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3 Seiten

Kleine Anekdote über die Schelmereien des Dorfes X während des Großen Krieges und die Folgen dieser Possen. In wenigen Sätzen. Teil 2.

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
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Die zwei vollen Tage und Nächte tagende Ratsrunde – nur unterbrochen durch gelegentliche Frugalitäten kulinarischer Art – kam hernach aus des Medizinalrates Ratskammer, erschöpft und ausgelaugt durch die geistigen Anstrengungen, welche sich, wie der Polizeirat S. später meinte, irgendwann auf den Körper ausgelagert hatten (böse Spötter behaupten jedoch, das diese „Auslagerungen“ ihren Ursprung einzig in des Medizinalrates medizinisch-geistigen Getränken fanden) um zur gespannten Menge zu sprechen.
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Das vor Erwartung zitternde und bibbernde Volk Ixens stand vollzählig versammelt und zu fast jeder Schandtat gegen den Staat New England gegürtet, gerüstet und gewillt vor dem Hause des guten Herrn W. und harrte ihrer weisen Führer und Denker, welche stolzgeschwellt (oder schlichter: Von zu viel Weingeist aufgeschwemmt) - wenn auch mit erschöpften Gemütern – auf der Veranda erschienen, um durch das sich aufgrund seiner voluminösen Kraft zu diesem Zwecke vorzüglich eignenden Sprachorgan des Bürgermeisters feierlich zu Posaunen, welcher der eingereichten Vorschläge der alabasternen Männlichkeit des Dorfes als jeweils unbrauchbar oder favorisiert gehandelt wurde, und um abstimmen zu lassen welcher der Gedanken die Ausführung erfahren würde.
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Als erstes verlas man den Vorschlag des Bäckermeisters Adalbert B, der stark und überzeugt dafür hielt, alle Jungen und Männer des Dorfes als Vieh verkleidet auf den Weiden und Wiesen der Gemeinde dem scharfen Auge der Militärgewalten, die bei dem Ausbleiben geforderter amerikanischer Höllenhunde mit Sicherheit das Dorf X zwecks einer Überprüfung der Sachverhalte heimsuchen würden, vorzuenthalten, wogegen sich jedoch der lokale Kuh- und Schafschubsverein aufs äußerste einnahm, so das die Idee fallengelassen wurde; Da auch einige der betroffenen Dörfler meinten, das dass in der durchführenden Phase der Posse als Nahrung dienende Viehfutter ihren Mägen alles andere als gut bekommen würde und sie darüber hinaus keine Affinität zum Wiederkäuen bei sich feststellen konnten, und man sich darüber hinaus auch nicht vorstellen konnte wie eine Kuh... aber lassen wir das.
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Als zweites verlas man nun die Idee des Müllermeisters V., der da zu bedenken gab ob man nicht der bevorstehenden Bedrohung durch die gemeinen Militärhunde mit der noch größeren Gemeinheit begegnen könne, den feindlichen Mannen im trüben Morgendunst mit Mehl bestäubt in Bettlaken gehüllt als fürchterliche Ansammlung von Apparationen aufzuwarten, auf das die Unwillkommenen ob solch gräulicher Erscheinungen in Wahnsinn den Ort fliehen und nimmer mehr wiederkehren würden, wonach, wie der Medizinalrat fand, man doch sicher etliche Geistervertreiber, Scharlatane und Mengen an Exorzisten auszuhalten hätte, die bei weitem schlimmer wären als ein paar einfache Soldaten und, auf diese Hypothetische Meute Bezug nehmend, hätte man sicher seine Liebe Not nachher die vielen Flicken und Augenlöcher in den Stoffen zu erklären.
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Als dritten Vorschlag verlas der Bürgermeister die Eingebung von Julius Appel, welcher dem Gedanken Gewicht geben wollte, das die von der Einzugsermächtigung betroffenen sich von ihren Frauen französische Unterwäsche nähen lassen sollten, die sie sich vor dem Eintreffen der Beamten über ihren Schädel zu ziehen hätten, um ihren Geisteszustand in der Betrachtung der staatlichen Gewalt als nicht für das Feld geeignet zu präsentieren und so alle Mannen des Dorfes vor den Kugeln und Granaten zu retten, was, wie die anderen Bürger meinten, mit dieser Idee wohl nicht zu erreichen wäre, da der Großteil sich dagegen aussprach sich Unterwäsche über einen anderen Körperteil als den der Hüfte zu ziehen und französische erst recht nicht.
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Auf diese Art ging es Munter hin und her, vor und zurück und auf und ab, wie es das nur tut wenn eine Menge beieinander steht und über ein Thema sich einig zu werden versucht, das ihnen allen am Herzen liegt, und das in einem jeden der gerufenen Bürger ein anderes Verlangen, eine andere Einsicht und eine andere Lösung zum keimen und wachsen brachte, wovon sich nicht eine mit der anderen übereinander bringen ließ oder für sich genommen den geforderten Zweck zu erfüllen in der Lage war.
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Da man nach dem dreizehnten verlesenen Vorschlag zur Resolution der Affäre bemerkte, dass jede Kreativität, so schwungvoll und bunt sie auch war, sich als zu Bunt und zu schwungvoll erwies, löste man kurzerhand die Versammlung auf und zog sich zurück - der Rat um sich noch ein wenig mehr aufzuschwemmen, die Meute um in stiller Trübsal sich zu suhlen, auf das sie ihnen alsbald aus den Ohren wachsen möge.
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So lag denn drei volle Tage lang jegliche zu verrichtende Arbeit in der Stadt brach, nur die Zeit arbeitete und verstrich zwischen dörflichem Dünkelsport, phlegmatischer Ruhe und einer Atmosphäre fast schon Hemingwayscher Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit, die da nur unterbrochen wurde von gelegentlich sich zusammenrottenden Kinderbanden, die im munteren Rollenspiel die stars and stripes verbrannten und marxistische Arbeiterlieder sangen, allerdings bei Entdeckung sofort wieder zum Unglücklichsein und Weinen angehalten wurden, so das statt ihrer nunmehr lediglich ein paar Waschbären und Windhexen auf der Straße spielten.
 
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