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6 Seiten

Das Weiße Königreich - Kapitel 23

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Über den halb offenen Flur konnten Sie einen Blick auf die Gartenanlage werfen, die sich unter ihnen befand. Längst war der Garten zu einem eignen Dschungel geworden. Die Pflanzen breiteten sich überall aus, kannten keine Hürden oder Höhenangst. Wurzeln brachen durchs Gemäuer, kletterten die Wand hinauf. Der einstige Brunnen war zugewachsen. Moos in allen Farben hatte sich über den Stein gelegt. Durch den Brunnenboden waren Wurzeln eingedrungen, um das damalige Wasser zu nutzen.
Drei Stufen führten am Ende vom Flur in einen großen Raum. Man konnte ihn von beiden Fluren, die parallel zueinander liefen, betreten. An der runden Steintafel hatten fünf Personen Platz. Zumindest befanden sich die entsprechende Anzahl Steinquader an der Tafel. Auf der Steinplatte der Tafel, die drehbar zu sein schien, war die Karte Eurasien eingemeißelt.
Im Tafelrand sah man eine Vertiefung vor jedem Steinquader. Sie besaß die Form eines Schwerts. Seltsamerweise befanden sich in fünf Vertiefungen vier Schwerter deren Form genau übereinstimmte, sie waren verschieden stark eingestaubt. Einige lagen also schon eine Weile da. Eine Vertiefung war leer.
Vor Ihnen war schon jemand hier gewesen. Selena. Die Albin wollte wohl den Magistrat entführen lassen, um von ihm zu erfahren, wo sich das fünfte Schwert befand, sowie die eine oder andere Information von ihm haben. Für Michael war es nun klar, wie sie alles geplant hatte. von Anfang an. Auch, dass Selena ihm bei seinem Zellenbesuch nicht die Wahrheit gesagt hatte, überraschte ihn nicht sonderlich.
„Jemand war vor uns hier.“, sagte Tanja überrascht.
Er zog das Schwert vom Magistrat aus der Scheide, schaute es sich noch einmal an und legte es in die Vertiefung. Man hörte, wie etwas einrastete.
„Was war das?“, wollte Ramon nervös wissen. Der Junge war mit seiner Frage Dova zuvor gekommen.
Eine spannungsgeladene Ruhe breitete sich aus.
„Seht!“, rief Sandja.
Die Inschriften auf den Parierstangen der Fünf Schwerter leuchteten reihum auf. Bei jeder aufleuchtenden Inschrift leuchtete eine Inschrift auf der Karte Eurasiens auf. Die Karteninschriften lagen im Ost-, Süd-, West-, Mittel und als Letztes im Nordland.
„Die Fünf Königreiche!“, sagte Tanja erstaunt.
Das Leuchten der Karteninschriften schoss in die Decke, wo sich ein Kristall befand, der das Leuchten aufsog wie ein Schwamm. Das goldene Funkeln pulsierte, wurde dichter und dichter, bis aus einem der Kristallspitzen ein Strahl hinab schoss. Er drang im nördlichen Königreich ein, ohne erkennbaren Schaden anzurichten. Die Leuchtkraft im Kristall versiegte wie eine Wasserquelle.
Alle sahen gebannt auf die Karte von Eurasien. Vor allem die Region vom nördlichen Königreich wurde beobachtet. Nach dem Einschlag geschah jedoch nichts. Was hatte der Strahl zu bedeuten?
„Arrrrrrrrrrrrrr…“ Der Schrei brach den scheinbaren Bann der Gruppe. Er kam von unten, wo Paladin Wachen aufgestellt hatte. Die Zwerge gingen an den Eingängen in Position. Niemand achtete mehr so richtig auf die Karte. Aus dem Augenwinkel sah Samuel wie sich an der Karte etwas veränderte.
Ohne sich um die anderen zu kümmern, wendete sich der Junge der Karte zu. Die Veränderung bestand in einer Inschrift im nördlichen Königreich. Sie bestand aus einem Wort mit Vier Buchstaben. Samuel las es.
Okai…

***
Unten angekommen sahen Sie den Grund für den Schrei. Auf dem Hallenboden lag ein toter Krieger und drei Dschungelbewohner. Bei genauem Hinsehen erkannte man dass der Krieger zweifelsohne von einem der Dschugelmenschen getötet worden war. Einen hatte der Zwerg dabei sofort getötet und einem zweiten eine schwere Verletzungen zugefügt. Die Schnittwunde am Hals war tödlich gewesen. Der dritte Dschungelbewohner war durch den Hieb eines Schwerts ins Jenseits befördert worden. Zwerge trugen in der Regel Kurzschwerter, wenn überhaupt, der Krieger benutzte diese Waffe nicht. Die Wunde hingegen stammte auch nicht von einem Kurzschwert.
Durch die bisherigen Erkenntnisse konnte Michael sich den Täter denken. Selena war hier. Sie hatte die anderen Dschungelbewohner getötet. Er würde nicht soweit gehen und behaupten sie hätte es getan, um dem Zwerg zu helfen. Zusammen mit Paladin ging er zur Pforte. Sie spähten hinaus. Der Anführer hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Ganz anders sein Gefolge. Von ihnen fehlte jede Spur. Drei lagen tot in der Halle.
Man hatte also nicht viel Zeit, um einen anderen Weg aus dem Haus der Ritter zu finden. Je länger Sie hier blieben desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit für immer im Haus zu bleiben. Eine Erkundung wäre sicherlich interessant gewesen, hätte man nicht eine Horde Dschungelmenschen im Nacken, die einen töten wollten. Für Michael und seine Freunde war das keine neue Erfahrung.
Diesmal teilten sie sich nicht auf, um einen Weg hinauszufinden. Die Krieger bildeten wie zuvor einen Ring um Dova, Sandja, Samuel, Ramon, Tanja, Kronos, Baldami, Paladin, Wong, Michael, Erol und Sirka. Die Letzteren bildeten einen zweiten Ring. Jeder würde in die Presche gehen, falls es notwendig wurde. Der Tod der Krieger spornte die Zwerge nur noch mehr an, es dem Feind gehörig heimzuzahlen.
An einer Abzweigung kamen Sie an drei Skeletten vorbei. Nach den Knochen zu urteilen handelte es sich um Menschen. Sie lagen schon eine Weile dort. Vermutlich gehörten die Drei einer der vielen Expeditionen an, die man ins Niger Delta schickte. Hatten Sie auch nach einem Ausweg gesucht? Wem waren sie zum Opfer gefallen? Für die Antworten hatte man keine Zeit. So ließen sie die Toten zurück und versuchten es besser zu machen.
Sie kamen an einer offenen runden Kammer vorbei. Viele der Zimmertüren, an denen Sie vorbeikamen, waren aufgebrochen worden. Auf der Suche nach wertvollen Gegenständen, schätzte Michael. Die Kammer hingegen besaß keine Türen. Der Grund offenbarte sich einem schon beim Eintreten, es handelte sich um eine Kapelle.
Grabräuber, Schatzsucher und die unzähligen Abentreuer, die den sagenumworbenen Ort der Ritter gesucht und auch gefunden hatten, wie die Skelette zeigten, hatten nicht viel übrig gelassen. Zerbrochene Sitzbänke. Zerstörter Altar. Löcher in den Wänden. Es sah so aus als hätte eine Gruppe Kobolde gewütet. Stattdessen handelte es sich, um die Hinterlassenschaft der menschlichen Gier.
Eins war merkwürdig. Nirgendwo fanden sich Spuren einer Gottheit oder einer Religion. Die Plünderer hatten alles, was nicht niet- und -nagelfest war, mitgenommen. An einem solchen Ort gab es Dinge, die man einfach nicht mitnehmen konnte. Von denen fehlte jede Spur. Michael und seine Freunde waren schon in einigen Kapellen, Kirchen, Kathedralen und dergleichen gewesen, um zu wissen, dass hier etwas fehlte, das diesen Ort zum dem machte, der er sein sollte.
„Seht!“, rief Dova.
Wegen der Leere in der Kapelle hallte seine Stimme lauter als gewollt. Paladin sah ihn missbilligend an. Durch den Hall, konnten die Dschungelmenschen ihn gehört haben, was sie auf ihre Spur bringen konnte. Bisher waren Ihnen weitere Scharmützel erspart geblieben. Das konnte sich nun ändern.
Am Boden wurde der Staub und Schmutz der vielen Jahre vor einer Wand aufgewirbelt. In einem geschlossenen Raum geschah eine solche Verwirbelung nur, wenn hinter der vermeintlichen Wand ein Durchgang lag.
Michael lächelte. Die Ritter hatten die Kapelle zur Tarnung benutzt, um den Geheimgang zu verschleiern. Er klopfte dem armen Zwerg aufmuntert auf die Schulter. „Gut gemacht, Dova.“, lobte er ihn leise genug, um noch von ihm gehört zu werden.
Sie hatten einen Ausweg gefunden. Was jetzt noch fehlte, war der Mechanismus, um den Geheimgang zu öffnen. Während die Krieger am Eingang Stellung bezogen, schwärmten die anderen aus, um danach zu suchen. Da ihnen der Feind im Nacken saß, mussten Sie schnell fündig werden, andernfalls wurde der Blutzoll der Reise weiter erhöht, was natürlich keiner wollte.
Samuel strich über das Mauerwerk. Die Steine waren unterschiedlich. Zwischen ihnen hatte man Mörtel eingefügt. Sie hatten eine raue, teilweise kantige Oberfläche. Stein für Stein suchte er ab. Nichts. Genau wie alle anderen spürte Samuel den Druck. Die Kämpfe im Dschungel hatten ihm gezeigt dass die Realität rein gar nichts mit den romantischen Erzählungen von Schlachten gemeinsam hatte. In Wahrheit waren sie roh, brutal und teilweise ein reines Gemetzel. Er blickte zu seinem Freund. Ramon hatte seit vorhin, von der Bleiche verloren, die ihm ins Gesicht gestiegen war, als die Dschungelmenschen angegriffen hatten. Samuels Schuldgefühle ihm gegenüber kehrten dennoch zurück. Er hatte ihn da hineingezogen. Seine damaligen Vorstellungen waren genauso romantisch wie die alten Erzählungen über die Schlachten gewesen. Daran machten er seine Schuldgefühle fest, doch im Moment musste er sich auf andere Dinge konzentrieren.

***
Mit seiner Hand strich er über einen Stein. Dabei spürte Samuel Kerben. Anfangs machte er sich darüber keine weiteren Gedanken. Bis ihm die Sache merkwürdig vorkam. Er kehrte zur Stelle zurück, fuhr noch mal über den Stein und sah ihn sich genauer an. Die Kerbe besaß ein Muster. Nach und nach wurde ihm bewusst, worum es sich beim Muster handelte. Es hatte die Form eines Schwerts. An jedem anderen Ort hätte er sich dabei nichts gedacht. Hier hingegen, dem Ordenshaus der Ritter, war das anders. Der Stein unterschied sich nicht sehr von den anderen. Lediglich das Minischwertsymbol machte den Stein anders. Aus einem Bauchgefühl heraus drückte Samuel ihn. Als er sich nicht bewegte, verstärkte er den Druck. Beim dritten Versuch bewegte sich der Stein wenige Millimeter. Die aufkommende Erregung ließ seine Fingerkuppen kribbeln.
„Ich hab es gefunden.“, rief Samuel aufgeregt. Wie Dova machte er sich keine Gedanken über die Lautstärke. Erneut hallte das Gesagte in der Kapelle, wodurch es verstärkt wurde.
Nach einer kurzen Begutachtung, verstärkte Sirka den Druck auf den Stein. Nach kurzem Widerstand gab er nach und rastete ein. Knackend hob sich die Geheimtür auf. Eine kühle Böe wehte Ihnen entgegen. Mehrere Stufen führten hinab. Der Gang war breit genug, damit zwei Leute nebeneinander gehen konnten - wenn es nicht gerade zwei Orks waren.
Gerade als drei Krieger vorausgingen, um die Lage auszukundschaften, schrie einer der Zwerge. In seiner Brust steckte ein Speer. Sofort formierten sich die Krieger. Wie eine Welle brach ein Dutzend Dschungelmenschen in die Kammer ein. Mit der Entschlossenheit ihrem Feind, es mit gleicher Münze heimzuzahlen, stellten sich die Zwerge zusammen mit Erol, Sirka und Michael den Angreifern ein weiteres Mal entgegen.
Unterdessen trieb Wong, Sandja und Dova vor sich her in den Geheimgang. Ihnen folgten Baldami und Kronos mit ihren Schützlingen. Kronos hieb einem angreifenden Dschungelmenschen seine Axt wuchtig in die Seite hinein. So kam er auch noch zum kämpfen.
„Los.“, rief Michael Sirka und Erol zu.
Die Beiden lösten sich aus dem Kampf und nahmen Tanja mit. Michael tötete dabei einen der Angreifer, sah kurz zu ihr rüber. Plötzlich knarrte es und die Geheimtür senkte sich unaufhörlich. Nichtsdestotrotz wendete sich Michael dem Kampf zu. Seite an Seite mit den Kriegern kämpfte er gegen die Dschungelmenschen. Kaum war der letzte Dschugelmensch durch einen Axthieb gestorben, drang eine zweite Welle von ihnen in die Kapelle.
Michael blickte zu Paladin. In diesem Moment wussten beide, dass ihnen keine Wahl blieb. Sie mussten die Dschungelmenschen aufhalten, um zu verhindern, das sie Ihnen folgten. Die Geheimtür hatte sich bereits bis zur Hälfte gesenkt.
Paladin zog sich mit drei Kriegern bis zur Geheimtür zurück. Während sich Michael mit beiden Zwergen der zweiten Angriffswelle entgegenstellte.
„Michael!“, schrie Tanja. Er sah zu ihr. Der Blick zwischen ihnen sagte mehr als Tausend Worte. Ihr wurde klar, was er vorhatte. Sie wollte zu ihm, doch Sirka hielt sie fest. „Michael!“
Eine seltsame Leichtigkeit seiner Sinne überkam ihn. War das die Gewissheit, dass er sterben würde? Ohne noch weiter darüber nachzudenken, wandte sich Michael dem Feind zu. Er duckte sich unter dem Stock des nächsten Angreifers hinweg, machte eine Drehung und nutzte den Schwung für einen tödlichen Hieb mit dem Schwert. Ohne sich lange aufzuhalten, wendete Michael sich dem nächsten Dchungelmenschen zu.
Die beiden Krieger, die mit ihm kämpften, standen ihm in nichts nach. Sie töten ihre Gegner ebenso kompromisslos und machten keine Anstalten von seiner Seite zu weichen. Zusammen preschten die Drei vor, um dem Feind den Schwung zu nehmen. Sie hieben, schwangen und stachen.
Ein Krieger bekam eine gespikte Keule gegen den Kopf und war auf der Stelle Tod. Über den Erfolg konnte sich der Dschungelmensch für gerade mal eine Sekunde freuen, als Michael ihm eine abgebrochene Lanze in den Hals trieb. Sofort machte sich ein anderer Angreifer daran, dessen Tod zu rächen und stürzte sich auf Michael. Der Holzpflock bohrte sich in Michaels Bein. Den Sieg vor Augen wollte der Mann ihm einen zweiten Holzpflock in den Oberkörper treiben. Mit dem Schwert voran stürzte sich Michael trotzdem auf den Angreifer. Die Klinge glitt dem Mann durch den Bauch und kam im Rücken wieder heraus. Erschöpft sank Michael zu Boden. Er sah zurück und erhaschte einen letzten Blick auf Tanja, Sirka, Erol und Paladin.
Mit einem dumpfen Schlag schlug die Geheimtür zu.
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-Ende, Kapitel 23-
© by Alexander Döbber
 
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Kommentare  

Sehr spannend, wie immer. Michael und seine Freunde müssen hart gegen die Dschungelbewohner kämpfen und die Geheimtür schlägt plötzlich zu. Ein letzter Blick von Tanja folgt ihm.

Jochen (24.07.2010)

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