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Das Weiße Königreich - Kapitel 7

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
General Carlos hatte nie vorgehabt eines Tages das samoanische Söldnerheer anzuführen. Wie die meisten Samoaner wurde er in ärmlichen Verhältnissen geboren. Einzig und allein das Söldnerheer blieb als Ausweg für junge Männer und Frauen. Sie waren Nomaden im Osten von Eurasien.
Die Geschichte seines Volkes wurde seither mit Blut geschrieben. Vertrieben aus ihrer Heimat kamen sie mit Booten nach Eurasien. Unter den Völkern waren sie wenig gesehen. Um sein Volk vor dem Untergang zu bewahren, ihm eine Zukunft zugeben, bot Prinz Pinala den Stadtvätern der Freistadt Gabun an Sie gegen die umherziehenden Horden von Urikais zu beschützen. Als Gegenleistung durften sich die Samoaner im Nordosten ansiedeln.
Wegen der ständigen Gefahr der Urikais und der fehlenden Unterstützung ihrer Nachbarn stimmten die Stadtväter dem Handel zu. So wurden die einst stolzen Soldaten zu Söldnern. Fünfundzwanzig Jahre lang sorgten sie für die Sicherheit von Gabun und Drei weiterer Freistädten. Bis der Bund der Freistädte beschloss, die wachsende Zahl der unliebsamen Ankömmlinge im Nordosten zu verringern.
Sie brannten die Kleinsiedlungen, Höfe und Farmen ab. Ganze Familien wurden ermordet. Einige Samoaner versklavten sie. Die Nachbarn der Freistädte unternahmen nichts. Sie sahen tatenlos zu, wie Tausende seines Volkes wahllos umgebracht wurden.
Im Gegenzug legten die Samoaner die Freistädte Gabun, Amman und Soho in Schutt und Asche. Jene Stadtväter gehörten zu den Förderer der Vertreibungspolitik im Bund der Freistädte.
Um zu verhindern dass die Bedrohung der Samoaner bis ins Königreich Katalonien oder deren Einzugsgebiete vordrang, schickte der damalige König Marcos Truppen aus um die samoanische Stadt Apia dem Erdboden gleich zu machen. Ohne diesen Rückzugspunkt, glaubte Marcos und seine Generäle, würde die samoanische Bedrohung ein für alle Mal beseitigt sein.
Seit der Schlacht von Apia waren die Samoaner zu einem Nomadenvolk geworden. Der Bund der Freistädte verfolgte sie viele Jahre nach der Zerstörung von Apia. Bis sie sich wieder darauf konzentrierten Geld zu scheffeln.
Vergessen wurde ihre Taten nicht. Dafür sorgten die damalige Generation, deren Kinder und die Kindeskinder. Auch kommende Generation würden die Taten jener die Verantwortlich waren nie vergessen.
Nichtsdestotrotz boten sich noch heute Samoaner als Söldner an. Das Töten war alles, was sie konnten. Da machte Carlos in seinen jungen Jahren keinen Unterschied. Deshalb war er noch am Leben und führte das gefürchtete Söldnerheer an.
Er verließ sein Zelt in der östlichen Wüste. Das Lager zählte Hunderte von Zelten. Ganze Familienclans wohnten im Lager. Auch wenn sie immer wieder weiter zogen, herrschte eine intakte Infrastruktur vor. Sie hatten sich ans Leben in der Wüste angepasst. Ihnen blieb keine Wahl.
Eine Böe kühler Luft wirbelte den feinen Sand auf. Carlos ging einige Schritte im Lager umher. Ihm folgten seine Drei Leibwächter. Nicht dass sie unbedingt nötig waren, er hatte schon oft gezeigt, wozu er im Kampfe fähig war. Die Leibgarde gehörte nun mal zum Leben eines Anführers dazu. Dagegen war er stets machtlos.
Gelegentlich begegneten ihm Bewohner der Zeltstadt, die nicht im Söldnerheer dienten. Sie verneigten achtungsvoll den Kopf. Carlos tat es ihnen gleich. Die Zivilisten waren das Rückgrat einer jeden Gesellschaft. Selbst bei einem Volk wie dem seinem. Ihnen Gebot daher genau derselbe Respekt und Anerkennung, wie denen die die Freiheit mit Blut bezahlten. Hauptsächlich begegneten ihm im Lager aber die Patrouillen. Stets erwiderte er den militärischen Gruß; die rechte Hand aufs Herz.
Als damals eine Gruppe Soldaten in sein Geburtslager erschien meldete Carlos sich freiwillig. Heute wie damals zog eine Gruppe Soldaten von Lager zu Lager und Rekrutierten zukünftige Soldaten. Wenn das Kontingent voll war, brachte man die Frauen und Männer in eins der Ausbildungslager. Dort fand dann die Ausbildung statt. Es waren Wanderlager.
Am Ende der Ausbildung wurden die Frischlinge verschiedenen Truppenkontingenten zugeteilt. Er kam damals ins 7. Südkontingent des Heeres. Tage später verdiente Carlos sich seine ersten Sporen im Kampf. Seit dem hatte er in vielen Kämpfen und Schlachten seine Fähigkeiten mehr als einmal unter Beweis gestellt. Wodurch er in der Hierarchie aufgestiegen war und nun den höchsten Rang im samoanischen Heer trug.
Ein Umstand den Carlos seinem Vorgänger verdankte. Auf dessen Sterbebett hatte General Diego ihn zu seinem Nachfolger bestimmt. In der Nacht, einen Tag, nach dem Tod des Generals wurde er zum General des Heeres vereidigt. Was inzwischen Elf Jahre her war.
Als er am Rande vom Lager über die Weite der Wüste sah, fragte Carlos sich, wo die Elf Jahre geblieben waren. Längst waren die Tage vergessen wo das samoanische Volk Tag für Tag ums nackte Überleben kämpfte. Jetzt kämpften sie für Freiheit und einen festen Platz in Eurasien.
Wie schon so oft, fragte Carlos sich, ob das geschlossene Bündnis richtig war? Er hielt es weiterhin für notwendig. Obgleich die Ungewissheit in ihm nagte. Wie würden zukünftige Generationen über das Bündnis denken? Was für Folgen ergaben sie dadurch? Nur die Zeit würde zeigen, wie sich seine Entscheidung auswirkte. Eine Erkenntnis, die ihm nicht behagte. Ändern konnte Carlos es wieso nicht. Daher musste er sich wohl oder übel damit abfinden, nicht gerade eine seiner Stärken.

***
Die Kinder genossen sichtlich die Gesellschaft der Zwerge. Sie wurden mit allem versorgt. Gleich nach ihrer Ankunft, sahen sich die Stammesheiler die Kinder an. Balthasars Schwester ließ umgehend passende Kleidung zusammensuchen. Des Weiteren ordnete sie an, dass die Kinder ein Bad nehmen sollten. Außerdem bekam jedes Kind einen eigenen zwergischen Leibwächter zugewiesen. Eine Aufgabe die stolze und kampferfahrende Krieger nicht gerade freiwillig übernahmen.
Balthasar mochte Zwergenkönig und Stammesführer der Siebten sein, dass Sagen hatte eindeutig seine Schwester. Zumindest in Abwesenheit ihres Bruders. Eigentlich führte dann stets der Bruder eines Stammesführers den Stamm. Gab es keinen Bruder, was eine Seltenheit unter den familienreichen Zwergen war, nahm die Frau des Stammesführers die Aufgaben wahr.
Ihr Bruder hatte keine Frau und keine eigenen Kinder. Ebenso wenig einen Bruder. Olivia war die Älteste von Vier Schwestern. Ein solches familiäres Verhältnis war bei Zwergen nicht alltäglich. Meistens hielt sich bei den Familien das Sohn-Tochter Verhältnis stets die Waage.
Da sich die Kunde der Rückkehr vom Buch der Zwerge längst unter den Zwergenstämmen verbreitet hatte, wurden die dafür Verantwortlichen mit allen Ehren empfangen. Dazu gehörte ein Fest.
Michael erinnerte sich an die Folgen des letzten zwergischen Festes, dem er beigewohnt hatte, und versuchte das Ganze runterzuspielen. Was nicht von Erfolg gekrönt war.
Das Fest war aus dem Stand voll im Gange. Der Alkohol, in Form von Zwergenbier und hochprozentigen Wein, floss ab dem ersten Anstich in Strömen. Auf 3 Feuerstellen wurde Lamm, Schwein und Hühner gebraten. In Kochtöpfen befanden sich Soße und unterschiedliche Beilagen. Rohkost suchte man auf Zwergenfesten stets vergeblich.
Im Verlauf des Festes kehrte König Balthasar mit seinem Gefolge von der Zusammenkunft der Völker aus Buhan zurück. Nach einer Rede und dem obligatorischen Trinkanstoß zog sich Balthasar mit den Michael und Raul in seine Räume zurück.
Sirka befand sich in einem zwergischen Trinkwettbewerb. Der Fünfte seit Beginn des Festes. Bisher hatte die Ork alle für sich entschieden.
Rauls Männer beobachteten das Zwergenfest mit großem Interesse. Sie hatten, wie die meisten Menschen, nur davon gehört. Selbst dabei zu sein war etwas ganz anderes. Enttäuscht sahen Sergio und Bernardo jedenfalls nicht aus, als sie dem Zwergenkönig folgten.
Wong stand bei Dova. Balthasars Neffe warf einen Zwergenkrieger mit der gelernten Nahkampftechnik von Wong zu Boden. Ein Umstand, der die Augen des Zwergenkönigs zum Glänzen brachte. Auch den zweiten Zwergenkrieger, er forderte Dova heraus, wurde von ihm zu Boden geworfen. Kurz darauf zeigte Wong einer neugierigen Gruppe Zwerge einfache Kombinationen.
Erol saß etwas Abseits. Der Elb mochte einer der Helden der Zwerge sein, aber deswegen schloss sich die Kluft der Volksgruppen nicht. Sie ignorierten ihn. Was bei Zwergen durchaus ein Fortschritt war. Bis ein Zwerg Erol zum Krugtrinken herausforderte. Dabei handelte es um die Kopfnuss freie Variante des beliebten Wettstreits. Er nahm die Herausforderung an und leerte ohne Schwierigkeit seinen Krug. Wenig später setzte Erol am zweiten Krug an.
Eine andere Art der Völkerverständigung, dachte Michael beim gehen.

***
Eigentlich war die Burgfestung Tanis der Hauptsitz eines Zwergenkönigs, seit die Erste Versammlung der Stämme den König aus ihren Reihen wählte. Balthasar bildete da keine Ausnahme. Nach seiner Wahl bezog er in der Burgfestung seine Räumlichkeiten.
In den letzten Jahren verbrachte er hingegen mehr Zeit bei seinem Stamm als in Tanis. Was natürlich einen Grund hatte. Balthasar wollte die Zeit, die ihm noch blieb in seinem Stamm, bei seiner Familie, verbringen.
Seit der Errichtung von Tanis gab es einen Verwalter, der zusammen mit wenigen Hundert Zwergen dafür sorgte, dass die Burgfestung in Schuss blieb. So verfiel Tanis während einer Jahre langen Abwesenheit nicht zu Ruine.
„Daher hielten wir es für sicherer die Kinder hierher zubringen.“, schloss Michael ab.
Der Zwergenkönig war sichtbar erschüttert von den Geschehnissen in der Waisenmine. Stumm bewegte Balthasar seine Lippen zu einem Ehrengebet.
„Wo werden die Kinder unterkommen?“, fragte Olivia die beiden Menschen. Sie war erschrocken, dass es bei den Menschen Waisenkinder gab. So was kannten die Zwerge nicht. Der Stamm war die Familie. Starben Zwergeneltern kamen die Kinder zu den Verwandten.
Michael und Raul sahen sich an. Mit der Frage hatten sie sich noch nicht beschäftigt. Zudem waren sie die falschen Ansprechpartner. Die Frage konnte am besten Schwester Maria beantworten, doch sie erholte sich von den Strapazen. Genau wie die Kinder wurde sie mit allem Versorgt, was sie benötigte. Auf Olivias Anordnung.
„Wahrscheinlich kommen sie in Stadtheime. Die Waisenmine war die Einzige seiner Art.“, antwortete Raul.
Olivia war geschockt. Sie sah ihren Bruder an. „Die Kinder werden stets willkommen im Stamme der Siebten sein.“, verkündete er nicht als König aller Zwerge, sondern als Stammesführer der Siebten.
Das hieß, die Kinder konnten, wenn sie älter waren, stets im Stamm der Siebten unterkommen.
„Ihr solltet euch wegen der Kinder an Schwester Maria richten. Sie trägt für sie die Verantwortung.“, richtete Michael an Olivia.
Die Zwergin nickte knapp. „Das werde ich, Michael. Entschuldigt mich nun. Ich werde mal nach den Kindern sehen.“ Sie verließ die Räumlichkeiten ihres Bruders. Von draußen hallte es vom Fest herein.
„So schlimm scheint sie mir gar nicht zu sein.“, sagte Michael zum Zwergenkönig nach dem die Zwergin den Raum verlassen hatte.
Balthasar sah ihn an. „Du bist ja auch nicht mit ihr verwandt.“, entgegnete er seinem Menschfreund. Sie lachten. Doch dann wurde er schlagartig ernst. „Paladin.“
„Ja, mein König.“ Der Leibwächter und trat näher.
„Lass uns alleine.“
Nicht nur Paladin war von dem Satz überrascht. Michael hatte, seit er Balthasar kannte, noch nicht erlebt, dass er Paladin wegschickte. Der Zwergenkrieger war stets an seiner Seite.
„Aber, mein Herr…“, erwiderte Paladin überrumpelt.
„Ich möchte mit Michael unter Vier Augen reden.“, lautete die schlichte Erklärung. „Sollte er sich als ein Feind entpuppen, bin ich immer noch in der Lage ihm eine Abreibung auf Zwergenart zu verpassen.“
Man konnte Paladin die fehlende Überzeugung der Worte deutlich in den Augen ablesen. So ungerne er es auch zugab aber sein König hatte seine beste Zeit hinter sich. Möglicherweise konnte Balthasar sich gegen Michael behaupten, mehr aber auch nicht. Schließlich hatte Paladin bereits Seite an Seite mit dem Helden der Zwerge gekämpft.
Er musterte Michael. Dann wandte sich der Zwergenkrieger seinem König zu, nickte und verließ den Raum. In diesem Moment wurde Paladin sich seiner Hilflosigkeit bewusst. Sein König starb, das war unausweichlich.
Raul bedankte sich bei Balthasar für die Gastfreundschaft und folgte Paladin.

***
„Meine Zeit ist gekommen.“, stellte Balthasar unmissverständlich und klar fest. „Ich werde an der steinernen Pforte meinen Namen lesen und um einlas ins Himmelreich von Toran bitten.“ Toran war der Zwergengott. Die steinerne Pforte beherbergte alle Namen von Torans Kindern, den Zwergen. Nur wenn die Zeit für einen gekommen war, konnte man seinen Namen an der steinernen Pforte lesen. Erst dann konnte man einlas ins Himmelreich erbitten.
Seine Augen bekamen auf einmal eine Klarheit, die einen gleichermaßen beruhigte und beängstigte. „Mit Sicherheit werden auch eure Namen zu gegebener Zeit zu lesen sein.“, prophezeite Balthasar ihm.
Das würde mit Sicherheit einen Aufruhr im Himmelreich verursachen. Zwei Menschen, von denen einer eine fremde Sprache sprach, eine Ork und ein Elb. Ein lustiger Gedanke, dessen Ernsthaftigkeit alles andere als lustig war. Michael fühlte sich mehr und mehr unwohl in seiner Haut.
„Ihr habt mir Frieden gegeben. Dafür bin ich euch zu unermesslichen Dank verpflichtet.“, erklärte der Zwergenkönig.
„Ihr habt uns oft genug vor dem Galgen bewahrt. Euch das Buch der Zwerge zurückzugeben ist nicht annähernd genug um Euch für Euer tun zu danken.“, sagte Michael.
Balthasar, bzw. die Zwerge – wie Paladin, hatten ihnen oft genug das Leben gerettet. Ohne ihr herzhaftes eingreifen hätten sie es nie bis zu ihrer Ernennung als Helden der Zwerge geschafft.
„Wir führen nicht Buch, wer wem was schuldet.“
„Ich schon.“, konterte Michael ernst.
Der alte Zwerg sah ihn eindringlich an. Manchmal wurde er aus dem Mann nicht schlau. Mal entsprach er rein gar nicht wie die Menschen, die Balthasar kannte und dann wiederum war Michael nun mal ein Mensch. Er hatte sein Herz am rechten Fleck. Genau wie Sirka, Erol und Wong. Sie mochten vielleicht nicht dem gesetzestreuen Bürger entsprechen, aber ihr Tun war nie böse. Sie halfen, selbst in Situationen, die ihnen den Galgen brachten und ihre eigenen Pläne durchkreuzte. Dennoch waren sie keine heiligen. Dass wusste Balthasar.
Er sah zum Buch der Zwerge. Wie lange hätte sein Volk auf die Rückkehr des Buches warten müssen, wären Michael und seine Gefährten nicht gewesen? Zu lange um dem Unausweichlichen entgegen zutreten. „Ich werde Dova zu meinen Nachfolger bestimmen.“
„Ob die Große Versammlung dem zustimmt!“, erwiderte Michael hörbar überrascht über die Offenheit des Zwergenkönigs. „Manche sehen in ihm nicht unbedingt einen…“ Wie konnte er es am besten formulieren?
„Zwerg.“, beendete Balthasar den unvollendeten Satz.
Dummerweise war genau dass das Wort, welches er nicht aussprechen wollte. Jedenfalls nicht so. Er nickte dem Zwergenkönig zu.
Balthasar schmunzelte. So dachten viele. Im Gegensatz zu denen unterstellte er Michael keine Bösartigkeit. Er musste zugeben, dass sie recht hatten. Sein Neffe war nicht unbedingt das Idealbild eines Zwergs. Nichtsdestotrotz war Dova als Zwerg geboren worden und gehörte zu seiner Familie. „Mein Neffe ist eine andere Art Zwerg.“, sagte er.
Dem konnte Michael nur zustimmen. Dova war liebenswürdig und einfach eine gute Seele. Genau darin sah er den Knackpunkt. So wie sich Dova die Welt vorstellte, war sie nicht. Seine romantische Version war so weit entfernt wie ein baldiges Bündnis der Völker. Jeder stellte seine eigenen Interessen über die des anderen. Zugeständnisse wurden nur gemacht, wenn man ein Vorteil daraus zog. „Ich mag ihn und er hat gewiss seine Stärken.“, erklärte Michael. „Aber als König aller Zwerge habe ich ihn nie gesehen.“
Auch wenn Michael es nicht zugäben, würde gehörte seine Ehrlichkeit zu seinen größten Stärken. Das stellte Balthasar immer wieder fest. Andere in seiner Situation hätten für das Buch ein Vermögen gefordert. Er hingegen überlies es ihnen ohne eine Forderung und Hintergedanken. „Wer mag den geeigneter sein?“, wollte der scheidende Zwergenkönig wissen.
Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. „Nun ja. Ich hätte mit Grimm oder Barack gerechnet.“
Barack und Grimm waren Stammesführer. Ersterer von den Dritten und Letzterer von den Sechsten. Sie galten auch unter den Zwergen als potenzielle Nachfolgekandidaten.
Balthasar kannte die Gerüchte um seinen Nachfolger. Wenn die letzten Prognosen stimmten, lieferten sich Barack und Grimm ein Kopf an Kopf Rennen. Beide hatten ohne Zweifel das notige Potenzial das Volk der Zwerg zu führen und all den Widrigkeiten zu trotzen, die einem auf dem Thron widerfuhren.
Er rutschte von seinem Platz, stützte sich auf sein Gehstock und schritt zum Beistelltisch auf dem der Weinkelch stand. Nach dem der Zwerg sich nachgefüllt hatte kehrte er an seinen Platz zurück, blieb aber davor stehen.
„Sie haben das Potenzial mich zu beerben.“, stimmte Balthasar Michael zu und nahm einen Schluck aus seinem Krug. „Ihnen fehlt aber etwas entscheidendes.“
„Was wäre das?“, fragte Michael ihn nach einer Pause.
„Aufgeschlossenheit.“
„Dem kann ich nicht widersprechen.“, entgegnete er schlicht.
Das alleine würde die Mehrheit der Großen Versammlung nicht überzeugen. Er bezweifelte das Barack und Grimm ihm so einfach den Thron überließen.

***
Schweigend saßen sie beisammen. Im Kamin knisterte das Feuer vor sich hin. Gedämpfter Feierlärm drang zu ihnen durch.
„Dich beschäftigt etwas?“, fragte Balthasar.
Michael verzog die Mundwinkel. Manchmal glaubte er ein offenes Buch zu sein. Vor allem der Zwergenkönig hatte die Eigenschaft in ihm zu lesen.
„Ich muss dir was zeigen.“
Wenige Augenblicke später klopfte der Bote an, trat durch die Tür und gab Michael das, weswegen er ihn hat rufen lassen. Er bedankte sich. Balthasar nickte und der Bote ging.
Der Held der Zwerge enthüllte den länglichen Gegenstand. Es handelte sich um das Schwert des Magistrats. Michael zog es aus der Scheide und hielt dem Zwergenkönig die Griffseite hin.
Er studierte das Schwert ausgiebig. Zwerge waren nicht nur geschickte Krieger, sondern verstanden sich auch auf die Schmiedkunst. Was ein Schmiedmeister der Zwerge im Stande war zu fertigen ließ sich in Eurasien mit nichts messen.
Als ihn Balthasar ansah, konnte Michael sehen das er zu dem selben Schluss gekommen war. Der Magistrat hatte ein Geheimnis gehabt. Was sicherlich nichts Ungewöhnliches war. Beinahe jeder hatte Geheimnisse. Seins war von besonderer Natur. Das Breitschwert des Magistrats war einzigartig. Es gab nur einen Personenkreis in Eurasien die diese Waffe trugen. Was keine Besonderheit wäre, würde sich um diesen Personenkreis keine Mythen und Legenden ranken.
Balthasar schritt langsam zum Buch der Zwerge. Vorsichtig strich er über den Buchdeckel, murmelte etwas Unverständliches und schlug es auf. Kurze Zeit später hatte er die Seite gefunden.
Sie zeigte die Zeichnung eines Breitschwertes. Es stimmte nahezu mit dem Schwert des Magistrats überein. Michael hegte keinerlei Zweifel.
Ein solches Schwert wurde nur von Mitgliedern des Ordens der Ritter getragen. Das Dumme an der Sache war die Tatsache, dass der Orden längst nicht mehr existierte.
Die Stille dehnte sich aus. Lediglich das knistern vom Kaminfeuer war zu hören. Der Zwergenkönig schloss vorsichtig das Buch, blickte noch Mal das Schwert an und sah zu Michael.
„Es steckt mehr dahinter, als wir vermutet haben.“, schlussfolgerte Balthasar mit fester aber ruhiger Stimme. Dem konnte Michael nur nickend zustimmen. „Wir müssen herausfinden, was.“ Auch da war er seiner Meinung. Ihm war auch klar, wen er mit Wir meinte.
„Wir brechen morgen nach Monseran auf. Vielleicht können wir dort etwas in Erfahrung bringen.“, sagte Michael. Es gab nicht viele Orte in Eurasien wo man gleichzeitig etwas über den Orden der Ritter und dem Tempel von Sida in Erfahrung bringen konnte.
Der Zwergenkönig nickte zustimmend. Er nahm einen Schluck aus seinem Krug. „Ich werde in der Sammlung von Tanis nach Hinweisen suchen.“
„Ich glaube eher du nimmst es als Vorwand, um vor deiner Schwester zu flüchten.“
Mit ernster Miene sah ihn Balthasar an. Er richtete sich auf. Seine Augen erhielten diesen besonderen Glanz. „Wache…Wache.“
Dass die Tür nicht aus den Angeln gerissen wurde, zeugte von der hervorragenden Schmiedkunst der Zwerge. Paladin und 2 Wachen stürmten herein. Sie waren bereit sich jedem Feind entgegen zustellen der sich in den Räumlichkeiten des Königs aufhielt. Stattdessen kam Ihnen schallendes Gelächter von einem Menschen und einem Zwerg, ihrem König, entgegen.
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Ende, Kapitel 7
© by Alexander Döbber
 
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Sowohl der samoanische Heerführer als auch der Zwergenkönig werden mir immer sympathischer. Ein Fest wird gefeiert und schon kommt ein weiteres Abenteuer auf Michael zu. Ich hoffe er wird seine Freunde dabei mitnehmen.

Jochen (12.05.2010)

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