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6 Seiten

Das Herz des Drachen - Kapitel 13

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Ihre Hoffnung war die Inszenierung. Am Piazza del Popolo würde Ben den Söldnerbund um seinen Vater und Bruder soweit aufhalten, dass sie das Herz des Drachens holen und verschwinden konnten. Ohne eine weitere, möglicherweise blutige Auseinandersetzung mit dem General und Gefolge führen zu müssen.
Die Hoffnung sollte sich nicht bewahrheiten.
Zuerst gingen Susanne und Max aus dem Nebel in Richtung Porta del Popolo. Die Söldner erkannten die 2 wieder und wollten sie gerade festsetzen als Ben und Jonas aus dem Nebel auftauchten und das Duo ausknockten. Da der Nebel die Sicht auf die nördliche Seite versperrte, bemerkte niemand ihre Flucht. Sie eilten unbemerkt durch das Porta del Popolo, überquerten die Querstraße. Kurz danach bogen Einsatzfahrzeuge der Carabinieri an der Straße ab, fuhren durch das Tor zum Platz, der weiterhin im Nebel lag.
Als der Hubschrauber den Nebel vertrieb, saßen sie in einem Auto, das Jonas kurzerhand kurzschloss. Sie fuhren scheinbar ziellos durch die Innenstadt.
„Wohin fahren wir?“, fragte Susanne.
Ben wandte sich vom Beifahrersitz zu ihr. „Zum Herz.“

***
Ja, die Schnitzeljagd führte nach Rom. Doch dort hörte sie nicht sofort auf. Manius hatte beim Obelisken Flaminio, der heute auf der Piazza del Popolo stand, einen finalen Hinweis zurückgelassen. Um genauer zu sein auf dem Obelisken. Eins der Reliefs, die die Säule zierte, zeigte die Darstellung eines Triumphbogens. Im Gegensatz zu anderen Reliefs, Hieroglyphen und Darstellungen war diese nur auf einer Seite der Säule zu sehen. Jede Seite stellte eine exakte Kopie, mit geringen Abweichungen, der jeweils anderen Seite dar. Doch auf allen sonstigen Seiten der Säule fehlte genau dieses Relief.
Ging man nun in die Geschichte des Standorts der Piazza del Popolo ins antike Rom zurück, fand man heraus, dass dort zu jener Zeit ein Triumphbogen stand. Siegreiche Feldheeren zogen durch ihn in die Stadt ein. Die damalige breite Allee wurde auch der Weg der Sieger genannt.
Bei der Umgestaltung des Platzes im 19. Jahrhundert, wurde der Triumphbogen kurzerhand entfernt und andernorts aufgestellt. Heute stellt er das Eingangsportal des Antiken Museums in der Innenstadt, dem einstigen Zentrum des antiken Roms. Der Weg der Sieger fiel zum Opfer einer wachsenden Metropole.
Im Jahre 1965 gebaut. Ende 1969 fertiggestellt. 1981 und 1998 umgebaut. 2002 wurde der Anbau in einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. Das Museum der Antike beschäftigte sich ausschließlich mit der antiken Geschichte Roms und dessen Ausdehnung zum Weltreich, sowie dessen Niedergang und die damit einhergegangenen Folgen.
Eine Besonderheit war die Darstellung mehrerer Reliefs am Triumphbogen. Sie zeigten seltsamerweise untypische Formen, die wie ein Historiker im Jahr 2005 zufällig herausfand, zusammengefügt ein faustgroßes Herz ergaben. Niemand, weder Experte noch Amateur, konnten sich eine solche Darstellung erklären. Die Reliefs gaben ihnen Rätsel auf. Vor allem wegen ihrer untypischen Darstellungen.
Was sich bis zum heutigen Tage auch nicht änderte. Dabei hatten schon Wissenschaftler, Forscher und Experten aus aller Welt versucht das Geheimnis zu ergründen. Ohne Erfolg.
Nun standen Ben, Jonas, Susanne und Max vor dem 3 Stockwerk großen Triumphbogen, durch welchen berühmte siegreiche romische Feldheeren wie Caesar, Gaius Octavius und Marcus Antonius mit ihrem Heer hindurch geritten waren.
Damals stellte der Triumphbogen den Nordzugang zu Rom dar, der jedoch für den Publikumsverkehr gesperrt war und nur zur besonderen Anlässen geöffnet wurde. Heute betraten Hunderte von Museumsgästen das Bauwerk mit seiner originalen sandfarbenen Fassade. Im Jahr waren es an die 250.000 Menschen.
Jeder ließ sich mit dem Triumphbogen im Rücken, darunter, davor und daneben fotografieren. Auf einer Infotafel wurde über die Geschichte, den Bau, dem eigentlichen Standort, die Bedeutung zur Zeiten Roms informiert.
Dutzende durchschritten den Bogen, durch den locker 2 Lkw’s nebeneinander passten. Ein Seil in der Mitte grenzte die Besucher ab. Auf der einen Seite gelangte man hinein und auf der anderen wieder hinaus. Manche standen staunend im Bogen.
5 Meter vor dem Bauwerk hatte die Museumsleitung Absperrseile aufstellen lassen. Sie sollten verhindern, dass die Fassade beschädigt wurde. Verrückte gab es überall. Eine mehr als vernünftige Maßnahme.
Dumm nur, dass das Ben und seine Gefährten nicht davon abhielt dem Triumphbogen sein Geheimnis zu entlocken.
Nämlich das Herz des Drachen.

***
Um zu verhindern, dass die Fassade trotz Absperrung beschädigt wurde, patrouillierten unbewaffnete Aufseher einer privaten Sicherheitsfirma in der Halle, am und um den Triumphbogen. Bei Vorkommnissen waren Sie autorisiert Störenfriede festzusetzen. In solchen Fällen rief der Mitarbeiter in der Sicherheitszentrale im Verwaltungstrakt des Museums, die Polizei. Die Frauen und Männer besaßen alle notwendigen Schulungen, die die Museumsleitung bei den Vertragsverhandlungen forderte und festschreiben ließ. Alle 4 Monate mussten die eingesetzten Mitarbeiter zu Nachschulungen.
Nichts davon was die Trainer in den Sitzungen vermittelten, sollte die Frauen und Männer auf das vorbereiten, was sich im Laufe des Tages ereignete. Mit so was rechnete weder ihr Arbeitgeber, die Trainer, die Mitarbeiter selbst oder die Museumsleitung.
Das Problem, das Ben und Jonas bei dem Unternehmen hatten, war die fehlende Vorbereitungszeit. Ihr Zeitfenster machte es unmöglich sich einen raffinierten Plan zurechtzulegen, um das Herz an sich zu bringen. Sie mussten also ein wenig subtiler vorgehen. Ohne dabei Unschuldige einer bedrohlichen Gefahr auszusetzen.
Womit Bens Vater, so kurz vor dem Ziel, an ihrer Stelle keinerlei Probleme gehabt hätte.
Hinzu kam, dass einige der Reliefs mit den Herzabbildungen in luftiger Höhe lagen. Sie zu erreichen, ohne das jemand davon Wind bekam, war nahezu ausgeschlossen. Und Einmischungen von Außen konnten Sie überhaupt nicht gebrauchen.
Susanne stand mit den anderen bei einem Informationsständer in dessen Fächer Prospekte und Broschüren lagerten. „Wie sieht euer Plan aus?“ Sie informierten über verschiedene Veranstaltungen, Feiern und Lesungen, die in den Räumen des Museums stattfanden oder vom Museum gesponsert wurden.
Ben und Jonas sahen sich in der gut besuchten Halle um. Ein unablässlicher Strom von Menschen kam oder verließ das Museum durch den Triumphbogen. Die Frauen und Männer schlenderten patrouillierend herum, schauten sich nichtssagend um, kommunizierten via Walkie-Talkie untereinander oder mit der Sicherheitszentrale. Museumsmitarbeiter, meist Studenten, leiteten Führungen, gaben Auskunft und beantworteten neugierige Fragen zum Antiken Rom. Daher war die Frage nach einem Plan durchaus berechtigt.
„Ein Plan!“ Ben schaute Susanne an, wechselte dann zu Jonas. „Wir improvisieren.“ Sein Freund nickte knapp.
„Improvisieren!“, hackte Susanne nach, schaute die 2 an. „Ihr nehmt mich auf den Arm?“
„Nehmen wir sie auf den Arm?“, fragte Ben Jonas mit gespielter Entrüstung.
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Sehr witzig.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust, schaute beide grimmig an. „Verarschen kann ich mich alleine.“
Ben lachte, warf einen letzten Blick durch die Halle. Aus seinem Rucksack holte er ein Tablett-PC, wie ihn der Söldnertechniker in der Festung Ehrenbreitstein verwendete. Er tippte auf die Touchoberfläche. So sehr sich Ben auch wünschte Alice wäre bei Ihnen, um diesen Teil ihres improvisierten Plans auszuarbeiten, mussten sie wohl oder übel auf ihre Computerexpertin verzichten. Daher ging die Sache nicht so schnell von statten, wie mit ihrer Hilfe.
Mit dem Tablett-PC hackte sich Ben über das kaum nennenswerte verschlüsselte Netzwerk, dass die Kassen mit dem Hauptrechner verband, über den auch das Sicherheitssystem lief. Die Abwehrmaßnahmen gegen einen Hack waren geradezu lächerlich. Computer mit einer Kindersicherung waren besser geschützt.
Sobald Ben sich ins System gehackt hatte, begann er den Zugriffsschlüssel auf das gesamte Netzwerk zu klonen. So konnte er dann praktisch auf jedes Subsystem des Netzwerks zugreifen, ohne Gefahr zu laufen durch irgendwelche versteckten Sicherheitsabwehrsysteme aufgespürt zu werden.
Kurz nach seiner Eingabe, knackte es und aus den versteckten Lautsprechern im gesamten Museum tönte eine Ansage auf Italienisch.

***
„Attenzione. Attenzione.
Ospiti d'onore del museo, si prega di lasciare immediatamente il museo. Seguire le istruzioni del personale. Questo non è un trapano.” (Achtung. Achtung.
Verehrte Museumsgäste, bitte verlassen Sie umgehend das Museum. Bitte folgen Sie den Anweisungen der Mitarbeiter. Dies ist keine Übung.)
Die Ansage wurde in Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch wiederholt. Über Funk bekamen die Sicherheitskräfte ihre Anweisungen. Die Museumsmitarbeiter sprachen sich untereinander ab, scharrten Gästegruppen um sich und führten sie in Richtung Ausgang. Die Evakuierung lief geordnet und zügig. Laut der Sicherheitsvorschrift musste das Museum in weniger als 3 Minuten gästefrei sein. Mitarbeiter gingen zusammen mit Sicherheitsleuten durch alle Räume des Museums, auf der Suche nach versprenkelten Gästen. Nach 2 Minuten und 27 Sekunden meldete man der Zentrale die vollständige Evakuierung.
Bloß kam der Funkspruch nie in der Sicherheitszentrale an. Der gesamte Funkverkehr war von Ben umgeleitet worden. Die Frauen und Männer an den Überwachungsmonitoren in der Sicherheitszentrale sahen auf ihren Schirmen das gewohnte Bild eines gut besuchten Museumstages. Auch der Sicherheitsalarm war nicht ausgelöst worden, geschweige denn das Evakuierungsprotokoll. Ganz zu schweigen die Alarmdirektverbindung zur Feuerwehr, die keinen Mucks von sich gab.
Trotzdem wurden die Bereiche des Museums, wie es das Alarmprotokoll verlangte, durch die Feuerschotts voneinander abgeriegelt, so dass ein möglicher Brand in einem Teilbereich sich nicht ausbreiten konnte. Für so einen Fall würde dann das Löschsystem Stickstoff in den Bereich mit dem Brand sprühen und dem Feuer so den Sauerstoff entziehen.
Dieser Teil der Brandbekämpfungsmaßnahmen blieb inaktiv.
Kaum war die Halle mit dem Triumphbogen durch die Feuerschotts abgeriegelt, öffnete sich eine bis dahin verschlossene Tür, hinter der ein kleiner Raum lag, zu dem eigentlich nur Mitarbeiter vom Reinigungsservice Zutritt hatten.

***
Ben, Jonas, Max und Susanne hatten sich kurz vor der Durchsage unbemerkt in den Raum begeben. Da er verriegelt war, öffneten ihn die Sicherheitsleute nicht extra. Die Möglichkeit hatte natürlich bestanden. Für den Fall, dass das so käme, hätten sie handeln müssen. So aber konnten sie beginnen dem Triumphbogen sein Geheimnis zu entlocken.
Ben stieg über das Absperrseil, schaute sich die Hieroglyphen und Reliefs an. Auf Kopfhöhe befand sich eine Darstellung, die für sich genommen vollkommen deplatziert wirkte, aber in Zusammenhang mit dem Drumherum irgendwie hineinpasste. Das Relief zeigte eine sehr plastische Darstellung eines unteren Herzmuskels. Sein Blick wanderte hoch.
In 2 Meter Höhe lag ein Relief, umgeben von Hieroglyphen, das eine Herzkammer zeigte.
Niemand wusste, wie das Herz des Drachen aussah. Manius hatte die Symbolik eines menschlichen Herzens verwendet. Die Ägypter waren, was die menschliche Physiologie anging, den Römern um Lichtjahre voraus. Auf deren Wissen baute sich die heutige medizinische Grundlage über den menschlichen Körper auf.
Ben tastete vorsichtig über das Relief. Er klopfte sachte mit den Knöcheln dagegen. Es klang seltsamerweise nicht hohl. Auch gab es hinter der Reliefplatte keinen Hohlraum, worin man es drücken konnte. Er hielt kurz inne, schaute sich die Reliefs zu beiden Seiten an. Dumm, dass Ben in seiner Schulzeit in Bio nicht so zugehört hatte, wie es hätte sein müssen. Dann hätte er sich womöglich erinnern können, wie ein Herz aufgebaut war. Und selbst, das hätte ihn nicht wirklich weiter gebracht. Die Aufschlüsselung der Reliefs folgte keinem ersichtlichen Muster.
Was nicht hieß, dass es kein Muster gab.
Um es zu entschlüsseln, fehlte Ihnen die Zeit. Bald würden die Sicherheitsleute vor dem Museum zu der Erkenntnis gelangen, dass es sich um einen Fehlalarm handelte. Ganz zu schweigen vom General und seiner Meute an bewaffneten Söldnern.
So blieb Ben letztlich keine andere Wahl. Er schraubte das Kopfstück der Absperrpfähle ab. Es sah wie die geschlossene Knospe einer Blume aus, war mit Messing beschichtet. Er nahm es in die Hand, hielt es fest und schlug mit dem Kopfstück gegen das antike Relief.
Beim zweiten Schlag splitterte es. Bruchstücke fielen herab. Das Relief war eine Sandsteinplatte. Dahinter lag ein nackter Sandsteinquader. Ohne irgendeine Darstellung. Die Reliefs, Hieroglyphen und sonstigen Darstellungen stellten die Fassade dar. So wurde der eigentliche Triumphbogen verschachtelt.
Ben schlug erneut zu.
Der Sandstein bröckelte. Beim 2en Schlag schlug er ein kleines Loch in den scheinbar massiven Sandsteinquader, die im Inneren eigentlich nicht hohl sein sollten. Dieser hier war es aber.
Er löste die Bruchstücke. Dahinter kam eine kleine Aussparung zum Vorschein. Sie war Handbreit und Handhoch. In ihr, auf einer Waagschale, lag ein bronzefarbenes Stück, das die exakte Kopie der zuvor zerschlagenen Reliefdarstellung war. Ein Stück vom Herz des Drachen.
Ben wandte sich zu Jonas. In seiner Hand hielt er das Stück. Seine Augen leuchteten. Sein Gesicht strahlte. Sie hatten es gefunden. Doch so schnell die Freude über den Fund gekommen war, so abrupt endete sie.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine flüchtige Bewegung war. Als er hinsah, hielt Susanne eine Pistole in der Hand. Sie zielte auf ihn. „Keine Bewegung.“ Die Warnung galt sowohl Ben als auch Jonas.
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Ende, Kapitel 13
© by Alexander Döbber
 
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Kommentare  

Oh, das ist ja wirklich eine Überraschung. Ich wäre nie darauf gekommen, dass mit Susanne etwas nicht stimmt. Da kommen ja Fragen über Fragen auf. Muss gleich das nächste Kapitel lesen.

Petra (17.01.2011)

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