es inhaltlich sowie stilistisch sehr gut. Mir ist dsa Thema Freundschaft sehr wichtig und man kann nicht oft genug einen Text darüber schreiben. Hat mir wirklich gut gefallen. LG Sabine

Sabine Müller (12.10.2006)

Hallo,

danke für kommentar und bewertung. Den inhalt habe ich absichtlich so dargestellt, aber ganz zufrieden bin ich auch nicht damit. Für verbesserungsvorschläge bin ich immer gern zu haben.

lg Holger


HomoFaber (10.10.2006)

Den Inhalt dieses Textes finde ich persönlich viel zu naiv und rührselig. Dein Schreibstil ist aber gut.

Fuchs (10.10.2006)

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