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Die Chance auf ein neues Leben

Trauriges · Kurzgeschichten
Das Café war nicht allzu voll, als er es betrat. Er sah sich um, ob Sarah vielleicht schon da war, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Er war ja auch ein paar Minuten früher da, sie würde gewiss auch gleich eintreffen.
Er wählte den kleinen Tisch in der hinteren Ecke, an den er sich setzte und auf Sarah wartete. Er bestellte sich einen schwarzen Tee mit Milch, so wie es sich für einen Engländer gehörte, wobei er ja kein wirklicher Engländer war.

Er fühlte sich manchmal immer noch ein wenig beobachtet, auch wenn er offiziell als tot galt und unter einer neuen Identität in London untergetaucht war, wo er seitdem als Engländer lebte.
Das war nur Einbildung, nichts weiter als verdammte Einbildung, sagte er sich immer wieder. Auch wenn er europaweit gesucht worden war, aber die Medien hatten über seinen Tod berichtet. Wieso sollte noch irgendwer ahnen, dass er noch lebte? Außerdem hatte die Polizei den Fall zu den Akten gelegt, wie die Medien berichtet hatten.
Bernd Köhler, der er einmal war, gab es nicht mehr. Als Kevin Grand wollte er hier nun ein neues Leben beginnen, als normaler Bürger mit einem richtigen Job, ohne Verbrechen, Mord und Todschlag.

Er betrachtete sich im Spiegel. Ohne den Schnauzbart und mit kurzen Haaren sah er ganz anders aus und jünger. Anstatt wie 42, die er war, ging er nun für etwa 37 durch. Wenn niemand wusste, dass er Köhler war, würde ihn auch gewiss niemand erkennen.

Sarah betrat das Café. Sie sah ihn sofort und winkte ihm erfreut zu, während sie sich auf ihn zu bewegte. Er winkte lächelnd zurück und stand auf. Das tat er immer zur Begrüßung.
Er war so glücklich, dass er sie kennen gelernt hatte und sie schien genauso glücklich zu sein. Seit er sie kannte, fühlte er, dass sein Leben einen wirklichen Sinn machte. Nein, er wollte nicht mehr zurück in sein altes Leben als Krimineller, er wollte nur noch Gutes tun und vor allem Sarah glücklich machen.

„Hi Darling“, begrüßte sie ihn strahlend und küsste ihn.
„Hi Dear“, antwortete er lächelnd und erwiderte den Kuss. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich vermisst habe.“
„Aber du hast mich doch erst gestern Abend gesehen“, lachte sie.
„Tatsächlich? Mir ist, als sei es schon ein ganzes Jahr her. Und du bist noch schöner geworden.“
Sie küssten sich erneut.

„Einen Tee mit Milch für die wunderschöne Dame“, bestellte er, als der Kellner kam.
„Gern, Sir.“

„Und wie war dein Tag?“, fragte Sarah.
„Auf der Arbeit war es ganz okay. Richtig schön wird der Tag erst jetzt, wo du bei mir bist. Und wie war dein Tag?“
„Och, auf der Arbeit war es ganz okay. Aber richtig schön wird der Tag erst jetzt, wo ich hier bei dir bin“, grinste sie.
Er lachte. Irgendwie hatte er eine so wunderbare Frau nicht verdient, auch wenn er sein Leben jetzt geändert hatte, fand er. Aber all das, was er zuvor in seinem Leben getan hatte, konnte man nicht einfach so vergessen. Er musste ihr sagen, wer er war. Das war er ihr schuldig. Und wenn sie ihn wirklich lieben sollte, würde sie ihm vielleicht die Chance geben, zu beweisen, dass er nun ein anderer Mensch war.

Sie merkte, dass er plötzlich so nachdenklich war.
„Was ist mir dir?“, fragte sie besorgt.
„Ich muss mit dir reden. Aber nicht hier im Café.“

Sie tranken rasch ihren Tee, anschließend bezahlte er. Er gab fast drei Pfund Trinkgeld.
„Komm, lasst uns ein wenig an der Themse spazieren“, schlug er vor.
„Und was ist es, worüber du mit mir reden musst?“, fragte sie.
„Nun ja, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll“, fing er an. Er stockte. „Ich bin nicht derjenige, für den du mich hälfst.“
„Was meinst du damit?“
„Ich habe früher schlimme Dinge getan…“
„Was für Dinge denn?“
„Mein Name ist auch nicht Kevin Grand, und ich bin nicht einmal Engländer. Mein wirklicher Name ist Bernd Köhler und ich bin Deutscher, wo ich bis vor einem Jahr auch noch gelebt habe.“ Sie sah ihn nur völlig verwirrt an.
„Und was hat das alles auf sich?“, fragte sie ihn.
„Setz dich lieber“, forderte er sie auf. Sie setzten sich auf eine Parkbank.
„Ich wurde wegen Bankraub, dreifachen Raubmordes und Todschlag in zwei Fällen gesucht. Ich habe meinen eigenen Tod vorgetäuscht. Vor einem halben Jahr bin ich dann in London untergetaucht. Mein akzentfreies Englisch wurde mir vorher ein halbes Jahr lang durch intensives Training beigebracht.“
Sie sah ihn mit blassem Gesicht an.
„Nun lebe ich hier mit einer neuen Identität und führe auch ein neues Leben. Ich weiß, es ist alles ein Schock für dich, aber ich habe mich geändert. Ich möchte ein guter Mensch sein und für dich da sein. Wenn du gehen willst, kann ich es verstehen, aber ich bitte dich um die eine Chance, dir zu beweisen, dass Menschen sich ändern können.“
Tränen standen ihr in den Augen. Für einen kurzen Moment schwieg sie noch. Dann griff sie plötzlich in ihre Tasche und holte einen Ausweis heraus, den sie ihm unter die Nase hielt und sprach in deutscher Sprache mit weinerlichem Ton: „Tanja Schuster. LKA Düsseldorf! Hiermit nehme ich Sie, Bernd Köhler, fest.“
 
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Kommentare  

Hallo,

danke für die kommentare. Hab das mit dem "blass" geändert und ein wenig umformuliert.

Gruß Holger


Homo Faber (25.05.2007)

Hallo, habe den Text vorhin auch schon gelesen. Er gefällt mir auch recht gut. Das mit dem blass ist mir auch aufgefallen. Lg Sabine

Sabine Müller (24.05.2007)

das gefällt mir ganz gut. die handlung ist auf jeden fall gut, nur klingt die sprache manchmal etwas gestelzt, zb bei
"Inzwischen hatten sie ausgetrunken, woraufhin er bezahlte."
und mir ist noch ein fehlerchen aufgefallen:
"Sie sah ihn nur blas an." >>>einmal kommt es mir komisch vor, blass als adverb für sehen zu benutzen, und außerdem fehlt bei "blas" ein "s".
insgesamt aber gut:)
lg darkangel


darkangel (24.05.2007)

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