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50 Seiten

Return to Home - Das Auge der Götter

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Hallo Liebe RtH Leser. Diese Episode ist etwas länger ausgefallen als die Vorherigen.
Ich wünsche euch trotzdem viel Spass und Unterhaltung.
MfG, der Autor
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-Prolog-

„Wir befinden uns im Landeanflug auf Picard Station. Bitte bleiben Sie solange angeschnallt, bis wir angedockt haben und der Pilot das Anschnallzeichen löscht. Wir hoffen Sie hatten einen angenehmen Flug. Im Namen der Crew bedanken wir uns bei Ihnen und freuen uns Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen.“ Kaum ein Passagier interessierte sich für die Ansage der Flugbegleiterin, schließlich hatte man einen 27-Stunden-Flug hinter sich.
Da war die Frau auf 15 Alpha keine Ausnahme. Für den langen Flug sah sie sehr frisch aus. Vor allem weil Sie keine der 27 Stunden geschlafen hatte. Was die Flugbegleiter wiederum merkwürdig fanden, sich aber weiter nicht drum kümmerten.
Sie sah aus dem Kabinenfenster. Dutzende Fähren, Transporter und Raumfrachter flogen auf den Systemauswärtsrouten zu ihren zugewiesenen Hyperraumsprungpunkten.
Der Captain vom Linienraumer drehte bei. Dadurch kam die Picard Station ins Sichtfeld. Als schön konnte man die Raumstation nun wahrlich nicht bezeichnen. Das Konstrukt war auf Funktionalität ausgerichtet. Sie sah wie ein überdimensionales Ei aus. Auf Höhe der Mitte befand sich ein Ring, dass wie ein Hulahub Reifen aussah. An den Andockbrücken vom Ring lagen eine Handvoll Schiffe.
Das Schiff flog eine weite Kurve, schwenkte auf die Andockbucht ein, die die Flugleitstelle der Raumstation ihnen zugewiesen hatte.
Regungslos schaute die Frau weiter aus dem Fenster. Sie reiste nicht das erste Mal, dadurch wirkte der Zauber nicht auf Sie, den der Anblick des näherkommenden Ungetüms bei einigen Passagieren auslöste. Als kleines Kind, als sie zusammen mit ihrem Vater reiste, war sie von dem Landevorgang fasziniert gewesen.
Im Schneckentempo näherte sich der Linienraumer der Andockbucht. Ein dumpfer Schlag ging durchs Schiff, als man in den Andockstutzen geflogen war. Das Kabinenlicht flackerte eine Millisekunde. Einige Passagiere, die Vielflieger, ließen die Sicherheitsgurte aufschnappen.
Sie sah, wie die Andockbrücke ans Schiff bugsiert wurde. Das Anschnallzeichen erlosch mit einem Ping. Sofort ließen die restlichen Passagiere ihre Gurte aufschnappen, standen auf, holten ihr Handgepäck aus den Oberfächern und begaben sich Richtung Ausstieg. Die Purserin öffnete die Luke, sprach kurz mit dem Andocker. Der Pilot fuhr die Triebwerke runter. Die Schwingungen verschwanden. Die Purserin trat vom Ausstieg. Einstudiert verabschiedete sie sich im Namen der Besatzung von den Passagieren. Manche bedankten sich für den Service. Andere, so wie die Frau von 15 Alpha, gingen wortlos von Bord.

***
Die Passagiere gingen die Röhre entlang, kamen in das Ringabfertigungsterminal, folgten dem Wegweiser zum Ausgang. Durch eine Schleuse gelangten Sie in den Zoll und Einreisebereich. Da der Linienraumer von einem Weltraumbahnhof der Neutralen Systemen gestartet war, wurden alle Reisenden vom Zoll kontrolliert.
2 Schalter waren offen. Die Passagiere teilten sich auf. Kurze Schlangen entstanden. An Bord des Linienraumers befanden sie lediglich 78 Passagiere.
„Haben Sie was zu verzollen, Madam?“, fragte der Zollbeamte monoton.
„Nein.“
Der Mann musterte sie abschätzend. Außer der Kleidung, die sie trug, hatte sie nichts dabei. Keinerlei Gepäck. Nicht mal eine Handtasche. Ein Seitenblick zum HD-Display. „Der Nächste, Bitte!“
Sie trat durch eine Sicherheitsschleuse. Dahinter lag die Einreisekontrolle der Picard Station. 5 identische Schalter, wie bei der Zollkontrolle standen im Einreisebereich. Besetzt war einer. Sie reihte sich in die Schlange ein. Nach einigen Minuten kam sie an die Reihe.
„Ihre ID-Card bitte?“
Sie legte sie ihm vor.
Der junge Mann, in der braunen Uniform der Stationssicherheit, schob die ID-Card in das Lesegerät. Augenblicklich erschienen auf einem der Bildschirme alle relevanten Daten. Kaum erkennbar straffte der Sicherheitsmann seine Schultern. „Was ist der Grund ihres Besuchs?“ Aus seiner Stimme war die Langeweile verschwunden. Ein kurzer Seitenblick.
„Geschäftliche Angelegenheiten.“
Aus der Schlange hinter ihr kam ein. „Was dauert da solange?“
Der Mann schaute nervös zur Seite, glich die Daten ab, schaute sich das Gesicht der Frau an und überlegte, was zu tun war.
„Gibt es Probleme?“, wollte die Frau unauffälig wissen.
„Nein. Alles in Ordnung. Einen angenehmen Aufenthalt.“ Er reichte ihr die ID-Card. „Der Nächste.“
Sie ging durch die Sicherheitsschleuse, trat in die Ankunftshalle, durchquerte sie und verließ das Ankunft- und Abflugterminal C der Raumstation Picard. Auf dem Promenadenring herrschte zu so später Stunde kaum Betrieb. Die Ladenmeile war verwaist. Eine Handvoll Nachtschwärmer, Reisende oder Stationspersonal waren zugegen.
Sie ging zum Turbolift an der Ecke, betätigte den Ruf-Button und betrat die Kabine. „Ebene G, Sektion C.“ Auf dem 15`Zollbildschirm erschien die Zielangabe.
Der Turbolift setzte sich umgehend in Bewegung.

-Eins-

Der markante Klingelton vom Com (Kommunikator) erklang. Er murrte müde, tastete nach dem Gerät, fand es. „Ja!“, raunte er müde und nahm den Ruf entgegen.
„Sir. Professor Lima möchte Sie unbedingt sprechen.“
Schlief diese Nervensäge überhaupt? Seit sie mit ihrem Wissenschaftsstab auf die Station gekommen war, nervte die Professorin. „Kann das nicht warten?“, blaffte Kasparow wütend.
„Hmm.“, stöhnte die rothaarige Frau neben ihm und drehte sich weg.
„Sie sagt es sei dringend.“, erklärte der Sprecher hartnäckig.
Ist wahrscheinlich nur das Klo verstopft! Scheiße! Der Ärger über diese Frau vertrieb den Schlaf. „Ich bin unterwegs, Kasparow Ende.“ Als Erstes brauchte er einen Kaffee, andernfalls konnte er für nichts garantieren.
Kasparow schwang sich aus dem Bett, ignorierte die Rothaarige in seinem Bett, schlurfte ins angrenzende Bad. Dort verrichtete er seine Notdurft, duschte und kehrte in den Schlafraum seiner Unterkunft zurück. Aus der Kommode nahm er sich was zum Anziehen, nahm das Höschen von seiner Hose, zog sie an und die Overalljacke. Er fand seine Schuhe unter der Bluse, die seine Gespielin vor ein paar Stunden abgelegt hatte, schlüpfte hinein. Im Spiegel begutachtete er sich. Strich die Falten aus seiner Uniformjacke. Eigentlich müsste er sich rasieren, er entschied sich aber dagegen. Wie spät war es eigentlich?

***
Janus Kasparow trug die Uniform der Vereinten Terra-Gvan Flotte, war Commander und besaß das Kommando über die Raumstation Picard im Heimatsystem der Silaaner. Wie E’an war Silaa einst eine besetzte Welt der Familiäros. Während dem E’an Konflikt, bei dem die Familien auf E’an die Friedenstruppen auf dem Planeten angriffen, um ihn wieder der Heimat zu zuführen, hatten die Tanis und Sions ein Kommandounternehmen für Silaan durchgeführt, zum Schutz der heimatlichen Interessen. Womit der Angriff legitimiert werden sollte, bei einem (Miss)Erfolg.
Auf Silaa befand sich lediglich ein Expeditionscorp der Friedenstruppen, als der Tanis-Sions-Verband ins System sprang und das Landeunternehmen startete. Zuvor hatte das Oberkommando der Friedenstruppe Flotten- und Bodeneinheiten abgezogen, um den Rückzug der Malianer auszugleichen. So blieb einzig das Expeditionscorp auf Silaa. Eine Entscheidung, die bei den Silaanern nicht gut ankam. Kein Wunder, denn so entblößte man das Silaa-System für die Familien, deren Aktivitäten schon vor dem E’an Konflikt zugenommen hatten. So waren vermehrt Aufklärer hinter der Grenze gesichtet worden. Raids auf Frachter und Erzminen. Dem Oberkommando blieb aber keine Wahl.
Zusammen mit dem einstigen kampferprobten silaanischen Widerstand gelang es dem Expeditionscorp die Landetruppen der Tanis-Sions zurückzuschlagen. Als dann ein aquianisches Kreuzergeschwader zur Unterstützung eintraf, zog sich der Kommandoverband zurück.
Trotzdem blieb bei den Silaanern ein bitterer Beigeschmack. Sie warfen dem Sicherheitsrat vor, man hätte die Kräfte ungleichmäßig aufgeteilt und somit Silaa gefährdet. Womit Sie nicht ganz unrecht haben, wie Kasparow gestehen musste. Selbst heute, 3 Jahre nach den Vorkommnissen, war das Verhältnis zwischen Silaa und dem Sicherheitsrat angespannt. Vor allem zu den Beslanern, die zu jener Zeit den Ratsvorsitz innehatten.
Die Union, die die Nachfolge übernahmen, bemühte sich das Verhältnis zu kitten. So wurde ein Kooperationsabkommen geschlossen, ein Wiederaufbauprogramm gestartet und ein Verteidigungspakt vereinbart. Im Zuge dessen schloss man (der Sicherheitsrat) eine Sicherheitskooperationsvereinbarung ab. Sie beinhaltete ein Ausbildungs-, Flottenaufbau- und Systemverteidigungsprogramm. Im letzteren Programm spielte die Raumstation Picard eine entscheidende Rolle.
Statt eines Neubaus, der im Haushaltsausschuss des Sicherheitsrats abgelehnt wurde, da sich die Mitglieder über die Kostenverteilung nicht einig werden konnten, beschloss man die ehemalige Bergbaustation zu modernisieren. Den Großteil der Kosten übernahm der Sicherheitsrat. Als Gegenleistung gestanden die Silaaner, unter Zähneknirschen, ihnen den Kommandeursposten zu. Die Union erhielt den Zuschlag den Stationskommandeur zu stellen. Was für das Flottenkommando überraschend kam, anders konnte sich Kasparow deren Wahl nicht erklären.
Aus irgendeinem Grund wählte die Flottenpersonalstelle ihn zum Stationskommandeur. Viel überraschender war, dass das Flottenkommando dem zustimmte, denn man konnte nicht gerade sagen das Kasparow sonderlich beliebt war.
Er verdrängte die Erinnerung, schmeckte die Bitternis auf der Zunge und hätte sie am liebsten mit einem Brandy fortgespült. Dafür fehlte im Turbolift ein Getränkeautomat. Ganz zu schweigen davon, dass er sich im Dienst befand und es strikte Regeln bei der Flotte gegen Alkohol im Dienst gab. Nicht, dass er sich ab und an einen genehmigte. Ein Eintrag wegen übermäßigen Alkoholgenuss in seiner Vita würde es ihm erschweren eine Stelle im Raumfahrtdienst zu bekommen. Oder?

***
Der Turbolift hielt an, öffnete sich und Commander Kasparow betrat das Kommandodeck der Raumstation Picard. Die Nachtschicht verrichtete ihren Dienst. Im Gegensatz zum hektischen Tagbetrieb ging es im Nachtdienst viel ruhiger zu. Was die Frauen und Männer nicht dazu veranlasste sich auf die faule Haut zu legen. Sie arbeiteten gewissenhaft, couragiert. Die Besatzung der Raumstation Picard setzte sich aus den Mitgliedern vom Sicherheitsrat und den Silaanern zusammen.
Er verließ den Oberring, ging die Stufen hinab. In der Mitte vom Deck befand sich die Kommandoinsel. Ein großer achteckiger Tisch, mit Touchoberfläche. Darüber hing ein Konstruktduplikat aus Flachbildschirmen. Sie zeigten unterschiedliche Funktionen der Station. Auf dem Tisch wiederum sah man eine Systemdarstellung. Mehrfarbige Icons. Den Planeten Silaa, Silaa I, die Monde, Silaa II + Silaa III und den Gasriesen, Silaa IV. Dazu der erzhaltige Asteroidengürtel, der um Silaa IV lag. In Echtzeit wurde das Abbild ständig aktualisiert.
„Commander.“ Ein Mischling, ein Lieutenant, grüßte ihn kleinlaut.
Sein Name war Liam. Er gehörte zum Kontingent der Union und hatte als ranghöchster Offizier in der Nachtschicht das Kommando über die Raumstation.
Kasparow sah an ihm vorbei, zu jener Person, die dafür verantwortlich war, dass der Lieutenant ihn weckte. Diese Frau war ein Quälgeist. „Sie trifft keine Schuld, Liam.“ Wenn er sich der Frau nicht gebeugt hätte, hätte sie ihn persönlich angerufen. Egal wie spät es war. Vermutlich hatte Liam sie darauf hingewiesen, wie spät es war, was sie wohl kaum interessierte und darauf bestand sofort mit ihm zu sprechen.
„Sie ließ mir keine Wahl, Sir.“
Kasparow schaute ihn an. „Tatsächlich!“
Liam nickte und berichtete ihm von der Auseinandersetzung.
Seine Stimmung verdüsterte sich.

***
„Was fällt ihnen eigentlich ein“, platzte Kasparow der Kragen. „einem meiner Leute zu drohen, ihn vor den Disziplinarausschuss zu zerren?“
Professor Tanja Lima war eine hochgewachsene Frau. Sie hatte große Ähnlichkeit mit einem Berggeier von Terra. Eine kleine Hakennase. Schmale Lippen. Hohe Wangenknochen. Eine gerötete Gesichtsfarbe. Stehende grüngraue Augen. In seinen Augen war sie nicht gerade hübsch, aber so was war bekanntlich Ansichtssache.
Sie wollte was sagen, doch er fiel ihr umgehend ins Wort. „Mir ist es scheißegal wem Sie einen geblasen haben, um sich hier einzunisten. Sollten Sie noch mal einen meiner Leute drohen, werde ich sie höchstpersönlich in den nächstbesten Raumer Systemauswärts verfrachten. Haben wir uns verstanden!?“
Professor Lima lief purpurrot an. In ihren Augen funkelte die Wut. So hatte sie bisher keiner angefahren. „Was erlauben Sie sich, Commander. Ich bin keiner ihrer Saufkumpanen. So können sie nicht mit mir reden. Ich werde mich beim Flottenkommando beschweren.“
Kasparow lehnte sich in seinem Drehsessel zurück. Ein Schmunzeln durchzuckte sein Gesicht. Ein Seitenblick zum Chronometer. „Es ist 3 Uhr 27 in der Nacht.“ Genau wie auf Terra, bzw. Gvan. „Ich glaube nicht, dass sich jemand findet der Admiral Renato für ihr Anliegen weckt.“
Mit dem Berühren der Touchscreenfläche öffnete er die Tür zu seinem Büro. Selbst jemand ohne den IQ von Frau Lima wüsste was das bedeutete. Sie jedenfalls wusst es, starrte ihn mit offener Feindseligkeit an. Ihre Augen glitzerten wie eine Supernova. Man konnte beinahe sehen, wie zum Druckausgleich Dampf aus ihren Ohren kam. Professor Lima blinzelte, stampfte wie ein Tolas Ochse hinaus.
Genüsslich schaute Kasparow ihr nach. So sehr er die Auseinandersetzung auch genossen hatte, ergab sich dadurch ein Problem. Er war wach. An Schlaf war daher nicht zu denken. „Lieutenant Liam.“
„Ja, Sir!“, erwiderte der junge Mischling seinen Com-Ruf.
„Kommen Sie mal zu mir.“
Liam verließ seinen Posten am Kommandotisch, ging die Stufen hinauf, trat über die Schwelle. Die Tür blieb offen.
„Sollte Professor Lima ihnen oder sonst jemanden noch mal drohen, ist sie sofort unter Arrest zu stellen.“
Liam`s Züge entspannten sich. Wahrscheinlich hatte er mit einer Standpauke gerechnet. Doch Kasparow hatte entschieden, dass ihn keine Schuld traf. Diese Frau würde sich selbst von Admiral Renato nicht einschüchtern lassen, geschweige denn von einem Lieutenant.
„Jawohl, Sir.“ Der Gedanke gefiel dem Mischling. Auf das Gesicht war er schon gespannt, wenn er die Anweisung umsetzte.
Kasparow nickte zustimmend, schaute sich auf seinem Schreibtisch um. „Weswegen wollte mich Professor Lima eigentlich sprechen?“ Der Papierkram konnte mit Sicherheit noch ein wenig warten, bevor er ihn bearbeitete. Leider ließ ihn die Aussicht darauf nicht müde werden. Verdammt!

***
Wie angegeben blieb der Turbolift auf Ebene G, Sektion C stehen, öffnete sich automatisch. Die einzige Passagierin trat aus der Kabine, wandte sich nach rechts. Sie ging den breiten Gang entlang, gebaut um die angelieferten Erzlieferung von A nach B zu schaffen. Deprimierende graue Verkleidungen. Gesprenkelte Bodenplatten. In regelmäßigen Abständen kamen nummerierte Quartiertüren. Vor einer solchen mit der Nummer C27 blieb sie stehen.
Die Frau horchte. Außer dem gedämpften Klicken und Klacken der Stationsleitungen war nichts zu hören. Zu so später Stunden lagen die meisten Bewohner der Quartiere in ihren Betten. Sie hielt die Schüsselkarte an den Türscanner. Das rote Licht erlosch und wechselte ins Grün. Zugleich glitt die Tür beiseite. Sie trat ein.
Das Quartier hatte 3 Räume. Wohnraum mit einer kleinen Küchennische. Schlafzimmer. Bad. Die Einrichtung war gewöhnlich, wie man sie in jedem Mittelklassequartier fand. Sie trat in jeden Raum, schaute sich scheinbar flüchtig um. Aus einer Tasche holte die Frau schließlich ein muschelförmiges Gerät, legte es auf den Tisch. Sie drückte den einzigen Knopf. Ein Impulskranz aus orangen Licht entwich dem Gerät. Die obere Muschelschale pulsierte.
Sie ging zum Display gleich neben der Quartiertür. Dort gab sie den Schließcode für die Tür ein. Mit einem Doppel Klicken bestätigte das System die Eingabe. Anschließend begab sie sich ins Bad, entkleidete sich und trat in die Duschkabine.
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-Zwei-

„Guten Morgen, Major.“, grüßte der Silaaner hinter der Theke freundlich.
Major Lorana schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln.
„Ihr Wachmacher.“ Er reichte ihr einen Maxibecher mit dem bedruckten Logo einer dampfenden Tasse. Dem Firmenlogo des Cafés, das sie morgendlich aufsuchte.
Lorana nahm den Becher entgegen. „Danke, Loc.“
Sie verließ das Café auf dem Promenadendeck.
Bereits um 7 Uhr 30 war die Ladenmeile zum Leben erwacht. Geschäftsleute. Touristen. Reisende auf der Durchreise. Stationsbewohner. Kinder mit Schulranzen. Mütter. Väter. Verschiedene Uniformierte. Menschen. Gvaner. Mischlinge. Silaaner. Aquianer. Und Dutzend andere Rassen.
Auf der anderen Seite sah Lorana, wie ein Tanianer eine Ladenparzelle öffnete. Außer ihm bewohnte sonst kein Familiäros die Station. Sie waren nicht gern gesehen. Da war der Mann keine Ausnahme. Dennoch öffnete und schloss er Tag für Tag seinen Laden.
Sie beobachtete ihn eine Weile. Auch Lorana hatte kaum Sympathie für den Mann. Was mitunter an der Vergangenheit lag. Die weiterhin allgegenwärtig war.
Sie nahm einen Schluck aus dem Becher, wandte sich ab und ging zum Turbolift. Hier und da wurde ihr ein Guter Morgen gewünscht. Lorana erwiderte den Gruß, lächelte bekannten Gesichtern zu, winkte einem Mädchen zu das Sie gut kannte.
Im Turbolift gab sie ihr Ziel an.

***
Die Frühschicht nahm auf der Station seine Arbeit auf. So auch auf dem Kommandodeck, der Schaltzentrale der Raumstation Picard, benannt nach einem Freiheitskämpfer von Silaa. Er war das Gesicht des Widerstands.
Major Lorana gehörte zur Verteidigungsstreitmacht von Silaa. Zur Zeiten der Besatzung durch die Familiäros gehörte sie dem Freibund an. Eine friedliche Vereinigung, die den bewaffneten Widerstand gegen die Besatzer verurteilte und nach einer friedlichen Lösung strebte. Die Freiheitskämpfer hingegen hielten den Freibund für weich, da die Familiäros sich nur mit Waffengewalt vertrieben ließen statt mit Worten. Ein Konflikt, der heute noch schwoll.
Ihre Ernennung zum ranghöchsten Silaaner auf Picard verringerte das Potenzial nicht unbedingt. Sie war Verbindungsoffizier und Erster Offizier. Angestrebt hatte sie das Stationskommando, was ihr durch die Vereinbarung mit dem Sicherheitsrat, bzw. der Union verwehrt blieb. Interessanterweise hatte ein ehemaliges Mitglied vom Widerstand die Vereinbarung vorangetrieben und besiedelt. Ministerrat und Kanzler stimmten zu.
Lorana konnte nicht leugnen angefressen gewesen zu sein, als man ihr mitteilte dass das voraussichtliche Kommando an einen Außenweltler ging. Wieder einmal schien ihr Volk zum Spielball der Sternennationen zu werden.
Ein Gefreiter, in der Uniform der Flotte Aquian, grüßte sie und reichte ihr ein Pad. Sie grüßte zurück, schaltete den Inhalt frei und begab sich zu ihrem Platz. Als Verbindungsoffizier und Erster Offizier besaß sie einen eigenen Platz auf dem Kommandodeck. Sozusagen ihr Büro. Dort angekommen setzte sie sich, legte das Pad ab, nahm einen Schluck aus dem Becher, schaute sich um, streifte dabei das Stationsbüro und kehrte mit gekräuselter Stirn dahin zurück.
Erst dachte Lorana sich getäuscht zu haben. Um sicher zugehen schaute sie auf die Uhr: 7 Uhr 46. Anders als sonst saß Commander Kasparow hinter dem Schreibtisch. Ein seltener Anblick um diese Uhrzeit. Sonst erschien er in der Regel kurz vor 9 Uhr. Um 9 Uhr fand die tägliche Stabsbesprechung statt. Ein Prozedere dass er in der Regel auf sie abwälzte und schwänzte.
„Kolja.“ Ein Silaaner mittleren Alters, mit rundlicher Figur kam zu ihr. „Was macht der Commander um die Zeit hier?“
Er spitzte seine dünnen Lippen. „Keine Ahnung. Er war schon hier, als ich meinen Dienst aufgenommen habe.“ Sie schaute ihn an. Kolja`s Dienst begann um 6 Uhr 30. Da fand der Schichtwechsel statt. „Sila," meinte er,
" hatte eine nächtliche Auseinandersetzung mit Professor Lima. Seit dem ist er hier.“
Bei der Erwähnung von Professor Lima verzog Lorana für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht. Sie mochte die Menschenfrau überhaupt nicht. Eingebildet. Hochnäsig. Bei einer Begegnung mit der Frau wollte man zum Pulser greifen. Um ihn entweder gegen sich selbst oder sie zu richten. Dummerweise würde Letzteres die Beziehungen zwischen Union und Silaa nicht verbessern, wenn Lorana Professor Lima einfach erschoss. Andererseits so drastisch musste man ja nicht werden. Ein Streifschuss reichte schon. Obwohl!
Kolja nahm seine Arbeit wieder auf.
Sie schaute zum Commander, verließ ihren Platz und ging zum Getränkeautomaten. „Kaffee. Schwarz. Ohne Milch und Zucker. Warm.“ Ein Piepen bestätigte die Eingabe. Augenblicklich startete die Replikation. Ein Summton teilte ihr mit dass der Vorgang abgeschlossen war. Lorana nahm das Gefäß aus dem Schacht, ging den Oberring entlang und schritt zum Stationsbüro.

***
Als Sie in den Erfassungsbereich der Türsensoren kam, glitt diese automatisch auf.
Im gleichen Augenblick schaute Kasparow auf.
„Commander.“ Ein kühler Gruß.
„Major.“ Nicht weniger kühl.
Zwischen ihnen herrschte ein kühles Verhältnis. Woran beide eine gewisse Mitschuld trugen. Das Eis war noch nicht gebrochen.
„Kaffee?“ Lorana hielt den Becher hoch. „Schwarz. Ohne Milch und Zucker!“
„Wie meine nächtliche Laune.“, kommentierte er trocken.
Sie schaute ihn abschätzend an.
Er winkte sie heran, nahm sich den Becher und trank einen Schluck.
„Sie hatten eine nächtliche Auseinandersetzung mit Professor Lima.“
Dass der Vorfall seine Runde machte, war ihm klar gewesen. Der Klatsch und Tratsch war eine der Lebensadern auf Raumschiffen oder eben Raumstationen. Da war die Picard Station keine Ausnahme.
Kasparow nickte knapp. „Diese Frau ist wie ein Blutegel. Sie saugt und saugt, bis man nur noch eine leere Hülle ist.“ Bei diesem Vergleich musste selbst Lorana schmunzeln. „Wie haben sie die Besprechungen mit ihr nur ausgehalten?“
„Hin und wieder habe ich meinen Pulser gestreichelt.“
Er lehnte sich zurück, nahm einen Schluck. „Mist. Ich wusste ich hatte etwas vergessen.“ Und schnippte mit den Fingern. Dabei lag sein Pulser tatsächlich in seiner Kommodenschublade.
„Weswegen wollte Frau Lima sie überhaupt sprechen?“ Die Heiterkeit zwischen ihnen war vorüber.
„Wie es aussieht, hat sie den Grund für die Anomalie gefunden.“
Sie zog eine Braue hoch. Die Anomalie war in den letzten Wochen häufiger aufgetreten. Ein Ionenteppich von unterschiedlicher Konzentration. Was den Raumverkehr beeinträchtigte. Als die Anomalie auftrat, befand sich Professor Lima und ihr Team bereits auf der Station, um seismologische Aktivitäten auf dem Gasriesen zu katalogisieren. Man plante Pumpstationen zu installieren, um das hochkonzentrierte Flüssiggasgemisch abzupumpen. Seine gesamte Oberfläche bestand daraus. Die permanenten seismologischen Aktivitäten bereiteten der Planungskommission jedoch Schwierigkeiten. Durch Professor Lima und ihrem Team erhoffte man sich eine bessere Risikoeinschätzung. Dumm nur, dass die Silaa Behörde für Sicherheit im Systemverkehr sie um Unterstützung bei der Ursachenforschung der Anomalie bat.
Lorana wartete. „Und der Grund ist?“ Sie konnte nicht länger warten. Schließlich schien es so bedeutend dass Frau Lima Kasparow mitten in der Nacht aus dem Bett holte. Was könnte Sie dazu veranlasst haben!

***
„Ein Wurmloch!“ Wiederholte der Forumsvorsitzende überrascht.
Der Stabschef des Kanzlers nickte bestätigend.
„Dem vorläufigen Bericht nach.“, grenzte der Kanzler ein.
Doch die Daten ließen kaum einen Zweifel daran, dass die Anomalie von einem Wurmloch herrührte. Die Bedeutung all dessen waren unvorstellbar. Ein Wurmloch bedeutete einen wirtschaftlichen Aufschwung, der ohne niemals möglich wäre. Jedenfalls für eine Sternennation wie die Ihre.
Daraus ergaben sich aber auch Probleme. Wurmlöcher hatten den Makel eine Seltenheit zu sein. Darum gewann jedes System, in dem ein Wurmloch lag, an strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Denn nicht nur der Handelsverkehr nutzte sie, um schneller von A nach B zu kommen, sondern auch das Militär. In ihrer geografischen Lage umso mehr. Die Sternennationen Tanis und Sions lagen in unmittelbarer Nähe. Mit einem Wurmloch bei ihnen würden die Reaktionären Kräfte Auftrieb bekommen. Möglicherweise führte das sogar zum Sturz der momentanen politischen Führung bei den Familien. Die Folgen wären fatal.
Deshalb wusste der Kanzler nicht, ob er die Euphorie teilte. Schon ohne Wurmloch hatten die Familiäros Sie im Visier. Mit Wurmloch fixierte man sie. Eine diplomatische Aussöhnung wäre unmöglich. Nicht, dass er darauf aus war, aber eines Tages vielleicht. So seine Hoffnung.
„Da gibt es noch ein anderes Problem.“, warf der Stabschef schwankend ein. Er wollte nicht der Schwarze Peter sein und die Stimmung vermiesen.
Kanzler und Forumsvorsitzender sahen ihn an.

***
„Professor Lima hat heute Morgen Beschwerde gegen Commander Kasparow eingereicht.“
Senior Admiral Zedek schaute seinen Assistenten über den Brillenrand an. Ein Blick, der ihn wie einen Gelehrten wirken ließ. „Tatsächlich!“
Commander Geiger nickte knapp.
„Was ist es diesmal?“ Zedek richtete sich im Sessel auf und nahm die Brille ab.
„Ungebührliches Verhalten. Beleidigung. Respektlosigkeit.“, fasste Geiger zusammen. Er reichte seinem Chef das Pad.
Zedek nahm es entgegen, schalte es frei und las sich die eingereichte Beschwerde sowie die angehangene Mitteilung vom Seismischen Institut auf Gvan durch. Anscheinend hatte der Leiter ebenfalls etwas dazu zusagen. Am Ende schaltete er das Pad ab, legte es auf seinen Schreibtisch und verschränkte die Hände. „Wer weiß davon?“
„Eine Kopie ging an das Auswärtige Amt vom Sicherheitsrat. Das Außenministerium. Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung. Dem Kanzleramt auf Silaa sowie unserer Botschaft.“
Zedek schloss die Augen. Diese Frau machte keine halben Sachen. Jeder der auch nur annähernd damit beschäftigt war, besaß eine Kopie der Beschwerde. Was an sich keine große Sache war. Die Beschwerdestelle der Vereinten Flotte bekam täglich tausende Beschwerden zugesandt. Alltag. Lapidares Zeug. Hier hingegen zog die Professorin alle Register. Wohl wissend, dass Commander Kasparow auf der Abschussliste stand.
Genau von der wollte Zedek ihn möglichst fernhalten. Einen crjanischen Verband mit unterlegenen Kräften aufzureiben war dagegen ein Kinderspiel. Er atmete einmal tief durch, sammelte sich und überlegte, was zu tun sei. Bevor er sich eine Strategie zurechtlegen konnte, piepte die Gegensprechanlage. „Ja, Oliver.“
„Admiral, verzeihen Sie die Störung aber Admiral Albany will Sie umgehend sprechen.“
Er verdrehte die Augen und stöhnte. Wunderbar! Der hatte ihm gerade noch gefehlt. Wieso er ihn sprechen wollte, konnte sich Zedek denken. Insgeheim hatte er gehofft der Kelch würde an ihm vorbei gehen. „Legen Sie ihn in die Warteschleife. Ich bin gleich soweit.“
„Ähm…Jawohl, Admiral.“
„Wieso genau tue ich das?“, wollte Zedek von Geiger wissen.
„Weil er ihnen das Leben gerettet hat.“
Nicht, dass er den Grund vergessen hatte. Mit einem Wink gab er seinem Assistenten zu verstehen, er sei entlassen. Geiger stand stramm, ging aus dem Büro seines Chefs. Die Tür war noch nicht ganz geschlossen, da konnte er die verärgerte Stimme von Admiral Albany hören.
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-Drei-

Alec Albany ging auf und ab in seinem geräumigen Büro, hoch oben im Flottentower auf der Greenberg Insel. Sein kahler Kopf glühte feuerrot. Der kleine Mann tobte nicht nur innerlich. „Jetzt ist Schluss. Dieser Kerl wird abkommandiert und vor einen Disziplinarausschuss gestellt.“, polterte Albany herrisch. „So etwas Unverfrorenes habe ich noch nicht erlebt.“
„Sir.“, mischte sich der gvanische Lieutenant Commander ein.
„Das könnte zu folgenschweren Problemen führen.“ wandte Oz vorsichtig ein.
Wie bei einem Schakal zuckte der Kopf von Albany rum. Seine, zu Schlitzen verengten Augen, fixierten den Gvaner. Doch Oz hielt ihm stand. Wofür ihm Zedek stumm Respekt zollte. Zum Glück hatte er den Admiral nicht darauf hingewiesen. Man war keineswegs miteinander befreundet. Sie mochten sich nicht mal. „Welcher Art?“ Albany knirschte mit den Zähnen.
Oz straffte seine breiten Schultern. „Wenn Sie sich erinnern mögen, Admiral, gehörte Commander Kasparow nicht zum engeren Kandidatenkreis für den Stationskommandoposten.“ Die Augenlider seines Vorgesetzten verengten sich weiter. Energiebolzen hätten ihn durchbohrt, wenn Albany dazu in der Lage gewesen wäre. Der Einwand war leicht untertrieben. Kasparow gehörte nicht mal zum erweiterten Auswahlkreis. „Die Silaaner haben jeden unserer Vorschläge störrisch abgelehnt, egal welche Vita unsere Favoriten hatten.“, fuhr Oz fort. Die dunkelrote Gesichtsfarbe hellte sich ein wenig auf. „Commander Kasparow“ Seine Augenlieder zuckten. „wurde von den Silaanern vorgeschlagen. Trotz unserer Einwände und Bedenken hielten Sie an ihm fest.“ Was beinahe zu ernsten diplomatischen Problemen geführt hätte. Sie wollten einfach niemand anderes für das Stationskommando akzeptieren. Man beugte sich letztlich dem silaanischen Druck. „Kommandieren wir ihn ab, beginnt die Suche nach einem Nachfolger von Neuem.“
Albany fuchtelte mit der Hand umher. „Wir ernennen einfach jemand. Basta.“
Zedek würde zu gerne sehen wie Albany bei der Präsidentin vorstellig werden musste, um sich vor ihr zu rechtfertigte, einen Bündnispartner verärgert zu haben, nur wegen einer persönlichen Vendetta. „Admiral.“ Er sprang dem Lieutenant Commander bei. Obwohl Zedek Älter als Albany war, hatte dieser einen goldenen Stern mehr. „Das werden die Silaaner nicht zulassen.“ Das zeigte der Versuch jemanden für das Stationskommando zu finden mehr als deutlich. „Ohne deren Einverständnis können wir Commander Kasparow gar nicht abkommandieren, geschweige denn ersetzen.“ Zedek vermutete dass Albany den Bericht von Commander Kasparow nicht mal angefasst hatte. Andernfalls stünde er nicht hier und musste den Gnom an die Konsequenzen erinnern.
Die Antipathie sah man deutlich in seinen Augen. Sie prallte jedoch an Zedek einfach ab. Er mochte einen Stern mehr und den höheren Posten haben, aber auch nur durch seine Beziehungen zum Vorgänger von Admiral Renato, dem Flottenchef der Vereinten Terra-Gvan Flotte.

***
Tock! Der Golfball stieg höher und höher, bis er den Höhepunkt seiner Flugbahn erreichte und hinab stieß. Zufrieden verfolgte Admiral Renato die Flugbahn. Ein durchaus gelungener Schlag, stellte er fest. Er trat vom Abschlagsmahl. Sein Ball ging zu Boden, weiter als geplant.
„Schön mittig.“ Kommentierte sein Gegner mit einem hohlem Unterton, der an Aufsässigkeit grenzte. Zedek trat ans Abschlagsmahl, tat den Ball auf den Abschlagstift, der aus dem Gras ragte. „Er hat die Berichte nicht mal gelesen.“, nahm er den Faden des Gesprächs wieder auf.
Renato schmunzelte. Sein ehemaliger Kommandeur war nicht weniger hartnäckig wie eine kalerianische Stechmücke. „Was erwartest du von mir?“, fragte er seinen Mentor und Freund. Natürlich konnte er sich die Antwort denken. Auch das "wieso" kannte Renato.
Zedek machte einen Probeschwung, veränderte seine Schlaghaltung und schwang erneut ins Leere. „Wenn es mir gelingt, die Sache aus der Welt zu schaffen, wirst du Albany zurückpfeifen?“ Tock! Der Ball segelte geschmeidig durch die Luft. Er hatte nichts von seinem Schwung verloren.
„Darüber würden sich Max und Andrej sicherlich freuen, wenn die Angelegenheit vom Tisch ist.“ Max Holzmann, der Stabschef der Präsidentin und Andrej Jakajev, ihr Nationaler Sicherheitsberater, zeigten sich von der Sache keinesfalls begeistert. Eher besorgt, schließlich war man gerade dabei Vertrauen auf Silaa zurückzugewinnen. „Ich frage lieber nicht, wie du es anstellen willst.“
Zedek lachte, schob seinen Schläger in die Tasche und setzte sich hinters Steuer ihres Golfmobils. „Wir werden diplomatisch vorgehen.“ Renato schaute ihn skeptisch an. „Versprochen, Sir.“

***
„Ich nehme ihre Entschuldigung an, Ma ‘am.“ Liam nickte Professor Lima zustimmend zu. Er versuchte nicht allzu schadenfroh drein zuschauen. Schließlich war ein Admiral anwesend.
„Danke, Lieutenant.“, kam es stockend von Frau Lima. Man konnte ihr ansehen, dass sie nicht freiwillig sprach. Ihre Miene war eine Maske. Hier und da zuckte ein Muskel. Umso deutlicher sprachen ihre Augen. Sie funkelten vor Zorn.
„Wunderbar!“, prostete Admiral Zedek heiter. Worauf er sich einen zürnenden Blick einfing.
Er gab Henry P`hal die Hand. Der Mischling war der Leiter vom Seismischen Institut auf Gvan. Sein Gesicht erinnerte ihn jetzt an einen begossenen Pudel. Als sich die Männer die Hand gaben, sah man deutlich dass Sie in diesem Leben keine Freunde mehr werden würden.
Zedek war auf seine Weise diplomatisch gewesen, als er bei P`hal vorstellig wurde, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Dabei machte er dem Leiter klar, welche möglichen Konsequenzen eine Fortführung dieser albernen Scharade für das Institut, bzw. dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung, dem das Institut unterstand, hatte. Ein Teil vom Haushalt des W&F Ministeriums stammte aus Mitteln der Streitkräfte und nicht der Steuerzahler (indirekt schon). Beschlossen die Streitkräfte die Mittel einzufrieren, oder abzuzweigen riss das ein Loch in den W&F Haushalt. Ein Zuschuss musste vom Kabinett, dem Haushaltsausschuss, dem Abgeordnetenhaus und Senat gebilligt werden. Was langwierig werden konnte. Vor allem dann, wenn die Streitkräfte Lobbyarbeit betrieben. Um also das Loch zu stopfen musste eingespart werden. Jede Abteilung war davon betroffen. Wozu auch das Seismische Institut der Abteilung: Planetenforschung gehörte. Die Beschwerde (Anschuldigungen) war ein folgenschwerer Rattenschwanz.
Unter diesen Bedingungen blieb P`hal überhaupt nichts anderes übrig als einzulenken. In einem unangenehmen Gespräch mit Professor Lima hatte er ihr die Konsequenzen ihrer Haltung aufgezeigt. Die Frau war niemand die aufsteckte, geschweige denn sich einschüchtern ließ. Schon gar nicht von Leuten in Uniformen. Kriegstreiber schimpfte Lima eins ums andere Mal. Die Machenschaften der Streitkräfte waren ihr zuwider. Sie weigerte sich anfänglich sich zu entschuldigen, beugte sich am Ende dennoch.

***
Die kleine Runde, in Kasparow`s Büro löste sich auf. Stürmisch eilte die Professorin hinaus. Lieutenant Liam hatte es nicht ganz so eilig. Genau wie P`hal. Zurück blieben Admiral Zedek und Commander Kasparow.
„Möchten Sie was trinken, Admiral?“ Die Tür zu seinem Büro schloss sich.
„Einen Irish Coffee.“
Kasparow blickte ihn an. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Die Vorschrift, kein Alkohol, galt halt nicht für jeden. Vor allem nicht, wenn es um einen Senior Admiral mit 3 goldenen Sternen handelte.
Er ging zum Getränkeautomaten, gab den Irish Coffee und seinen Tee über die Spracherkennung ein. Wenig später saßen sie mit ihren Getränken.
„Ich sollte mich wohl bei Ihnen bedanken, Admiral.“
Zedek machte eine wedelnde Handbewegung. „War das Mindeste, was ich tun konnte, Janus.“ Der Admiral nahm nicht von jedem den Vornamen in den Mund. Man konnte es als Ehre bezeichnen. „Außerdem konnte ich so Admiral Albany eins auswischen.“ Ein spitzbübisches Lächeln erschien. Alte Männer pflegten ihre Feindschaften.
Ihm war nicht wohl dabei dass Zedek seine Kämpfe gegen Albany ausfechtete. Die Ambitionen seines Erzfeindes waren hinlänglich bekannt. Er wollte ganz nach oben. Der Posten des Flottenchefs sollte eine Zwischenstation sein. Durch die Ernennung von Admiral Renato verschob sich das nur. Wenn der Tag kam, stand Kasparow, und jetzt Zedek, auf der Straße, das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
„Hat ihn mit Sicherheit zur Weißglut getrieben.“
Zedek grunzte, trank einen Schluck. „Zu schade dass er kein schwaches Herz hat.“
Jemanden wie den Admiral auf seiner Seite zu haben, konnte jedenfalls nicht schaden. Er hatte nicht allzu viele Fürsprecher in der Flotte.

***
Kasparow schaute abwesend aus dem Bullauge. Admiral Zedek hatte er vor wenigen Minuten verabschiedet. Die Fähre war mit Kurs auf Terra in den Hyperraum gesprungen. Aus dem Gespräch mit ihm hatte er erfahren, dass er kurz vor einer Abkommandierung gestanden hatte. Doch irgendwie bekam er das Gefühl, dass da noch mehr war. Er deutete unter anderem an, die Präsidentin beabsichtigte Silaa Stern in absehbarer Zeit zu besuchen.
Als man ihm das Stationskommando für die Raumstation Picard gab, konnte er nicht sagen, begeistert gewesen zu sein. Stationskommandos waren in der Flotte nicht allzu beliebt. Dorthin wurde man abgeschoben, wenn es für ein Raumkommando nicht reichte. In seinem Fall traf das sogar direkt ins Schwarze. Eine Folge der Ereignisse bei Rabin Stern, durch die er Admiral Albany gegen sich aufbrachte. Plus der kleinen Nebensächlichkeit, seine Affäre mit dessen Tochter.
Fuchsteufelswild war er gewesen, als Sie die Hochzeit mit dem Sohn von Senator Ahonen, einem politischen Schwergewicht, platzen ließ. Als er herausfand, mit wem seine Tochter eine Affäre hatte, setzte Admiral Albany alle Hebel in Bewegung um ihn fertigzumachen. Kasparow musste wegen der Ereignisse bei Rabin Stern vor einen Untersuchungsausschuss, dessen Vorsitz niemand anderes als Albany innehatte.
Er setzte alles daran ihn unehrenhaft aus dem Flottendienst zu entlassen, ohne Aussicht jemals einen Job in der Raumfahrerei zu bekommen. Nicht mal auf einem schrottreifen Erzminenschiff. Dass Albany dazu in der Lage war stand außer Zweifel. Sein Rechtsbeistand, ein drittklassiger Anwalt vom JAG, konnte oder wollte ihm nicht beistehen. Was Janus ihm im Nachhinein nicht verübeln konnte. Sich Admiral Albany zum Feind zu machen verfolgte einen ewig. So schnell vergaß der Drecksack nichts.
Kasparow war sich ziemlich sicher, kurz vor der Entlassung gestanden zu haben, wäre Zedek nicht in die Bresche gesprungen. So wurde er nur auf unbestimmte Zeit suspendiert ohne Soldanspruch. Ein winziger Teilerfolg für Albany, denn suspendierte Mitglieder der Streitkräfte wurden auf Halbsold gesetzt. Janus hingegen bekam nicht einen Cent seines Solds ausgezahlt und als Mitglied der Streitkräfte durfte er keine Nebentätigkeit annehmen. Man stellte ihn zwar vom Dienst frei, blieb aber im Dienststatus der Flotte. Mit dem Vermerk: Suspendiert.
Wahrscheinlich ging Albany davon aus, dass er dadurch einen Antrag auf Dienstaustritt einreichte. Ohne Sold stand Kasparow sprichwörtlich auf der Straße. Denn mit der Suspendierung legte die Leistungsabteilung der Flotte alle Zuwendungen auf Eis. Wozu die Miete seiner Wohnung sowie aller Nebenkosten zählten. Die Bank gewährte ihm Mangels Sicherheiten (wie seinem Sold) keinen Kredit, um die laufenden Kosten zu decken. So stand er zwangsläufig vor dem finanziellen Ruin. Um das zu verhindern, blieb letztlich nur das Formular für den Dienstaustritt.
Zu jener Zeit verfiel Kasparow einem übermäßigen Alkoholkonsum. Dazu kamen Aufputschmittel, Sayd-Kokain, Amphetamine und diverse andere Subtanzen. Hinzu fügte er die Gesellschaft von Callgirls, Begleitdamen und Sexsklavinnen. Janus wettete auf alles mögliche. Mit der Glückssträhne finanzierte er seinen Exessiven Lebensstil.
Ohne die Intervention von Admiral Zedek wäre Albany auf kurz oder lang ans Ziel seiner Bestrebungen gekommen. Der Mann hätte eigentlich in einem Krankenhausbett liegen müssen, hatte sich aber selbst entlassen, als er von Albany`s Kreuzzug hörte. Albany war nicht so vermessen sich Zedek als Zielscheibe auszuwählen. Dabei hätte er sich eine blutige Nase geholt, darüber musste sich der Mann klar gewesen sein.
So setzte er seinen Kreuzzug gegen Janus fort, sorgte dafür, dass sich Kasparow Eignungstest, Leistungsnachweisen, physische wie psychologische Untersuchungen, Belastungstest und dergleichen unterziehen musste. Der Grund war simpel. Er wollte dessen Dienstunfähigkeit nachweisen, was ein Entlassungsverfahren möglich machte.
Eine medizinische Untersuchung, die er ansetzte, sollte Kasparow und Zedek das Genick brechen. Das Ergebnis kam anders, als ihr Gegenspieler erwartete. So blieb Albany gar keine andere Wahl, als ihn wieder in den aktiven Dienst zu berufen und gleichzeitig erhielt er das Stationskommando.
Bisher glaubte Kasparow Zedek hätte es ihm zugeschoben. Seit seinem Besuch, war er sich darüber nicht mehr sicher. Wenn Zedek ihm das Kommando nicht beschafft hatte, wer dann!?
Zur Antwortfindung kam er nicht mehr. Sein piependes Com hielt ihn davon ab. „Ja!“
„Commander.“, erklang Major Lorana. „Ich habe soeben von der Flugkontrolle erfahren, dass sich Regentin Sofia`s Fähre im Anflug befindet.“
Er schloss die Augen. Wunderbar! Als wäre ich nicht mit Professor Lima schon gestraft genug! Das Universum schien sich einen Spaß daraus zu machen, ihn fertigmachen zu wollen. Im Gegensatz zur Regentin war Professor Lima geradezu zahm, ja lammfromm mochte man sagen. Ein Blick auf den Chronometer sagte ihm, wie spät es war. Spät, aber nicht zu spät um ihr aus dem Weg zu gehen, ohne einen diplomatischen Zwischenfall auszulösen. „Wieviel Zeit bleibt uns, bis die Fähre andockt?“ Vielleicht!
„10 Minuten.“
Mist! Er musste ein ernstes Wort mit dem Chef der Flugkontrolle reden. Die Systemflugkontrolle fiel in den Aufgabenbereich der Silaaner. Was Sie sozusagen autonom vom regulären Stationsbetrieb machte. Kasparow stöhnte niedergeschlagen. Ihm fiel nichts ein, um der Begegnung mit der Regentin auszuweichen. „Ich bin unterwegs. Kasparow Ende.“
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-Vier-

Ding-Dong! erklang, als jemand die Schwelle zu seinem Geschäft übertrat. Felixx verräumte gerade die Einlagen seiner Schaukästen, die im Ladenbereich standen. Arbeiten aus verschiedenen Holzarten, Metallen und Glas. Skulpturen, fingergroß bis Lebensgröße. Meisterhafte Ornamente. Glas in Glas. Altmodische Bleifenster, mit einem Rittermotiv. Terranische Drachenköpfe. Malereien mit feinen Farben und Mustern. Sein Atelier bot für jeden Interessierten etwas. Von Kleinigkeiten, wie einem daumennagelgroßen Anstecker bis hin zu wandgroßen Gemälden.
Felixx sah auf. „Wir schließen gleich.“ Seine Stimme klang gutmütig, gelassen.
Eine Menschenfrau hatte sich in seinen Laden verirrt. Damit war Sie heute die dritte Person. Dass man ihm sein Atelier nicht einrennte, wie bei einem Schlussverkauf, hatte er einkalkuliert. Schließlich gewann sein Volk nicht gerade ein Beliebtheitswettbewerb. Vor allem bei seiner Vergangenheit nicht. Ein einzelner unter Tausenden ehemaliger Feinde. Immerhin besser als in einem Kellerverlies zu verrotten!
Für einen Menschen war die Frau recht ansehnlich. Ihre Artgenossen mochten sie als attraktiv bezeichnen, doch seinen Geschmack traf sie nicht. Tief in seinem Sein wurden eingestaubte Instinkte beim Betrachten der Frau entstaubt. Eine dunkle Aura umgab Sie. Etwas das selbst einem alten Hund wie Felixx eine Gänsehaut verursachte, wäre sein Volk dazu fähig. „Kann ich ihnen helfen?“
Er ließ sich nichts anmerken. Dazu war viel zu sehr Profi. Zumindest in seinem alten Leben. Bloß berührten sich neu und alt manchmal. Eine trübe Färbung zweier Leben die unterschiedlicher nicht sein konnten.
Unheil drohte, als die Frau ihn ansah. Anders konnte Felixx es nicht beschreiben. Sie strahlte keine direkte Gefahr oder Bedrohung aus, aber da war etwas das er nur als Unheil bezeichnen konnte.
„Ich könnte ihnen möglicherweise helfen?“, entgegnete sie mit klarer aber eiskalter Stimme. „Oberst!“
Felixx Miene verriet nichts. Der Rang stammte aus seinem alten Leben. Viele wussten es. Das hatte ihm auch keinen imaginären Schauer beschert. Auch nicht direkt die Gegenfrage der Frau, die eindeutig an etwas anderes interessiert war als an seinen Arbeiten. „Ich kann ihnen nicht ganz Folgen.“
Innerhalb eines Wimpernschlags verschwand das freudlose Lächeln. „Meine Auftraggeber haben ein Angebot für Sie.“
Unheil war noch untertrieben. „Angebot!“ Sie nickte. „Welcher Art?“ Hatte er das wirklich gefragt!

***
Colonel Roman machte seine übliche Runde auf dem Promenadendeck. Er war Chef der Stationssicherheit. Ein Geschäft nach dem anderen schlossen. Nur die Restaurants, Bars und Diskotheken blieben geöffnet. Jetzt strömten die Leute in die Etablissements. Jeden Morgen, Mittag und Abend drehte er seine Runde. Ein Ritual das er seit seinem Dienstantritt vollzog.
Wie sonst auch blieb er stehen und beobachtete eine Ladenparzelle genauer als die Anderen. Was seinen Grund hatte. Roman sah wie eine Menschenfrau, kurz vor Ladenschluss aus dem Geschäft kam. Seine Stirn runzelte sich kurzzeitig. Die Frau machte nicht den Eindruck auf der Suche nach Dekorationen zu sein. Er sah ihr nach. Sie ging, ohne jede Hast, zum Turbolift, stieg in die Kabine und verschwand hinter der geschlossen Tür.
Minuten nach der Frau trat der Inhaber des Landes heraus, schaute sich um, begegnete kurz seinem Blick und sperrte seine Ladenparzelle ab. Anders als sonst ging der Tanianer in die entgegengesetzte Richtung. Wie der Colonel seine Runden machte, so nahm der Mann nach Ladenschluss stets einen Cocktail in der Bar, keine 7 Blocks entfernt. Das er heute von dem Prozedere abwich, konnte verschiedene Gründe haben. Und Colonel Roman hatte vor es herauszufinden.
Sein Com piepte aufdringlich. „Roman hier.“
„Colonel.“, erklang die Stimme einer seiner Untergebenen. „Die Fähre der Regentin befindet sich Landeanflug.“
„Wieso erfahre ich erst jetzt davon?“, blaffte Roman. Im Tagesplan stand nichts davon. Was weder schlecht noch gut war, obgleich er zu ersteres tendierte. Die Regentin gehörte nicht zu den Leuten die einfach so kamen. Schon gar nicht so kurzfristig.
„Der Flug ist beim ACC nicht angemeldet. Sie haben auch erst in letzter Minute erfahren dass die Regentin hierher unterwegs ist. Kommando wurde bereits informiert.“
Das ACC (Aircraft Control Center, die Systemflugkontrolle) überwachte den Raumflug im Sternensystem. Nicht eingeschlossen der Luftraum von Silaa Prime und den Monden. Erst wenn ein Raumfahrzeug den Luftraum der Planetaren Flugüberwachung verließ, erschien er im ACC System.
Das Erscheinen der Regentin machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sein Fernbleiben bei ihrer Ankunft würde einen schlechten Eindruck machen, selbst bei einem solchen Blitzbesuch. Nein, soweit würde er nicht gehen. Schließlich war die Regentin nicht irgendwer.
„Bin unterwegs. Geben Sie Team Gold bescheid.“
„Aye, Colonel.“
„Roman Ende.

***
Für besondere Persönlichkeiten (VIPs) gab es einen gesonderten Andockringabschnitt. An einer der Andockbuchten war die Fähre eingetroffen. Die Brücke glitt ans Raumfahrzeug. Alle Sicherheitsprotokolle waren aktiv. Der Brückenfahrer, ein Sicherheitsmann vom eingetroffenem Team Gold, gab der Kabinendame der Fähre das Go-Zeichen.
Die Luke öffnete sich. Gardisten der Leibgarde traten im Duo hinaus, musterten den strammstehenden Sicherheitsmann, traten beiseite und ließen 3 Gardisten vorbei. Direkt hinter ihnen verließen 2 Kuttenträgerinnen die Fähre. Erst dann kam die Regentin sowie der Rest ihres umfangreichen Stabs.
Der Tross kam die Brücke entlang. Die Leibwächter stellten sich neben dem Brückenzugang auf. Der dritte von Ihnen schaute sich um, stets die Hand auf den Pulser, musterte die Anwesenden und trat beiseite. Die Sicherheitsleute vom Team Gold hatten den Abschnitt weiträumig abgesperrt. Die Umgebungsüberwachung war aktiv. Niemand ohne entsprechende Autorisation gelangte bis zur Regentin, ohne das es jemand nicht merkte. Ihre Ankunft hingegen hatte sich längst herumgesprochen.
Die Kuttenträgerinnen, Zofen der Regentin, scherrten aus und gaben dem Blick auf die Regentin frei. Die Silaaner um Kasparow neigten den Kopf. Die Sicherheitskräfte standen stramm. Sie trat schwerfällig über die Schwelle.
„Exzellenz. Willkommen.“, grüßte er die Frau mit diplomatischen Charme.
„Wir grüßen Euch, Regentin.“, sagten Major Lorana und Colonel Roman.
Sie streckte die Hand vor. Ein protziger Ring, mit einem großen eingefassten Edelstein, steckte an Ringfinger. Der Ring der Regenten. Lorana wie Roman traten vor, beugten sich geknickt hinunter und küssten den Edelstein.
Wie beim Papst! Kasparow war zwar getauft aber er würde den Papstring nicht küssen, geschweige den sich so unterwürfig verhalten. Andererseits hatten die Silaaner ein anderes Verhältnis zu ihren religiösen Führern als viele Unioner. Einschließlich ihm.
Als die Ehrbekundung vorüber war, schaute sie zu ihm. „Danke, Commander für den herzlichen Empfang. Ich hoffe doch unser kurzfristiger Besuch bereitet ihnen nicht allzu große Schwierigkeiten?“
Als ob Sie abreisen würde, wenn es anders wäre! Diese Frau agierte in einer gänzlich anderen Liga wie Professor Lima. Sie war weitaus manipulativer als ein Emphat es je sein konnte. Sie konnte einen einlullen und im nächsten Moment mit Haut und Haaren verschlingen. Jeder Profiler hätte sich an ihr die Zähne ausgebissen.
„Es ist uns immer eine Ehre Sie an Bord begrüßen zu dürfen, Exzellenz.“ Er log wie gedruckt. Machte das Diplomatie nicht aus!?
Sie wusste das Er log. Jeder der Anwesenden wusste es. Doch keiner wagte es ihn der Lüge zu bezichtigen. Nicht mal die Gardisten. Zu brüchig waren die Beziehungen der Silaaner zur Union und dem Sicherheitsrat. Weder die Regentin noch Commander Kasparow oder sonst jemand der Anwesenden hatte vor dem Bündnis zu schaden. Wobei er sich bei der Regentin nicht so sicher war. Für den Moment schien Sie das Bündnis zu unterstützen. Was nicht bedeutete, dass das auch so blieb. Die Regentin hatte mehr Einfluss auf Silaa als das Außenministerium und die Geheimdienste vermuteten. Ein Treffen mit ihr war stets ein Drahtseilakt ohne Netz.
„Erlaubt es ihre Zeit mich zu meinem Quartier zu begleiten, Commander?“
Eigentlich nicht, euer Exzellenz. Der Gedanke blieb in seinem Kopf. Ansonsten hätte er sich gleich einen Pulser an die Schläfe halten können. Mit Freuden würde Admiral Albany den Abzug betätigen. „Selbstverständlich.“ Diplomatie war gar nicht so schwer!
Der Tross setzte sich in Bewegung.

***
Für Würdenträger, wie der Regentin, standen stets großräumige Suiten zu Verfügung, die sich von Normalsterblichen nicht buchen ließen. Die Ebenen und Sektionen, in denen die Suiten lagen, waren Hochsicherheitszonen. Selbst wenn keine Suite bewohnt war, durfte nur Stationspersonal mit der nötigen Sicherheitsfreigabe den Abschnitt betreten. Die Überwachung lief rund um die Uhr, Tag für Tag. Ohne Ausnahme.
Per Expresslift erreichten Sie die Ebene und Sektion, auf der die Suite der Regentin lag. Sie bewohnte bei ihren Besuchen nie zweimal die gleiche Suite. Darauf achteten die Leibwächter. Beim Verlassen der Kabine stülpte sich ein Mantel aus Gardisten, Sicherheitsleuten und Zofen um die Regentin und Kasparow. Sie war von allen Seiten abgedeckt. Es gab kein freies Schussfeld. Außer auf ihn!
Vor der Suite die sie bewohnte hatten sich ihre Gardisten postiert, so konnten sie nicht irrtümlich dran vorbeigehen. Die Tür glitt beiseite als man in das Sensorfeld kam. Ihre Leibwächter hatten die Suite bereits durchsucht. Hinter der Tür stand 2 Gardisten und 2 Zofen. Im Gang vor der Tür standen die Sicherheitsleute von Roman. Team Gold gehörte wie Team Bronze und Silber zur Sicherungsgruppe der Stationssicherheit. Sie wurden stets bei Besuchen, wie bei der Regentin, eingesetzt.
„Commander. Ich würde mich freuen, wenn sie noch einen Teil ihrer Zeit zu Verfügung haben. Ich müsste etwas mit ihnen besprechen.“
Kasparow konnte seine Verblüffung geradeso verbergen. Er hoffte es. Sie hatte ihn bisher nie um ein persönliches Treffen gebeten. Er widerstand dem Drang auf die Uhr zu schauen und sich eine Ausrede auszudenken. „Kein Problem, Exzellenz.“
Sie nickte dankend, wandte sich Lorana und Roman zu. „Ihr seit entlassen, meine Kinder.“
Als wären Sie ihre Leibeignen! Ein kurzer Groll kam bei ihm auf. Die Regentin mochte eine wichtige Persönlichkeit bei den Silaanern sein, aber in erster Linie waren Lorana und Roman Offiziere, die Kasparow`s Kommando unterstanden. Er unterließ es Frau Exzellenz darauf hinzuweisen. Ein schlichtes Nicken reichte aus. So verneigten Sie sich vor Ihr und verschwanden.
Sie sah Ihnen nach, trat in ihr Quartier und Kasparow folgte ihr.

***
Früher, vor und während der Besatzung durch die Familien, dienten die Räumlichkeiten auf der VIP Ebene als Lagerstätte für das Erz, bevor es weiterverarbeitet wurde. Ohne die eingezogene Zwischendecke waren es Erzspeicher gewesen, in den mehrere Tonnen Erzgestein passten. Mit der Zwischendecke und Trennwänden machte man daraus ein geräumiges, großes Quartier für VIPs.
Eine Holzvertäfelung. Ein flauschiger rostbrauner Teppich. Oka weiße Wände. Ein breites Fenster im Wohnraum. Künstliche Pflanzen, die von ihren echten Duplikaten kaum zu unterscheiden waren. Glas. Chrom. Dezenter Luxus, um das Bild eines VIP Quartiers aufrecht zuerhalten. Keine leichte Aufgabe für die Innenarchitekten bei dem schmalen Budget für Umbauten.
Kasparow fand aber sie hatten hervorragende Arbeit geleistet. Nicht zu protzig. Alles was den höheren Zehntausend wichtig war, gab es. Zudem war das ja eine Raumstation und kein Luxushotel wie bei Paradies Stern.
„Lasst uns allein.“ Die Zofen verneigten sich ebenso wie die Gardisten und verließen die Suite. Kaum war die Tür hinter ihren Bediensteten geschlossen, schlurfte die Regentin zur Bar. „Möchten Sie was trinken, Commander?“
Ihm schwante übles. In vorherigen Treffen hatte die Regentin ihre Leute nie der Räumlichkeiten verwiesen. Wie ein Mantel fiel die Beklemmtheit von ihr ab. Wissend das ihre Leibwächter die Überwachungssysteme der Suite im Augen behielten und gegebenenfalls herein stürmten, sollte sich Kasparow als Attentäter erweisen.
„Nein, danke. Exzellenz.“ Er behielt den förmlichen Ton bei. Alleine mit ihr zu sein gefiel ihm nicht. Wieso das so war, konnte er nicht feststellen. Eine innere Unruhe, zu gering um sie ergründen und zu stark um sie zu ignorieren.
Sie goss sich eine bernsteinfarbene Flüssigkeit ins Bleikristallglas, schwenkte es und roch mit geschlossenen Augen. Ein herzhafter Schluck folgte. „Ich muss etwas mit ihnen besprechen, Commander.“ Die Regentin setzte sich schwerfällig in die dunkelbraune Echtledercouch.
Kasparow nahm auf dem gegenüberliegenden Zwilling platz. Zwischen ihnen stand ein Glastisch, auf einem Chromgestell. Darauf, so bemerkte er erst jetzt, stand eine reich verzierte Schatulle. Auf dem Deckel befand sich die Gravur vom Ring der Regenten. Somit stammte die Schatulle aus ihrem persönlichen Besitz.
„Sie können sich sicherlich denken worum es geht!“
„Das Wurmloch.“
Seit der Entdeckung schien sich alles darum zu drehen. Als hätte man den heiligen Gral gefunden.
Die Regentin nickte, nahm einen weiteren Schluck, stellte das Glas ab und schaute ihn an. „Es spielt eine wichtige Rolle“, gestand sie offener als sonst. Sie war sich dieser Tatsache bewusst, andernfalls hätte sie die Zofen und Gardisten nicht hinausgeschickt. „in unserer Geschichte.
Im Laufe der Zeit und der damit einhergehenden Modernisierung der Gesellschaft geriet es, das Wurmloch, in Vergessenheit.“ Sie sprach besonnen. Wie eine Großmutter die ihren Enkeln vorlas. Bei Kasparow keimte Interesse auf. „Wir, die die Vergangenheit bewahren, kennen das Wurmloch unter einem anderen Namen.“, fuhr Sie fort, legte eine kurze Pause ein und setzte wieder an zu erzählen. „Das Auge der Götter.“
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-Fünf-

Kasparow musste eingestehen sich nie mit der Geschichte (außer der jüngeren) von Silaa auseinandergesetzt zu haben. Zum einen, weil ihm schlichtweg die Zeit fehlte, zum anderen glaubte er es sei irrelevant für seinen Job als Stationskommandeur. Dieser Ansicht war er weiterhin aber nicht mehr so entschieden.
„Die Erste uns bekannte Sichtung stammt aus einer Zeit da dachten unsere Vorfahren überhaupt nicht an die Möglichkeit eines Tages zu den Sternen zu reisen.“
„Wann?“, fragte er neugierig.
Ein herzliches Schmunzeln erschien auf ihrem Gesicht. Etwas was er bis dahin bei ihr noch nicht gesehen hatte. „Um die 7000 Jahre.“
„7000 Jahre!“ Sein Staunen konnte er nicht verbergen.
„Historiker, die mit dem Thema vertraut sind, gehen sogar davon aus das es schon vorher Sichtungen gab. Sie aber nicht niedergeschrieben wurden oder verloren gingen.“ Man hörte eine Spur von Bedauern. „Die Aufzeichnungen sprechen davon dass das Aug...Wurmloch schätzungsweise alle 3 Monate am Himmel erschien. Zu jener Zeit festigte sich unser Glaube und nahm einen gewichtigen Platz im Alltag ein. Wurden Kinder zu jener Zeit geboren, galten Sie als gesegnet von den Göttern.“ Die Regentin machte eine Pause. Sie nahm den letzten Schluck, schaute zur Schatulle.
„Was geschah?“ Soweit Kasparow wusste, verfügten die Silaaner vor dem Auftreten der Anomalie über kein Wurmloch. In der historischen Vergangenheit hingegen schon, nach dem, was ihm die Regentin erzählte. Es gab keinen Grund daran zu zweifeln.
„Laut den Aufzeichnungen setzten die Sichtungen aus. Es erschien nur noch unregelmäßig, bis es gänzlich verschwand und seither nie mehr gesehen wurde.“ Sie klang niedergeschlagen, ja schon bedrückt.
Wenn die Silaaner damals einen solchen festen Glauben hatten, wie sie sagte, dann musste das Ereignis die damalige silaanische Gesellschaft in seinen Grundfesten erschüttert haben. Ein gewaltiges Echo!
Die Pause dehnte sich aus.
„Man kann sagen, dass unsere Vorfahren in ein Schwarzes Loch fielen. Ihr Glaube, der stets ein Fels in der Brandung war, geriet ins Wanken. Einige verloren ihn. Manchen war es egal. Der Rest verfiel in Lethargie. Eine Lähmung erfasste die Gesellschaft, der nur wenige entkamen.“ Bedauern hallte nach. Kasparow konnte sich die Folgen ausmalen. Sie blickte ihn an. „Im Zuge dieser Phase kamen die Familien auf unsere Welt. Man kann sagen, dass die Besatzung uns wieder zum Leben erweckte. Wir begannen für das zu kämpfen, was wir uns aufbauten.“ Die Silaaner besaßen einen unbändigen Willen. Beinahe ein Jahrhundert leisteten sie den Familien erbitterten Widerstand.
„Mit Erfolg, Exzellenz.“
Da war noch mehr. Er konnte es in ihrem Gesicht sehen. Ihr Schweigen dehnte sich aus. Eine unheilvolle Stille kehrte ein. „So soll es auch bleiben, Commander.“ Ihre Stimme hatte an Härte zugenommen.
„Gewiss. Aus diesem Grund besteht das Verteidigungsbündnis.“, entgegnete Kasparow.
Sie nickte knapp, schaute zur Schatulle. „Darum bereitet uns eine mögliche Rückkehr des Wurmlochs Sorgen.“
Erstaunt hob er die Augenbrauen. „Inwiefern, Exzellenz?“

***
„Botschafter Àvaro.“, grüßte Präsidentin Sharon Hard herzlich, als der silaanische Botschafter über die Schwelle vom President Office trat.
Sie ging um ihren großen Schreibtisch, mit einem freudigen Lächeln auf ihrem Gesicht und streckte ihm die Hand entgegen.
Àvaro gehörte zur stämmigen Sorte. Seine Schläfen ergrauten langsam. Sein Gesicht war weich, mit Altersfalten durchzogen. Er war ein guter Kerl. „Ma‘dam, Präsident.“ Ein tiefe Sopranstimme, um die ihn jeder Opernsänger beneidete.
Sie lächelte breiter bei dem Gedanken ihn auf den großen Opernbühnen stehen zusehen. Ein Operetten singender Botschafter. Mal was anderes. Man gab sich die Hand, schüttelte sie. „Bitte, nehmen Sie platz.“, bat sie gastfreundlicher als bei manch anderem Botschafter. Möglicherweise, weil Sharon wusste, wie instabil die Beziehungen zur Regierung auf Silaa waren. „Möchten Sie was trinken, Herr Botschafter?“
Er lächelte verlegen. „Nein. Danke, Frau Präsident.“
Sie setzten sich auf die Couchgarnitur, die am Kamin lag. Àvaro hatte Sharon sofort gemocht. Neben einer Opernbühne passte der Mann auch gut in einen Universitätshörsaal. Literatur. Geschichte. Sozialwissenschaften. Vielleicht würde er nach seinem Botschafterposten tatsächlich diesen Weg einschlagen, was nichts Ungewöhnliches war. Selbst ehemalige Regierungschefs gingen diesen Schritt.
„Was kann für Sie tun, Herr Botschafter.“
Der Silaaner zögerte einen Wimpernschlag. „Erstmal möchte ich mich bedanken, dass Sie mich so kurzfristig empfangen.“, begann er sachlich.
Sharon winkte ab, lehnte sich zurück. „Das ist nicht mein Verdienst, Herr Botschafter.“, gestand sie schmunzelnd. „Meinem Stab ist es gelungen ihr kurzfristiges Gesuch in meinem Terminplan zu stopfen. Worüber ich ganz froh bin, den ich wollte mich wieso mit ihnen persönlich Treffen.“
Àvaro schaute Sie fragend an. Er war nicht lange indem Geschäft. Vorher war er Marktverkäufer und Mitglied im Silaa Freiheitsbund.
„Ich plane demnächst ihrer Heimatwelt einen mehrtätigen Besuch abzustatten.“ Ließ sie die Katze aus dem Sack.
Verblüffung spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Damit besuchte zum ersten Mal ein Regierungschef eines Sicherheitsratmitglieds Silaa. Ein politisches Signal, dessen Wirkung Stabilität in die Beziehung bringen konnte.
„Das ist eine große Ehre für uns.“
„Die Ehre ist auf meiner Seite, Herr Botschafter. Soweit ich gehörte habe, soll Silaa eine wunderbare Welt sein, mit einer faszinierenden Natur.“ Geschmeichelt senkte er kurz den Blick. „Verschieben wir das auf nachher. Schließlich wollten Sie mich sprechen und nicht umgekehrt. Um was geht es, Herr Botschafter?“ Sie freute sich wirklich auf die Silaa Reise. Ihr Stab sprang im Dreieck, als sie ihnen mitteilte in absehbarer Zeit auf die Heimatwelt der Silaaner zureisen.
„Durch die neuste Entwicklung bezüglich des Wurmlochs in unserem Heimatsystem, sind der Kanzler und der Forumsvorsitzende besorgt.“, eröffnete er das Gespräch.
„Tatsächlich!“ Sharons Augenbrauen hoben sich. Manch eine kleine Sternennation wäre froh über ein Wurmloch. Das Außenministerium hatte einen Einschätzungsbericht erstellt. Sie überflog ihn zwar nur, sie überließ diese Dinge ihrem Stabschef, aber ein Absatz befasste sich genau damit. „Inwiefern?“
„Sollte sich das Wurmloch als eben solches herausstellen und über eine potenzielle Wegeverbindung verfügen, könnte es auf Tanis und Sions zum Sturz der brüchigen gemäßigten Regierungskoalition kommen.“ Worin der Botschafter mit der Einschätzung des Außenministeriums übereinstimmte. Das Wurmloch konnte weitreichende Konsequenzen für diesen Quadranten der Galaxie zur Folge haben. „Die reaktionären Familienclans würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um die Kontrolle über das Wurmloch zu erhalten.“, schloss der Botschafter mit unterschwelliger Sorge.
Was mehr als verständlich war, wie Sharon fand. Im Bericht machte einer der Analysten eine entsprechende Bemerkung, das Risiko eines solches Vorgehens wurde als gering eingeschätzt. Nicht zuletzt wegen dem Technologieembargo und dem Verbot mit dem Handeln von Kriegsgerät aller Art. In der Sicherungszone, die um die Tanis-Sions Grenze führte, kontrollierten Flotten- und Marineeinheiten des Sicherheitsrats die Einhaltung.
„Verstehe, Herr Botschafter.“ Sie schaute ihm aufrichtig ins Gesicht. „Sollte das Wurmloch über eine potenzielle Wegeverbindung verfügen, werden wir unser Sicherheitsaufkommen dementsprechend anpassen.
Ich versichere Ihnen, sollten die Familien einen solchen Schritt in Erwägung ziehen und durchführen, die Union ihren Verpflichtungen gegenüber der Sicherheit von Silaa nachkommen wird.
Ohne Wenn und Aber.“ Ein entsprechendes Szenario wurde vom Planungsstab der Streitkräfte entworfen. Sie hatte dem Vereinten Generalstab darum gebeten. Sharon wollte so viele Eisen wie möglich in der Hinterhand haben, um sie gegebenenfalls ins Feuer zutun.
Ein Angriff auf Silaa hätte eine Kriegserklärung der Union gegen Tanis und Sions zur Folge. Das Dokument lag unterschriftsreif im Tresor. Zu lange hatte man dem Treiben der Familiäros tatenlos zugesehen. Unter ihrer Administration würde sich so was nicht wiederholen und wenn Sharon dazu den Hammer der Streitkräfte hervorholen musste, würde Sie es tun. „Sie können Ihrer Regierung sagen, dass die Union Silaa nicht von der Seite weichen wird.“, versicherte Sharon dem Botschafter. Die Opposition würde das anders sehen, aber das war ja nicht neu. Der Haufen hielt sein Fähnchen passend in den Wind. Worüber sich die Präsidentin aber keine Sorgen machte. Mit denen würde Sie fertig werden. „Da das geklärt ist, Herr Botschafter, kommen wir nun zu meinem Anliegen bezüglich der Reise nach Silaa. Wenn es ihnen recht ist! Oder möchten Sie noch etwas anderes besprechen?“
Er mochte die Präsidentin der Union. Sie schien eine der wenigen ehrlichen Politiker zu sein. Beinahe eine ebensolche Seltenheit wie Wurmlöcher. Àvaro lächelte.

***
Keira O`Connor lehnte sich gegen die gepolsterte Rückenlehne ihres Stuhls. Vor ihr, auf dem Schreibtisch, lagen die Pads, die sie seit nunmehr 2 Stunden las. Daneben befand sich ein digitaler Notizblock, worin sich Keira Stichpunkte notierte. Sie ordnete ihre Gedanken, sammelte sich und ging alles im Geiste noch mal durch.
Die Konzentration der Ionenpartikel, die im Silaa System den Raumverkehr behinderten, ließ keinen stichhaltigen Punkt zu, dass es sich um ein Abfallprodukt eines möglichen Wurmlochs handelte. Obwohl tagtäglich Millionen von Personen durch Wurmlöcher flogen, waren die Phänomene bei Weitem nicht hinreichend erforscht. Man wusste herzlich wenig über den Aufbau und die Struktur. Das nachzuholen war heutzutage, bei dem Verkehrsaufkommen, gar nicht mehr möglich. Sollte die Anomalie tatsächlich ein Wurmloch sein, was noch offen war, dann bestand die Möglichkeit es zu erforschen. Diesen Part sollte Sie übernehmen.
Naja, wenn Keira ganz ehrlich war, (und meiste Zeit war Sie es) dann hatte Sie sich hinterlistig, wie ein tosanischer Luchs, die Aufgabe geschnappt. Eigentlich hatte der Direktor für Raumanomalien jemand anderes dafür vorgesehen.
Diese Aufgabe wollte sich Keira nicht durch Lappen gehen lassen und hatte interveniert. Erfolgreich! In erster Linie ging es ihr tatsächlich darum das Wurmloch (falls es eins war) zu erforschen. Damit konnte Sie all die Thesen, Vermutungen und Feststellungen über Wurmlöcher, entweder bestätigen oder entkräften. Ein wissenschaftlicher Coup, der einen in den Olymp katapultierte. Worum es ihr gar nicht ging, ablehnen würde Sie es dennoch nicht.
Als Sie sich, lediglich aus Neugierde, über die Entdeckung informierte (es war das Gesprächsthema) und herausfand, wo sich das Wurmloch befand, hatte Sie einfach nicht widerstehen können.
Mit einem breiter werdendem Grinsen, malte Keira sich aus wie ihr Vater wohl auf die Nachricht reagieren würde (oder schon hatte). Ein Tobsuchtsanfall war das Mindeste. Ihr Verhältnis ließ bereits in ihrer Kindheit zu wünschen übrig. Zum Bruch kam es, als Sie herausfand, dass er die Bekanntschaft mit Mika Ahonen, dem Sohn von Senator Ahonen, arrangierte. Seine Hintergedanken über ihre Beziehung politische Karriere zu machen hatte Keira angeekelt. Dass Sie es ihm mit der Affäre heimzahlte und die Verlobung auflöste kittete es nicht gerade.
Dumm nur das er herausfand, mit wem Sie die Affäre hatte. Schuldgefühle flammten auf. Er fuhr alle erdenklichen Geschütze auf um die Karriere eines Mannes zu vernichten, den keinerlei Schuld traf. Seit dem Ende der Affäre hatte Sie ihn nicht mehr gesehen. Was sich ändern sollte! Sie schaute auf den Chronometer. In 17 Stunden!
Keira richtete sich wieder auf. Ihre Gedanken schweiften ab. Die heißen Nächte im Bungalow. Am feinem weißen Sandstrand unterm Sternenhimmel. Auf dem Boot. 3 Tage, die Sie so schnell nicht vergessen würde. Ob sich das wiederholen ließ!

***
Eine Hauptaufgabe eines Stationskommandos war die Bewältigung eines unablässigen Zufluss von Papierkram. Manches wälzten die Stationskommandeure auf ihre EO`s ab. Da war Kasparow keine Ausnahme. Der Rest ließ sich nicht abwälzen, ohne der Dienstunfähigkeit schuldig zu sein. So arbeitete er seit Stunden ein Datenpad nach dem anderem ab, gab Anfragen statt oder lehnte sie ab. Was die betreffende Person/Organisation nicht gefallen würde, wenn Sie morgen früh in das Postfach guckten. Kasparow war niemand der es allen recht machte, dafür hatte er sich nicht zum Flottendienst gemeldet. Für ein Stationskommando allerdings auch nicht! Man konnte eben nicht alles haben.
Die Bearbeitung des Papierkrams hielt ihn nicht davon ab, erneut über das 4 Augen Gespräch mit der Regentin nachzudenken. Er konnte ihr Unbehagen, wenn man das so nennen mochte, verstehen. Sollte sich das Wurmloch als solches herausstellen, dann kam Silaa Stern unfreiwillig ins Rampenlicht. Vor allem bei der Tanis-Sions Republik. Die Familienclans hatten schon des Öfteren deutlich gemacht Silaa zu annektieren. Das Verteidigungsbündnis mit der Union scherrte die Familiäros nicht. Genau wie E’an sahen Sie Silaa als ihren rechtmäßigen Besitz. Ihre Versuche in der Galaktischen Vollversammlung einen Beschluss diesbezüglich durchzusetzen scheiterte. Das hinderte Sie nicht daran ihn mehrmals einzureichen. Bei jeder Ablehnung schrien die Vertreter Zeter und Mordio.
Gestern hatte Präsidentin Hard in einem veröffentlichen Statement noch mal deutlich gemacht dass die Union die Souveränität Silaa`s mit allen diplomatischen und militärischen Mitteln verteidigen würden. Dagegen hatten die Familiäros umgehend Protest eingereicht.
Politische Ränkespiele ohne Subtanz. Andererseits war die momentane Regierung der Familien alles andere als stabil. Wenn die Anomalie sich als Wurmloch herausstellte und die Republikregierung keine entsprechende Erklärung abgab, dass man die Hoheitsrechte besaß, konnte es zum Sturz führen. Dafür war noch nicht mal ein Waffeneinsatz nötig. Die Nachfolger konnten den Worten Taten folgen lassen.
Kasparow bezweifelte dass Sie einen kampfstarken Verband zusammenstellen konnten, um Silaa Stern ernsthaft zu gefährden. Andererseits hegte der Flottengeheimdienst den Verdacht, dass die Familien auf dem Schwarzmarkt aktiv sind und alles aufkauften, was raumtüchtig erschien. Bisher konnte nichts davon verifiziert werden. Der Verdacht blieb. Es war zweifelhaft ob modernes Kriegsgerät auf dem Schwarzmarkt angeboten wurde, oder zu moderaten Preisen.
Mit einem Vergleichsweisen großen Verband, der die technische Karte relativierte, einem erfahrendem Kommandeur, ausgereiften Planspielen, bestand die Chance auf einen Sieg, zumal der Schutzverband von Silaa noch nicht ausreichend verstärkt wurde. Ganz zu schweigen von der Aufrüstung der Raumstation. Die Station Picard besaß unzureichende Offensiv- wie Defensivsysteme. Auf der Empfängerliste zur Modernisierung stand man nicht an oberster Stelle. Der Rüstungsausschuss der Streitkräfte (Vereinte Generalstab) beschloss wer was und wann bekam. Einer der Mitglieder hieß Admiral Albany.
Sein Interkom piepte mal wieder aufdringlich. „Ja!“
„Commander.“, sprach Lieutenant Liam. „Das ACC hat soeben die Passagierliste vom Linienraumer PCGA Lotus erhalten.“, teilte ihm der junge Mann mit, der vor wenigen Stunden die Nachtwache übernommen hatte.
Kasparow wunderte sich. Nicht dass das ACC, unter anderem, die Passagierliste der PCGA Lotus erhielt, sondern das Lieutenant Liam ihn darüber informierte. Das ACC leitete die Flugpapiere an das Stationskommando, bzw. die Sicherheit weiter. Ein Routinevorgang, über den der Stationskommandeur nicht zwangsläufig informiert werden musste. „Und?“
Der Lieutenant zögerte einen Moment. „Ähm… Das Wissenschaftsteam der Abteilung: Raumanomalie befindet sich an Bord, Sir.“
„Verstehe, Lieutenant. Kasparow Ende.“ Er schloss die Verbindung. Etwas übereifrig!
Die Anzeige seines Postfachs änderte sich. Eine neue Mail war eingetroffen. Er stöhnte, überlegte kurz, sie bis morgen früh ungeöffnet zu lassen, entschied sich aber anders und öffnete das Postfach wie die Mail. Es handelte sich um eine interne Mail. In der Betreffzeile stand: PAX-Liste der PCGA Lotus. Mit einem Stirnrunzeln öffnete er sie.
An Bord des Raumtransporters befanden sich 87 Passagiere. Der Flug war vom Weltraumbahnhof Solomon I im Saphir System gestartet. Saphir Stern lag in der Union. Gerade als Kasparow die Mail schließen wollte, verharrte er. Etwas störte ihn. Also las er sich die Liste ein weiteres Mal durch. Name für Name.
Bei Passagier 69 blieb er schließlich hängen.

***
Lediglich das Licht der Sterne fiel durch das Fenster in den dahinterliegenden Wohnraum des Appartments. Keine Sonstige Lichtquelle war an. Felixx saß im Sessel, allein, in der Dunkelheit. In der Hand hielt er ein Kristallglas. Eine zähe grüne Flüssigkeit mit glitzernden Punkten drin, befand sich darin. Durch das einfallende Sternenlicht, funkelten die Mikropunkte wie Diamantenstaub. Er nahm einen Schluck, stellte es auf der Lehne ab, behielt es in der Hand.
Schon seit Stunden trank er ein Glas nach dem Anderem. Die Leichtigkeit vom Alkohol war längst eingetreten. Er war betrunken. Genau das war sein Ziel. Alles fing mit dem Besuch der Menschenfrau an. Sie machte ihm ein unmoralisches Angebot, würden die Menschen sagen. Ein Teil von ihm war entzückt, geradezu euphorisch. Ein Überbleibsel seiner Vergangenheit, den er trotz aller Mühen nie ausmerzen konnte. Der Dunkle Fleck seiner pechschwarzen Seele.
Unzählige Gesichter tauchten auf, wie bei einer Diashow, völlig ohne technisches Gerät. Geister, die ihn nicht mehr los ließen. Jedenfalls bis zu dem Angebot der Frau. Die Box der Pandora war geöffnet, überschwemmte ihn, riss ihn in einen Strudel aus dem es kein Entrinnen gab.
All die Mühen, die er auf sich genommen hatte, durften nicht umsonst gewesen sein. Nein, er hatte sich geschworen es niemals wieder soweit kommen zulassen. Die Verführung ließ sich davon nicht beeindrucken. Im Gegenteil sie lockte ihn. Ein Singsang, so wunderschön und ergreifend und betörend das man sich seiner nicht entziehen konnte. Der Turm seines Seins wankte bedrohlich, wurde von Böe um Böe getroffen.
Er schloss die Augen, atmete tief ein.
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-Sechs-

Keira verließ nach der Passkontrolle den Ausreisebereich. Sie trat durch die Schleuse in das Ankunftsterminal. Einige Läden waren noch auf. Leute machten die letzten Besorgungen. Eine Durchsage, für einen der letzten Flüge, ertönte. Ein Mann rannte zum Check-in Schalter. Wenn die Anomalie ein Wurmloch mit einer Wegeverbindung war, würde dieses Bild der Vergangenheit angehören.
Sie wandte sich ihrem Assistenten zu. Der Mischling trug seinen Rucksack. Am Frachtschalter kümmerte er sich um das mitgeführte Equipment der Wissenschaftsgruppe. Ihr Team bestand aus 10 Personen, was recht klein war. Manch ein Leiter unterhielt ein Team von bis zu hundert Mann (und Frauen). Sie arbeitete schon seit Jahren mit den Leuten in ihrem Team.
Keira schaute sich weiter um. Dabei sah sie jemanden der die Uniform der Vereinten Terra-Gvan Flotte trug. Da sie mit den Streitkräften durch ihren Vater in Berührung gekommen war, wusste sie, welchen Rang der Menschenmann trug. Sie lächelte leicht.
„Commander.“, sprach sie ihn förmlich an. „Du hättest dir doch keine Umstände machen müssen, mich persönlich zu begrüßen.“
Da hatte Sie recht. Kasparow schaute Sie eindringlich an. Ihr glänzend rostbraunes Haar trug sie jetzt kürzer, aber weiterhin lang genug. Ein rundes volles Gesicht, mit Sommersprossen gesprenkelt. Grüne Augen, so rein wie Edelsteine. Einen austrainierten Körper, der in einem Bikini einfach hervorragend aussah. „Ich wollte nur sichergehen, ob du es bist oder eine Namensvetterin.“ Sie wiederzusehen ging doch nicht so spurlos an ihm vorbei, wie er sich einredete. „Willkommen auf Raumstation Picard.“ Er streckte ihr die Hand aus.
Sie funkelte ihn einen Wimpernschlag lang wegen der Förmlichkeit an. Dann nahm sie seine Hand und schüttelte sie. Der Handschlag dauerte ein wenig länger als üblich. Sie ließen los, schwer zu sagen, wer der Erste war.
Keira schaute über ihre Schulter. „Danke, für die Begrüßung. Ich muss mich noch um einige Details kümmern.“
„Wenn das so ist, will ich dich nicht aufhalten.“, sagte er gleich am Anschluss ihres Satzes.
Sie nickte, schaute ihm ins Gesicht und wandte sich schließlich ab.
Kasparow sah ihr nach. Mist!
Das Universum hat einen makaberen Humor.

***
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, lautete ein Sprichwort der Menschen. Der Chief hatte dahin gehend unerschöpfliche Möglichkeiten. Nicht immer verstand Colonel Roman den Sinn dahinter. Manchmal hielt er die Menschen für merkwürdige Wesen. Trotzdem traf der Satz, den der Chief, irgendwann mal sagte, zu. Roman behielt sein Vorhaben die Menschenfrau zu überprüfen stets im Hinterkopf (wieder ein Wort, dass der Chief mal benutzte).
Mit dem Einsetzen des Nachtzyklus auf der Station wurde es ruhiger. Die Sicherheitskräfte konzentrierten sich nun auf andere Bereiche der Station. Wie dem Frachtterminal, wo in der Nacht Hochbetrieb herrschte. Frachter löschten ihre Ladung und nahmen neue auf. Sie führten Stichproben durch. Kontrollierten die Papiere. Vergewisserten sich, dass die Ladung auch dem entsprach, was in den Frachtpapieren stand. Schauten ob Verbotene Subtanzen darunter war. Waffen. Sprengstoff. Drogen. Markenpiraterie. Überwachten das Ab- und Zuladen von Gefahrgut. Andere aus der Sicherheitsmannschaft schauten im Vergnügungsviertel nach den Rechten.
Eine Raumstation schlief nie völlig. Sollte sich das Wurmloch als solches herausstellen, würden Sie weitaus mehr zu tun bekommen, als wieso schon. Sie müssten die Sicherheitsmannschaft in allen Bereichen aufstocken. Ein entsprechender Bericht hatte er Major Lorana vorgelegt.
Roman fand die Sequenz bei der Überwachungskamera im Einreisebereich, stoppte die Aufnahme, zoomte den Ausschnitt heran. Das Bild der Frau füllte das Fenster. Nach einer Eingabe erschienen ihre ID Daten. So fand er heraus, mit welchem Flug sie angereist war. Ihren Namen. Staatsangehörigkeit. Geburtsdatum und Ort. Auf den ID-Karten waren alle persönlichen ID Daten gespeichert. Wo und welche Behörde die ID-Card ausgestellte. Alles sah in Ordnung aus.
Dennoch beschlich ihn ein Gefühl, das irgendetwas nicht stimmte. Die ID-Card war auf Cirus Stern, in der Liga ausgestellt. Ihre Adresse lag auf Cirus Prime, dem bewohnten Planeten des Sternensystems. Eine Welt, deren Ruf zweifelhaft war. Doch welche Welt war das in der Liga nicht! Sein Gefühl blieb hartnäckig.
So öffnete Roman einen Kanal zur Datenbank der Planetaren Sicherheitsbehörde auf Silaa. Ihr Passbild fügte er die Suchmatrix ein. Der Computer suchte in der Datenbank. Nebenbei griff er auf die Stationsdatenbank zu und wiederholte die Suche.
Wenige Minuten nach dem Start ertönte ein Warnton. Roman rief die Meldung auf. Der Computer war fündig geworden aber nicht in der Datenbank der Planetaren Sicherheit, wie Roman feststellte. Durch die Sicherheitskooperation hatte die Union einen Server installiert, auf dem eine umfassende Datenbank gespeichert war. Sie wurde täglich über die Botschaft aktualisiert. In eben jener Datenbank wurde der Computer fündig.
Er rief das Suchergebnis auf. Zu seiner Überraschung wurde ihm der Zugriff verwehrt. Die Daten waren klassifiziert. Aufgrund der Sicherheitskooperation hätte Roman darauf Zugriff gehabt. Er machte eine Eingabe. Wieder verwehrte man ihm den Zugriff. Also loggte er sich ins Netz vom Ministerium für Sicherheit auf Silaa ein. Über einen Link wiederholte er die Zugriffeingabe. Zugriff verweigert! Sicherheitsfreigabe unzureichend! Erneut wurde sein Anliegen abgeblockt. Was zum Teufel!!
So schnell gab Roman nicht auf. Inzwischen war er sich absolut sicher das, da etwas nicht stimmte. Als Sicherheitschef musste er der Sache auf den Grund gehen. Und wenn es die ganze Nacht dauerte.

***
„Gibt es sonst, noch was?“, fragte Kasparow zum Abschluss der täglich morgendlichen Stabsbesprechung. Er schaute in die Runde. Keiner der Offiziere meldete sich. „Gut, dann können wir die Besprechung abschließen.“ Die Führungsoffiziere der Stationsabteilungen erhoben sich, nahmen ihre Unterlagen und verließen den Konferenzraum neben dem Kommandodeck.
„Commander!“
Kasparow schaute auf. „Ja, Colonel?“
„Kann ich Sie unter Vier Augen sprechen?“
„Sicher.“ In letzter Zeit kam es häufiger vor das man ihn unter 4 Augen sprechen wollte. „Um was geht es?“
Colonel Roman wartete bis sich die Tür schloss. Er hatte überlegt die Sache während der Besprechung offenzulegen, sich dann aber anders entschieden. Je weniger davon wusste, umso besser.
Roman beugte sich vor, gab was ins Eingabefeld vom Konferenztisch ein. Ein bläulich schimmerndes holografisches Fenster baute sich auf. „Bei einer meiner Runden habe ich diese Frau“ Das Abbild der Menschenfrau erschien. „aus Felixx Laden gehen sehen.“
Kasparow stöhnte und rollte mit den Augen. „Sie haben ihn observiert?“ Wirklich überrascht war er nicht. Der Tanianer hatte sich auf der Station niedergelassen. Was dem einem oder anderem ein Dorn im Auge war. Vor allem wegen seiner Vergangenheit während der Besatzung. Die genauen Umstände wieso er blieb und nicht in die Heimat zurückkehrte kannte Kasparow nicht. Und solange sich der Mann an die Gesetze hielt (woran der Colonel seine Zweifel, aber keine stichhaltigen Beweise hatte), waren Ihnen die Hände gebunden.
„Nein.“
Skeptisch hob Kasparow eine Augenbraue.
„Aufgepasst!“, nannte Roman es.
Er lehnte sich ein wenig vor. „Als Sie das letzte Mal -Aufgepasst- haben, Colonel, hat er eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie eingereicht.“ So einen Ärger konnte er jetzt nicht gebrauchen. Erst vor wenigen Tagen war die Einstweilige Verfügung ausgelaufen.
Vermutlich hatte er den Bogen, beim letzten Mal, ein wenig überspannt. Sein Ziel war es Felixx zu überführen und zu enttarnen. „Ich weiß.“, gab er knirschend zu. „Diesmal geht es nicht um ihn.“, fuhr Roman fort. „Ich hatte so ein Gefühl bei der Frau“ Kasparow verkniff sich den Kommentar, der auf seiner Zunge tanzte. Er wäre mehr als unpassend gewesen. „Also habe ich mir ihre Personalien genauer angesehen.“
Verblüffung erschien auf dem Gesicht des Commanders. Er kam ein Stück näher, betrachte das Abbild genauer. Wenn sein Sicherheitschef jemanden unter die Lupe nahm, konnte er darauf vertrauen, dass Roman wusste, was er tat.
Die Frau hatte diesen kalten Blick. Er fiel ihm gleich auf. Ihre Augen besaßen eisiges Funkeln. So einen Blick fand man nicht mal bei Mafiosi, kaltblütigen Gangstern die einen ohne mit der Wimper zu zucken in den Rücken schossen, oder einem die Kehle aufschlitzten. Je nachdem, was bevorzugt wurde. Dass sein Sicherheitschef sich die Frau genauer ansah, konnte Kasparow daher gut verstehen.
„Und?“, hackte er nach.
Eine Eingabe folgte und die Darstellung änderte sich. Ein Bild der Frau bei der Einreise erschien im Fenster. „Sie ist seit 57 Stunden auf der Station. Angekommen ist Sie mit einem Raumflug aus der Liga. ID-Card sieht sauber aus.“ Er machte eine Pause, rief eine neue Darstellung via Eingabe ab. Im Holofenster erschienen nun die Personalien. „Ich habe mir ihre ID näher angesehen.“
Es schien alles in Ordnung zu sein, fand Kasparow. „Keine Auffälligkeiten.“ Schlussfolgerte er.
Sein Sicherheitschef nickte. „Da Sie nicht in der Fahndungsdatenbank ist, gab es keinen Grund ihr die Einreise zu verweigern. Also habe ich eine Suchanfrage in der Datenbank der Planetaren Sicherheit gestartet.“ Das Holobild wechselte erneut, wie ein Chamäleon. Die Mitteilung das ihm der Zugriff verwehrt wurde tauchte auf. Über eine Eingabe in die Terminalstation im Konferenztisch stellte Roman eine Verbindung zum Netz vom Ministerium für Sicherheit her. Wie in der Nacht wiederholte er alle seine Schritte. Das Ergebnis blieb das gleiche. Zugriff verweigert! Sicherheitsfreigabe unzureichend! Stand im Holofenster.
„Hmm…“ Dafür konnte es ein Dutzend guter Erklärungen geben. Ihnen würde nur eine reichen.
„Da habe ich meine Suche ausgeweitet.“, gestand Roman leiser als zuvor. „Dabei habe ich das gefunden.“ Durch eine Eingabe veränderte sich das Holofenster. Ein Gruppenbild von Frauen und Männern in Uniformen der Abteilung für Planetare Wissenschaft. Es hatte ihn Stunden gekostet, als er auf diese Spur stieß.
Kasparow rückte näher heran. Über eine Eingabe zoomte er den Missionsticker auf dem Overall heran. Mission: Hancock.

***
Irgendwoher kam ihm das bekannt vor. Bloß woher!
Roman tippte einmal aufs Eingabefeld. Ein Artikel schob sich neben das Gruppenfoto:
-Hancock Mission gestartet
Ein Team der Abteilung für Planetare Wissenschaft ist nach Hancock Stern in der Randzone aufgebrochen, um auf dem Planeten wissenschaftliche Untersuchungen vorzunehmen. Das Team um ihren Leiter Tony Job wird 2 Wochen benötigen, um den Planeten zu erreichen. Ein Zeitrahmen von 2 Monaten hat das Team für ihre Untersuchungen des Planeten.-
Er stammte aus einem wissenschaftlichen Fachmagazin. Obwohl Kasparow sich sicher war, den Artikel daher nicht zukennen, kam ihm der Inhalt vertraut vor. Ihm fehlte der Zusammenhang. Ein weiteres Mal tippte Roman ins Eingabefeld. Der Artikel verschwand. Dafür erschien ein neuer. Diesmal stammte er aus der Terra Morgenpost:
-Die Hancock Expedition bleibt verschwunden.
Trotz groß angelegter Suche im Hancock System und den umliegenden Sternensystemen, bleiben die Wissenschaftler verschollen. Weder auf dem Planeten noch im System fanden sich Hinweise auf ihren Verbleib.
Dort wo eigentlich das Basiscamp der Expedition stehen sollte, befindet sich ein gewaltiger Krater mit den Ausmaßen von der Insel Ramirez auf Terra. Laut einem Vertreter der Abteilung für Planetare Wissenschaft, sollte sich an der Stelle eine weitläufige Ebene befinden. Der Krater, so der Vertreter, sei woher nicht da gewesen.
Rätsel gibt auch die verschwundene PW (Planetare Wissenschaft) Hancock auf, das Wissenschaftsschiff der Expedition. Denn an der Suche beteiligten Flotteneinheiten ist es bisher nicht gelungen die Hancock ausfindig zu machen. Es gibt keine Trümmer, die auf die Zerstörung des Schiffs hindeuten.
Wie die Wissenschaftler ist auch das Raumschiff spurlos verschwunden.-
Darunter kam ein weiterer Artikelabschnitt. Ebenfalls aus der Terra Morgenpost. Eine Woche später:
-Suche nach Hancock Expedition offiziell eingestellt.
Nach intensiver Suche gab die Untersuchungskommission heute bekannt, dass die Suche ab Mitternacht eingestellt wird. Da es keinerlei Spuren über das Geschehen oder den Aufenthaltsort gibt, ist eine Fortführung der Suche wenig Erfolg versprechend.
Die Entscheidung wurde den Familienangehörigen vor der Presseerklärung mitgeteilt. Reverend Soho, der als Sprecher bestimmt wurde, erklärte die Familien hätten Verständnis für die Entscheidung, da man Sie stets auf dem Laufenden gehalten habe. Dennoch würde es eine Weile dauern bis sich die Angehörigen mit der Tatsache abgefunden haben, das ihre Liebenden nicht mehr zurückkehren.
Mit dem Einstellen der Suche um Mitternacht, werden die Expeditionsteilnehmer (siehe Liste) offiziell für Tod erklärt. Ein üblicher Vorgang, so ein Regierungssprecher.-
Darauf folgte die Liste der Wissenschafter. Passbildgroße Fotos, Namen und Spezialgebiet waren angegeben. Kasparow scrollte langsam runter. Als Erstes kam der Leiter, dann sein Stellvertreter und schließlich alle weiteren Mitglieder der Expedition. Bei Person Nummer 5 blieb er stehen.
Obwohl es die gleichen Gesichter waren, war der Unterschied gravierend. Die Frau in der Liste hatte herzliche Augen. Ganz anderes jene Frau, die Roman aus Felixx Laden hat gehen sehen. Abgesehen davon, dass Sie für Tod gehalten wurde.
Kasparow schaute auf. Kein Zweifel, es handelte sich um ein und dieselbe Frau. Er rief ein zweites Holofenster auf, lud die ID Daten von der Einreise und verglich die Angaben. Name. Geburtsdatum- und Ort, stimmten überein. Ebenso ihre Körpergröße, Gewicht, Augenfarbe. Lediglich Wohnort, Staatsangehörigkeit und Familienstand stimmten nicht. Eine falsche Identität mit echten Referenzdaten!
Er lehnte sich zurück. Eine falsche Identität, mit allem was dazu gehörte, bekam man in der Liga an jeder Straßenecke. Je höher die Summe, umso besser war die ID. Manch eine bestand sogar eine Grenzkontrolle. Die Frage, die sich Kasparow unter anderem stellte, wieso brauchte Miranda Holm eine falsche Identität!?
„Noch was?“
Roman nickte. Auf seine Eingabe hin änderte sich der Inhalt vom Holofenster.
Interessant!

***
Sie schob sich den letzten Bissen von ihrem Frühstückstoast in den Mund, kaute, schluckte und trank den Kakao. Miranda saß auf der Terrasse eines Restaurants auf dem Promenadendeck. Desinteressiert beobachtete sie die Leute. Sie wischte sich den Mund ab.
„Miranda Holm!“
Drei Sicherheitsbeamte standen vor ihr. Die anderen Gäste schauten zu ihr rüber. Zwei weitere Sicherheitsbeamte deckten ihren Kollegen den Rücken. Ihre Hände ruhten auf den Pulsern in ihren Holstern.
Sie schaute den Wortführer an. Ein Coporal. Anfang zwanzig. Groß gewachsen. „Ja, Coporal.“ Die aufkommende Unruhe spiegelte sich nicht in ihrer Stimme wieder.
„Ich muss Sie bitten mitzukommen.“
Die Szene erregte weitere Aufmerksamkeit. Vor allem der Umstand, dass die Sicherheitsleute die Hände auf den Pulsern hatten. Andere Passanten kümmerten sich nicht drum.
„Wieso? Gibt es ein Problem?“ Sie klang nicht nur gelassen, sie war es auch. Die Unruhe nahm nicht zu. Vorerst!
„Sie stehen bis auf Weiteres unter Arrest, Ms. Holm.“, eröffnete ihr ein vierter Silaaner. Er trug ebenfalls die Uniform der Stationssicherheit. Seinen Rang erkannte sie auf Anhieb. Ein Überbleibsel ihrer Vergangenheit. Die Unruhe nahm zu.
„Tatsächlich!“ Sie klang keineswegs erstaunt. Kühl und gelassen. „Aus welchem Grund?“
Der Colonel zuckte nicht mal. Sein Blick war hart, unbeugsam. „Sie sind Illegal eingereist. Bis zur Klärung ihrer ID stehen Sie unter Arrest.“ Er nickte seinen Untergebenen zu. Sie traten entschlossen vor.
Ohne den Blick zu senken oder abzuwenden, stand Sie auf und wurde ohne Widerstand abführen.

***
Gleichgültig ließ Sie die Erfassungsprozedur über sich ergehen. Man nahm ihr ihre persönlichen Sachen ab. Wurde der Arrest aufgehoben bekam Sie sie wieder. Anschließend tastete und scannte man Sie. Danach brachte ein Beamter sie in den Arrestbereich.
Miranda betrat die Zelle. Das Sicherheitskraftfeld erwachte summend. Die Unruhe war noch da, hatte sich aber gemäßigt. Sie schaute sich in der grauen Zelle um, blieb eine Weile auf einen nicht sichtbaren Punkt an der Wand hängen.
Sie setzte sich auf die Pritsche, lehnte sich an die Wand, legte die Hände in den Schoss und schloss die Augen. „Alles in Ordnung. Kein Grund zur Sorge.“
Außer ihr war niemand in der Arrestzelle.
Ein Schmunzeln erschien auf ihrem Gesicht bis ihre Miene wieder ausdruckslos wurde.

***
Roman stand in der Sicherheitszentrale. Auf einem Flachbildschirm sah er wie, die für Tod gehaltene, Miranda Holm in den Arrestbereich geführt und ihre Zelle betrat. Das Kraftfeld wurde aktiviert. Der Sicherheitsmann ging weg.
Sie stand in der Zelle. Regungslos, schaute direkt in die Erfassungslinse der Überwachungskamera. Als wüsste Sie das sie genau dort war. Worauf natürlich jeder mit einem gesunden Verstand kommen würde. Jede Arrestzelle wurde, sofern Sie einen Insassen hat, überwacht. Doch bei ihr war etwas anders.
„Die Frau ist unheimlich, Colonel.“
Da konnte Roman seinem Stellvertreter nur zustimmen.
Die Menschenfrau löste ihren Blick, ging zur Liege, setzte sich und lehnte sich an die Wand. Sie war Eiskalt. So abgebrüht hatte er noch niemand erlebt und sie hatten es schon mit finsteren Gestalten zu tun gehabt. Gefühllos.
Plötzlich wurde der Bildschirm schwarz. Als hätte jemand den Stecker gezogen.
„Was zum Teufel?“
Seine Hand ging zum Com, als der Bildschirm wieder zum Leben erwachte. Sie sahen Miranda Holm auf der Liege sitzend mit geschlossenen Augen gegen die Wand gelehnt, mit ausdruckslosem Gesicht. Der Ausfall hatte keine 3 Sekunden gedauert.
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-Sieben-

„Für den Ausfall habe ich keine Erklärung, Sir.“, teilte der Chief Kasparow und Roman mit. Er zuckte mit der Schulter. „Laut Protokoll gab es keine Störung.“
Der Sicherheitschef knurrte ungehalten angesichts der Neuigkeiten. Seine Leute konnten ebenfalls nichts finden, was den Ausfall erklärte. Dieser Umstand schmeckte ihm überhaupt nicht.
„Das Ergebnis der Systemdiagnose?“
„Negativ. Es gab zu der Zeit keinerlei Schwankung im Energieverteilungssystem.“ Seit der Übernahme der Station gab es damit Probleme. Die Schwankungen hatten zu Anfang zu ernsten Systemausfällen geführt. Einmal war sogar das gesamte Netz zusammengebrochen. Diego, im Rang eines Lieutenant Commanders, Leitender Techniker der Raumstation Picard, hatte zwei Tage gebraucht um das Energienetz wieder hochzufahren. Eine der Hauptaufgaben seiner Männer und Frauen war es das marode Energienetz vor dem Kollaps zubewahren. Ein Fulltime Job, der mit viel Schweiß und Ärger verbunden war.
Kasparow hob verwundert die Augenbrauen. Die Schwankungen gehörten inzwischen zum Alltag. Es gab keinen Tag ohne, geschweige den eine Stunde oder Minute. Der Chief zuckte mit der Schulter. Eine Wette auf den Zeitpunkt, wann keine Schwankung auftrat, hätte ihm einen Batzen Geld eingebracht. Seine Leute hatten einen entsprechenden Wettpool eingerichtet. Dabei war Glücksspiel in den Streitkräften verboten. Dazu gehörte auch das Technikcorp der Streitkräfte.
„Sonstige Auffälligkeiten?“, fragte Roman bissig.
„Nichts von Bedeutung das den Ausfall verursacht haben könnte, Colonel.“
Die Antwort stellte den Sicherheitschef alles andere als zufrieden. Irgendetwas hatte den Ausfall ja verursacht und das der Chief die Ursache nicht finden konnte, behagte ihm einfach nicht.
Stille machte sich unter den Männern breit.
„Halten Sie die Augen offen, Chief.“
„Aye.“ Diego verließ das Büro vom Stationskommandeur.
Roman blieb. Seine Miene konnte man nicht als zufrieden bezeichnen. Eher ungehalten. Was an der fehlenden Erklärung für den Ausfall lag. Seine Überzeugung war, dass es einen Zusammenhang mit Miranda Holm gab. Bei keinem anderem Insassen der Arrestzelle war es je zu einem Ausfall gekommen.
Das Interkom vom Commander piepte. „Ja!“
„Commander.“ Das war die Stimme von Doktor Tomàs, die Chefärztin von Picard. „Sie sollten mal vorbei schauen. Es geht um die Untersuchung von Frau Holm.“
Der Kopf vom Sicherheitschef zuckte zum Interkom.
„Ich bin unterwegs. Kasparow Ende.“

***
Keira beobachtete die Anzeige auf dem Bildschirm vor ihr. Zusammen mit ihrem Team arbeitete Sie daran die Anomalie zu klassifizieren. Bisher sah so aus als hätten die Silaaner alles richtig gemacht. Beim Auftreten der Anomalie hatten Sie den Raumverkehr umgeleitet. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellte.
„So was habe ich bisher noch nicht gesehen.“ Doktor Benjamjn, Gvaner, war der Astrophysiker ihres Teams.
Keira konnte dem jungen Mann, der mit 16 seinen Doktor in Astrophysik machte, nur zustimmen. Die Werte waren mit keinem Wurmloch vergleichbar das sich in ihrer Datenbank befand. Auch mit keiner sonstigen Anomalie.
Die Partikel des Ionenteppichs besaß eine ungewöhnlich hohe Dichte. Das Auftreten von Ionen bei einem Wurmloch war andererseits nicht ungewöhnlich. Ionen waren ein Abfallprodukt, für den interstellaren Raumverkehr vollkommen ungefährlich. Sie bildeten einen visuellen Schleier, wenn sich ein Wurmloch öffnete.
Wieso aber hier eine so hohe Dichte vorlag, konnte nicht vollständig geklärt werden. Jedenfalls nicht mit der technischen Ausrüstung der Station! Keira schmeckte Bitternis. Sie hatte mit moderner Ausrüstung gerechnet. Ihre Geräte konnten das nicht ausgleichen, geschweige denn überhaupt benutzen.
So mussten Sie bis zum Eintreffen der Hawkins warten, das ihr zugeteilte Wissenschaftsschiff. Als Keira mit ihrem Team aufbrach, lag das Raumschiff noch in der Werft zur Überholung. Frühestens in 9 Wochen konnten Sie mit dem Raumschiff rechnen.
„Wie groß ist die Teilchenmenge?“
Eine Frau in ihrem Alter besorgte sich die Info. „750 Millionen pro Klick.“
Benjamjn neben ihr schüttelte den Kopf, schwieg aber. Der Ausstoß von Ionenteilchen bei den bekannten Wurmlöchern betrug zwischen 25 und 100 Millionen. Ein 750 facher Ausstoß der als Normal festgelegten Teilchenmenge verhieß nichts gutes. Auch die Zerfallrate bereitete Keira sorgen. Sie lag weit unter dem Durchschnitt. Sollte es sich bei der Anomalie um ein Wurmloch handeln, konnten Sie nicht sagen, was geschah, was noch passieren wird und wie die Auswirkungen sein würden.

***
„Vom medizinischen Standpunkt aus handelt es sich bei der Frau um Miranda Holm.“, bestätigte Doktor Tomàs die Identität.
„Aber?“, hackte Kasparow nach. An ihrer Stimme konnte er hören das da noch ein ABER kam.
Die Aquianerin zuckte mit der Schulter. „Ich habe meine medizinischen Daten mit denen verglichen, die ich von der George Universität bekommen habe.“ An der Hochschule hatte Frau Holm Geologie studiert. Der Commander sah sie verwundert an. „Der Chief ist nicht der Einzige mit Quellen.“
Kasparow schmunzelte. „Haben Sie was gefunden?“
Sie nickte, drehte sich zum Eingabeterminal, machte eine Eingabe und wandte sich dem Bildschirm zu. „Das hier ist ein DNS-Strang der Uni Untersuchung.“, erklärte sie und tippte aufs Eingabefeld. Ein zweiter DNS-Strang erschien daneben. „Dieser hier stammt von meiner Untersuchung.“
Kasparow konnte keinen Unterschied feststellen. In Biologie hatte er nicht besonders aufgepasst. Er widmete seine Aufmerksamkeit lieber seiner Mitschülerin Tjra. Bei Roman, der neben ihm stand, kräuselte sich die Stirn. „Und?“
Sie rollte mit den Augen, angesichts der fehlenden Begabung einen simplen DNS-Strang zu lesen. Das war einfache Biologie. Tomàs zoomte ihn näher heran. „Jeder DNS-Strang besteht aus Millionen von DNS-Fäden, die sich zu einem Strang verbinden.“ Sie schaute die beiden Männer an. Da keine Fragen kamen, fuhr sie fort mit dem Unterricht. „Jeder Faden besteht aus Milliarden von Codierungen, den Bausteinen unserer DNA und jedes Lebewesen.“ Tomàs zeigte auf einen der farbigen Faden. Jede Farbe stand für einen Baustein, wenn sich Kasparow richtig erinnerte. „Die jeweiligen Bausteine sind millionenfach in unserer DNA vertreten. Es gibt jedoch Lücken in jedem Faden.“ Sie zeigte einen grau unterlegten Abschnitt, der sich zwischen zwei farblichen befand. „Dabei handelt es sich um beschädigte oder fehlende Bausteine. Sie werden auch Verbindungsvenen genannt. Ohne diese Venen würde ein Faden absterben.“
„Sie halten alles zusammen?“, fragte Roman mürrisch. Damit hatte er sich nie beschäftigt, wieso auch. Schließlich war er der Sicherheitschef und kein Arzt.
„Ja. Man könnte sagen Sie sind der Grundstein für das Leben.“ Eine These, die wohl nicht jeder teilte, glaubte Janus zu wissen. „Das hier ist ein DNS-Faden von der heutigen Untersuchung.“
Der zweite Strang zoomte heran, bis einer der Fäden isoliert war. Grundsätzlich sahen beide Fäden identisch aus. Von einem Detail abgesehen, den Verbindungsvenen. Kasparow ging näher heran. „Was ist das?“
Da Doktor Tomàs ihm nicht sofort antwortete, schaute er sie an. Ihr Gesicht sprach Bände. Sie wusste es nicht. „Fremde Bausteine.“
„Fremde Bausteine?“, wiederholte Roman kernig.
Sie nickte widerstrebt. „Diese Bausteine stammen weder vom Menschen oder einer uns bekannten Lebensform.“
„Können Sie sie isolieren?“
„Hab ich versucht.“, antwortete Tomàs dem Stationskommandeur. „Sie sind fest in den Fäden verankert. Sobald ich den Baustein herauslöse, stirbt der Faden und die Fremde DNS zerfällt.“ Bei keiner der bekannten Isolierungsmethoden war Sie erfolgreich gewesen. Ein Umstand, der ihr zu denken gab.
„Genetische Optimierung!“, sprach Kasparow seinen Gedanken dazu laut aus.
Die Prozedur war in der Union und in vielen Sternennationen verboten. In der Liga hingegen gab es ganze Zentren. Eine Billionen Dollar Industrie.
„Kann ich nicht ausschließen. Jedoch ist uns diese Art der Optimierung nicht bekannt.“
Eine neue Methode! Möglich, aber eher unwahrscheinlich. Wenn bei der Isolierung der Faden abstarb, war eine Reoptimierung unmöglich. Einmal ein Kunde, immer ein Kunde, lautete ein Slogan. Daher gab die neue Methode keinen Sinn.
Außer! Seinem Bewusstsein blieb nicht die nötige Zeit um den Gedanken zu fassen. So verschwand er im Nichts, ohne dass die Antworten auf so viele Fragen ans Licht kamen.
„Also ist Sie Miranda Holm?“, hackte Kasparow nach der Unterrichtsstunde nach.
„Davon abgesehen!“ Tomàs tippte auf den fremden Baustein. „Ja.“

***
Der Verhörraum/Befragungsraum lag nicht im öffentlich zugänglichen Bereich der Sicherheitszentrale. Insgesamt verfügte das Sicherheitspersonal der Station über 3 identische Räume. Sie lagen auf demselben Gang, waren mit Überwachungstechnik ausgestattet. Neben jedem grenzte ein Beobachtungsraum, wie in den alten Holoklassikern aus dem 20. und 21. Jahrhundert der Erde. Die farbliche Gestaltung war in allen gleich, Graugrün. Der Boden bestand aus einer Marmor Imitation. In den Wänden zu den Beobachtungsräumen hin, befanden sich Scheiben aus Duranglas, die rings rum mit Holoemittern ausgestattet waren und so von einer echten Wand nicht zu unterscheiden war.
In den Beobachtungsräumen befand sich die Ausrüstung der eingesetzten Überwachungstechnik. Minikameras mit Infrarot- und Wärmefunktion. Biosensoren. Umweltsystem. Aufzeichner. Über die Terminalstationen konnten die Beamten auf alle Funktionen und Systeme zugreifen.
Irgendwie verfügte jede Sicherheitsbehörde (oder Kriminelle Vereinigung) über entsprechende Räumlichkeiten, um sich mit Verdächtigen, Zeugen, Opfern oder Tätern zu unterhalten. Befragungen zur Aufklärung von Verbrechen allerart ließen sich selbst im Interstellaren Zeitalter nicht vermeiden.
Vor 15 Minuten hatten 2 Sicherheitsbeamte der Station Miranda Holm aus ihrer Arrestzelle geholt und in einen der Befragungsräume geführt. Dort saß Sie nun am Tisch. Ihr Gegenüber hatte 10 Minuten später Commander Kasparow höchstpersönlich platzgenommen. Colonel Roman und er hatten sich vorher abgesprochen.
Außer einem Datenpad, das vor Kasparow lag, befanden sich lediglich 2 Gläser aus Kunststoff plus eine Karaffe mit Wasser auf dem Metalltisch, der im Boden verankert war. Sie waren zudem die einzigen Personen im Raum. Im Beobachtungsraum wohnten hingegen Colonel Roman, sein Stellvertreter und ein Techniker der Befragung bei.
„Entschuldigen Sie die Umständlichkeiten die wir Ihnen bereiten, Frau Holm, aber bei einer erneuten Prüfung ihrer Einreise ID sind Komplikationen aufgetreten. Aus diesem Grund mussten wir sie in Arrest nehmen.“, begann Kasparow die Unterhaltung. Die Frau ihm gegenüber zeigte keine Regung. Ihr Gesicht wirkte wie eine Totenmaske. „Als wir ihre ID überprüften“ Miranda beschwichtigte im Geiste ihre Unruhe. „haben wir festgestellt“ Er aktivierte das Datenpad, schob es zu ihr rüber. „das Sie in eine weitere Identität besitzen.“
Obwohl sie es nicht brauchte, schaute Sie auf das Display Ihr Ausdruck blieb regungslos. Eine entfernte Erinnerung, aus den Tiefen ihres Bewusstseins, streifte ihr Sein und verschwand wieder in den Tiefen. Wie ein Wal, der die Meeresoberfläche durchstieß, Luft holte und wieder abtauchte.
„Interessant wurde es als wir erfuhren das ihr Ehemann, ihre Familie, Verwandte, Freunde und Kollegen Sie seit 7 Jahren für Tod halten.“ Und seit 3 Jahren wieder unter den Lebenden wandelten, wenn man nach dem Ausstellungsdatum ihrer Cirus ID ging. Welche exakt auf den Tag ausgestellt wurde, als die Hancock Expedition verschwunden war.
Ohne die Spur einer Gefühlsregung schaute Miranda Holm auf. Die ferne Erinnerung, die ihr Bewusstsein streifte, löste sich in Luft auf. Sie verging wie eine Sternenschnuppe. „Das“ Miranda sah aufs Pad. „bin ich nicht.“
„Tatsächlich!“, erwiderte Kasparow verwundert. „Der Biometrischen Erkennung nach gibt es keine Zweifel, Frau Holm. Das“ Er zeigte aufs Pad. „sind Sie und für eine Tote sehen Sie ziemlich Lebendig aus.“ Den Sarkasmus konnte er sich nicht verkneifen.
„Glauben Sie an Bestimmung, Commander?“, fragte Sie mit einer Ruhe, die vollkommen hohl war, und schob ihm das Pad zurück.
„Nein.“ Eine klare Antwort.
Das Schmunzeln ließ den Anflug einer Gefühlsregung erkennen. „Sollten Sie aber! Alle Lebewesen haben eine Bestimmung, egal wann und wo.“ Sie sprach ohne jede Emotion, wie eine Maschine mit menschlicher Stimme.
„Was ist ihre Bestimmung?“, fragte Kasparow.
Eine Welle der Unruhe spülte durch ihr Sein. „Die Interessen meiner Auftraggeber zuvertreten.“
„Wer sind ihre Auftraggeber?“, hackte er nach.
Ihr Schweigen war ihre Antwort.
„Welche Interessen vertreten Sie für Ihre Auftraggeber?“
Sie schaute ihn schweigend an.
Wie konnte man nur so kalt sein. Selbst Massenmörder besaßen nicht annähernd eine solche Gefühlskälte. „Dann wollen Sie mir sicherlich nicht sagen, wer ihre Auftraggeber sind!“, warf er in den Raum.
Ihre Antwort auf seine Frage war schweigen. Etwas anderes hatte Kasparow auch nicht erwartet. Er lehnte sich zurück, schaute sie an. „Tja, hab ich auch nicht erwartet.“, entgegnete er auf ihr Schweigen. „Sie können gehen. Innerhalb von 25 Stunden haben Sie die Station verlassen“ Das Ultimatum nahm Sie regungslos zur Kenntnis. „oder wir nehmen Sie wegen Illegaler Einreise fest und erheben nach Unioner Recht Anklage.“ Die Drohung zeigte keine Wirkung, was niemanden weiter überrascht.
Sie erhob sich, ging in Richtung Tür, hielt wenige Schritte vor dem Eintreten in den Sensorbereich inne und drehte sich rum. „Haben Sie sich je gefragt, Commander, wieso Sie das Kommando innehaben?“
Er schaute zu ihr. Die Frage überraschte ihn ein wenig. „Nein.“, log Kasparow.
Wieder dieser Anflug eines Schmunzelns, verschwand aber so plötzlich wie es gekommen war, ohne eine Spur zu hinterlassen. „Die Antwort kann Ihnen die Regentin geben.“ Miranda Holm ging in den Sensorbereich, wodurch sich die Tür öffnete und trat hinaus.
Kasparow schaute ihr nach, selbst als sich die Tür geschlossen hatte. Die Regentin! Was hatte Sie damit zutun? Eine weitaus wichtigere Frage brannte sich in seinen Kortex. Was wusste, die für Tod gehaltene, Miranda Holm darüber?
________________________________________

-Epilog-

Bei Flügen auf den Planeten genoss Kasparow in der Regel die Aussicht. Silaa I war ein grüner Planet, weite Teile unberührt. Die Städte und Siedlungen besaßen eine überschaubare Größe. Keine Megatürme, die in den Himmel ragten. Keinen unübersichtlichen Flugverkehr, in dem man sich einordnen musste. Keine Paläste aus Stahlbeton und Glas. Sie waren weit von den interstellaren Metropolen, wie auf Gvan oder Terra, entfernt.
Sobald das Wurmloch für den Raumverkehr freigegeben wurde, änderte sich nicht nur das Verkehrsaufkommen. Ein neues Zeitalter brach für Silaa und seine Bewohner an. Milliarden spülte es ins Sternensystem. Genau, wie Leute die daran mitverdienen wollten. Handelsgesellschaften, Megakonzerne, Zulieferbetriebe, Dienstleistungsunternehmen. Sie alle kämen nach Silaa Stern, um zu investieren, Einnahmen zu erzielen, ihre Interessen zu vertreten und zuschützen. Damit einher gingen Korruption und kriminelle Machenschaften. All, das kam auf Silaa zu. Eine gewaltige Herausforderung.
Noch stand gar nicht fest ob es soweit kommen würde. Keira`s Bericht nach war es nur eine Frage der Zeit. Die Möglichkeit, dass das Gegenteil eintraf und das Wurmloch für den Raumverkehr ungeeignet war, bestand natürlich. Seinem dafürhalten kamen die Dinge zu früh für Silaa. Sie waren eine recht junge Sternennation, die gerade dabei war den Sprung in die Interstellare Gemeinschaft zu vollziehen. Hinzu kam das mögliche (höchstwahrscheinliche) Bedrohungspotenzial durch die Tanis-Sions Republik. Das Wurmloch konnte deren Regierung stürzen. Was jene Kräfte an die Macht brachte, die eine sofortige Annektierung von Silaa Stern anstrebten.
Er glaubte zwar nicht das Sie sofort zuschlagen würden, darauf verlassen mochte er sich wiederum nicht. Wenn Silaa in den Fokus der Republik geriet, dann auch E’an. Eine solche Anstrengung würde eine Krise auslösen, die weit über die Grenzen hinaus ging. Das Potenzial für einen Interstellaren Krieg.
Kasparow legte das Pad mit Keira’s Bericht beiseite. Der Autopilot steuerte die Fähre in eine Kurve und überflog die Küste. Ihm schwirrten zu viele Gedanken im Kopf herum. Daher hatte Janus darauf verzichtet die Fähre selbst zufliegen. Bei seinen letzten Besuchen auf dem Planeten flog er die Vehikel. Die Steuerung zu bedienen ließ ihn in Erinnerung schwelgen, als er als Steuermann einen Zerstörer aus dem Dock manövrierte. Das Fliegen war schon als Junge eine Leidenschaft von ihm. Mit dem Offizierspatent wurden die Flüge immer weniger. Vor allem wenn man ein Raumkommando innehatte.
Er schaute aus der Kanzel.
Die Ausläufer des Ròdi Bergmassivs tauchten am Horizont auf, formten sich zu bewaldeten Hängen, gewannen an Höhe, zeigten das schroffe Felsgestein und die schneebedeckten Gipfel. Der Autopilot folgte der eingespeisten Flugroute ohne Wenn und Aber. Die Küstenebene war lediglich ein Streifen am Horizont.
Die Fähre erreichte die vorgegebene Flughöhe, flog am Gebirgszug vorbei, erreichte die nächste Flugmarke. Er flog um den Berg herum, drang in eine breite Schlucht ein, die das Gebirge durchzog. Schroffe Felshänge. Bäume. Gletscherausläufe. Imposante Wasserfälle, die sich in reißende Flüsse ergossen. Kraterkerben in denen Zerstörer und Kreuzer landen konnten. Täler, die zum Campen einluden.
All das nahm Kasparow heute nur zu Kenntnis. Je näher Sie dem eingegebenem Ziel kamen, desto mehr beschäftigte er sich mit dem Grund seiner Reise und dem Auslöser. Eine Stunde nach dem der Raumliner, mit Miranda Holm an Bord, in den Hyperraum gesprungen war, startete er seinen Flug nach Silaa I.
Die Fähre ging in eine leichte Kurve. Man folgte dem Flussverlauf unter sich.
Seine Reise war nicht ausschließlich dienstlicher Natur. Er wollte Antworten, die er nur von einer Person bekommen konnte, wenn Miranda Holm richtig lag.
Ein Plateau in Ufernähe kam in Sicht. Dort stand eine Klosteranlage, die eins der ältesten Bauwerke auf Silaa war. Zugleich war es die Residenz der Regentin, der religiösen und spirituellen Führerin von Silaa.
Der Autopilot erreichte die Flugsicherheitszone, welche über dem Kloster lag, als die Freigabe der Flugsicherheit hereinkam. Was den Computer veranlasste die Ladungsparameter zu initialisieren.

***
Ein Gardist führte Kasparow vom Landeplatz in den Hauptsitz der Regentin. Das mehrstöckige Gebäude besaß eine Weißstein Stuckfassade. Große gotische Fensterläden. Massive Rotholz Türen. Matte Granitplatten.
Er besuchte die Residenz zum ersten Mal. Die Architektur machte einen schlichten Eindruck. Keinerlei überheblicher Prunk. Dezente Ansätze von Chrom. Gold. Silber. Bronze. Hohe Decken mit Bleiglas Kronenleuchtern. Handgewebte Teppiche. Seidenvorhänge mit handgemachten Stickereien.
Durch einen offenen Rundbogen kamen Sie in den Garten. Ein wohlgestalteter Ort der Ruhe und Entspannung. Vögel zwitscherten fröhlich. Das Plätschern eines Wasserfalls, der in einen Teich mündete, in dem unterschiedliche Fische schwammen. Blumen- und Gemüsebeete. Kastanienbäume. Beerensträucher. Apfelbäume. Kokospalmen. Eine beeindruckende Vielfalt, die es sonst nur in botanischen Gärten gab.
Auf einer Bank am Teich saß die Regentin und genoss diesen Garten Eden. Sie hob den Kopf als Kasparow mit dem Gardisten den Kiesweg beschritten.
„Danke, Osari.“, sagte sie zum Gardisten. Er verneigte sich und kehrte um. „Bitte, Commander, setzen Sie sich.“, bat die Regentin höflich.
Er setzte sich auf die Bank aus Rotbuche. „Danke, dass ihr mich so kurzfristig empfangt, Exzellenz.“
Sie nickte mit dem Anflug eines Lächelns und schaute über den Garten hinweg. „Keine Ursache, Commander. Ich bekomme nicht viele Gäste.“, gestand Sie offen. Empfänge oder Treffen fanden in der Ständigen Vertretung der Regentin, in der Hauptstadt, statt. „Was verschafft mir die Ehre ihres Besuchs?“
Sie kam gleich zur Sache. Ein Umstand, der ihm nur recht war. Diesmal! „Sind Sie dafür verantwortlich das Ich das Stationskommando bekam?“ Ohne Umschweife und direkt kam Kasparow zum Punkt. Für das Geschwafel hatte er nicht viel übrig, wie die Regentin.
Ihr Blick blieb über den Garten gerichtet. Sekunden verstrichen. „Ja.“
Sie hatte es gewusst! Bloß woher? Ernste Sorgen kamen auf. Er stellte Sie hintenan. „Wieso?“
Jetzt drehte die Regentin ihren Kopf. „Für die Antwort müssen Sie mich begleiten.“
Keine Ahnung, was Sie damit meinte, nickte Kasparow.

***
Sie führte ihn in das Kellergewölbe unter der Klosteranlage. Ein Labyrinth aus ineinander verschachtelte Gängen, Räumen und Kammern. Ein Geflecht aus alten Rohren hing an der Decke. Kahles Gesteingemäuer. Dennoch roch es frisch, keinesfalls abgestanden oder muffig. Wie man sich hier unten zur Recht finden konnte, war ihm ein Rätsel. Ohne die Regentin hätte er sich heillos verlaufen.
Vor einer Tür, aus massiver Eiche und mit Eisenbeschlägen verstärkt, stoppte ihr Spaziergang unter der Erde. Die Regentin holte einen Uraltschlüssel, vor der Schlüsselkarten Ära, hervor. Er hing um ihren Hals an einer Kette aus polierten Platinsilber, gut verborgen unter ihrem Gewand. Dass Sie einen Schlüssel bei sich trug, war ihm bisher nie aufgefallen. Sie steckte ihn in das Schlüsselloch, drehte den Schlüssel.
Klack! Klack! Mit der Hand drückte sie die Klinke herunter, schob die Tür auf und trat über die Schwelle. Kein quietschen oder knarren. Die Regentin schien beim Öffnen keinerlei Probleme zuhaben. Was man alles mit Pflege erreichen konnte!
Hinter der Tür lag eine Kammer, kaum 30 Quadratmeter groß. An den Wänden, zu ihrer Seite, standen deckenhohe Regale, deren Etagen voller Bücher standen. Direkt voraus stand ein Tisch zwischen den Regalen. Sozusagen im Mittelgang. Ein schräg verlaufener Schacht führte nach oben zu einem Oberlicht, durch das Tageslicht fiel.
Kasparow trat ein. „Was ist das für ein Raum?“
Die Regentin schloss die Tür. Der Schlüssel verschwand wieder unter ihrem Gewand. Sie ging an ihm vorbei, bat ihn mit einer Handbewegung zum Tisch und trat vor eins der Regale. Ohne zu überlegen griff Sie nach einem spiralgebundenem Block. Sie legte ihn vor Kasparow auf den Tisch. „Hier bewahren wir unser Erbe auf, Commander.“ Mit einer Geste bat sie ihn sich dem Block zu zuwenden.
Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde. Nicht aus Angst, sondern aus Unentschlossenheit. Ihm war jedoch nicht klar, wie ihm ein alter Schreibblock die Antworten auf seine Fragen geben sollte. Trotzdem schätzte er die Regentin als eine Person ein, die ihn nicht umsonst hierher führte.
Bedächtig schlug Kasparow den Schreibblock auf und erstarrte im selbem Moment. Seine Augen weiteten sich für eine Schrecksekunde. Sein Gesicht wurde zur Maske des Unglaubens.
Der Schreibblock stellte sich als Skizzenblock heraus. Er sah auf der Ersten Seite ein handgezeichnetes Spiegelbild seiner selbst. Eine detaillierte Zeichnung seines Gesichts lag vor ihm. Auf vergilbten Pergamentpapier. Mit Graphit gezeichnet. Als würde er in einen Spiegel sehen. Die Zeichnung war geradezu perfekt.
Kasparow konnte nach etlichen, ungläubigen Sekunden seinen Blick abwenden und zur Regentin schauen. „Wie alt ist die Zeichnung?“ War nicht die ursprüngliche Frage, die ihm in den Sinn kam. Ein zusammenhangloses Durcheinander herrschte in seinem Kopf.
„An die 7000 Jahre.“
Wie ein Wirbelwind fegte ihre Antwort durch sein Bewusstsein. Das, was er vorher mühsam wieder geordnet hatte, verlor erneut die Ordnung, schwirrte umher wie eine Biene auf der Suche nach einer Blume. „Wer hat Sie gezeichnet?“ Seine Stimme klang nicht nur rau, sie war auch trocken wie eine Wüste.
„Die Prophetin der Götter.“
Bei der Antwort schloss Kasparow die Augen, lehnte sich gegen den Stuhl, ignorierte das Knirschen vom Holz und ließ sich einfach fallen.
Das war es, was Miranda Holm andeutete. Daher ihre Frage, ob er an Bestimmung glaubte. Inzwischen wusste er nicht mehr, was er überhaupt glauben sollte. Eins war jedoch gewiss, nichts würde mehr wie früher sein.
______________________________________________________

-Ende-
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Kommentare  

Nun hat Commander Kasparow endlich in Erfahrung bringen können, wer ihm zu der Oberbefehlsgewalt über die Raumstation Picard im Heimatsystem der Silaaner verholfen hatte. Doch wird ihm das helfen? Seine Lebenseinstellung hat sich dadurch zumindest gravierend verändert und vielleicht weiß er ja einen Weg, die Entdeckung des neuen Wurmlochs irgendwie zu vertuschen? Spannende Story mit einem geheimnisvollen Ende.

Jochen (26.05.2010)

fängt nett an, aber an s c h a l l e n wills mich nich, weils so oft falsch geschrieben ist, daß ich mich frage, welcher robter da gerbtet ht.
lese gern weiter, wenn sich die geschichte angeschnallt hat. lach und lieb grüß
tvk


tratus von Klueck (25.05.2010)

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