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8 Seiten

Ahrok - 46. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Sechsundvierzigstes Kapitel: Besuch

Ahrok fühlte sich mies, so wie eigentlich jeden Morgen in den letzten paar Tagen. Üblicherweise schliefen er und Ragnar nun bis tief in den Tag hinein ihren Rausch vom Vorabend aus, frühstückten dann in etwa um die Mittagszeit, nur um nach einem weiteren, ergebnislosen Gespräch über ihre Pläne für die nächsten Wochen zum durchaus schmackhaften Mittagessen überzugehen.
Kurz darauf kam dann der Nachmittag, an dem sie auch nicht vor die Tür gingen, obwohl es in den letzten Tagen bedeutend wärmer geworden war.
Das Eis auf der Ilv war mittlerweile so dünn, dass sich die Kinder nicht mehr trauten, dort Schlittschuh zu laufen oder Fangen zu spielen. Wenn das mit dem Wetter so weiterging, dann wäre der Fluss in einer Woche wieder für die Schifffahrt passierbar.
Am Abend des vergeudeten Tages verließen sie dann für gewöhnlich ihre Herberge, nur um in der immer noch widerlichen Spelunke gegenüber ein paar Krüge Bier oder gemeingefährlichen Schnaps zu trinken und dabei wieder von ihrer glorreichen Zukunft zu träumen oder vielleicht auch ab und zu etwas Streit mit den raubeinigen Seeleuten zu suchen, die ebenfalls jeden Abend in dieser Kaschemme verbrachten.
Von einem Tag auf den nächsten, Ahrok wusste gar nicht mehr genau wann es gewesen war, hatte er sich damit abgefunden, dass sein Leben jetzt eben so aussah. Trinken, Schlafen, noch mehr trinken, prahlen und träumen und wieder schlafen.
Ihre Heldentaten waren nur noch Geschichten, die mit jedem Tag weiter in die Vergangenheit rückten und einzig die Narben auf seinem Körper bewiesen, dass es keine Märchen waren, die sie sich im Suff ersonnen hatten. Er hatte das Schwert, welches ihm geschenkt wurde, nur für ein paar Probeschwünge benutzt und seitdem nicht mehr angesehen. Sie feilten nicht mehr an ihren Kampftechniken, sondern lebten nur noch vor sich hin und in den Tag hinein.
Er musste aufstoßen und der säuerliche Geschmack einer weiteren, sinnlos versoffenen Nacht legte sich ihm auf die Zunge. Vorsichtig blinzelte er.
Es war hell im Zimmer. Viel zu hell für seinen Geschmack.
Jetzt, da er wach war, kamen die Kopfschmerzen und ihm wurde schlagartig übel. Er haderte einige Momente mit der Entscheidung einfach liegen zu bleiben oder doch aufzustehen, um sich zu übergeben. Nach einigem hin und her blieb er dann doch im Bett. Im schlimmsten Fall konnte er immer noch in den Nachttopf speien.
Als er mit erneut geschlossenen Augen so da lag und über gar nichts nachdachte, verflüchtigte sich die Übelkeit tatsächlich.
Und nun?
Weiterschlafen war keine Option, denn dafür war es viel zu laut hier.
Er brauchte nicht einmal die Augen zu öffnen, um zu wissen, dass Ragnar auf seiner Seite des Zimmers immer noch tief und fest schlief, da dieser der Grund für all den Lärm hier war. Dieses beschissene Schnarchen war eine Sache, wenn man sternhagelvoll in das Bett fiel und von der Welt ohnehin nicht mehr viel mitbekam, aber in wachen Momenten wie diesen, stieg das Verlangen, dem Zwerg ein Kissen ins Gesicht zu drücken, ins Unermessliche. Zum Glück für den Valr war Ahroks Verlangen noch ein oder zwei Stunden im Bett zu bleiben noch immer ein klein bisschen größer.
Trotz der unregelmäßigen Schlafgeräusche seines Zimmergenossen waren seine Gedanken ziellos herumgewandert und so wieder an vertraute Orte gelangt.
Es war dieser Abend, an den er wie so oft dachte. Nichts, aber auch gar nichts war damals so gelaufen wie geplant. Er hatte in letzter Zeit so oft darüber nachgedacht und so oft davon erzählt, dass die wirklichen Details und die ausgeschmückten Geschichten mittlerweile vor seinem geistigen Auge immer mehr verschwammen und es selbst für ihn schwer wurde, Wahrheit und Lüge voneinander zu trennen.
Ahrok erinnerte sich nicht mehr genau an die Farbe ihres Kleides, selbst ihr Gesicht war nur noch schwer greifbar für ihn. Es gab da nur noch ein paar kleine Bilderfetzen, aber wenn er die Augen schloss, dann hatte er noch immer den Duft ihrer Haare in der Nase und konnte die Wärme ihrer Hände spüren, als sie sich beide im Rhythmus der Musik bewegt hatten.
Da-da-da-di-dam-di-dam-di-dam… so oder so ähnlich hatte es geklungen.
Seltsamerweise waren die nächsten Momente viel klarer. Die beiden Weißen, die er getötet hatte, konnte er noch immer bis auf die letzte Schuppe genau beschreiben.
Es klopfte schon eine Weile an der Tür.
Ahrok hatte es bisher gar nicht für voll genommen. Ganz unbewusst hatte er das Geräusch in das Schnarchen des Valr und seine Gedanken mit eingebaut.
„Meine Herren. Bitte öffnen Sie doch.“
„Ich komme“, brummte er lustlos.
Er warf die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und stieß dabei auch gleich seinen Nachttopf um. Der mittlerweile kalte Inhalt ergoss sich über seine schmutzigen Stiefel, die er noch immer trug und versickerte dann zwischen den Dielen.
Ahrok fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und ließ den ganzen Vorfall auf sich beruhen. Möglicherweise würde er den Blechpott heute Abend dafür anschreien, dass der sich so blöde in seinen Weg gestellt hatte.
Es klopfte schon wieder.
„Jaaaaaaa, verdammt!!! Ich hab dich gehört! Ich hab dich schon beim ersten Mal gehört…“
Er bedachte den seelenruhig schlafenden Ragnar mit einem kurzen Blick und öffnete dann die Tür.
Direkt vor ihm stand der junge Sohn des Herbergsvaters.
„Ja?“
„Vor der Tür wartet jemand auf Sie.“
„Vor welcher Tür?“
„Die Tür unten meine ich. Auf der Straße.“
Ahrok blickte sich um. Hier irgendwo musste doch sein Schwert liegen? Niemand wusste, wo sie sich aufhielten. Was wenn es wieder die Stadtwache war? Wo war bloß seine Waffe? Das blöde Ding war nicht aufzufinden, aber das war jetzt auch egal. Er hatte keine Lust, weiter zu suchen.
„Ich komme, ich komme… sag den Kerlen, dass ich gleich unten bin.“
„Alles klar“, strahlte der Junge und lief den Gang hinab und die Treppe herunter.
Ahrok blickte den kleinen Flur in die andere Richtung entlang.
Hinter der Tür dort hinten befand sich der öffentliche Badezuber für die Gäste des Hauses.
Er überlegte kurz, aber dann lenkten ihn seine Schritte doch zur Treppe.
Auf der Hälfte der Stufen blickte er über das Geländer an dem kleinen Empfangsbereich vorbei durch die geöffnete Tür hinaus auf die Straße.
Der Junge unterhielt sich kurz und knapp mit einem Mann, von dem er aus diesem Blickwinkel jedoch nur die Beine sehen konnte. Er stand in seinen auf Hochglanz polierten Stiefeln in einer Pfütze aus schmelzendem Schnee und hinter ihm waren schneeweiße Räder einer Kutsche zu erkennen.
Eine weiße Kutsche.
Scheiße.
Ahrok stolperte die letzten Stufen hinab und fing sich gerade noch so am Geländer.
Er kannte nur eine Person mit einem derart eintönigen Geschmack.
Nachdem er sich wieder von dem ersten Schrecken erholt hatte, blickte Ahrok an sich herunter. Der Schmutz an seinen Stiefeln war feucht von der verschütteten Pisse, seine Kleidung stand vor Dreck und stank nach vergossenem Bier und Schweiß, denn er hatte in den letzten Tagen keine Zeit gefunden sie zu wechseln oder ein Bad zu nehmen.
Was, wenn Ariane dort draußen stand?
Sie, die immer so gut aussah und so fein roch.
Die Scham war plötzlich überwältigend.
„Ah, da ist er ja auch schon, verehrter Herr. Kommen Sie, kommen Sie“, winkte ihm der Junge zu.
Der Weg zurück auf das Zimmer war ihm damit versperrt.
Da hatte er jetzt all das, wovon er die letzten Tage phantasiert hatte, direkt vor seiner Tür stehen und sein Herz, oder war es sein Verstand…? Na jedenfalls irgendetwas rief ihm zu, ganz schnell fortzulaufen.
Es war schwer, trotz des überwältigenden Fluchtinstinkts, nicht auf der Stelle umzudrehen und so zu tun, als ob nichts gewesen wäre. Er streckte sich und ging den Hausflur entlang. Mit jedem Schritt konnte er mehr Details der wartenden Person erkennen und es war, als fiele ihm die Last der ganzen Welt von den Schultern, als er erkannte, dass es sich dabei weder um den Grafen noch um die hübsche Komtess handelte.
Plötzlich war das Misstrauen wieder da. Wenn es sich bei dem Besucher um keinen der beiden handelte, wer suchte ihn dann?
Aber diese Kutsche…
„Herr Ahrok.“ Der Mann vor ihm bewahrte eine unbewegliche Miene und machte keine Anstalten, auf sein Erscheinungsbild einzugehen. „Es ist schön, dass ich Sie endlich gefunden habe.“
Es war ganz sicher die Kutsche des Grafen.
„Wer bist du?“
„Albert Steiner.“ Der Mann verbeugte sich kurz und knapp. „Ich bin der Haushofmeister des Grafen von Lichtenstein.“
„Fein.“ Ahroks Augen huschten umher. Er sah keine Stadtwächter oder sonstige verdächtige Personen. „Und was willst du?“
„Ich suche Euch und den Zwerg seit bereits zwei Tagen.“
„Hörst du schlecht? Ich hab gefragt, was du von mir willst.“
„Natürlich. Verzeihung.“ Er blickte zu Boden und benetzte die Lippen. Das was nun kam war offensichtlich keine gute Nachricht. „Der Graf schickt nach Euch. Er wünscht umgehend Eure Anwesenheit.“
Ahroks Herz machte einen Freudensprung, aber das ungute Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte, wollte nicht weichen.
„Und warum? Er hat erst vor Kurzem klar gemacht, dass er uns lieber nicht sehen möchte.“
„Das kann ich nicht sagen. Die Umstände haben sich geändert.“
Ahrok überlegte krampfhaft. Diese Kutsche hatte ihn einmal aus der größten Gefahr gerettet, in der er sich bisher je befunden hatte und diese Kutsche hatte ihn auch weg von Ariane gebracht.
Es gab zwar keinen Grund, dem Grafen zu misstrauen, aber Ahrok wurde dieses dunkle Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas ganz tief im Argen lag.
„Ich sage Ragnar Bescheid – unter einer Bedingung.“
„Die wäre mein Herr?“
„Wir halten unterwegs in einem Badehaus.“
„Da bestehen ganz sicher keine Einwände meinerseits.“

Es war bereits wieder dunkel, als sie die Badestube verließen.
Zu Ahroks Überraschung hatte sich Ragnar weder dagegen gesträubt, die Reise zum Anwesen des Grafen anzutreten, noch hatte er Einwände gegen den Besuch in Märkteburgs feinstem Badehaus gehabt.
Er fühlte sich nach diesen zwei Stunden wieder wie neu geboren. Frisch gewaschen, mit neuem Haarschnitt und glatt rasiert hatte Ahrok sich dann widerwillig in seine alten, schmutzigen Kleider geworfen.
Das ruinierte sein schönes, neues Erscheinungsbild dann doch wieder und nicht einmal die aufgetragenen Duftwässer konnten daran etwas ändern.
Albert Steiner hatte sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen und stattdessen jede einzelne Minute mit diesem ausdruckslosen Gesicht beobachtet. Nun saß er ihnen gegenüber in der holpernden Kutsche und schien nicht einmal zu blinzeln.
„Wie machst du das?“, wollte Ahrok wissen.
„Bitte?“
„Das mit deinem Gesicht.“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht.“
„Na, das mit deinem Gesicht. Dieses Gucken… das kann einem ja Angst machen.“
Ragnar drängte sich dazwischen: „Was Ahrok meint, ist: Kannst du uns nicht endlich sagen, was hier vor sich geht?“
„Scheiß, nein, das mein ich nicht! Ich mein das mit dem Gesicht. Guck dir das doch mal an… das ist doch nicht normal.“
„Ich verstehe noch immer…“
„Er macht das schon die ganze Zeit! Siehst du das nicht?“
„Bitte, meine Herren, ich versichere Ihnen, dass mit meinem Gesicht alles in Ordnung ist.“ Von leichten Selbstzweifeln geplagt, nahm sich Albert Steiner vor, gleich als Erstes nach ihrer Ankunft seinen ganzen Kopf gründlich zu waschen.
Ahrok riss seinen Blick von ihrem Gegenüber und guckte stattdessen aus dem Fenster hinaus.
Kalter Wind blies ihm ins Gesicht, als er den Vorhang beiseite schob, um etwas dort draußen zu erkennen.
Er sah jedoch erst einmal nicht viel von den Straßen, bis sie dann etwas später die besser beleuchteten Wege der Oberstadt entlangfuhren.
Obwohl sie nur ein einziges Mal hier entlang gegangen waren, erkannte er die Umgebung sogleich wieder. Hier waren sie wieder, die Häuser der reichen Händler und die Paläste der Edlen. Wie viel wohl so ein Palast kosten würde? Wahrscheinlich mehr als er aufbringen konnte, aber wenn er so ein Schloss besaß, dann würde Ariane ganz von selbst zu ihm laufen und sein Bruder müsste sich dann vor ihm verneigen.
Ach ja, Ariane. Ahrok konnte nicht anders, als bei dem Gedanken an sie zu lächeln. Sein Herz schlug schon wieder so schnell. Was würden ihre ersten Worte sein? Sehnte sie sich ebenso nach ihm wie er nach ihr?
Die Pferde wurden langsamer und bogen nach rechts in einen kleinen Weg ein. Sie passierten ein schweres Tor und dann erspähte er auch schon den gut beleuchteten Garten, den er immer mit Ariane zusammen aus dem Fenster seiner Krankenstube hinaus beobachtet hatte.
Sie waren da. Sie waren da!
Ahrok rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her, als der Wagen langsam zum Halten kam.
„Wir sind da“, kommentierte eine Stimme vom Kutschbock unnötigerweise.
Dann sprang jemand vom Wagen. Schritte erklangen und die Tür zu Ahroks Linken wurde geöffnet. Noch bevor Ahrok aufspringen konnte, stand dieser Albert Steiner schon und verdeckte ihm die Sicht nach draußen. Ahrok befand sich direkt hinter ihm, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass der Rücken des Hofmeisters ihm den Anblick von Ariane verwehrte.
„Und?“, die Stimme gehörte ohne Zweifel dem Grafen.
„Wir haben sie gefunden, Herr Graf.“
„Gepriesen seien der gütige Erwachte und der Namenlose. Bring sie her.“
Die Kutsche wackelte wieder ein wenig, als Albert Steiner die Kabine verließ und damit für ihn den Blick auf das beleuchtete Anwesen der von Lichtensteins freigab.
Ahroks Lächeln fiel enttäuscht zusammen, als er erkannte, dass nur der Graf dort draußen auf sie wartete. Auf Anhieb schlecht gelaunt, stieg nun auch er aus der Kutsche.
„Graf Herbert!“ Ragnar hinter ihm hatte eine weit bessere Laune. Es war eine verkehrte Welt. „Es ist schön dich zu sehen.“
„Ja, es ist… Willkommen. Habt ihr schon gegessen?“
„Nein, keinen Bissen.“
„Dann folgt mir. Albert, sorg bitte dafür, dass das Abendessen wie besprochen serviert wird.“
„Jawohl, mein Herr.“
Ahrok stand wortlos schmollend neben den drei Männern.
Keine Ariane. Solche Scheiße.

„Folgt mir bitte.“
Der Graf schritt ein bisschen zu hektisch durch sein hell beleuchtetes Herrenhaus.
Ahrok hatte Mühe mit dem Alten Schritt zu halten. Neugierig blickte er sich um. Während seines letzten Aufenthalts hier hatte er nicht viel mehr als sein Krankenlager gesehen. Dabei war das Gebäude riesig. Alle paar Schritt brannten hier Kerzen in ihren Halterungen und tropften heißes Wachs auf den Boden.
Er sah Gemälde, Kommoden, Spiegel und einige Bedienstete, aber nicht das, wonach er wirklich Ausschau hielt.
„Hier, bitte. Setzt euch doch.“
Graf Herbert von Lichtenstein wies ihnen Plätze an einer langgezogenen Tafel zu. Er selber schritt unruhig auf und ab und rieb sich die schweißnassen Hände.
„Iss was, Graf Herbert?“
Der alte Mann rang kurz mit sich und antwortete dann mit einem schlichten: „Ja.“
„Ich dachte mir schon, dass du wieder in der Scheiße steckst“, nickte Ragnar und prüfte die Becher auf dem Tisch nach ihrem Inhalt.
Ahrok nahm sich allen Mut zusammen: „Wo ist Ariane? Ich mein natürlich die Komtess.“
„Sie wird nicht kommen“, lautete die unbefriedigende Antwort.
„Ist ihr etwas passiert?“
Graf Herbert von Lichtenstein hörte auf herumzuwandern und nickte einem der Dienstboten zu, der bislang unbeweglich vor dem Speisezimmer gewartet hatte.
Der Mann überreichte dem Grafen einen Zettel und zog sich dann wieder zurück.
„Vor vier Tagen erhielten wir dieses Schreiben. Es lag auf meiner Bettdecke, als ich an dem Morgen erwachte. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Ich weiß nicht, wie es dahin gekommen ist, aber ich habe seitdem gewaltige Angst um mein Leben und das meiner Nichte.“
Er legte den Zettel zwischen ihnen beiden auf den Tisch.
In wunderschön geschwungener Handschrift war ein kleines Gedicht darauf verfasst worden.
Ragnar zog den Zettel zu sich und las laut:

Sieben Tage, kurz und fein
Sollen noch die Euren sein.
Der Tod, ihr habt ihn aufgeweckt.
Er hat die Zähne nun gebleckt.
Lauf und renn! Versteck dich nur.
Der Tod, er findet jede Spur.
Sieben Tage, kurz und fein
Nur sieben noch – dann bist du mein.

Ahrok summte leise.
„Sieben Tage hm hm hmmm
Sollen noch hm hm hm hmmm“
Ihm kam dieser Reim seltsam bekannt vor. Es war ihm, als kannte er die Zeilen schon, bevor Ragnar sie vorlas und dann war da diese Melodie noch in seinem Kopf.
„Tja, das klingt echt scheiße, Herbert. Da hat dich jemand auf dem Kieker.“
„Ja, das denke ich auch. Aber warum?“
„Was fragst du mich das? Wenn du es schon nicht weißt… was sagt denn die Stadtwache dazu?“
„Die haben gesagt, dass sie wegen eines Kinderreimes nichts unternehmen. Ich glaub der Hauptmann ist immer noch wütend, weil ich euch beide nicht dem Galgen überlassen habe.“
„Ja, ich kann mir vorstellen, dass der Kerl nachtragend ist. Der hatte so was Irres an sich. Warum heuerst du nicht ein paar Leibwächter an?“
„Wen soll ich denn deiner Meinung nach damit beauftragen? Ich kenn doch niemanden aus solchem Gewerbe. Was ist, wenn ich mir genau den ins Haus hole, der diese Zeilen geschrieben hat?“
„Mann, Herbert, machst du dir verquere Gedanken.“
„Ihr verdankt mir euer Leben. Ich hab euch gut bezahlt.“
„Stimmt. Und?“
„Ich will also euch anheuern. Ihr sollt uns beschützen.“
„Wir sind nicht sonderlich gut im Beschützen...“
„Wir sind sogar ziemlich gut im Beschützen!“, fiel ihm Ahrok ins Wort.
„Ach ja?“, Ragnar wandte sich ihm zu. „Was glaubst du wohl, was Hans dazu sagt?“
Ahrok schwieg und kratzte sich betreten am Kopf.
„Also wollt ihr uns nicht helfen?“
„Wie hast du dir das vorgestellt? Wir sind gerade einmal zwei Leute?“
„Aber, aber… ihr habt euch das letzte Mal einer ganzen Armee gestellt.“
„Das war keine Armee und außerdem war das etwas völlig Anderes. Jemanden zu töten ist leicht, aber jemanden zu beschützen… das ist so viel schwerer.“
„Was heißt das denn jetzt?“
Ahrok fühlte sich geradezu frech übergangen: „Also ich geh hier nicht weg.“
Er setzte sich noch einmal demonstrativ auf seinen Stuhl und verschränkte die Arme.
Die beiden blickten ihn irritiert an.
„Ich geh hier nicht weg. Wenn ihr unsere Hilfe braucht, dann bleib ich hier.“
Ragnar verdrehte die Augen.
„War ja klar, dass du wieder nur Scheiße redest.“
Ahrok blieb mit verschränkten Armen auf dem Stuhl sitzen und starrte ihn stumm herausfordernd an.
„Wie stellst du dir das vor?“
Keine Antwort, nur weiteres Starren.
„Hatten wir nicht ausgemacht, die Stadt zu verlassen?“
Starren.
„Wenn das nur ein blöder Scherz unter Adligen ist, dann vergeuden wir nur wieder ein paar Tage.“
Noch immer saß Ahrok regungslos direkt vor ihm.
„Na gut, na schön. Drei Tage. Und wehe da passiert nichts!“
 
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Kommentare  

Köstlich wie es Ahrok peinlich ist, dass er so versumpft ist. Klar, dass Ragnar am liebsten weitersumpfen würde. Der Graf ist pfiffig, dass er sich die beiden zu seinem Schutz holt. Wie immer klasse.

Petra (03.03.2012)

lassen sich ja ganz schön gehen, die beiden. aber dann erwacht ahrok aus seinem sumpf, muss irgendwie mit ariane zu tun haben... na schön, drei tage, und wehe da passiert nichts. ;-)

Ingrid Alias I (03.03.2012)

Keine Entschuldigung nötig denn genau genommen freu ich mich sogar sehr über deine Kritik, da so etwas bisher noch nicht angesprochen wurde. Ich bin was die Geschichte angeht sicher auf so manchem Auge blind, daher bin ich für jeden anderen Eindruck dankbar.

Jingizu (03.03.2012)

Nochmals sorry, du hattest erwähnt nicht aus einer allwissenden Perspektive zu schreiben....uffff die späte Abendstunde nagt ;)

Bis dann...


Francis Dille (03.03.2012)

Sorry, habe deine Story ja nicht volständig verfolgt. Aber sich auszutauschen, dafür sind solche Plattformen ja da.
Nein, störend ist deine allwissende Perspektive bestimmt nicht, sie gefällt scheinbar. Wenn es dein Konzept ist, solltest du es auch so unbedingt weiter beibehalten.

Gruß


Francis Dille (03.03.2012)

Hallo Francis.

Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die wohlgemeinte Kritik.
Um mich kurz zu verteidigen:
Kein Kapitel wird aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, der über der Geschichte steht, sondern jeweils aus der Sicht des jeweilichen Charakters, der gerade darin die Hauptrolle übernimmt.
Ausdrücke wie "Das war gar nicht gut." oder Flüche sind somit charakterspezifische Wertungen der aktuellen Geschehnisse - und diese Wertungen der Ereignisse erfolgen in jeweils der Sprache, der sich auch der jeweilige Charakter für gewöhnlich bedient.
So zum Beispiel werden Kapitel aus der Sicht von Ragnar und Ahrok eine wüstere Sprache enthalten als Kapitel aus Sicht von Chris, Nikolas, Bernhard oder den von Lichtensteins.

Falls dies tatsächlich nicht erkennbar sein sollte oder es auch von anderen als störend empfunden wird, bitte ich hierzu um weitere Anmerkungen.


Jingizu (02.03.2012)

Ich habe jetzt mal Kapitel 45 & 46 hintereinander gelesen, um mich etwas in deine Story hineinzuversetzen. Gebe jetzt ehrlich zu, dass mir Fantasy nicht sonderlich liegt, ist nicht mein Ding. Ich lese also aus einer anderen Perspektive und mir ist aufgefallen, dass deine Protagonisten ständig heftig am Fluchen sind. Ist okay, das machen ihre Charaktere aus und es ist durchaus wichtig für deine Story. Nur rate ich dir, dies in der Erzählperspektive besser zu unterlassen, weil du deinen Helden damit die Show stielst. Außerdem läufst du in Gefahr, dass der Leser deinen Schreibstil gar für plump empfindet und nicht mehr weiterliest.
Ich meine, ansonsten verliert das Fluchen in den Dialogen doch seinen Charm und Witz.

Szenenbeispiel:
Der Junge unterhielt sich mit einem Mann der vor einer weißen Kutsche stand. Eine weiße Kutsche. Scheiße.
Dann erfolgt wieder ein Dialog und Absätze weiter erwähnst du als Erzähler – Doppelscheiße.

Besser wäre es, finde ich:
…waren schneeweiße Räder einer Kutsche zu erkennen.
Eine weiße Kutsche.
Das war nicht gut. Nein. Das war sogar ganz und gar nicht gut.

Oder so ähnlich eben. Sagt irgendwie das Gleiche aus, finde ich, dennoch bleibt das Fluchen den Helden vorbehalten und dein Schreibstil bleibt sauber.

Doppelscheiße also…ab damit in den Papierkorb! ;)

LG


Francis Dille (02.03.2012)

Ja das hier ist, wie auch fast alle noch kommenden, komplett neu. Der Plan der ursprünglichen Geschichte, sich eins zu eins an die tatsächlichen Geschehnisse zu halten, habe ich beim Umschreiben aufgegeben um die ganze Geschichte etwas runder zu machen. Viel Ereigniss wie z.B. das Turnier waren beim spielen ganz witzig, bringen aber die Geschichte kein Stück voran und werden deshalb auch keinen Einzug in die überarbeitete Version mehr finden, dafür erfährt man nun bereits etwas früher als ursprünglich angedacht etwas mehr über Ahrok.

Jingizu (02.03.2012)

Einfach toll geschrieben. Ich habe dieses Kapitel gar nicht mehr in Erinnerung. Ist das neu? Jedenfalls gut dargestellt wie berknallt Ahrok in Ariane ist. Man kann ihn völlig verstehen. Und Ragnar mit seiner mürrischen Art kommt auch sehr gut rüber. Da bin ich mal gespannt, wer Ariane an Leder will. Das heißt: irgendwie kann ich es mir eigentlich schon denken.

Jochen (02.03.2012)

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