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Azubis sind die Dummen (auch wenn sie keine mehr sind)

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Nachdem es mir den ganzen vergangen Sonntag schon davor gegraut hatte, machte ich mich Montagmorgen mit übler Laune auf den Weg zur Arbeit.
Am Parkplatz angekommen, blieb ich noch kurz im Auto sitzen, da gerade noch jemand anders einfuhr. Wäre ich auch sofort ausgestiegen, hätte ich grüßen müssen, ich hasste es, morgens zu grüßen. Es reichte ja schon, dass ich den Pförtner gleich grüßen musste.
Als er außer Sichtweite war, verließ ich schnell mein Auto, da sich in dem Moment schon das nächste Auto auf den Parkplatz zu bewegte.
Auf dem Weg zum Gebäude lief mir ausgerechnet der blöde Firmengärtner über den Weg. Den konnte ich morgens schon gar nicht ertragen.
„GUHUHUHUTEN MOOOOR…GEN“, grüßte er laut und fast singend. Umklatschen hätte ich den Kerl können. Der ging mir jedes Mal mit seiner überguten Laune auf den Geist. Der müsste doch eigentlich langsam bemerkt haben, dass er damit meine schlechte Laune nicht vertreiben konnte. Ich kam schließlich jeden Morgen schlecht gelaunt zur Arbeit.
„Morgen“, sagte ich nur, ohne ihn dabei anzusehen.
Jetzt musste ich noch am blöden Pförtner vorbei. Wie dämlich der mich schon wieder angrinste. Ich nickte ihm nur zu und ging durchs Tor.
Um sieben Uhr betrat sich das Büro. In etwa einer Stunde würde mein Chef kommen. Natürlich wusste ich schon, wie er das Büro betreten würde. Er würde kurz „Moin“ sagen, dann würde er zum Telefon gehen, eine Nummer wählen, das Freizeichen würde per Lautsprecher ertönen, weil er grundsätzlich erst die Nummer wählte, bevor er den Hörer abnahm. Und sobald sich dann jemand meldete, nahm er dann den Hörer ab. Und nach dem Telefonat würde es dann losgehen: „Wo ist dies? Wo ist das? Können Se mal hier, können Se mal da? ...“. So ging es schließlich jeden Tag, nur rumkommandieren. Er war schließlich das Sprachorgan der Abteilung, wie er selbst von sich behauptete. Und ich war der Azubi, obwohl ich gar kein Azubi mehr war, aber ich war es doch noch, hatte nichts zu sagen, ich durfte nur rennen.
Ich ging in die Küche, um Kaffee zu kochen, sonst würde er wieder ausflippen, wenn er noch nicht fertig war. Leider war keiner mehr da. Tja, dann musste er wohl ohne auskommen.
So begann ich erstmal die ganzen Faxe zu bearbeiten, die inzwischen schon eingetroffen waren. Alle wollten irgendwas. Und ich leitete die Schritte ein, dass sie auch bekamen, was sie wollten. Die Stunde verging schnell.
Die Tür ging auf. Er war da. „Moin“, sagte er, sah mich flüchtig an und ging zum Telefon. TÜÜÜÜ ertönte das Freizeichen, nachdem er die Nummer gewählt hatte. Dabei zog er seinen Sakko aus. Irgendjemand meldete sich. Da nahm er den Hörer ab und telefonierte. Ich wusste nicht, mit wem, ich hörte nicht zu. Etwa zehn Minuten telefonierte er.
„So, können wir anfangen“, rief er dann, nachdem er aufgelegt hatte. Anfangen, als hätte ich in der Stunde noch nichts gemacht.
„Ja“, antwortete ich.
„Dann kommen Sie mal rüber und zeigen Sie, was wir für heute haben.“
So ging ich herüber.
„Ist der Kaffee eigentlich schon fertig?“, fragte er.
„Leider nicht, der ist aus.“
„Toll“, sagte er nur. Die Schuld schien er immerhin nicht mir dafür zu geben. Zugetraut hätte ich es ihm noch. Jetzt fehlte nur noch, dass er sagte, ich solle welchen besorgen.
„Können Sie morgen welchen mitbringen?“, fragte er genau in dem Moment. „Wir machen das so, dass wir es gerecht aufteilen und jeder mal welchen mitbringt.“
Ich trank zwar nie welchen, sondern kochte immer nur welchen, aber ich erklärte mich trotzdem einverstanden. Irgendeinen billigen würde ich besorgen.
„So dann zeigen Sie mal die Unterlagen“, sagte er darauf, und ich legte ihm die Mappe vor.
Er sah sich das erste Fax an. „Da können Sie Angebote einholen“, sprach er.
„Hab ich schon getan“, antwortete ich. „Auf der nächsten Seite sind die Anschreiben.“
„Wieso haben Sie denn schon die Lieferanten angeschrieben, damit müssen Sie auf mich warten. Sie wissen doch gar nicht, wo wir bestellen sollen“, regte er sich auf und blätterte um. Das Umblättern tat er diesmal selbst. Er sah sich die Anschreiben an.
„Sehen Sie, da holen wir keine Angebote mehr ein“, meinte er, als er das Fax für einen Lieferanten sah.
„Da haben wir doch die ganze Zeit immer Angebote eingeholt“, erinnerte ich ihn.
„Aber jetzt machen wir es nicht. Tun Sie einfach das, was man Ihnen sagt“, sagte er nur. Dabei fiel ihm ein Fax zu Boden.
„Wie früher“, schrie er plötzlich. „Kein Kaffee da, kein Butterbrot.“ Dabei trat er gegen den Tisch. Ich wusste zwar nicht, was das mit dem Fax zu tun hatte, aber das war mir auch egal.
Ich hob das Fax wieder auf. Darauf schrieb er, welchen Lieferanten ich noch anschreiben sollte.
„Die können nicht liefern, die haben die Ware nicht vorrätig“, belehrte ich ihn.
„Na und? Schreiben Sie ihn trotzdem an.“
Ich wusste zwar nicht, welchen Sinn und Zweck das hatte, aber ich tat es.
Danach ging es erst mal weiter mit „Wo ist dies, wo ist das? Können Sie mal hier, können Sie mal da?“
Zwischendurch fragte er mich nach einem Dokument, das er nicht fand. Kein Wunder bei der Büroorganisation, wo alles ohne System abgelegt wurde. Aber dafür konnte ich nichts, das war schon so, bevor ich in der Abteilung gearbeitet hatte, und in den drei Monaten, die ich in dieser Abteilung war, hatte ich zwischendurch keine Zeit, dort Ordnung hereinzubringen. Und sonst war keiner mehr in der Abteilung, weil es dort niemand mehr ausgehalten hatte.
Natürlich wusste ich auch nicht, wo dieses Dokument war, ich wusste auch nichts von diesem Dokument.
„Ne, ne, ne, Herr Schulze“, regte er sich dann wieder auf. „Sie haben hier ja gar nichts im Griff. So wird das nichts.“
Bald wollte ich ja sowieso studieren, somit wäre ich in zwei Monaten unter Berücksichtigung meines Resturlaubs weg. Wieso sollte ich mich eigentlich darüber noch aufregen, kam es mir plötzlich in den Sinn. Ich sollte das ganze doch lieber mit Humor sehen. Und so musste ich grinsen, als er mir seine netten Worte gesagt hatte.
„Sie finden das wohl alles lustig“, meinte er.
„Nein, natürlich nicht“, antwortete ich und bemühte mich, wieder einen ernsten Gesichtsausdruck anzunehmen. Plötzlich kam mir alles so lächerlich vor, vor allem wie er gerade gegen den Tisch getreten hatte, weil er keinen Kaffee und kein Butterbrot hatte. Ich wollte nicht in seiner Gegenwart lachen und ging schnell hinaus zum WC. Dort angekommen, fing ich an zu lachen, und wie ich lachte. Ich konnte mich kaum halten und kippte gegen die Wand, woraufhin ich mich zu Boden sinken ließ und weiter lachte. Tränen lachte ich, ich konnte gar nicht mehr aufhören.
Ein Mitarbeiter aus einer anderen Abteilung kam herein und sah mich dort lachen. Was der wohl dachte. Daraufhin musste ich noch mehr lachen, aber noch mehr als ich es schon tat, konnte ich schon gar nicht mehr lachen. Er fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich konnte ihm keine Antwort geben, so sehr lachte ich.
Nach fünf Minuten hatte ich mich endlich einigermaßen beruhigt und ging zurück ins Büro.

Als im Laufe des Tages die Angebote der Lieferanten eintrafen, nahm ich, natürlich wieder ohne meinen Chef zu fragen, die Bestellung vor. Ich wählte nicht den günstigsten Lieferanten aus, sondern, den, der am schnellsten liefern konnte, was auch logisch war, da die Produktionsabteilung die Ware so schnell wie möglich brauchte.
Erst anschließend unterrichtete ich meinen Chef damit.
„Spinnen Sie? Wollen Sie mich verarschen? Sie haben se doch nicht alle. Ich frag mich, wie Sie den Kaufmannsgehilfenbrief kriegen konnten“, schimpfte er.
Ich erklärte ihn darauf, dass die Produktion die Ware so schnell wie möglich benötigte.
„Die haben nichts zu sagen“, meinte er darauf. „Bestellung stornieren und dort bestellen.“
Und so tat ich es, ich tat einfach das, was er sagte.
Ich teilte es allerdings so dem Produktionsleiter mit, der der Meinung war, dass ich richtig gehandelt hatte und sich nicht erklären konnte, wieso mein Chef es anders angeordnet hatte. Er wollte es bei der Geschäftsführung melden, was er auch tat. Und eine halbe Stunde später musste mein Chef dort antanzen und Rechenschaft ablegen.
Da ich vorher alles richtig gemacht hatte, wurde ich von der Geschäftsleitung nicht nur gelobt, sondern auch befördert. Noch nie hatte ich meinen Chef so dumm aus der Wäsche gucken sehen wie da. Und ich bekam wieder einen Lachanfall, aber diesmal bekam ich ihn in seiner Gegenwart. Ich schlug mit dein Fäusten auf dem Tisch vor lachen, zeigte dabei mit dem Finger auf ihn, ich wieherte förmlich vor lachen.

Leider hatte ich das mit der Beförderung nur geträumt, als ich kurz nachdem ich den Bestellvorgang korrigiert hatte, eingeschlafen war, nachdem er mir wieder soviel an Arbeit aufgebrummt hatte. Ich wurde von meinem Lachen wach. Daraufhin wurde ich zum Personalchef geschickt und bekam eine Abmahnung.
Azubis sind halt immer die Dummen, auch wenn sie keine mehr sind. Einmal Azubi, immer Azubi, da zählt nur das, was der Chef sagt, egal ob er recht hat oder nicht.
Aber wie gesagt, ich war ja nur noch zwei Monate dort. Wenn laut Chef sowieso immer alles falsch war, was ich tat, was wäre, wenn ich in diesen zwei Monaten noch etwas richtig vermasseln würde...
Und ich bekam einen Lachanfall...
 
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Kommentare  

Hallo, nette Geschichte und du hast ja sooo recht! Leider gibt es sehr viele die davon betroffen sind! Und leider können es Leute, die es nicht mitgemacht haben, nicht immer verstehen. Natürlich muss man sich gerade im Arbeitsleben auch an die eigene Nase packen, aber in vielen Fällen habe ich es echt schon so erlebt, dass der Chef der Miesepeter ist. Als Chef ist es auch nicht immer einfach, aber die Arbeiter/ Azubis/ Angestellten wie Menschen zu behandeln wäre dann doch mal drin. Zum Glück habe ich es auch schon anders erfahren. Das waren dann auch die Arbeitsstellen wo mit richtiger Teamarbeit auch das Meiste erreicht wurde. Da durfte jeder seine Meinung sagen und etwas zum Ganzen beitragen. Da wurde man selbst als PraktikantIn gut behandelt. ;-)
Ich hoffe dass sich da mal mehr tut und nicht nur gemobbt und ausgenutzt wird...
Gruß Sabine


Sabine Müller (20.11.2006)

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