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4 Seiten

Tell You My Story - 7. Kapitel

Romane/Serien · Romantisches
Ich machte mich also auf, um meine gewohnte Strecke in der Gluthitze zu laufen. Es war alles andere als eine Wohltat, aber meine Neugier und meine Hoffnung war einfach zu groß, als dass ich kampflos aufgegeben hätte.
Tanita lief wenige Schritte hinter mir und beobachtete jede einzelne Person, die an uns vorbeilief.
„Na, schon was entdeckt?“ Als ich die kleine Brücke passierte, auf der ich das letzte Mal den großen Unbekannten getroffen hatte, drehte ich mich zu ihr um, damit sie meine Frage besser verstand und lief am rechte Wegrand rücklings weiter.
Und ich sah nur noch, wie Tanita das Gesicht verzog, bevor ich im nächsten Moment gegen etwas Hartes prallte und zu straucheln begann. Zwei kräftige Hände fassten mich an den Oberarmen und hinderten mich so am Umfallen.
Meine Gedanken wirbelten durcheinander und als ich einen kurzen Blick in Tanis Gesicht erhaschen konnte, war ich mir sicher. Der Unbekannte in meinem Leben stand hinter mir. Zweimal den gleichen Jungen über den Haufen rennen – das konnte auch nur mir passieren! Glücklicherweise…
Ich schloss die Augen und betete, dass er nicht so schnell verschwand, wie beim letzten Mal. Mir brannten so viele Fragen auf der Seele.
Doch meine Sorge schien unbegründet, denn er lockerte seinen Griff um meine Arme nur so weit, dass er mich mühelos zu sich umdrehen konnte.
Der Blick aus seinen azurblauen Augen traf mich völlig unerwartet und selbst, als ich erkannte, dass er der Junge mit dem Fahrrad war, brachte ich keinen Ton heraus, so überwältig war ich von der Intensität seines entwaffnenden Blickes.
In seinen Augen schien sich die geballte Kraft aller Ozeane vereint zu haben, so blau strahlten sie. Sein Blick hielt mich gefangen, so wie zuvor seine Hände es getan hatten.
Sein jähes Aufseufzen zerstörte diesen faszinierenden Augenblick und ließ mich aus den Tiefen seiner Augen auftauchen.
„Mia, Du bist eine wandelnde Katastrophe!“ Er sah auf mich herab, die Hände immer noch an meinen Armen.
So schnell konnte Faszination in Ärger umschlagen. Und ungefähr genauso schnell fand ich meine Sprache wieder.
„Sagt der, der mich mit dem Fahrrad umfährt!“ Ich wand mich aus seinem Griff und trat einen Schritt zurück.
Sein hübsches, ebenmäßiges Gesicht nahm einen zerknirschten Ausdruck an. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
„Richtig…das war ich… Tut mir auch furchtbar leid, aber ich hatte nur den Baseball im Blick, der auf Dich zugerauscht ist…“
Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Auch er suchte meinen Blick und fand ihn – und brachte mich zum zweiten Mall binnen weniger Minuten aus dem Konzept.
„Stop!“ Ich schnappte nach Luft und drehte mich um. Das war doch kein Zustand! Wie machte er das nur?
Gott sei Dank wurde ich durch meinen Positionswechsel daran erinnert, dass Tanita ja noch da war. Sie lehnte am Brückengeländer und betrachtete belustigt die kleine Szene, die wir ihr geraden geboten hatten. Ich verdrehte die Augen und Tanis Grinsen wurde noch breiter.
Als ich mich wieder etwas gefangen hatte, legte er mir zögernd von hinten die Hand auf die Schulter.
„Amelia?“
Ich wandte mich um. Da war er wieder, mein Name…
„Hör zu, ich muss los! Ich möchte unseren Zusammenstoß von heute Mittag gerne gutmachen. Was hältst Du davon, wenn wir uns treffen? Diesmal verabredet?“
Ich war zu perplex, um etwas anderes als „Ja“ zu antworten.
„Gut!“ Er lächelte, drehte sich um und lief davon.
„Und wann und wo?“, rief ich ihm hinterher, als ich wieder klarer denken konnte.
Er drehte sich noch mal zu mir um. „Such’s Dir aus! Ich werde Dich schon finden!“
Zum Abschied ließ er noch einmal ein Lächeln über sein Gesicht huschen. Seine blauen Augen blitzten…
Ungläubig starrte ich ihm hinterher, bis er hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden war.
„Sehr mysteriös…“, murmelte Tanita, die die wenigen Schritte zu mir aufgeschlossen hatte.
Ich stieß ein trockenes Lachen aus. Irgendwie fühlte ich mich leicht veralbert.
„Ich werde Dich schon finden!“, äffte ich ihn nach. „Meint er das ernst?“
Jetzt war es an Tanita zulachen. Das silberhelle Lachen schien gar nicht mehr verstummen zu wollen.
„Was ist denn mit Dir los?“ Ich runzelte die Stirn.
„Mia…“ Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Mia, tut mir leid, aber diese ganze Aktion ist einfach verrückt. Du hast ungefähr drei Verehrer plus x, nur zu einem hast du ein Gesicht. Der fährt Dich über den Haufen, hält es aber nicht für nötig, sich bei Dir zu entschuldigen. Außerdem ist er seit schätzungsweise heute auch noch auf unserem College. Und als wir, also eigentlich ja ehr Du, hier dann in ihn rein laufen, verabredet er sich mit Dir, ohne Ort und Zeit zu kennen. Findest Du das nicht ein bisschen seltsam?“
Ich seufzte. Tanita hatte die wunderbare Gabe das Chaos in meinem Leben in wenigen Sätzen auf den Punkt zu bringen.
„Doch, natürlich ist das seltsam!“, antwortete ich resigniert. „Und was noch schlimmer ist: ich weiß seinen Namen immer noch nicht!“ Wie ein trotziges Kind stampfte ich mit dem Fuß auf den Boden.
„Hast Du gerade mit dem Fuß gestampft?“ Tanita sah mich abermals belustigt an. „Und ich dachte, das gibt’s nur in Filmen…“
Ich verdrehte die Augen und hakte mich bei ihr unter.
„Komm, wir gehen. Ich brauche jetzt dringend Entspannung!“
Mein Leben war momentan einfach ein bisschen zu chaotisch…

Als die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fiel, hielt ich einen Moment inne, um zu lauschen. Ich atmete erleichtert aus. Zumindest gab es keinerlei Geräusche, die auf noch mehr Chaos schließen ließen.
„Liebe Familie, ich werde mich jetzt in mein Zimmer begeben und mich meinen Hausaufgaben widmen!“, verkündete ich dem leeren Flur und sprang dann, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
In meinem Zimmer war es angenehm kühl, eine Wohltat bei diesen Temperaturen. Erschöpft und in voller Joggingmontur ließ ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und kramte in meiner Schultasche nach meinen Spanischnotizen. Die heute mehr aus Strichmännchen und anderen künstlerischen Ergüssen bestanden, als aus einer geistreichen Mitschrift der Unterrichtsstunde. Wenn ich jetzt so drüber nachdachte, wäre es wahrscheinlich doch besser gewesen Mr Sawyers Ausführungen zu lauschen, da mein „Plan“ nicht mal im Entferntesten so gelaufen war, wie ich es mir gewünscht hätte. In meiner Vorstellung hatte ich mir alles so schön zu Recht gelegt. Wäre es nach mir gegangen, wäre ich Mr X im Park begegnet, er hätte sich (natürlich mit tiefstem Bedauern) für den Vorfall auf dem Campus entschuldigt und wir wären in einem glühenden Kuss versunken.
Soviel zur Theorie. Wenigstens entschuldigt hatte er sich in der Praxis…
Gelangweilt blätterte ich meinen Block durch, bis ich bei meinen „Notizen“ aus dem Spanisch-Kurs angekommen war. Ich nahm meinen Kuli und versuchte mein zusammenhangsloses Gekricksel ins Reine zu schreiben. Nach wenigen Worten stockte ich. Unter der Seite, auf der ich schrieb, lag etwas, was meinen Stift abrutschen ließ. Genervt blätterte ich um. Und entdeckte einen Brief. Adressiert an Amelia Wright. Geschrieben auf dem gleichen Büttenpapier. Meine Hände begannen zu zittern, als mir einfiel, wo ich den Brief gefunden hatte. Wie war der Absender an meinen Block gekommen? Ich hatte meine Tasche doch keine Minute aus den Augen gelassen!
Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Langsam wurde die ganze Geschichte echt unheimlich, wenn jemand so nahe an mich herankam und ich nichts davon bemerkte.
Auf einmal wollte ich nicht mehr allein in meinem Zimmer bleiben. Angewidert schmiss ich den cremefarbenen Umschlag samt geschwungener Handschrift auf mein Bett, war mit zwei Schritten bei der Tür und zog sie fest hinter mir zu.
Ich ließ mich gegen die Tür sinken und rutschte zu Boden. Irgendwie war der Tag zu viel gewesen. In meinem Hals bildete sich ein Kloß und die Tränen stiegen mir in die Augen.
Verärgert über mich selbst, schluckte ich heftig. Ich wollte nicht weinen, noch dazu hatte ich keinen Grund dafür!
Und doch legte ich den Kopf auf die angewinkelten Beine und ließ die Tränen laufen…
Nach einer Weile hatte ich mich wieder gefangen, stand auf und war meiner Zimmertür einen bösen Blick zu.
Erst jetzt merkte ich, dass ich einen riesigen Hunger hatte. Ein Blick auf die große Uhr im Flur verriet mir, dass ich seit mehr als sechs Stunden nichts mehr gegessen hatte. Ich dachte an Mums Pfannenkuchen und die vermutlich damit verbundene Beichte…
Ich seufzte. Essen musste ich schließlich mal. Und irgendwann würde ich auch alles über Mums letzte Nacht erfahren. Warum also nicht jetzt?
Wenn schon Chaos, dann richtig!
 
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Kommentare  

und immer wenn ich denke "ja, jetzt endlich!" da hört sie auf zu schreiben... *heul*
freu mich auf den nächsten Teil!


midnight (14.07.2010)

Und richtig hat sie es gemacht. Er begegnet ihr tatsächlich, doch er scheint mit ihr zu spielen. Wer ist er? Spannend das Ganze.

Petra (11.07.2010)

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