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17 Seiten

Ahrok - 12. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Zwölftes Kapitel: Die pinkelnde Sau

Drei Stunden nicht enden wollender Fußmarsch führten Ahrok weg von den breiten Handelsstraßen hinweg durch dunkle, verwinkelte Gassen in die weniger gut betuchten Gegenden von Märkteburg. Als sie die lange, steinerne Brücke über die Ilv hinter sich gelassen und das spärlich bewachte Tor zum nächsten Stadtteil durchquert hatten, war ein gänzlich anderes Märkteburg vor seinen Augen aufgetaucht.
Es gab hier keine Tempel, keine hübschen Anwesen oder Kaufmannsläden. Ein Großteil der Häuser hier war niedergebrannt, einige auch ohne helfendes Feuer in sich zusammengefallen, andere wurden mit Mühe und den unglaublichsten Materialien gerade noch so zusammengehalten. Manch einer hatte inmitten einer verfallenen Ruine eine Bretterbude erreichtet und kaum ein paar Schritt weiter erhoben sich efeuberankte, uralte Bauwerke wie einsame Wachtürme steinern aus der Asche der Umgebung. wochen- oder oft gar monatealter Müll bedeckte jeden Flecken. Das Meiste davon waren abgenagte Knochen, um die sich nur noch streunende Hunde stritten, aber auch ausrangierte Möbelstücke, zerfetzte Kleidungsreste und Tierkadaver konnte man an jeder Ecke finden.
Ahrok beachtete diese trostlose Gegend mittlerweile kaum noch. Er hing, wie so oft in der Gesellschaft des notorisch schweigsamen Zwerges, seinen eigenen Gedanken nach. Wenn Ragnar wirklich Recht behielt – und er zweifelte dieses Mal nicht im Geringsten daran, so war Märkteburg mit all seinen Einwohnern in beträchtlicher Gefahr. Er hatte am eigenen Leib erfahren, was für furchteinflößende Kämpfer diese Weißen waren und wenn die Stadtwache aus mehr Leuten wie Quod, André oder Hideki bestand - na dann gute Nacht.
Allein der Gedanke an diese Namen brachte weiteres Unbehagen mit sich. Nicht nur, dass die drei seinetwegen entweder tot oder verkrüppelt waren, er hatte auch noch den befehlshabenden Sergeanten der Kanalwacht erschlagen, was wiederum den Echsen erneut in die Hände spielte. Von den letzten, wenigen, guten Männern, die da unten für Recht und Ordnung sorgten, hatten sie vier auf dem Gewissen.
„Hey, wo schleppst du mich denn hin?“, wollte Ahrok nach über einer Stunde bedrückenden Schweigens wissen, um sich nicht länger mit seinen eigenen Gedanken beschäftigen zu müssen.
„Das hier ist das Armenviertel von Märkteburg“, erklärte der Zwerg unnötigerweise. „Hier wohnen der Abschaum, die Kranken und die Unglücklichen Seite an Seite. Niemand stellt hier unangenehme Fragen und die Stadtwache lässt sich hier nie blicken. Ich such nur noch eine Taverne.“
„Wie wär´s dann mit dieser hier?“, Ahrok wies auf ein dreckiges Schild, welches von einem zweigeschossigen Haus auf der anderen Straßenseite baumelte. Er hatte keine Lust jetzt noch weiter zu laufen.
„Für den Fall, dass es dir noch niemand erzählt hat - Niemand mag Klugscheißer“, murmelte Ragnar in seinen Bart. „Aber gut, warum nicht.“
Auf dem windschiefen Schild der Taverne stand in rosa Buchstaben der langsam abblätternde Schriftzug „Zur Pinkelnden Sau“.
Das Gebäude hatte ein steinernes Untergeschoss und ein zweites Stockwerk war etwas ungeschickt, aber zumindest ambitioniert mit festen Bohlen darauf erbaut worden. Es erhob sich damit ein kleines Stück über die anderen Häuser der Gegend, sah aber ansonsten genauso heruntergekommen und verwahrlost aus. Zumindest enthielten die Fenster noch alle Gläser und eine schwere Eichentür, welche etliche Flecken, Scharten und Kratzer besaß, stand bereits einladend offen.
Als sie den Schankraum betraten, stellte er fest, dass es Innen auch nicht viel anders aussah als in den anderen Kneipen, die er bislang kennen gelernt hatte. Drei lange Tische standen an der einen Wand und zwischen ihnen ebenso lange Bankreihen. Auf der anderen Seite gab es fünf kleinere Tische, auf denen jeweils vier statisch sehr fragwürdige Stühle umgedreht ruhten. Der Gang in der Mitte war ungewöhnlich breit und hinten an der Wand zog sich neben einem großen Kamin eine Treppe in die nächsthöhere Etage.
In einer kleinen, abgeschotteten Ecke auf der anderen Seite der Treppe wischte eine ansehnliche, junge Elfe den Boden und ein einäugiger Mann stand ein paar Schritt vor ihnen hinter dem Tresen. Er putzte gerade einige vor ihm aufgereihte Krüge mit dem Zipfel seiner Schürze und taxierte dabei die zwei Krieger, die sich seine Taverne besahen.
„Willkommen in meiner süßen, pinkelnden Sau. Habt ihr Silber, dann hab ich Bier.“ Er stellte den Zinnkrug beiseite, wischte sich die Hände an der Schürze ab und lud sein ein, an der Theke Platz zu nehmen. „Ihr Jungs seht so aus, als kämt ihr nicht von hier… und als hättet ihr Schwierigkeiten. Lasst also euren Ärger vor der Tür und nennt mich Hans. Was kann ich denn für euch tun?“
Ahrok betrachtete den Kerl vor sich. Er wohl in etwa so alt wie sein Vater, also grob geschätzt um die vierzig Jahre. Das dunkle Haar war gelockt und kurz geschnitten. Eine beinahe weiße Schürze umspannte den leichten Bierbauch, der ihn als einen Liebhaber der eigenen Ware auszeichnete. Nicht, dass Hans fett war, oh nein, der Kerl hatte drahtige Unterarme und ein schmales Gesicht, aber der kleine Bauch zeugte davon, dass es ihm schon eine ganze Weile lang recht gut ging. Die braun gebrannte Haut zeigte viele Tätowierungen unter anderem auch das Symbol der königlichen Soldaten. Ahrok wusste davon, weil er sich in seinen Geschichten um den sagenumwobenen Ritter Ahrok oftmals dieses Zeichen mit Dreck oder Beerensaft auf die Kleider gemalt hatte – sehr zum Missfallen seines Vaters. Und dieser ehemalige Soldat, der ihn seltsamerweise immer mehr an seinen Vater erinnerte, blickte nun aus seinem gesunden linken Auge auf ihn herab, während sein Rechtes von einer schwarzen Klappe verdeckt wurde.
Hinter dem Wirt befand sich ein großes Regal in dem zwölf Fässer in ihren Halterungen lagen. Je höher seine Position im Regal, umso kleiner das Fass und wohl umso hochprozentiger sein Inhalt. Verdursten würden sie hier also sicher nicht.
„Bring uns...“
„Bier!“, unterbrach ihn Ragnar wohl aus Furcht vor Ahroks Gelüsten und ließ dabei den Geldbeutel des Sergeanten auf den Tresen fallen.
„Ähm, ja, ein paar Bier für meinen Freund und einen Krug Milch für mich dann. Dankeschön.“
Hans nickte ihm zur Bestätigung kurz zu und während sie auf ihre Getränke wartete, Ahrok interessiert die Elfe, wie sie in ihrem engen Kleid den Boden wischte. Ihr langes schwarzes Haar hing offen über den Rücken und die grazilen Körperkonturen zeichneten sich nur zu genau unter ihrem Kleid ab. Vielleicht sollte er seine von Ragnar doch recht negativ beeinflusste Haltung gegenüber Elfen noch einmal überdenken.
„´N hübsches Mädchen die kleine Kira“, zwinkerte Hans ihm zu.
„Wie? Was? Äh... ja. Hübsch, keine Frage“, räusperte sich Ahrok verlegen und wandte sich sofort in eine andere Richtung.
Ragnar verdrehte nur die Augen und die Elfe lachte amüsiert.
Hans reichte dem Valr zwei randvolle Krüge und Ahrok die bestellte Milch.
„Trink nicht so schnell, Jungchen. Wir haben nicht mehr so viel Milch. Und wenn sich die Lage hier nicht bessert, dann wird auch so schnell kein Nachschub mehr kommen.“
Ragnar nahm einen tiefen Zug und stellte den Krug mit einem überraschten Gesichtsausdruck zurück auf den Tresen. „Bei den Sackhaaren der Götter, das ist ja gutes Steinberger Bräu, Menschling. Ich bin beeindruckt. Wo hast du das her?“
Hans lachte herzlich. Es war ein ehrliches, lautes Lachen. „Ich hab da so meine Quellen, alte Beziehungen sind eben alles.“
Zufrieden trank Ragnar weiter und schien jeden einzelnen Schluck explizit zu genießen.
„Du bist ein Mensch nach meinem Geschmack, Hans. Es war eine gute Idee von mir, hier hereinzuschauen.“
„He, Wirt! Hast du nicht eine Anstellung für zwei kräftige Männer frei? Wir haben gerade unseren Arbeitgeber verloren und wissen noch nicht wohin.“ Ahrok nippte zwischen den Worten vorsichtig seine Milchschale. Ziegenmilch. Na ja, das war zumindest besser als alles andere, was er in den letzten Tagen getrunken hatte. „Na, wie sieht´s aus? Du brauchst doch bestimmt ein paar kompetente Rausschmeißer, das ist hier doch sicher ´ne gefährliche Gegend.“
Der alte Wirt begutachtete erst den Valr und dann Ahrok, der mit blutiger Hose, freiem Oberkörper und Bauchverband auf dem Hocker saß und ihn erwartungsvoll anlächelte. Er grübelte eine Weile, dann winkte er jedoch ab.
„Tut mir leid, Jungs, aber ich hab schon vier kräftige Burschen, die hier für Ruhe sorgen und brauche keine weiteren. Außerdem... seht ihr zwei nach genau dem Ärger aus, den ich hier nicht haben will. Nehmt´s mir nicht übel.“
„Hm, Schade.“
Die Vorfreude wich aus Ahroks Gesicht. Ragnar indes stierte nur wortlos in sein Bier. Ein Gedanke schien in seinem Kopf gerade feste Formen anzunehmen.
„Ich mach dir ein Angebot, dass dir die Eier auf Schädelgröße anschwellen lässt, Menschling“, tönte der Zwerg dann auf einmal von seinem Stuhl.
Hans sah den Valr nicht einmal an, sondern widmete sich wieder seinen Krügen.
„Danke, ich bin ganz zufrieden mit meinen Eiern, aber was soll das denn für ein grandioses Angebot sein?“, fragte er höflich nach, ohne dabei jedoch das geringste Interesse zu zeigen.
Ragnar grinste.
„Also wir beide, ich und der Junge hier, wir ersetzen deine vier bestehenden Rausschmeißer. Ganz einfach. Du, mein lieber Wirt, zahlst also nur noch die Hälfte für den Schutz deines Eigentums, gibst freie Kost und Logis nur noch an halb so viele Männer aus und wir haben unsere Arbeit. Alle sind zufrieden.“
„Alle? Ha, ich glaube meine Leute sind da nicht so mir nichts dir nichts mit zufrieden. Sie werden nicht einfach so den Platz für euch räumen. Das ist euch zwei Dummbeuteln doch wohl klar. Außerdem erhält hier niemand freie Kost und Logis und zu guter Letzt… ich glaub kaum, dass ihr zwei Wichtigtuer mir vier gute Männer ersetzen könnt“, erwiderte der Wirt immer noch wenig begeistert.
„Wir können dir sogar acht ersetzen, wenn es nötig sein sollte“, feilschte Ragnar großspurig.
„Könnt ihr?“
„Können wir.“
„Natürlich können wir“, stieg nun auch Ahrok, vom Enthusiasmus des Zwerges angesteckt, in die Verhandlungen ein.
Nachdenklich kratzte sich Hans am Kinn und warf einen fragenden Blick zu Kira, diese zuckte nur mit den Achseln und musterte ihrerseits die beiden Krieger interessiert.
„Hol mir Sandra her, ich hab eine Aufgabe für sie“, rief er der Elfe zu. „Wenn ich es mir recht überlege, dann klingt das nach einem Angebot, das man überdenken sollte. Und weil ich so ein großzügiger Mann bin, werden wir das gern heute Abend entscheiden.“
Sandra, Sandra ... woher kam ihm dieser Name nur so bekannt vor?
„Na, wenn das nicht der junge Draufgänger Ahrok ist.“ Eine junge Frau, im selben Stil gekleidet wie die Elfe, kam beschwingten Schrittes die hölzerne Treppe herunter. „Na, mein stolzer Hengst, war ich dir für einen Abschiedskuss nicht gut genug? Was führt dich denn hierher?“
Ihre braunen Augen zogen Ahrok völlig in ihren Bann.
„Du kennst die zwei?“, fragte Hans überrascht.
„Ich hab ihn mal getroffen, als ich vor ein paar Wochen in der ´Bleichen Kröte´ ausgeholfen habe. Sag bloß, du hältst es immer noch mit dem Zwerg da aus?“
Ahrok hing an ihren Lippen und bewunderte sprachlos, wie ihre Haare bei jeder Bewegung um die Schultern fielen.
„Nun, das ist ja auch egal. Also, Sandra, hör zu. Ich möchte, dass du für mich ein Plakat anfertigen lässt. Geh die Straße runter zu Vernan dem Zeichner. So zwei mal drei Ellen sollte es messen. Heute Abend findet hier nämlich ein Wettkampf statt. Ein großes Ding. Es gibt Herausforderer für den Posten der Rausschmeißer. Ein Kampf. Ein Gemetzel. Eine Schlacht! Vier gegen zwei.“ Hans malte ein großes Bild in die Luft und lächelte fasziniert. „Es werden Wetten angenommen. Der Eintritt kostet ein Kupferstück. Ja...“
„Wie bitte, Hans? Wer ist denn so verrückt sich mit Cedrik und...? Doch nicht diese beiden?“, Sandra zeigte mit ihrem Daumen auf die beiden Krieger. Hans nickte nur und lächelte verträumt.
Mitleidig sah ihn das junge Mädchen an. „Och, starker Ahrok, du... Du hast doch so ein hübsches Gesicht. Warum willst du es dir mit aller Macht umgestalten lassen?“
Kopfschüttelnd und demonstrativ traurig verließ sie den Schankraum, um Hans´ Auftrag zu erfüllen.
Ahroks leuchtende Augen hingen jedoch nur an ihren schwingenden Hüften und den langen Beinen.
„Was soll das denn nun werden?“, fragte Ahrok nach, als Sandra aus seinem Blickfeld verschwunden war.
„Ganz einfach“, lachte Hans. „Dein Freund hier hat gesagt, dass ihr besser seid als meine vier Mannen. Heute Abend habt ihr die Chance, es vor Publikum zu beweisen. Wenn ihr tatsächlich erfolgreich seien solltet, dann seid ihr dabei.“

Den Rest des Tages hielten sie sich gänzlich in der Kneipe auf, hauptsächlich um eventuellen Suchtrupps der Stadtwächter aus dem Weg zu gehen. Die würden den Mord an dem Sergeanten sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Während Ragnar in der Zeit fleißig dem Bier zusprach und damit wohl die Reste ihres Solds versoff, verbrachte Ahrok die meiste Zeit in Begleitung der drei Schankmädchen des Lokals – Sandra, Kira und Ellen. Zwischen den hübschen, jungen Frauen fühlte er sich pudelwohl und ihre Gesellschaft half ihm zumindest etwas über das mulmige Gefühl hinweg, welches sich in seiner Magengegend eingenistet hatte. Denn heute war er zum ersten Mal richtig aufgeregt vor einem Kampf.
Es lag nicht daran, dass die Gegner womöglich außergewöhnlich stark waren, sondern weil er plötzlich so viele Zuschauer hatte. Heute Vormittag in der Kanalisation, da hatte es nur ihn und den Gegner gegeben, aber hier beobachteten fünfzig Augenpaare jede seiner Bewegungen, analysierten und belächelten jeden Fehler. Was, wenn er vor allen Augen unterlag, einige peinliche Treffer einstecken musste oder sonst eine dumme Figur machte?
Die vier amtierenden Rausschmeißer der Schänke verhielten sich wie tollwütige Hunde, seit sie von dem heutigen Wettkampf erfahren hatten. Sie stritten ohne Unterlass lautstark mit Hans und warfen ihren Herausforderern vernichtende Blicke und wütende Beschimpfungen zu. Dass jedoch weder er noch Ragnar ihnen für ein Streitgespräch parat standen, machte sie ganz offensichtlich nur noch wütender.
Es war schon weit nach Sonnenuntergang, die „Pinkelnde Sau“ barst aus allen Nähten und selbst die Straße vor Tür und Fenster war mit Schaulustigen bespickt, als Hans freudestrahlend auf die Theke sprang und seine Stimme erhob.
„Ruhe bitte. Seid doch mal kurz ruhig.“
Alle Augen im Raum richteten sich auf den Wirt. Würde jetzt endlich der Kampf beginnen, auf den sie alle gewartet hatten, oder pries der alte Schankwirt nur wieder sein Bier an?
„Werte Gäste! Liebe Herren und verehrte Damen. Der Zeitpunkt, auf den wir alle so lange gewartet haben, ist nun endlich gekommen! Willkommen zum Gasthaus Gemetzel!“ Lautstarkes Gejohle begleitete seine Worte. „Der Kampf der Giganten wird in Kürze beginnen. Lange haben wir überlegt, wie wir diese Schlacht austragen wollen. Ich habe mich dagegen entschieden, sie wie die Tiere auf einander loszulassen, ganz einfach weil es dann zu schnell vorbei wäre. Wir machen es stattdessen so, wie es schon eure Väter hier in Märkteburg geregelt haben. Es kämpfen immer zwei Männer ohne ihre Waffen gegeneinander und zwar solange bis niemand mehr steht.
Ihr da in der ersten Reihe bereitet euch darauf vor, in Blut zu baden, denn der Siegespreis dieses Kampfes ist die Stelle hier als Rausschmeißer, als Wächter, als Ritter der Taverne zur ´Pinkelnden Sau´. Und hier unsere Champions ihr kennt sie, ihr liebt sie… na ja, vielleicht liebt ihr sie nicht, aber ihr kennt sie auf jeden Fall. Marek!“
Ein blonder Zwerg mit einem selbst für Zwerge beträchtlichen Bauchumfang beschenkte erst Hans mit einem bösen Blick, dann schwang er sein verfilztes Haupthaar hin und her und stierte die beiden Herausforderer aufgebracht an. Die Menge belohnte diese Aktion mit einem derben Applaus.
„Bulk!“
Ein muskelbepackter Kerl mit einem herabhängenden Augenlid ließ ein böses Knurren erklingen. Viele der Gäste klatschten.
„Marcus.“
Der schlanke Elf stieß sich von der Wand ab, warf den Frauen im Raum Handküsse zu und verneigte sich tief zu den Klängen hysterischer Schreie aus dutzenden Frauenkehlen.
„Und zu guter Letzt - Cedrik!“
Hans zeigte auf einen massiven Troll, dessen gewaltigen Hauer vor Mordlust zu blitzen schienen und welcher allen Anwesenden nur ein böses Knurren schenkte.
Die ganze Kneipe grölte so laut und ausdauernd, dass es einem in den Ohren weh tat.
„Schlag sie tot, Cedrik“, erklang es nicht nur einmal aus der Menge.
„Und hier“, Hans wies auf die andere Seite des Tresens, „die tollkühnen Herausforderer. Abenteurer, deren Weg sie heute hier zu uns nach Märkteburg geführt hat. Ragnar und Ahrok!“
Ragnar dachte nicht im Traum daran, auch nur für einen Moment den Bierkrug abzusetzen und der Menge zuzuwinken. Ahrok indes spannte die Muskeln an und tänzelte etwas umher.
„Ja, zeigt´s ihnen!“, rief jemand einsam in der Menge.
„Oh ja, Ahrok“, erhoben sich dann doch noch vereinzelte Frauenstimmen schüchtern aus der Stille.
Verlegen kratzte sich jener am Kopf, als er spürte, wie ihm das Blut in die Ohren stieg.
„So, Leute! Das sind die Kämpfer! Es wird nun Zeit für eure Wetten. Seht euch die beiden doch nur an. Diese Muskeln, diese athletische Statur und hier steht auch noch ein Valr. Muss ich wirklich noch mehr sagen? Ein Valr! Hier bei uns in der ´Pinkelnden Sau´. Aber bedenkt - sie haben vier kampferprobte Gegner gegen sich, die schon so manche Fresse poliert haben. Können sie tatsächlich gegen alle vier bestehen, so wie sie es behaupten? Ist es überhaupt möglich, dass diese beiden Kampfmaschinen die Schlacht gegen meine vier Recken aus Stahl überleben können? Wettet großzügig, liebe Leute! Trinkt fleißig und wettet großzügig! Die Mädchen nehmen ab sofort die Einsätze entgegen.“
Die nächsten zehn Minuten schritten die drei Schankmädchen durch den Raum und kassierten das Silber der johlenden Gäste. Ahrok wurde mit jeder Minute, die verstrich, immer nervöser. Sein Herzschlag beschleunigte sich und die ehemals unerschütterliche Zuversicht vom frühen Nachmittag wurde von einer leichten Übelkeit abgelöst.
„Meinst du das schaffen wir wirklich?“, flüsterte er leise.

„So, das war´s. Die Wetteinsätze sind platziert“, rief Hans. „Der erste Kampf des Abends kann beginnen! Und nun, werte Leute, sagt mir… Wer soll als Erster kämpfen?!“
„Cedrik, mach sie kalt!“, hallte es von ganz hinten durch den Raum.
„Ja! Cedrik! Cedrik! Cedrik!“, immer mehr Leute fielen in den Sprachchor ein.
Bedächtig erhob sich der riesige Troll vom Boden und streckte sich zu seiner ganzen Größe. Ahrok hätte sich bequem zweimal hinter dem Rücken des Riesen verstecken können. Dieser Troll ließ seinen Blick durch den Schankraum schweifen und schnaubte nur verächtlich. Als seine Augen Ahrok und Ragnar trafen, verengten sie sich zu schmalen Schlitzen und er fuhr mit seinem Daumen die Kehle entlang.
Ragnar schwang sich von seinem Hocker.
„Den überlass mal mir. So wie der hier rumspringt, muss ich ihn mal zurechtstutzen.“
Der Riese funkelte den Valr mit einer Mischung aus Abscheu und unverhohlenem Hass an.
„So, kleiner Wicht, du willst dich also mit mir messen? Mach dich nicht lächerlich. Ich hab schon Mücken zerquetscht, die größer waren als du.“
„Und jetzt kann ich ihn auch schon nicht mehr leiden“, knurrte Ragnar, stellte das Bier ab und näherte sich dem Hünen.
Als sich die beiden gegenüberstanden, wurde Ahrok der Größenunterschied erst richtig bewusst. Der Zwerg reichte seinem Gegner gerade einmal bis an den Oberschenkel. Es war ihm unverständlich, wie Ragnars Hose in dieser Situation trocken bleiben konnte.
Der Troll senkte seinen Blick. Mit unverblümter Verachtung musterte er den kleinen Mann zu seinen Füßen.
„Es wird schnell vorbei sein, Zwerg. Du hättest meine Schänke nicht betreten sollen.“
Ragnar spuckte aus und legte den Kopf in den Nacken, um dem Riesen in die Augen zu starren.
„Ein Zwerg gegen einen Troll! Werte Gäste so einen Kampf sieht man nicht alle Tage. Ihr seid wahrlich von den Göttern gesegnet worden, als ihr meine Schänke betratet und nun! Ohne weitere Umschweife! Kämpft!“, kommandierte Hans.
„Ich hoffe du hast den Tag bis hierher genossen, denn jetzt zermalme ich dich“, drohte der Troll und hob die Faust.
„Na dann, komm schon.“
Ragnar streckte ihm herausfordernd das Kinn entgegen.
„Meine Stelle bekommst du nicht!“, schnitt die Stimme des Trolls durch die aufgeheizte Stimmung.
Dann schlug er zu.
„Ausweichen! Ausweichen!“, schrie Ahrok, aber da war es schon zu spät. Wie ein Hammerschlag traf die riesige Faust Ragnars Schädel, schickte Speichel und Blut in die vordersten Reihen.
Bewunderndes Raunen huschte durch den Schankraum.
Bei allen Göttern, was machte der dämliche Zwerg da bloß?! Ahrok konnte gar nicht hinsehen, der Troll konnte mit diesen Armen leichtfertig Steine zertrümmern. Was war bloß in den Zwerg gefahren? Man sollte doch glauben, dass Ragnar es bei seiner Größe ohnehin nicht so schwer hatte, sich unter etwas hinweg zu ducken.
Der Valr war nach dem Treffer leicht in die Knie gegangen und streckte sich nun wieder.
In der Taverne war es so still, dass man ein Kupferstück hätte fallen hören können.
Spöttisch grinsend hob Ragnar den Kopf wieder und strich sich mit der Linken über die aufgeplatzte Schläfe. Das Blut an seinen Fingern schien ihn gar nicht zu verunsichern.
„Ist das alles?“, er schmierte das Blut in seine Haare und knackte mit den Fingerknöcheln.
Verdutzt starrte der Troll auf den Zwerg, dieser stand immer noch so da, wie zuvor. Würde seine Hand nicht so schmerzen, so hätte er geschworen, dass er den Zwerg verfehlt hatte.
Ahrok fiel die Schale mit dem letzten Rest Milch aus der Hand. Seine Augen weiteten sich und der offenstehende Munde verzog sich zu einem breiten Grinsen.
„Ja. Ja!“, brüllte er euphorisch.
Die anderen Gäste fielen in seine Rufe mit ein. Innerhalb eines Augenzwinkerns war die ganze Taverne völlig aus dem Häuschen. Männer und Frauen schrien sich gleichermaßen die Kehle aus dem Leib.
„So, jetzt bin ich dran“, grinste der Zwerg herausfordernd.
„Das kannst du aber vergessen, du abgebrochener Riese.“
Sogleich schlug der Troll erneut zu. Aber dieses Mal blieb der Valr nicht regungslos stehen, sondern tauchte durch die Beine des gigantischen Kerls hindurch. Während Cedrik durch den eigenen Schwung nach vorn taumelte, wechselte Ragnar ruckartig die Richtung und rammte ihm wuchtig die Schulter in die Kniekehle. Mit einem überraschten Schrei fiel der Riese vornüber auf einen der überfüllten Tische. Hans´ Kunden dort hasteten zum Glück noch alle rechtzeitig beiseite.
Ragnar schwang sich auf den Rücken des völlig überrumpelten Trolls und hämmerte seine Faust auf dessen gehörnten Schädel. Die Kraft des Schlages trieb den Kopf durch das schwere Holz des Tisches. Bier, Blut und Stücke von Zähnen flogen durch den Raum und die Menge belohnte diese Aktion mit ausgelassenem Jubel.
Ahrok wurde völlig von der Kampfstimmung mitgerissen.
„Ja, Ragnar! Weiter so. Hau ihn!“
„Komm hoch, Cedrik!“, riefen diesem einige Gäste zu. „Er ist hinter dir. Hinter dir!“
Schwankend wie ein volltrunkener Zwerg erhob sich der Troll aus den Splittern. Er atmete schwer und musste sich auf einem der Stühle abstützen, um sein Gleichgewicht zu halten.
Der Valr war derweil umständlich auf einen anderen Tisch geklettert, auf dem er nun in aller Ruhe wartete. Unsicher taumelnd suchte Cedrik seinen Gegner in der Menge und als er sich Richtung des Valrs wandte, sprang dieser auf ihn zu.
Die Faust des fliegenden Zwerges traf das Kinn des Riesen und dieser fiel wie ein nasser Sack auf der Stelle zusammen, ohne sich noch einmal zu regen.
„Komm hoch! Steh auf, Cedrik!“
Das Gebrüll der Menge wollte kein Ende nehmen. Jubel, Schimpfworte und Lobgesänge hallten durch den Schankraum. Hans überschlug hastig, wie viel seiner Einrichtung an diesem Abend noch zu Bruch gehen konnte, bevor die Kosten seinen Umsatz übertrafen. Ein zufriedenes Grinsen zeigte allen Anwesenden, dass heute noch so mancher Tisch mit dem Segen des Schankwirtes sein frühes Ende finden konnte.
„Ja, Ragnar! Sauber gekämpft“, begrüßte ihn Ahrok.
Der Zwerg schob sich an ihm vorbei. „Ich muss meine Haare neu flechten.“
„Äh, ja, aber... Was?“ Ahrok stutzte. „Da sind aber noch ein paar Kerle, die darauf warten verhauen zu werden.“
„Ja… und? Dann wirst du das halt erledigen. Hast doch gesehen, dass das Ganze halb so schwer ist.“
„Aber da sind immer noch drei…“
„Hey, Kleine, komm mal her und guck dir das hier mal an. Siehst du die zwei Reihen hier? Die müssen so geflochten werden, wie auch die anderen. Meinst du, du kriegst das hin?“
„Ähm… ja klar. Denke schon“, antwortete Ellen zaghaft.
„Fein, dann mach das mal.“
„Ragnar?“
Der Zwerg ignorierte ihn weiterhin.
„Was für ein Kampf! Was für ein Kampf!!! Habt ihr das gesehen Leute? Er flog durch die Luft und Wämms! Der mächtige Cedrik wurde einfach so gefällt, mit einem einzigen Schlag! Doch es ist noch lange nicht vorbei, denn nun… nun steht ein anderer Herausforderer unserem Marek gegenüber, wer nun noch eine weitere Wette über dieses zweite Gefecht abschließen möchte, der hat jetzt die Zeit dazu!“, rief Hans in den Raum.
Wieder schlenderten die Mädchen durch die Reihen und versorgten die grölenden Zuschauer mit frischem Bier.
„Hey, Ahrok! Ich hab unser gesamtes Geld auf dich gewettet. Versau das jetzt ja nicht“, hörte Ahrok die Stimme des Valr in der Menge.
„So´n Junge wie du will mir also meine Arbeit wegnehmen.“ Marek spuckte einen dicken Brocken Kautabak auf den Boden. „Komm schon, Langbein, jetzt tanzen wir mal ´ne Runde.“
„Werte Kämpfer. Die zweite Schlacht soll beginnen! Also gebt alles!“, lärmte Hans.
„Achtung, jetzt kommt der Ahrok Spezial Angriff!“, warnte er den Zwerg.
Er täuschte einen Schlag an und trat dann zu. Ohne dass Marek eine Chance gehabt hätte, auszuweichen, traf Ahroks Fuß das beste Stück des Zwerges und das war in diesem Fall nicht sein Bart. Seit er den Weißen damit besiegt hatte, war Ahrok von dieser Technik einfach begeistert. Ein weiterer Tritt schleuderte den Zwerg in die Zuschauermengen hinein.
Herrlich! So fühlte es sich also an als Sieger. Fröhlich badete Ahrok im Jubel der Gäste und übersah, wie sein Gegner wieder auf ihn drauf zu rannte. Der Schädel des Zwerges traf seine Nieren und riss Ahrok mit zu Boden. Mit Sternen vor den Augen wunderte er sich noch kurz, wie viel diese Zwerge doch einstecken können. Ohne ihm auch nur einen Moment zur Besinnung zu lassen, warf sich der Zwerg auf ihn und begann mit seinen großen Fäusten auf ihn einzudreschen.
Erst nachdem er einige schmerzhafte Treffer hatte einstecken müssen, gelang es Ahrok, den kleinen Mann von sich zu werfen und aufzuspringen. Marek schlug mit seinem Dickschädel gegen den Tresen und hielt sich den Kopf.
Der Zwerg kam nicht schnell genug hoch, um sich zu verteidigen.
„Die Sau...“
Ahroks rechter Stiefel erwischte den Zwerg an der Schläfe und hämmerte dessen Schädel erneut gegen die Thekenwand.
„... ist zu klein für uns beide.“
Aus der Drehung heraus packte er den benommenen Zwerg an seiner Weste, hob nach oben und verpasste diesem einen kräftigen Kopfstoß.
„Verschwinde!“, mit einer weiteren rasanten Drehung schleuderte er den Zwerg durch das Fenster hinaus auf die Straße.
Zufrieden nickte Ahrok und rieb sich die schmerzenden Muskeln. Nicht nur, dass er den Zwerg besiegt hatte, er hatte auch noch einen heldenhaften Spruch losgelassen, so wie es echte Helden nun einmal taten. Einen kurzen Moment lehnte er sich benommen an den Tresen. Den Kopfstoß gegen den steinharten Schädel des Zwerges hätte er lieber unterlassen.
Das Blut, welches seine Stirn herunterlief kam sicher nicht von den Schlägen seines Gegners.
„Der Kampf ist vorbei!“, rief Hans nachdem Marek einige Momente später noch immer nicht zur Tür hineingekommen war. „Und der Sieger ist Ahrok, die Bestie aus dem Umland!“
Er schloss die Augen, hob die Arme und genoss den Jubel.
Noch nie hatte ihn jemand bei seinen Siegen bejubelt. Kritisiert, ja. Seinen Kampfeswillen und seine Technik bemängelt – das auch, aber bejubelt noch nie. Es war herrlich. Es war jeden Schmerz und jeden vergossenen Blutstropfen wert. Die Hochrufe nahmen kein Ende und er badete in ihnen, wie in warmer Milch.
Zwischen all den Stimmen, war er sich sicher, auch Sandras süße Worte zu vernehmen, die ihm etwas liebevoll Aufmunterndes zuriefen. Ja, die Frauen mochten die Sieger. Wenn man aus Märchen und Legenden eines Lernen konnte, dann das.
Er öffnete die Augen und sah sich um.
So viele Leute und alle riefen sie seinen Namen.
„Wer ist der Nächste? Wer? Kommt schon, sagt´s mir. Wem soll ich als nächstes den Arsch aufreißen.“
„Darf ich, Marcus?“, fragte der breitschultrige Mann namens Bulk.
„Na gut, aber sei vorsichtig, Bulk. Du hast gesehen, wie der mit unserem Kleinen umgesprungen ist.“
„Anfängerglück“, brummte dieser. „Mit mir hat der nicht ein so leichtes Spiel, klar?“
„Bulk?“
„Hm?“, er drehte sich dem Elfen erneut zu.
„Geh auf seine angeschlagenen Nieren und ziel auf den Verband. Wir haben hier keine Zeit für ehrenhafte Mätzchen.“
Ahrok hörte das gar nicht. Er beobachtete misstrauisch, wie Ragnar, der sich von einer kichernden Ellen die Haare machen ließ, sich jetzt auch noch mit Sandra unterhielt. Was wollte der grobschlächtige Zwerg bloß von ihr? Machte der sich etwa hinter seinem Rücken an die Frau ran?
„Sieh nach vorn, Ahrok“, rief der ihm jetzt auch noch zu.
Ganz bestimmt führte der Zwerg etwas im Schilde. Ahrok drehte sich weg, um nicht mit ansehen zu müssen, wie Ragnar mit seinem Mädchen schäkerte. So einer war das also.
Der nächste Gegner begann sich warm zu machen, mit Fingern und Hals zu knacken und Schattenboxen zu veranstalten. Dann entblößte er seinen Oberkörper und zeigte seine durchtrainierte, haarige Brust.
Verdammter Zwerg. Sandra war viel zu hübsch für ihn. Außerdem hatte sie Ahrok zuerst gesehen.
„Ouh, ouh, ouh, liebe Leute, es ist wirklich knapp. Der Valr ist verletzt und auch der Junge musste ebenfalls ein paar harte Treffer einstecken, aber auch zwei meiner Recken sind geschlagen. Eine Vorhersage des nächsten Kampfes scheint wahrlich unmöglich! Trinken Sie noch eine Pinte oder zwei und wetten Sie großzügig, meine werten Gäste, denn dies hier wird der größte Abend ihres Lebens. Kämpfer, kommt her zu mir!“
Hans wurde dadurch unterbrochen, dass in eben diesem Moment Marek wieder in die Kneipe hineintorkelte. Der Zwerg wurde von allgemeinem Jubel begrüßt. Einige der Gäste halfen ihm wieder gänzlich auf die Beine und fischten letzte Glassplitter aus seinem Bart.
„Gut, also… wo waren wir? Einen großen Applaus für unsere beiden Kontrahenten, bitte! Und jetzt, ohne weitere Verzögerung – Schlagt euch die Fresse ein!“
Ohne auch nur einen Augenblick zu verlieren sprang Ahrok in die Luft. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass der Mann gerade etwas sagen wollte, doch dann begegnete sein Hacken auch schon dem Jochbein seines Gegners. Die Wucht des Treffers war gewaltig und nach einer wunderschönen Pirouette lag Bulk flach auf dem Boden.
Das Geschrei der Menge war Musik in Ahroks Ohren.
„Polier ihm die Fresse!“
„Los, tritt ihn! Tritt ihn!“
Er ließ dem Mann einen Moment Ruhe und sonnte sich in den Lobgesängen.
Grimmig erhob sich sein Gegner wieder und griff an. Ahrok duckte sich unter dem Schlag hindurch und landete einen Leberhaken. Keuchend sank Bulk in die Knie. Ahrok hielt sich erneut zurück und wartete. Es gab hier keinen Grund zur Eile – der Mann war ihm nicht einmal im Traum gewachsen.
Auch der nächste Angriff von Bulk verfehlte den tänzelnden Krieger und Ahroks Faust traf dafür die kurze Rippe seines Gegners.
Den nachgesetzten, unvorsichtigen Schwinger seines Gegners fing Ahrok mit der Linken ab und trat ihm dreimal kräftig gegen die Rippen. Erneut fiel der Mann auf alle Viere und hielt sich die Seite. „Ich... gebe auf. Bitte ... nicht mehr schlagen...“
„Ja–hahahaha! Alles viel zu leicht!“ Ahrok freute sich wie ein kleines Kind und blickte verächtlich auf den keuchenden Mann hinab. „Aufgeben ist was für Verlierer, du Memme.“
Der Mann antwortete ihm nicht.
Ahrok zeigte auf den Elfen am Tresen. „Hast du das gesehen? Du bist der Nächste!“
„Komm schon, Bulk! Sei nicht so ein Verlierer! Kämpf weiter!“
Doch Hans sprang dazwischen. „Der Kampf ist aus! Bulk gibt sich geschlagen und der Herausforderer hat gesiegt. Unglaublich aber wahr! Diese gemeingefährliche Kampfmaschine hat schon zwei Männer besiegt und will sich nun auch noch mit dem Dritten messen! So etwas gab es noch nie! Scheißt auf die immer gleichen Hinrichtungen am Marktplatz, denn hier und jetzt erlebt ihr das wahre Spektakel des Jahres!“
Katzengleich glitt der Elf von seinem Stuhl und kam auf Ahrok zu. „Nun denn, ich glaube wir sind dran, Jungchen.“
In den Augen des Spitzohrs konnte Ahrok nicht einen Funken von Angst oder Besorgnis erkennen und das verunsicherte ihn ein wenig. Sein Gegner war nicht im Geringsten eingeschüchtert, obwohl Ahrok doch grad vor seinen Augen zwei seiner Freunde niedergewalzt hatte.
Er wollte zurück zu Ragnar und den Mädchen, um sich mit etwas Wasser die aufgeplatzten Knöchel abzuwaschen und die Kehle zu befeuchten, aber als er sah, wie der kleine, rothaarige Mistkerl da inmitten der drei Schönheiten saß und sich den Zwergenarsch ablachte, verging es ihm.
„Hört auf zu labern. Wir wollen Ahrok kämpfen sehen“, drängte die Menge.
„Nun gut! Es gibt nichts mehr zu sagen! Ist dies schon das Ende? Ist dies der letzte Kampf des Abends? Wettet euer letztes Kupfer, denn dieser Kampf entscheidet vielleicht schon alles! Keine Worte mehr, kein Gerede. Jetzt heißt es nur noch: Lasst das Blutbad beginnen!!!“
„Gestatten, mein Junge? Marcus, Meister des Zweikampfes.“ Der Elf verbeugte sich fachmännisch. Seine schlanke Gestalt stand im krassen Gegensatz zu den anderen Kämpfer, auch bewegte er sich ganz anders. Der Elf war viel eleganter und graziler und erinnerte ihn in seinen Bewegungen an seinen Vater und Bruder. „Und Ihr seid?“
Ahrok ließ die erhobenen Fäuste sinken. „Oh, Verzeihung. Mein Name ist Ahrok.“ Auch er verneigte sich.
Mit einem schnellen Tritt traf Marcus den jungen Krieger bei seiner Verbeugung. Ahroks Kopf wurde nach hinten geschleudert und Blut spritzte in die Menge.
„Meine Nase. Oh Scheiße, du Hundesohn!“
Nicht nur die Nase, sondern auch Lippen und Augenbrauen taten ihm verdammt weh. Tränen des Schmerzes schossen ihm in die Augen. Dass er auf so einen simplen Trick hereingefallen war, war beinahe noch schmerzhafter als die blutende Nase.
„Na warte!“
„Oh... tat’s weh? Weißt du was? Ich hab neulich gehört, dass deine Mama gern an Trollschwänzen lutscht“, lachte Marcus.
In unbändiger Wut preschte Ahrok vor.
Der Elf fing den heranrasenden Arm ab und hämmerte zwei schnelle, kräftige Schläge gegen Ahroks Verband und einen weiterer traf sein Gesicht. Schon wieder ging Ahrok zu Boden.
Die Haut auf seiner Stirn brannte wie Feuer, die rechte Augenbraue war aufgeplatzt, die Oberlippe geschwollen und der Verband um seinen Bauch begann sich wieder rot zu färben. Ächzend zog er sich an ein paar Stühlen nach oben und kassierte einen weiteren Treffer in den Bauch, der ihn erneut zu Boden schickte.
„Gib´s ihm, Marcus! Zieh ihm die Eier lang!“
Der Elf war viel zu schnell für ihn und was dem Klingenohr an Kraft fehlte, machte dieser mit seinen entschlossenen Angriffen wieder wett.
Als Ahrok seinen Blick hob, trafen er auf die schreckgeweiteten Augen des Valrs.
„Verdammt noch mal, Ahrok. Ich hab unser ganzes Silber auf dich verwettet. Unser Geld!Denk an unser Geld!“
Hinter dem Zwerg hatte sich Sandra vom Kampf abgewandt.
Als er endlich wieder auf den Beinen war, konnte er gerade noch rechtzeitig konnte er den Schlag des Elfen abblocken und sein Schienbein krachte in einem verzweifelten Gegenangriff gegen Marcus´ Knie. Die Kraft des Tritts riss den Elfen sogleich von den Beinen und Ahrok setzte wütend nach. Sein Fuß sauste hernieder und traf den Brustkorb des Elfen. Dem Geräusch nach zu urteilen, brachen einige Rippen unter der Wucht.
„Na, wie gefällt dir das?!“, bellte er wütend.
Ahrok wischte sich die Tränen und das Blut aus dem Gesicht und wartete bis Marcus sich wieder erhoben hatte.
„Wie sieht´s aus, Elf, hast du genug?“
Lächelnd wischte sich Marcus den Schweiß von der Stirn. Trotz der Schmerzen schnellte er wieder nach oben und sprang mit einer tigergleichen Anmut auf Ahrok zu. Doch dieses Mal ging der Angriff ins Leere. Ahroks wuchtigem Konter wich der Elf ebenfalls aus und sie beide trennten sich erst einmal wieder.
Nur ein Augenzwinkern später gingen sie wieder auf einander los. Mit seinem Knie landete er einen schmerzhaften Treffer auf Marcus Oberschenkel und der Elf traf nahezu zeitgleich Ahroks Schläfe.
Schon wieder sah er die tanzenden Sterne und wich eher instinktiv den nächsten Angriffen aus. Sein ungezielter Vorstoß bohrte sich tief in den Magen des Elfen und presste das letzte Quäntchen Luft aus dessen Lungen. Der Elf fiel in sich zusammen. Mit aller Kraft riss Ahrok sein Knie hoch gegen den Kopf seines Gegners und warf diesen damit erneut zu Boden.
Stöhnend blieb Marcus vor dem Tresen liegen und hielt sich die gebrochene Nase.
„Ich hab genug... Lass uns aufhören.“
„Der Kampf ist aus! Vorbei! Zu Ende! Die Entscheidung ist gefallen und wir haben einen Sieger!“, Hans riss Ahroks rechten Arm nach oben. „Zwei Kämpfer mit der Kraft von Vieren! Hier stehen sie, die neuen Rausschmeißer meiner Taverne, Ragnar Sohn des Rango und Ahrok!“
Das Geschrei der Gäste nahm bis dahin ungeahnte Ausmaße an. Kupferstücke, Blumen und Kleidungsstücke landete zu den Füßen der Krieger. Bei all dem Jubel vergaß Ahrok sogar die Wut auf den Elfen, welcher ihm so schwer zugesetzt hatte.
„Ahrok, ich liebe dich!“
„Ich will ein Kind von dir, Ragnar!“
„Ich geb euch ein Bier aus!“
Es war der schönste Augenblick in seinem Leben. Siegen war klasse!
Das Bier floss in Strömen und sie mussten für keinen einzigen Tropfen bezahlen. Küsse, Liebesschwüre und Umarmungen regneten nur so auf ihn herab.
Erst in den frühen Morgenstunden verstummten die mittlerweile heiseren Stimmen und das Feiern ging langsam dem Ende zu. Gegen sechs in der Früh klopfte Hans den beiden Neulingen auf die Schulter. „Willkommen in der Sau. So, aber jetzt ist Schlafenszeit für euch, Ellen wird euch auf eure Zimmer geleiten. Eure Schicht beginnt vier Uhr nachmittags, bis dahin solltet ihr ausgeruht sein.“
Völlig übermüdet wankte Ahrok der jungen Frau hinterher die Treppe hinauf in sein Zimmer. Er war so fertig, es fiel ihm nicht einmal ein, nach diesem perfekt geformten Hintern zu grapschen, der dort vor ihm hin und her wackelte. In dem kleinen Raum angekommen, sank er sofort in die weiche Bettdecke und war nur Augenblicke später eingeschlafen.
 
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Kommentare  

Deine Kämpfe sind einfach großartig.

Ragnar gefällt mir immer mehr.
Ich bin ja auch ein Zwergen Fan.

Bin auf die nächsten Kapitel gespannt.

Gruß


Alexander Bone1979 (25.09.2010)

ich hab schon mücken zerquetscht, die größer waren als du... tja, man sollte einen zwerg nicht unterschätzen. grandiose kampfszenen, obwohl ich eigentlich nicht drauf stehe, aber du bringst das 'saugut' rüber. auch die fans, von wegen unterwäsche werfen und so... ;))

Ingrid Alias I (28.08.2010)

Zum schieflachen, wie Ahrok immer in den Gasthäusern nach einem Krug Milch verlangt. Ragnar hat sich wohl damit abgefunden, dass der "Junge" darin so ganz anders tickt als er. Aber wenn es auf`s Prügeln ankommt, dann empfinden die Beiden gleich. Schön, dass Sandra wieder auftaucht. Ich glaube der Wirt hat mit diesen Kriegern einen wirklich guten Fang gemacht.
Wie immer sehr schön flüssig und atmosphärisch geschrieben.


Petra (28.08.2010)

Ach freundlich war er schon immer, aber auf jeden Fall ist er jetzt etwas gesprächiger und es wurden auch sonst ein paar mehr Dialoge eingefügt.

Jingizu (26.08.2010)

Ohjeh, und nun ist Ahrok wieder so übermüdet, dass er.... Aber die hübsche Sandra kann ja vielleicht noch bis Morgen warten *Grins* Was für ein schöner Zufall für Ahrok, dass sie hier arbeitet. Kann es sein, dass der Wirt diesmal freundlicher zu Ahrok und Ragnar ist, als im alten Kapitel?

Jochen (25.08.2010)

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