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4 Seiten

Sound Of Love (5. Kapitel)

Romane/Serien · Romantisches
„Mum?“ Ich schloss die Tür hinter mir. „Mum? Wo bist du?“ Keine Antwort. Ich zerrte meinen Reisetasche die Treppe hinaus. Na, klasse! Da kam ich mal für ein Wochenende heim und wurde von gähnender Leere empfangen. Ich seufzte. Meine Tasche ließ ich erst mal im Flur stehen und ging in mein Zimmer. Nachdem ich sämtliche Fenster aufgerissen hatte, ließ ich mich auf mein Bett fallen und genoss es, wieder hier zu sein. Eine Weile lang hing ich meinen Gedanken nach – diese Gedanken gehörten größtenteils Marcus – doch bald wurde ich vom Klingeln des Telefons aus meiner Gedankenwelt gerissen. Ich öffnete die Augen und sah auf ein Poster von Jack Sparrow alias Johnny Depp auf „Fluch der Karibik“. Das war der letzte Film gewesen, in dem ich zusammen mit Tory und Jack gewesen war. Es war so deprimierend gewesen, die zwei neben mir so glücklich zusammen zu sehen. Es fehlte mir so, einfach in den Arm genommen zu werden, zu wissen dass jemand für mich da war - außer meinen Freundinnen.
Das Telefon klingelte unbarmherzig weiter. Ich sprang auf und rannte ins Wohnzimmer. Was eigentlich nicht notwendig gewesen wäre. Aber wer konnte ahnen, dass der Anrufer so hartnäckig war? „Peach, hallo?“ „Aaaah, Summer! Du bist wieder da!!!“ Ich hielt den Hörer mit ausgestrecktem Arm von meinem Ohr weg. Selbst, wenn der Hörer im Nebenzimmer gelegen hätte, hätte ich vermutlich Faiths Stimme klar und deutlich vernommen. Als ich sicher sein konnte, dass Faith sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, wagte ich es, den Hörer wieder näher an mein Ohr zu halten. „Hey, Faith!“ Es tat gut, nach so langer Zeit wieder ihre Stimme zu hören, wenn auch nicht unbedingt in dieser Lautstärke. „Was gibt’s, Faith?“ Gott sei Dank, war sie wieder zu ihrer normalen Lautstärke zurückgekehrt: „Naja, ich hab mich gefragt, ob du vielleicht Lust hast, heute Abend mit Jack und mir ins „Big Apple“ zu gehen. Der ist ja auch total einsam, seit Tory im Conservatorium ist...“ Big Apple? Klang gut. So, wie es bis jetzt aussah, hatte ich an diesem Abend sowieso noch nichts vor. „OK, bis dann!“
Laute Musik schlug uns entgegen, als ich zusammen mit Faith und Jack die kleine gemütliche Bar im Herzen Manhattans betrat. Zwei Meter zuvor konnte ich dem Gespräch mit Faith noch gut folgen, aber jetzt verstand ich kaum noch mein eigenes Wort. Jack stand hinter Faith und mir und tippte uns auf die Schulter. Er zeigte auf eine kleine Nische, die etwas abseits lag. Vielleicht konnte man sich dort etwas besser unterhalten. Die Nische war gemütlich, aber nicht wirklich ruhiger. Irgendwann gaben wir uns Gespräch auf. Ich zwecks Stimmschonung und Faith und Jack, weil sie schon fast keine Stimme mehr hatten. Alle drei rührten wir gelangweilt in unserem Drink. Da unser Gespräch in der Musik untergegangen war, versuchten Faith und ich uns über Zeichensprache zu verständigen. Sie versuchte mir gerade verständlich, dass sie tanzen wollte. Jack saß daneben und amüsierte sich köstlich. Ich schüttelte den Kopf. Mir war gerade so gar nicht nach tanzen. Faith verdrehte die Augen und fixierte dann einen Punkt hinter mir. Plötzlich umwehte ein leichtes Lächeln ihre Lippen. Was das nun wieder sollte? Neugierig geworden drehte ich mich um und blickte in das ebenmäßige Gesicht eines Jungen, in das ich schon so viele Abende zuvor gesehen hatte. Nur dass seine blauen Augen nun etwas anderes ausstrahlten, als das gewohnte Selbstbewusstsein: Reue. Er stand da, er stand einfach nur da und sah mich an. Und er reichte mir seine Hand. Ich musste lächeln. Die zweite Aufforderung zum Tanz. Er bot mir seine Hand an...und ich ergriff sie.
Die Tür meines Zimmers fiel hinter mir ins Schloss und ich lehnte mich dagegen. Es war kurz nach ein Uhr nachts. Ich war gerade aus der Dusche gekommen. Sonst half mir das warme Wasser immer beim Nachdenken, aber heute ging bei mir nichts mehr. Vor etwa einer Stunde hatte ich mit Jack und Faith das Big Apple verlassen, verheult und sauer auf mich selbst. Sauer auf Marcus. Ich ließ mich auf mein Bett fallen, mein Haar lag aufgefächert auf meinem Kissen. Wie konnte ich das zulassen? Noch gestern hatte er mir eine Abfuhr erteilt und heute das! OK, ich muss zugeben, dass es mir gefiel, mit ihm zu tanzen. Aber abgesehen davon, war Marcus heute nicht er selbst. Wie er sprach, wie er sich gegenüber mir, Jack und Faith verhielt – das war nicht Marcus. So arrogant war er nicht! Er behandelte mich, als wäre ich sein Eigentum, dabei war ich im Moment stark am Überlegen, ob ich überhaupt noch etwas mit ihm zu tun haben wollte. Irgendwann war seine Hand immer weiter unter mein T-Shirt gewandert und spätestens hier hatte es mir gereicht. Ich war doch kein Spielzeug, das man bei Bedarf aus dem Schrank holen kann! Ich war so sauer, traurig, verletzt, aber irgendwie tief in mir drinnen, wusste ich, dass Marcus mich nie absichtliche verletzen würde. Und trotz diesem Gefühl, wollte ich im Moment nie wieder mit Marcus zu tun haben. Ich seufzte, stand auf und ließ den Rollladen herunter. Bitte, wenn Marcus das brauchte, von mir aus, aber nicht mit mir!

Als ich am nächsten Morgen erwachte, hatte sich meine Wut noch immer nicht ganz gelegt. Ich schlug meine Bettdecke zurück und stand auf. Samstagmorgen. Meine Gedanken waren schon wieder bei Marcus, auch wenn sie nicht gerade positiv waren. Als meine bloßen Füße die kalten Steine der Treppen berührten, durchfuhr es mich und Marcus verschwand aus meinem Kopf. Dieser Typ war es nicht wert, dass ich meine Zeit an ihn verschwendete. Ich seufzte. Aus der Küche hörte ich bereits die typischen Samstagmorgen – Geräusche. Mum klapperte mit dem Geschirr und sang lauthals das Lied mit, das gerade im Radio lief. Ich öffnete die Küchentür. „Guten Morgen, Mum!“, rief ich fröhlich. „Guten Morgen, Kleine!“ „Guten Morgen, Summer!“, ertönte eine tiefe, ruhige Stimme hinter mir. Ich drehte mich um. „Dad!“ Das gab es gar nicht. Ich umarmte ihn stürmisch. „Wo kommst du denn her?“ Seine Haut war gebräunt, also tippte ich auf ein im Moment wohlig warmes Land. „Geradewegs aus Dubai, mein Schatz“, antwortete Dad und lächelte sein Zahnpaste-Lächeln. Unwillkürlich fühlte ich mich an Marcus erinnert. Ich schüttelte den Kopf, wie um die Gedanken an ihn herauszuschleudern. „Hier, Kleine, trink!“ Mum stellte mir eine Tasse dampfenden Kaffee auf den Tisch. „Du siehst ziemlich fertig aus...War wohl wieder lang gestern??“ Na, wenn selbst meiner Mum auffiel, dass ich fertig aussah... Dankbar nahm ich die Tasse in beide Hände und begann, Dad auszufragen. Er erzählte mir von seinen Reisen der letzten Monate, während ich mein Brötchen aß. Es war meistens so, dass Dad und ich uns verfehlten. Das letzte Mal hatte ich ihn vor vier Monaten gesehen. Ich genoss es, einfach hier zu sitzen, mal wieder bei meinen Eltern zu sein, frei von allen Gedanken – fast allen Gedanken. Mir gelang es einfach nicht, Marcus aus meinem Kopf zu bekommen. Ich sah auf meine Uhr. Es war bereits viertel vor elf, mein Dad hatte mittlerweile zu Ende erzählt. Der Rest Kaffee in meiner Tasse war jetzt kalt, doch er hatte geholfen: Ich war wieder einigermaßen fit. Ich stand auf, räumte mein Geschirr zusammen und trug es zur Spüle. Mein Blick fiel aus dem Fenster. Es sah kalt aus, eiskalt. Der Schnee lag dicht auf den Bäumen und. Irgendwie war mir danach zu rennen... Einfach nur rennen, laufen, einfach weg!
Zwanzig Minuten später joggte ich durch den Central Park. Hier war nicht viel los. Die wenigen Leute, die unterwegs waren, hatten dicke Jacken, Schals und Mützen an. Wie bei den meisten Menschen in New York war ihr Blick auf den Boden gerichtet, immer in Eile. Sie liefen nicht, sondern rannten. New York war eine unermüdliche Stadt. Sie schien nie zu schlafen. Ich lief weiter. Vorbei am Pinguinhaus, vorbei am See, hin zu meinem Lieblingsplatz. Die New Yorker nannten ihn den „Platz der Verliebten“. Und es stimmte. Sobald ich die Richtung einschlug, begegnete ich nur noch Pärchen, die verliebt vor sich hinturtelten. Hier ließ New York seine Hektik fallen, der Stress und das Hasten waren verschwunden. Ich verlangsamte meine Schritte, blieb schließlich stehen und ließ mich auf die nächste Parkbank fallen. Mein Lieblingsplatz begann mich zu deprimieren. Ich saß da und hatte endlich Zeit für mich – Zeit um nachzudenken. Nachzudenken über die letzten Tage, über Marcus, an den ich eigentlich nicht mehr denken wollte, doch ich schaffte es einfach nicht, ihn aus meinem Kopf zu bekommen. Und langsam merkte ich, dass ich es auch gar nicht wollte. Wenn auch erst etwas widerwillig begann ich, den Gedanken an Marcus zuzulassen. Die Erinnerung an seinen Kuss löste bei mir wohliges Kribbeln aus, der Gedanke an unsere Auseinandersetzung vor meiner Abreise stimmte mich traurig und die Sehnsucht nach seinen sanften Berührungen ließ mich beinahe verrückt werden. Ich seufzte. Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, begriff ich, dass Marcus mir mehr bedeutete, als ich dachte. Er war mehr als ein guter Freund für mich geworden, doch anscheinend sah er das anders. Ich verstand das ganze Theater nicht. Er führte mich aus, flirtete wie verrückt mit mir und küsste mich. Und mit einem Mal zeigte er mir die kalte Schulter, tauchte in New York auf, überfällt mich und verschwindet wieder von der Bildfläche. Ich meine, was bezweckt er damit? Das hatte doch alles keinen Sinn! Ich schüttelte den Kopf, stand auf, streckte mich und lief zurück nach Hause.
 
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