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Die letzten Stunden

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
„Eine schreckliche und traurige Nachricht an alle unsere Hörer: So eben hat uns folgende Meldung erreicht, dass in Kürze heftige Protuberanzen von der Sonne ausgehen und auf der Erde eine ungeheure Hitze auslösen, die der menschliche Körper nicht überstehen kann. Es bedeutet für uns alle, dass unsere letzten Stunden gezählt sind. Informieren Sie Ihre Freunde und Familie und finden Sie alle ein letztes Mal zueinander. Kennen Sie jemanden, dem Sie noch etwas zu sagen haben? Heute haben Sie zum letzten Mal die Chance dazu. Gibt es jemanden, dem Sie etwas nie verziehen haben? Wollen Sie ihm doch noch verzeihen? Dann tun Sie es jetzt, den morgigen Tag wird niemand mehr von uns erleben…“

Kreidebleich wurde er, während er den Worten des Radiomoderators lauschte. Noch nie hatte er den sonst so witzigen Moderator seines Lieblingssenders so ernst erlebt. Das Ende der Welt wurde soeben verkündet, für heute dem 1.4.2014, er hatte es deutlich gehört, nur noch wenige Stunden blieben allen zum leben. Nur noch wenige Stunden. Wann würde es genau passieren und wie lange würde es dauern? Drei, vier, vielleicht fünf Stunden? Vielleicht auch nur zwei? Er wusste es nicht, der Moderator wohl auch nicht, wahrscheinlich niemand, nur dass es passieren würde, das stand fest.
Er musste Tanja anrufen, seine Freundin. Er wusste nicht, ob sie die Nachricht schon gehört hatte, vielleicht war sie gerade shoppen und dachte an nichts Böses. Aber sicherlich würden in irgendeinem Kaufhaus die Nachrichten gespielt, es hatte schließlich fast jede Boutique einen Fernseher. Wahrscheinlich waren schon Menschenmassen in Panik ausgebrochen. Aber vielleicht saß sie auch zu Hause und las ein Buch. Er wählte ihre Nummer. Es meldete sich jedoch nur der Anrufbeantworter.
„Hallo Tanja, ich bin es, Bernd. Bist du zu Hause?“, sprach er ausgeregt. Doch niemand ging ran. Sie war unterwegs. Er wählte ihre Handynummer. „Dieser Anschluss ist zurzeit nicht erreichbar. The number you have could is temporaly not available “, ertönte die Stimme des Tonbandes. Wieso hatte sie ausgerechnet jetzt ihr Handy aus? Hastig wählte er nochmals ihre Festnetznummer.
„Hallo Tanja, bitte ruf mich sofort an, wenn du daheim bist oder besser, komm sofort bei mir vorbei, egal, was du vorhast. Bitte, es ist wichtig. Ich weiß nicht, ob du die schreckliche Nachricht schon gehört hast, ich kann es dir jetzt nicht erklären, komm einfach zu mir. Ich liebe dich.“
Ihm blieb nur Warten. Er rief seine Eltern an. Auch dort meldete sich nur ein Anrufbeantworter und auch das Handy seines Vaters war ausgeschaltet, seine Mutter besaß keines. Dann probierte er es noch bei Mark, seinem besten und inzwischen einzigen Freund. Genau dasselbe.
Verzweifelt setzte er sich hin, um zu warten. Er schaltete den Fernseher ein. Er sah Bilder von verzweifelten Menschenmassen, auf allen Programmen.
„Verehrte Zuschauer, soeben ging die Meldung ein, dass die Protuberanzen sich der Erdatmosphäre nähern und die Temperaturen in wenigen Minuten beginnen werden, rapide anzusteigen. Wir möchten an dieser Stelle das Programm beenden, um mit unseren Angehörigen die letzen Momente zu verbringen. Mehr können wir Ihnen an dieser Stelle nicht sagen.“ Das Bild verschwand. Rauschender Bildschirm. Er wechselte den Kanal, jedoch hatten auch alle anderen Sender ihr Programm beendet.
Noch keiner hatte sich bei ihm gemeldet, weder Tanja, noch seine Eltern, noch Mark.
Langsam spürte er, wie es begann wärmer zu werden. Nach einigen Minuten stellte er die Heizung ab und öffnete die Fenster. Doch es half nur kurzfristig, nach wenigen Minuten wurde es auch schon zu warm. Da half es nur, sich zu entkleiden. Auch wenn er wusste, dass es nur einige Minuten helfen würde und ihm danach wieder warm sein würde. Genauso war es, es wurde wieder wärmer und er begann zu schwitzen, trotz geöffnetem Fenster und minimaler Bekleidung. Allmählich begann er sich wie in einer Sauna zu fühlen. Nebenbei machte sich ein Durstgefühl bemerkbar. Er trank Wasser, eine halbe Flasche trank er ohne abzusetzen. Doch nur für etwa eine Minute war der Durst gestillt. Er trank den Rest der Flasche und öffnete gleich die nächste. Die Abstände zwischen den riesigen Schlücken wurden immer kürzer. Inzwischen konnte er diese ungeheure Hitze nicht mehr ertragen. Normalerweise wäre es nun an der Zeit, die Sauna zu verlassen, doch dies war keine Sauna, er konnte nicht ausweichen. Das einzige, was er tun konnte, war eine kalte Dusche zu nehmen. Das Wasser war leider schon recht warm, aber trotzdem tat das Wasser gut und erfrischte. Dabei trank er weiter Wasser, der Durst ließ sich mittlerweile nicht mehr stillen.
Das Duschwasser wurde auch immer wärmer und half auch nicht mehr wirklich. Er trank und trank. Sein Herz klopfte immer schneller. Inzwischen war das Wasser so heiß, dass er sich fast verbrühte und er die Dusche verlassen musste. Es war so heiß in der Wohnung, heißer als in jeder Sauna. Schweißgebadet ging er schwankend ins Schlafzimmer, um sich auf Bett zu legen. Aber er schaffte es nicht mehr bis dorthin. Kurz vorher brach er zusammen.

„Hallo Bernd. Na, bist du schon am schwitzen? Ich schätze nicht, denn draußen herrschen nicht einmal zehn Grad. Und es wird heute nicht mehr wärmer und es wird auch heute keine Welt mehr untergehen, auch morgen nicht… Weißt du, welches Datum wir heute haben? Den ersten April!!! Na klingelt es langsam bei dir?... Da hat sich jemand einen kleinen Aprilscherz erlaubt. Ja, du hast richtig gehört. Das war die Idee von deiner Freundin Tanja, die deine Eltern und deinem besten Freund Mark eingeweiht hat. Dank der heutigen Technik konnten wir dein Radio und deinen Fernseher so manipulieren, dass nur du die Nachricht gehört hast.“

Doch Bernd konnte diese Worte des Radiomoderators nicht mehr hören. Er lag inzwischen tot in seiner Wohnung. So sehr hatte er sich in die Nachricht hineingesteigert…
 
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Kommentare  

Oh je, beim vorletzten Satz angekommen musste ich lachen. Der letzte Satz jedoch hat es in sich und was schockierendes. Ob auch immer so was möglich ist, aber schön geschrieben ist die Geschichte und wirklich eine gute Idee. Das Ende kann auch als Gag rüberkommen, so makaber es auch klingt, in dem Sinne, gerade weil es halt so unglaublich und übertrieben erscheint. Mir gefällt das.

Fan-Tasia (11.05.2009)

Die schreibweise und die Idee der Story sind wirklich gut, aber ich finde das Ende übertrieben.
LG


gedanke.in.ketten (10.05.2009)

Dumm gelaufen. Was durch Einbildung alles geschehen kann...

Sabine Müller (02.05.2009)

Ja, es ist einfach grässlich. Du hast das Grässliche sehr lebensecht geschildert.

Petra (01.05.2009)

Komisch, obwohl Bernd stirbt, ist man doch ganz erleichtert, dass dieses schreckliche Szenario nicht stattgefunden hat. Sehr spannend.

Jochen (01.05.2009)

Oweh, das war aber ein übler Scherz. Tja, so kann es einem vielleicht ergehen, wenn man sich zu sehr in etwas hinein steigert. Aber Bernd dürfte dann ziemlich alt sein, sonst glaube ich würde er diese Panik doch noch überleben.

doska (30.04.2009)

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