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4 Seiten

Tell You My Story - 4. Kapitel

Romane/Serien · Romantisches
„Hey Mädels!“ Sie strahlte uns an, als sollten wir den Grund für ihre gute Laune kennen.
„Hallo, Jill!“ Tani konnte ihre Belustigung nur schwer verbergen.
Ich zog die Augenbrauen hoch und betrachtete meine Mutter von oben bis unten. Ihr Auftritt war einfach zu köstlich, in Anbetracht der Tatsache, dass wir Sonntagnachmittag hatten und sie hier in ihrer Abendgarderobe vor uns stand.
„Mum, was hast Du denn vor?“ Meine Stimme war fast ein bisschen schrill, da es, als ich sie das letzte Mal in diesem Outfit gesehen hatte, das reinste Desaster gewesen war.
„Mädels…“, sie holte tief Luft, „ich werde heute meinen Zukünftigen kennenlernen!“
Tani und ich prusteten los. Man sollte nicht meinen, dass wir erwachsen waren, so wie wir uns im Augenblick benahmen.
„Du wirst was?“, keuchte ich, als ich mich wieder beruhigt hatte.
Meine Mum zog sich einen Stuhl heran und ließ sich vorsichtig darauf nieder, damit der Tüll ihres langen Rockes keinen Schaden nahm.
„Mum, der letzte Mann, den du hattest, war Dad. Wie soll das funktionieren? Du hast das doch schon ewig nicht mehr gemacht…“ Die Belustigung über die Tatsache, dass meine Mutter versuchen wollte, einen Mann kennen zu lernen, stand mir mit Sicherheit ins Gesicht geschrieben. Aber ich konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass meine schusselige, verrückte, durchaus liebenswerte Mutter einen Mann kennen lernen wollte.
Meine Mutter setzte sich auf ihrem Stuhl gerade hin und machte ein todernstes Gesicht.
„Meine liebe Mia! Auch wenn ich bereits im besten Alter von 45 Jahren sein sollte, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mehr fähig bin zu flirten. Das Flirten ist kein Privileg, das euch jungen Hühnern vorbehalten ist!“
Erneut mussten Tani und ich losprusten. Auch auf dem Gesicht meiner Mutter machte sich ein Lächeln breit und bald darauf fiel sie in unser Lachen ein. Als sie wieder zu Luft kam und wir uns etwas beruhigt hatte, stand Mum auf, strich ihren Rock glatt und überprüfte den Sitz ihres Dekolletees.
„So, Mädels, ich bin dann mal weg! Wünscht mir Glück!“ Sprachs und verschwand aus der Küche.
Tanita und ich starrten beide noch einen kurzen Augenblick verblüfft auf die Türe.
„Mia, Deine Mutter ist schon ein Knaller!“, fasste Tani genau das in Worte, was ich dachte.
Ich drehte mich wieder zu ihr um und ließ eine Weile meinen Blick auf ihr ruhen. Dafür, dass wir uns noch gar nicht so lange kannten, waren wir schon richtige gute Freundinnen geworden. Genau genommen war sie meine beste Freundin, auch wenn ich sie am Anfang für einen ziemlich verrückten Vogel gehalten hatte. Mit ihrer offenen und direkten Art und ihrer immer guten Laune konnte man gar nicht anders, als sie gern zu haben.
Egal, was man mit ihr unternahm, man konnte davon ausgehen, dass der Spaß nicht zu kurz kommen würde. Was hatten wir schon gemeinsam gelacht, und sei es nur über noch so banale Dinge, die auf ihre Art und Weise lustig waren. Und falls wir mal jemanden zum Zuhören brauchten, war sie genauso für mich da, wie ich für sie. Ich liebte unsere Freundschaft.
Tanita war eine exotische Schönheit, was wohl auch daher rührte, dass sie neuseeländische Wurzeln hatte. Ihre schwarzen Haare glänzten im Licht der hereinfallenden Sonne und in ihrem hübschen Gesicht war immer noch ein Lächeln über den Auftritt meiner Mutter zu sehen.

Mein Blick fiel wieder auf den geheimnisvollen Brief, der immer noch in unserer Mitte lag. Auch Tani erinnerte sich an den Brief und nahm in ihre Hände.
„Aber jetzt, meine liebe Mia, kommen wir wieder zu Dir und dem mysteriösen Brief…“
„Ach, jetzt lass mal den Brief sein!“, winkte ich ab. „Da kommen wir eh nicht weiter. Warten wir mal lieber ab, was weiter passiert.“
„Hmm…“ Tani ließ enttäuscht die Hände sinken und legte den Brief wieder auf den Tisch.
Ich grinste. „Ich hab Dir noch was viel spannenderes zu erzählen!“
In kurzen Sätzen berichtete ich ihr von meinem gestrigen Zusammenstoß im Central Park. Und davon, dass der Junge meinen Namen kannte – was mich immer noch zutiefst irritierte.
Als meine kleine Erzählung zu Ende war, lehnte sich Tanita in ihrem Stuhl zurück und grinste.
„Mia, Dein Leben ist ab und an schon ein kleines bisschen chaotisch, oder?“
„Ab und an??“ Zischend ließ ich Luft entweichen. „Ich kenne mein Leben nicht anders!“
Ich rutschte in meinem Stuhl nach unten und ließ den Kopf auf der Lehne aufliegen.
„Tani…“, quengelte ich. „Ich bin verwirrt. Was soll ich machen?? Ich möchte wissen, wer dieser Typ ist…“
Wir saßen uns eine Weile schweigend gegenüber und hingen unseren Gedanken nach. Die Frühlingssonne schien durchs Küchenfenster und malte Lichtpunkte auf den Küchentisch. Das Klingeln des Telefons unterbrach die Stille. Ich stöhnte auf und verdrehte genervt die Augen. Mir war gerade gar nicht nach Telefon.
„Na los, geh ran!“, forderte mich Tani auf, als sie meinen Blick sah. „Vielleicht ist es ja der geheimnisvolle Unbekannte aus dem Park!“
Hmm, die Vermutung klang gar nicht so unlogisch. Wenn er schon meinen Namen kannte, warum nicht auch meine Nummer…? Etwas weniger mürrisch sprang ich auf, um den Anrufer noch zu erwischen. Als das Telefon das vierte Mal klingelte, hob ich ab und meldete mich mit einem schlichten „Hallo?“.
Am anderen Ende der Leitung war Stille. Stille und das Rauschen des Telefons.
„Hallo?“, fragte ich erneut. Und bekam keine Antwort.
„Ich lege jetzt auf!“, teilte ich dem unbekannten Anrufer mit und hatte den Hörer fast schon aus der Hand gelegt, als ich am anderen Ende ein Krächzen hörte.
„Amelia…“, kam eine kratzige Männerstimme aus der Leitung.
Erschrocken ließ ich den Hörer fallen. Meine Hände zitterten. Die unbekannte Stimme machte mir Angst. Dabei hatte er nichts außer meinem Namen genannt.
„Wer ist da?“, hakte ich nach, nachdem ich mich wieder etwas gefangen und den Hörer an mich genommen hatte. Doch auch diesmal bekam ich keine Antwort. Alles, was ich hörte, war ein weiteres Krächzen und da Klicken in der Leitung. Mein unbekannter Anrufer hatte aufgelegt.
Zutiefst verstört ging ich zu Tanita in die Küche zurück.
„Und, war es dein Freund aus dem Park?“, fragte sie ungeduldig.
Etwas verwirrt schüttelte ich den Kopf. Das war jetzt der zweite Anrufer innerhalb eines Tages, der nichts sagte oder einfach krächzte.
„Nein…“, sagte ich leise. In meinem Kopf sausten die Gedanken durcheinander. „Ich weiß nicht, wer es war. Er hat nichts gesagt…außer meinem Namen!“
Tanita setzte sich gerade hin und schaute mich an.
„Hab ich schon erwähnt, dass Dein Leben ein kleines bisschen verrückt ist, meine Liebe?“ Sie schüttelte beinahe belustigt ihr schwarzes Haar.
„Tani…“, sagte ich ernst. „Das ist nicht lustig! Das ist bereits der zweite Anruf dieser Art, den ich bekommen habe. Und ich glaube, es wird auch nicht der letzte sein… Langsam macht es mir Angst.“
„Lass uns mal zusammenfassen“, sinnierte Tanita, „du bekommst einen mysteriösen Brief von einem unbekannten Verfasser, hast einen Zusammenstoß mit einem geheimnisvollen Jungen im Central Park und außerdem hast du einen Stalker, der Dir am Telefon Deinen Namen ins Ohr flüstert, richtig?“
Wenn sie das so sagte…da klang es doch richtig lustig. Ich musste an mich halten, um nicht laut herauszulachen. Auch Tanis grinsen wurde immer breiter – bis wir beide wieder in lauthalses Lachen ausgebrochen waren. Genau wegen dieser Dinge liebte ich sie.
„Ach, Mensch! Was soll ich nur machen?“, jammerte ich, vor Lachen den Tränen nahe.
 
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Kommentare  

Das ist aber wirklich verrückt und richtig unheimlich, denn Mia scheint drei "Verehrer" zu haben. Alle drei kennen ihren Namen. da ist der Junge mit dem sie im Park zusammen gestoßen ist , dann der gehiemnisvolle Briefeschreiber und als letzter der stalkende Anrufer. Ich hoffe doch sehr , dass letzterer nicht mit dem Beifeschreiber indentisch ist - puh! Na, wir werden ja sehen. Jedenfalls ist dieses Kapitel ganz besonders spannend. Süß fand ich auch Mias Mutter, die wohl jetzt ein Date mit einem (hoffentlich) netten Typ hat. Das Ganze ist dir sehr gut gelungen.

Petra (29.04.2010)

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