290


15 Seiten

Ahrok 2.Band - 13. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Dreizehntes Kapitel: Zwerge und Elfen

Endlich war es dunkel. Ahrok hatte es kaum erwarten können, dass der Valr endlich die Tür hinter sich schloss. Wunderbare Dunkelheit. Wunderbare Stille, wenn man einmal von dem nervtötenden Geplätscher absah, welches die Wellen verursachten, die unabänderlich gegen den Rumpf der Seepfeil schlugen.
Ahrok hatte wirklich schon viel erlebt, aber ohne Übertreibung konnte er diese paar Tage – oder waren es bereits Wochen? – als die Schlimmsten seines Lebens bezeichnen.
Man hatte ihn schon verbrannt, oftmals halbtot geschlagen und ihn mit einem einzigen Messerstich nah an die Schwelle des Todes geschickt, aber nichts konnte sich auch nur annähernd mit der abstoßenden Tortur einer Schiffsreise messen, obwohl der wochenlange Ritt auf einem Pferd dem Ganzen schon ziemlich nahe kam.
Es hatte schon in den ersten paar Stunden angefangen.
Diese leichte Übelkeit, von der Ahrok erst dachte, dass es Nachwirkungen der nächtlichen Feier waren, hatte sich kurz nach dem Aufwachen immer weiter verschlimmert, so dass er die gesamten ersten drei Tage über die Reling gebeugt verbracht hatte.
Seit er auf dieses vermaledeite Schiff gestiegen war, oder genauer gesagt geschleift wurde, hatte er keine einzige Mahlzeit drinnen behalten können, ohne nur Minuten später die Fische damit zu füttern. Irgendwann hatte er es aufgegeben etwas zu essen. Pro Tag nahm er nur noch einige Schluck Wasser zu sich und verbrachte die ganze Zeit in einer kleinen, dunklen Koje unter Deck. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, wütend auf den Zwerg zu sein, bei dem sich langsam das abnorme Verhalten zeigte, ihn ständig bewusstlos zu schlagen, wenn sie verschiedener Meinung waren.
Anfangs wollte er deshalb noch dagegen protestieren, dass man ihn und Ragnar wie üblich abgeschoben und ihnen nur ein winziges, dreckiges Loch zugeteilt hatte, doch mittlerweile war er mit diesem Umstand mehr als zufrieden.
Die meiste Zeit befand er sich allein hier unten und niemand, vor allem nicht Kara oder der Rest der Mannschaft, konnte hören wenn er sich hier schonungslos seinem Leid hingab und jammerte was sein geplagter Körper hergab. Warum denn immer wieder er? Was hatte er denn getan? Es konnte doch gar nicht noch schlimmer werden, oder? Eines stand jedenfalls fest, die beschissenen Götter hassten ihn.
Alle.
Ausnahmslos.
Und sie schienen es sich zu ihrer Lebensaufgabe gemacht zu haben, ihn zu ärgern und zu quälen wo es nur ging.
Wie so oft in den letzten Tagen lag er also stöhnend und zusammengekrümmt wie ein Kind im Mutterleib auf dem hölzernen Boden der kleinen Koje und lauschte ab und zu den Stimmen und dem Klopfen der Schuhsolen auf Deck.
Tageszeiten waren hier unten bedeutungslos.
Es herrschte immer wohltuende Dunkelheit und selbst wenn der Valr ab und zu den Raum betrat, so entzündete dieser kein Licht aus Rücksicht auf ihn, seinen todsterbenskranken Freund. Wenn Ahrok in der Lage gewesen wäre etwas zu sagen, dann hätte er Ragnar sicherlich dafür gedankt.
Ansonsten sah niemand nach ihm.
Die Mannschaft der Seepfeil hatte mit Sicherheit alle Hände voll zu tun, dass Schiff auf Kurs zu halten und den hochwohlgeborenen Herren war sein Zustand höchstwahrscheinlich scheißegal. Ursprünglich hatte er einmal den Plan gehegt, sich mit dieser Schwarzelfe Kara erneut zu unterhalten, aber im Moment hatte er wirklich genug damit zu tun, sich mit aller Kraft diesseits des Lebensflusses zu halten.
Erneut krampfte sich sein Magen zusammen und er begann zu würgen.
Rasch kam er auf die Beine und marschierte mit halbgeschlossenen Augen durch die Dunkelheit hinauf an Deck. Glücklicherweise war er diesen Weg in letzter Zeit oft genug gelaufen, um ihn selbst in stockfinsterster Nacht zu finden.

„Jooch hebbt mi ropen laten werder Hertog Salinis?“, der alternde Kapitän betrat die luxuriös ausstaffierte Kabine des Herzogs, welche noch vor kurzem seine eigene gewesen war. Er staunte nicht schlecht. Die kahlen Wände aus mittlerweile viel zu altem Holz hatte man mit kunstvollen Teppichen behangen. Kissen und Decken langen überall herum und makellos gedrehte Kerzen tauchten die ehemalige Kapitänskajüte in ein wohlig warmes Licht. Zwischen all diesem Zierrat lag der junge Mann in einem leichten Nachthemd und schwenkte einen sicherlich vorzüglichen Wein in einem Kristallkelch, so als ob sie sich noch immer an Land und in einem erstklassigen Bordell befanden.
In der hinteren Ecke, an welcher sonst einige Navigationskarten hingen, stand, unbeweglich wie eine Statue, der Leibdiener des Herzogs und machte keine Anstalten dem Kapitän ebenfalls einen der Kelche zu reichen.
„Mein werter Kapitän Peters, wie schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Bitte, setzt Euch doch. Nehmen Sie sich einen Weinkelch. Reden wir ein bisschen.“
„Nu ik weit nich min gauter Hertog. So een Boot stürt sik nich von alleen un ik hew woenig Tiet um…“
„Ich verstehe Ihre Verantwortung durchaus mein lieber Kapitän.“, schnitt ihm Herzog Salinis das Wort ab, „Aber für dieses Gespräch werden Sie sich nur zu gern etwas Zeit nehmen.“
Widerwillig setzte sich der alte Mann und nahm sich einen der bereitgestellten Weinkelche.
„Nun Kapitän Peters ich hab natürlich schon im ersten Moment erkannt, dass Sie ein Mann von Welt sind. Weitgereist, erfahren, ein echter Kenner der Frauen, denn wer solch ein Geschöpf wie diese wunderbare Kara sein Eigen nennt, der ist wahrlich ein reicher Mann.“
Der Kapitän konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. „Jo, dat iss woll so. Een wunnervollet Luder min Kara! Dat sin se gaut gewahr warn.“
„Sehen Sie und dies ist dann auch schon der Grund warum ich mit Ihnen reden möchte. Ihre Kara – wie viel kostet sie?“
Kapitän Peters prustete los: „Kofn? Se wollen min Kara kofen? Nee min Jung, dat schlaan di mal flink ut dien Dassel. Se iss nich zu verkoopen.“
Der Herzog lächelte zufrieden, denn just in diesem Moment hatte er erfolgreich seinen Köder ausgeworfen. Dieser wunderbar exotische Schwarzalb würde noch in dieser Nacht ihm gehören.
„Sie ist ein Weib. Trotz all ihrer Vorzüge kann sie doch unmöglich so wertvoll sein, mein guter Kapitän.“, spielte er den Überraschten.
Schon wieder grinste der alte Mann hämisch: „Ohh doch gauter Hertog, dat kann se.“
„Aber Herr Peters…“
„Käppn bidde!“
„Natürlich Kapitän Peters. Bitte sehen Sie mir diesen Fauxpas nach, aber seien wir doch mal ehrlich. So von Mann zu Mann - wird es Ihnen nicht langsam langweilig immer nur dieselbe Frau Nacht für Nacht in Ihr Bett zu bitten? Wir Männer wissen doch, dass allein die Abwechslung das Leben ausmacht. Ich biete Ihnen einen guten Preis für Ihre kleine Spielgefährtin.“
„Se häwwen ja keene Ohnung wat min Kara so olls op de Kassen häwwt Hertog. Ik sechte doch se iss nich…“
„Eintausend Goldstücke.“
Die Kinnlade des Mannes klappte hinunter und der Weinkelch fiel ihm aus der zittrigen Hand. Zufrieden beobachtete Herzog Salinis die Reaktion seines Gegenübers. Solch Proleten ließen sich so leicht mit Geld um den Verstand bringen.
„Een… E-een …“
„Eintausend Thaler. Jawohl Sie haben ganz richtig verstanden. Nie wieder Boot fahren, nie wieder jemand der es wagt Ihnen zu widersprechen, nie wieder billigen Rum oder billige Frauen. Den gesamten Rest Ihres Lebens verbringen Sie in üppigem Reichtum und umgeben von jungen, erfahrenen und willigen Frauen. Wie klingt das für Sie?“
„Eendusend…“, eintausend Goldstücke! Selbst wenn er sein restliches Leben lang zur See fuhr und danach sein Schiff verkaufte, so würde er niemals auch nur ein Fünftel dieses Schatzes anhäufen können! Mit so viel Gold konnte er jede verdammte Bar und jeden Puff diesseits der alten Welt bis ans Ende seiner Tage unsicher machen. Wozu brauchte er dann diese sture Elfe noch?
Er räusperte sich und wischte sich das verträumte Grinsen aus dem Gesicht: „Nu joa, ik mene se häwwen eegentlik Reckt. Dat mit disse Affwesslung iss wool gans richdig un dar is ook een rejaller Pries. Ook wenn et mi nich gefällt min gaute Kara so eenfach gohn to laten.“
„Dann ist es abgemacht, unser Geschäft besiegelt? Sie gehört jetzt also mir?“
„Nu jo… Jo! För de Sünnerpries von eendusend Goldstücke gehürt se ennen min Hertog.“
„Wie wunderbar, dass wir uns so rasch einig geworden sind. Hier haben Sie auch schon den Wechsel unterschrieben von mir über eintausend Goldstücke.“
Der Herzog wies auf einen kleinen Zettel, der auf dem Logbuch zwischen ihnen lag.
„Wat? Wat iss denn dat?“
„Das ist Ihre goldene Zukunft. Sie als vorsichtiger und erfahrener Mann haben doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich mit eintausend Goldstücken in der Tasche durch ganz Swanmark laufe, für den Fall, dass sich mir eine Gelegenheit zu einem solchen Geschäft auftut?“ Der Mann war sichtlich enttäuscht. „Aber dieser Wechsel ist ebenso gut wie Bargeld. In jeder Wechselstube können Sie ihn einlösen und bekommen Ihre eintausend Goldthaler ausgezahlt.“
Wieder überlegte der alte Mann eine kleine Weile, doch dann erhellte sich seine Miene.
„Afmaakt min Gautster! Her mit dissem Wisch!“, aufgeregt riss er den Schuldschein an sich und begutachtete wieder und wieder die Zahl mit den vielen Nullen.
„Nun dann, da dies Geschäft nun abgeschlossen ist, dürfen Sie sich entfernen Kapitän Peters.“
„Man nich so snell min Gautster! Se häwwen noch dat Wichdigste vergeten.“, er zog sich einen Ring vom Finger und reichte ihn dem Herzog, „Sünner dissen Ring warrn se nich bannig Freid mit de Deern häwwen.“
Herzog Salinis betrachtete den schmucklosen Ring, der so gar nicht zu den anderen an seinen Fingern passen wollte.
„Was ist das?“
„Nu, dat iss een terranischer Slaavenring. Ik häww doch seggt, dat de Kara een gans scheunet Luder iss.“
„Vielen Dank.“, er bedeutete dem Kapitän erneut, sich wieder zu entfernen, „Und lassen Sie bitte nach meiner Kara schicken, sie wird sich sicherlich freuen, mich kennen zu lernen.“
Sich verbeugend verließ ihn der Kapitän und starrte dabei wieder und wieder auf seinen Wechsel. Es war erbärmlich wie sehr der gemeine Mann sich vom Glanz des Goldes blenden ließ.
Herzog Salinis grinste währenddessen vor lauter Vorfreude auf die nächsten paar Stunden. Welch schlaues Geschäft hatte er doch gemacht. Diese Elfe war eines der seltensten Geschöpfe, die ihm je untergekommen waren und schon am ersten Tag auf diesem Schiff hatte er gewusst, dass er diese Frau besitzen musste.
Gewissenhaft füllte sein Leibdiener Jean den beinahe geleerten Kelch erneut.
„Vorzüglich mein Herr. Ihr seid wahrlich ein bewundernswerter Geschäftsmann.“
Ein Schwarzalb als Konkubine. Er würde der am meisten bewunderte Mann in ganz Märkteburg, ach was, in ganz Swanmark sein und wenn er dieser Frau überdrüssig wurde, so konnte er sich mit Sicherheit für ein Vielfaches ihres Einkaufpreises weiterverkaufen.
Völlig entspannt lehnte er sich zurück in seine Kissen, dies würde eine Nacht werden, die er sein Lebtag nicht vergessen würde.

Mit einem spitzen Schrei erwachte Kara aus einem Albtraum.
Sofort strich sie mit der Hand über den Lichtquarz, der sich in gewohnter Reichweite knapp über ihrem Kopf in der winzigen Kammer befand. Erst als die beklemmende Dunkelheit und mit ihr die bösen Figuren verschwanden, beruhigte sie sich etwas. Doch der kalte Schweiß stand ihr noch minutenlang auf der Stirn.
Sie hatte Angst im Dunkeln. So lächerlich es auch war... zu viele schreckliche Dinge waren geschehen, als es dunkel war. Manche dieser Erinnerungen waren so weit weg, dass sie sich einreden konnte, dass diese ebenfalls nur böse Träume waren. Manche – aber eben nicht alle. Mal hatte sie geschrien, mal war sie stumm, mal hatte sie geweint und dann hatte man sie geschlagen, weil Sklaven nicht weinen sollen. Die Götter hatten sie vor langer Zeit verlassen und Jahre später hatte sie den Glauben an sie einfach aufgegeben, war zu einer bloßen Hülle geworden. Ohne Seele, ohne Inneres, das man noch verletzen konnte.
Manchmal kam die alte Kara zurück, um zu sehen, was aus ihr geworden war, aber dann schickte sie diese wieder fort in das Vergessen, wo sie hingehörte.
Ihr Herz schlug jetzt wieder in gewohnt ruhigem Rhythmus.
Der Raum war winzig und bis auf den Lichtquarz und eine kleine Kiste, in welcher sie ihre wenigen Habseligkeiten aufbewahrte, auch völlig leer. Es gab nicht einmal ein Lager oder die übliche Hängematte. Sie war eben nur der Hund des Kapitäns. Nichts weiter.
Mit der Linken fuhr sie sich durch das schweißnasse Haar.
Ihr Blick blieb an der silbrigen Sklavenfessel hängen, die ich um ihren linken Unterarm spannte. Das Gewicht dieses Metallstücks war ihr so schrecklich vertraut wie sonst nichts mehr in ihrem Leben.
Kara konnte sich nicht mehr an das Unterreich erinnern.
Hatte sie Eltern gehabt? Sicherlich, ein jeder hatte Eltern. Und Geschwister? Hatte sie gelacht? Wirklich gelacht, so wie sie es von Zeit zu Zeit bei anderen sah, nicht dieses künstliche Gelächter, das ihre Herren so gerne hörten. Oder war es schon immer so gewesen?
Es war jetzt schon mehrere Jahrzehnte her, dass man sie gefangen hatte. Viel zu lang, selbst für eine Elfe. Ihren ersten Herren hatte Kara noch gut in Erinnerung. Er war grausam gewesen, aber doch der Einzige gewesen, der nicht… Wie auch immer. Mal hatte man sie verkauft, mal war sie an einen neuen Besitzer übergegangen, weil man ihren alten Herren getötet hatte, ein andermal hatte man sie verschenkt wie ein Spielzeug, dem man überdrüssig geworden war. Sie war durch so viele Hände gewandert und eine jede hatte ihre Spuren an ihr hinterlassen.
Der alte Peters hatte sie gefunden, als er in seinen jungen Jahren das Schiff ihres damaligen Herren gekapert hatte. Das erste Jahrzehnt war schlimm gewesen, aber zum Glück alterten Menschen sehr schnell.
In den letzten paar Jahren war alles ruhiger geworden, zwar behandelte er sie noch immer wie ein Stück Dreck und ließ sie in einem Raum schlafen, der kaum größer als eine Besenkammer war, aber dies war immer noch besser, als das Bett mit ihm teilen zu müssen.
Wenn alles gut ging, dann würde der alte Mistkerl bald sterben und dann war sie herrenlos und frei. Sie würde diesen verhassten Ring von seinen steifen Fingern reißen und niemand würde je wieder über sie befehlen.
Keine Schläge mehr, keine geifernden Kerle mit ihren abartigen Phantasien mehr. Der Gedanke an die Freiheit war das Einzige, was sie noch am Leben hielt. Wie schön musste ein normales Leben sein. Sie hatte sich früher oft ausgemalt wie ein Leben ohne diesen Zwang aussehen musste, später dann nicht mehr.
Aber als sie mit diesem jungen Kerl namens Ahrok geredet hatte, war alles anders gewesen. Er hatte sich nicht um ihre Abstammung gekümmert oder war darauf versessen gewesen sie zu besitzen. Es war ihr erstes ungezwungenes Gespräch gewesen seit Jahren – bis dieser Zwerg aufgetaucht war.
Der hatte alles kaputt gemacht! Dieser stinkende, hässliche Karlik hatte alles kaputt gemacht mit seiner dummen Engstirnigkeit.
Eine Träne rann ihr über das Gesicht.
Überrascht stellte sie fest, dass sie überhaupt noch genug Tränen übrig hatte um zu weinen.
Als es an der Tür klopfte, wischte sie auch diese vielleicht Letzte rasch hinfort.
„Kara wach auf! Der Herzog will dich sehen, sofort wenn’s geht.“
Das war die Stimme von Piet gewesen. Er war einer der Jungs, die schon seit einer guten Ewigkeit auf der Seepfeil ihren Dienst taten. Der stämmige Kerl hatte die Kraft eines Ochsen und so mancher Ochse konnte mit Verlaub behaupten zwischen seinen Hörnern mehr Verstand zu besitzen als der junge Seemann, aber er war ein guter Junge.
Doch ebenso wie alle anderen ging er Kara aus dem Weg, denn sie gehörte dem Kapitän und dieser konnte ziemlich ungehalten werden, wenn einer der Jungs allzu zutraulich mit ihr redete oder sie auch nur unpassend ansah.
Seine Schritte entfernten sich wieder.
Was konnte dieser Jüngling von einem Herzog nur von ihr wollen? Dieser hübschgesichtige Junge hatte ohne Zweifel ein Auge auf sie geworfen und vielleicht wollte er ihr den Hof machen, um sie zu beeindrucken. Vielleicht könnte dies noch ein schöner Abend werden mit Wein und einer ungezwungenen Unterhaltung… Sie vermisste er sehr sich zu unterhalten.

Ragnar lehnte gelangweilt an der Reling dieser alten Barke. Zwerge flogen nicht auf Luftschiffen und sie fuhren für gewöhnlich auch nicht über das Wasser. Wenn ein Zwerg irgendwohin wollte, dann grub er sich einen Stollen oder einen Tunnel zu dieser Position. Bei all den widerlichen Schrecken, die er bisher durchlebt hatte, lag diese Schiffsfahrt so ziemlich in der Mitte. Da gab es die Tatsache, dass er sich dieses winzige Boot mit einer Dökkalfr teilen musste und noch dazu war mit Ahrok, der sich gerade wieder einmal unweit von ihm erbrach, auf dieser Reise rein gar nichts anzufangen. Der Bursche war in den letzten Tagen nicht einmal mehr fähig gewesen, ein Gespräch zu führen. Also blieb ihm nur die Gesellschaft der Schiffsbesatzung und die der Grafen. Die meisten dieser Leute gingen ihm jedoch für gewöhnlich aus dem Weg. Die Mannschaft war dabei entschuldigt, denn die hatte alle Hände voll zu tun, aber die anderen Menschen… Ragnar mochte gar nicht an sie denken.
Sie waren Adlige aus allen Altersschichten, Edelleute, die ihre Titel durch herausragende Taten und große Schlachten errungen hatten. Seine zwergische Natur wollte sie für ihre glorreiche Vergangenheit und die Abenteuerlust, welche sie zu dieser Expedition getrieben hatte, bewundern, doch er konnte es mittlerweile einfach nicht mehr.
Sie alle waren dekadent, faul und kannten keine Kameradschaft.
Ein Volk wie die Menschen, welches die Götter so schwer bestraft hatten, sollte keine Dekadenz kennen.
Gerade schleifte sich ein jämmerliches Abbild von Ahrok an ihm vorbei und wischte sich die Reste des Erbrochenen vom Kinn. Trotz allem rang Ragnar der erbärmliche Anblick seines Freundes ein schadenfrohes Schmunzeln ab. Bis dieser sich wieder mit letzter Kraft unter Deck geschleppt hatte, vergingen einige heitere Momente, in denen er ganz diese unglaubliche Langeweile vergaß.
Der Wind frischte erneut auf und längst nicht alles Wasser, was auf Deck spritzte, kam aus der tobenden See. Ein mächtiges Unwetter braute sich über dem Grünen Meer zusammen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die heftigen Wellen ihr Schiff hin und her warfen und Ahrok wieder an Deck gesprintet kam.
Ragnar stieß sich von der Reling ab und wanderte zum Bug.
Da vorn musste der alte Sturmsänger stehen.
Ohne einen erfahrenen Elementaristen traute sich kein Schiff weiter als sechzig Seemeilen auf das tückische Grüne Meer mit all seinen plötzlich auftauchenden Sturmwinden und monströsen Wellen hinaus.
Der halbblinde Kerl, der sich kaum noch aus eigener Kraft auf den eigenen Beinen halten konnte, war der einzige Mann an Bord, mit dem Ragnar noch etwas anfangen konnte und sich von Zeit zu Zeit unterhielt. Er gebildet wie die meisten Magi und noch dazu recht umgänglich, besonders wenn man in Betracht zog, dass es sich hierbei um einen Shin handelte.
„Oi Ragnar sama!“, nickte ihm der alte Elf zu, ohne sich dabei umzudrehen. Die langen ergrauten Haare peitschten im Wind hin und her.
Der Mann hatte ihn bei den vielen Geräuschen um sie herum nicht hören können, also hatte dieser wohl seine magischen Fühler ausgestreckt, um seine Anwesenheit zu spüren. Magier waren gruselig, selbst wenn sie es nicht sein wollten. Der silbergraue Elf stand in seiner schlichten, knallgelben Robe am vordersten Punkt des Schiffes und betrachtete gewissenhaft das Spiel des Seegangs. Es war ein besonders hässliches Gewand, aber dass Elfen keinen Geschmack haben war ja nichts Neues. Er würde diesmal nicht wieder eine fruchtlose Diskussion über die Robe des Elementarzauberers vom Zaun brechen, denn das letzte Mal hatte ihn bei seiner Argumentation fast eine Welle von Deck gerissen und Ragnar war sich ziemlich sicher, dass dies der Weg des Magus gewesen war, um ihm zu sagen, dass er still sein sollte.
Im Gegensatz zu dem Elementbändiger konnte Ragnar nur schwer die Konturen in der endlosen Weite des Ozeans ausmachen. Meer und Himmel unterschieden sich nur geringfügig in ihrem Farbton und der Regen, welcher vor wenigen Stunden über das Schiff hinaufgezogen war, vollendete das trostlose Farbgemisch.
Unbeeindruckt von dem harten Wind stand der Sturmsänger aufrecht am Bug und studierte das Unwetter, welches sich wie ein gefräßiges Ungeheuer über die Seepfeil beugte.
„Hiroki sama.“, Ragnar verbeugte sich leicht und konnte schwören, dass er dem Elf damit ein Lächeln abrang. Schweigend gesellte er sich zu dem Elementzauberer und blickte hinaus auf das Dunkel der See.
„Warum seid Ihr bei diesem Wetter nicht in Eurer Kajüte?“, fragte der Elf ohne seinen Blick vom Meer zu reißen.
Eine Windbö peitschte Regen und Gischt gegen das Boot.
„Es gibt da so Dinge.“, Ragnar spuckte in die See.
„Ja, ja... Ein weiser Mann hat einmal gesagt – Erinnerungen sind immer wunderschön. Ich persönlich halte dies für einen seiner weniger weisen Aussprüche.“
Diesmal war es Ragnar, der sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte.
„Was macht die See?“
„Interessiert Euch das wirklich Ragnar Sohn des Rango?“
„Nein, ich wollte nur höflich sein.“, der Zwerg kratzte verlegen auf dem Holz der Reling. Der Sturmsänger ließ ihn dieses Mal aber wirklich ganz schön zappeln. Er musste doch wissen wie ungern Ragnar einen Elfen um etwas bat. „Es ist nur so... es ist so ungemein langweilig heute Abend und da dachte ich... ich dachte ihr könntet mir vielleicht eines eurer Kunststückchen vorführen.“
Der Sturmsänger drehte sich zu ihm. In dieser Welt war es ungemein selten das ein Valr um etwas bat und nahezu fern jeder Möglichkeit, dass er es in freundlichem Ton tat, also besann der alte Magus sich eine kleine Weile. Dann hob seine linke Hand auf Brusthöhe und hielt die geöffnete Handfläche direkt vor Ragnars Augen.
Einige Augenblicke lang geschah gar nichts, doch dann begann die Luft zu schimmern. Nebelfetzen tauchten auf und verfestigte sich rasch zu einem kleinen wabernden Ball, der wenige Zoll über den Fingern des Elementaristen schwebte.
Vor Ragnars weit aufgerissenen Augen verformte sich die Masse andauernd, bis sie die Form eines Fisches annahm, dann begannen ihre Konturen zu erstarren, von der Schnauze bis zum Schwanz war die seltsame Kreatur zu Eis erstarrt und sank langsam hinab in die Hand des Sturmsängers.
„Hier.“, er reichte Ragnar die kleine Eisskulptur, „Es ist das Bild eines… ich kenne euer Wort dafür nicht… eines Iruka, der verspielte Kinder von Ebisu dem Blutegelkind. Man sagt ihnen nach, dass sie verirrte Seefahrer wie einst auch den Gott sicher über das Meer nach Hause geleiten.“
Ragnar nahm die winzige Skulptur an sich. Sie sah einem Fisch sehr ähnlich, denn sie besaß eine typische Rücken- und Schwanzflosse, doch der Kopf unterschied sich von den Köpfen, die Ragnar gewöhnlicherweise an Fischen sah. Er war lang und die Schnauze schmal und spitz und die Augen sahen weniger reptilienhaft aus.
Doch noch bevor er sie eingehender betrachten konnte, begann die kleine Figur in Ragnars warmen Händen dahin zu schmelzen, bis sie letztendlich nur noch eine kleine Pfütze war, die durch seine Finger hindurch auf das Deck tropfte.
„Ein Sturm kommt auf Ragnar sama. Ich habe zu tun.“
Der Valr hob seinen Blick von der kleinen Pfütze gen Himmel. Eine nachtschwarze Wolkendecke hatte sich über das Grüne Meer gelegt und dickbauchige Wolken rasten mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf ihr kleines Boot zu.
„Natürlich!“, nickte Ragnar schnell.
Ein ungewohntes Gefühl rumorte in seinem Bauch herum. Erst leise und verhalten, jedoch mit jedem Augenblick, in dem er ihre Situation bedachte wurde das ungute Gefühl stärker. In seiner alten Heimat gab es keine Meere, keinen wolkenverhangenen Himmel und keine Stürme, da war es kein Wunder, dass er sich hier, ausgeliefert der Magie eines alten Elfen und den Händen ihm unbekannter Seeleute, besonders unwohl fühlte. Heute zu kentern wäre ein jämmerlicher und wenig heldenhafter Tod. Es war also sicherlich besser den Sturmsänger nicht bei der Arbeit zu stören.
Gerade als sich Ragnar wieder unter Deck zurückziehen wollte, um sich Ahroks Gejammer anzuhören, entdeckte er die Schwarzelfe, wie sie durch den Regen auf die Kabine des Kapitäns huschte. Soweit er das in Erfahrung gebracht hatte, lebte dort jedoch nicht mehr der Kapitän, sondern der Herzog Salinis hatte dort sein Quartier bezogen.
Was konnte diese schlitzäugige Kreatur nur von einem Menschenherzog wollen? Nichts Gutes, so viel stand schon einmal fest. Ragnars Griff festigte sich um den Schaft seiner Axt. Das Schiff ließ sich sicherlich auch mit einem Mann weniger steuern. Schiffsbesatzung hin oder her - diesmal würde die verhasste Elfe für ihre unredliche Existenz bezahlen.

Als Kara den schützenden Schiffsbauch verließ, wehte ihr ein kalter Regenschauer entgegen, zudem war es auch recht finster hier draußen. Schwere Wolken verdeckten den Himmel und ließen nicht das geringste Sternenlicht hindurch.
Einer dieser berüchtigten Stürme, für die das Grüne Meer so gefürchtet war, fegte über sie hinweg. Hiroki würde es schon richten. Er schaffte es immer.
Ein jeder, der sich nicht unbedingt an Deck aufhalten musste, hatte sich längst in die trockeneren und vor allem sicheren Bereiche der Seepfeil zurückgezogen. Schützend zog sie den Kragen ihres Hemdes hoch und lief durch Regen und sprühende Gischt hinüber zu der Kabine des Herzogs.
Auf ihr Klopfen erklang sofort seine Stimme: „Komm doch bitte herein Kara.“
Flink schlüpfte sie durch die Tür hindurch und schloss sie wieder gewissenhaft hinter sich, um das Unwetter auszusperren. Hier drinnen war es weitaus wärmer als überall sonst auf dem Schiff, was an dem kleinen Ofen lag, den der Herzog spezielle für diese Reise mit an Bord gebracht hatte. Vier Öllampen tauchten den Raum dazu noch in ein wohlig warmes Licht und so wurde diese sonst eher kalte und abstoßende Kabine zu einem Ort, an dem man herrlich entspannen konnte.
Herzog Salandis saß auf dem Bett und hatte seine vielen Kissen willkürlich im ganzen Raum verteilt. Er war lediglich mit einem seidenen Nachthemd bekleidet, welches jedoch die Sicht auf seine weißen, behaarten Unterschenkel zuließ. Es war etwas ernüchternd ihn so zu sehen, denn in all seine Gewänder gehüllt, hatte der Herzog einen weitaus anmutigeren Anblick gemacht.
Er stellte seinen leeren Weinkelch auf dem zum Nachttisch umfunktionierten Logbuch ab und lehnte sich genüsslich in seine Kissen.
„Es freut mich sehr, dass du so schnell zu mir geeilt bist.“ Ein mulmiges Gefühl beschlich Kara. „Was stehst du denn noch immer dort hinten? Eine Dame wie du sollte in keinem Raum herumstehen müssen wie eine Dienstmagd, also komm her zu mir, setz dich und nimm einen Schluck Wein zu dir. Das lockert die Zunge und die Stimmung.“
Der Herzog schenkte ihr ein breites Lächeln, welches sicher an dem Wein lag, welchem er heute schon fleißig zugesprochen hatte. Aus dem Schatten trat einer der Bediensteten des Herzogs und füllte den Weinkelch seines Herren wieder.
„Danke Jean, du darfst dich entfernen. Wir kommen hier heut Abend auch ohne dich zurecht.“
„Sehr wohl mein Herr.“, der Mann verbeugte sich und schenkte Kara im Vorbeigehen ein noch undefinierbares Grinsen, bevor er den Raum verließ.
„Nu komm schon meine Hübsche. Du musst nicht eingeschüchtert von mir und meinem Titel dort hinten stehen. Entspann dich einfach einmal und trink mit mir.“, er nahm auch sogleich wieder seinen frisch gefüllten Kelch und einen guten Schluck zu sich.
Ein kleiner Kelch guten Weines konnte nie schaden. Der war zumindest um Längen besser, als das abgestandene Wasser, welches man sonst auf der Seepfeil vorgesetzt bekam.
Zögerlich nahm sie den anderen Weinkelch und lehnte sich wieder an die Wand neben der Tür.
Der Herzog wurde leicht ungehalten, als sie sich wieder von ihm zurückzog, doch sein lieblicher Tonfall änderte sich nicht: „Warum stehst du denn dort hinten? Du brauchst dich nicht so zu zieren wie eine Dame am Hof, die um ihre Jungfräulichkeit bangt. Setz dich doch einfach zu mir.“, einladend klopfte er auf die freie Stelle neben sich.
„Ich stehe gern.“, antwortete sie schlicht.
Herzog Salandis´ Grinsen erstarb und er hob seine rechte Hand, die er bislang hinter seinem Rücken verborgen gehalten hatte. Der Sklavenring um seinen Zeigefinger funkelte Kara höhnisch an.
„Aber ich denke, du solltest dich trotzdem neben mich setzen.“, betonte der junge Mann.
Als sie den Ring erblickte legte sich urplötzlich eine wohlbekannte, zentnerschwere Last auf Karas Schultern. Der Kelch fiel ihr aus den kraftlosen Händen und ergoss seinen Inhalt über den Boden.
Es war aus und vorbei. Ihre Hoffnung auf Freiheit starb einen qualvollen Tod und sie war wieder in diesem ewigen Kreislauf gefangen. Ein junger Aristokrat hatte sie erworben. Ein Jahr, vielleicht ein Jahrzehnt würde sie an seiner Seite verbringen, doch dann würde er sie einfach weiterverkaufen an einen guten Freund oder einfach den Meistbietenden.
Mit schweren Schritten schleppte sie sich zu ihm. Ihr Körper wollte seinen Befehlen nicht gehorchen, wollte einfach stehen bleiben, doch es war als zöge sie der Ring auf das Bett, würde die Bewegung ihrer bleischwerer Glieder koordinieren und sie geradezu an die Seite des Herzogs lotsen.
„Schon besser.“, lächelte er sie an. Sein Atem stank nach Wein.
Es war also endgültig vorbei. Ihr letzter Freiheitstraum, zu dem sie sich hatte durchringen können, war ausgeträumt. Sie war auf ewig eine Gefangene, erst der Tod würde sie aus diesem grausigen Kreislauf befreien.
„Weißt du... ich hatte ursprünglich vor, mit dir zu reden. Wo du herkommst, was du so gemacht hast und dieser ganze langweilige Konversationskram, der uns echten Männern so zum Hals heraushängt, aber so ein Ring erleichtert die Sache doch ungemein. Ich finde für jede Frau sollte es so etwas geben.“, sinnierte Herzog Salinis. „Du hast hübsche Haare weißt du das?“, der Herzog strich ihr mit ungeschickten Händen über den Kopf und hinunter zum Hals, „Und so weiche Haut.“
Nur zu gut kannte Kara den Blick in seinen Augen. Sie schluckte schwer. Der Kloß in ihrem Hals wurde mit jedem Moment größer.
„Natürlich weißt du das. So eine wie du weiß das immer. Leg dich doch hin meine Hübsche.“
Allein der Klang seiner Stimme widerte sie plötzlich an, doch sie fügte sich widerstandslos. Selbst als er mit zittrigen Fingern über ihre Brust glitt, regte sie sich nicht mehr. Es war vorbei – alles war aus. Tränen stiegen ihr in die Augen.
Der Atem des Herzogs ging schneller, als er den obersten Knopf ihres Hemdes öffnete. Umständlich fingerte er mit ungeschickten Fingern an den anderen Knöpfen.
Kara schloss die Augen. Sie würde es einfach über sich ergehen lassen wie sonst auch. Es war ihr Schicksal, die Götter spielten nur ihr grausames Spiel mit ihr.
Ungewollt schoss ihm das Bild des jungen Menschen Ahrok in den Kopf, wie er sich in dieser Nacht bevor sie in See stachen mit ihr unterhalten hatte. Die Geschichte von seinem Mädchen und den Widrigkeiten in seinem Leben fiel ihr wieder ein.
Sie riss ihre Augen auf. Diesmal nicht!
Ihre linke Hand glitt vorsichtig hinab zum Schaft ihres Stiefels, dabei war es völlig unnötig so vorsichtig zu sein, denn der Mann auf ihr war mit seinen Gedanken ganz und gar nicht bei ihren Händen.
Soeben riss der Herzog den letzten Knopf von ihrem Hemd und schob es beiseite.
„Oh ja! Ich hatte ja gehofft, dass du so richtig pralle Glocken hast. Ich bin echt ein Glückspilz!“
Sofort fing er an ihre Brüste zu kneten und vergrub seinen Kopf zwischen ihnen.
Der Griff ihres Dolches schmiegte sich eisig kalt an ihre Handfläche. Er war viel zu betrunken, um noch reagieren zu können. Sie musste nur schnell sein. Schnell genug. Jetzt oder nie.
Mit einem spitzen Schrei schob sie alle Zweifel beiseite, riss den Dolch aus dem Stiefel und stieß den Herzog von sich.
Verdutzt lag dieser auf dem Rücken und stierte sie fassungslos mit glasigen Augen an.
Dieser dreckige Mistkerl sollte bezahlen! Sollte bluten für das, was er ihr antun wollte. Kara hob den Dolch bereit zum Stoß.
Erst als die spitze Waffe auf seine Brust zuraste erkannte Herzog Salandis den Ernst der Lage. Doch zu mehr als einem ängstlichen Quieken war er nicht fähig.
Sein Gejammer wurde von einem zweiten, lauteren Schmerzensschrei übertönt. Der Dolch fiel auf das Bett und Kara krümmte sich vor Schmerz auf dem Boden. Ein süßlicher Geruch von verbranntem Fleisch kroch durch die Kabine.

Vorsichtig erhob sich Herzog Salandis wieder und blickte auf seine Sklavin.
Was war denn das grade? Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Langsam setzten sich die verschwommenen Bilder wieder zusammen.
Die Elfe lag zu seinen Füßen und umklammerte mit der rechten Hand die Sklavenfessel an ihrem linken Unterarm. Das Ding leuchtete noch leicht in einem bläulichen Farbton. Karas Haut unter der Fessel war verbrannt und blutete leicht.
Einige Male glitt sein Blick zwischen dem Ring und der Sklavenfessel hin und her, bis er zu begreifen schien.
Befreit lachend hob er den Dolch vom Bett.
„Ohhhhh du bist ein böses Mädchen mit einer wirklich nützlichen Leine. So ist das also. Ein praktisches Ding. Jetzt versteh ich auch was der alte Seebär meinte, als er dich als kleines Biest bezeichnet hat.“, er riss sie an den Haaren hoch, so dass ihre Gesichter nur einen Zoll voneinander entfernt waren.
Kara stierte ihn hasserfüllt mit tränennassen Augen an, während sein weintriefender Atem sie umschlang und ihr den Atem raubte.
„Du wolltest mich also abstechen. Mich, deinen Herrn und Meister.“, er schwang ihren Dolch hämisch in der Hand.
Blitzschnell stieß Kara auf ihn zu und riss ihm die Waffe aus den Händen. Der Herzog fiel erneut hilflos nach hinten um und strampelte hilflos wie ein Maikäfer auf dem Rücken.
Ein weiterer Schmerzensschrei hallte über das Schiff.
Um die Sklavenfessel huschten Dutzende kleinere Blitze und warfen Kara erneut zu Boden, wo sie zuckend liegen blieb.
Es dauerte einige Zeit, bis sich der Herzog von diesem Schrecken erholt hatte, doch dann kehrte die überhebliche Miene zurück.
„Du bist wirklich... wirklich, wirklich, wirklich schlecht erzogen meine Kleine.“
Eine schallende Ohrfeige gegen die wehrlose Frau gab ihm wieder sämtliches Selbstwertgefühl zurück.
„Ich glaube jetzt, wo wir uns so gut kennen gelernt haben“, er knöpfte sein Nachthemd auf, „ziehst du die Hose runter und bückst dich, ich hab es grad eilig.“
Jemand spuckte hinter ihm aus und die Tür der Kabine fiel wieder zu.
Überrascht schnellte Herzog Salandis herum. Sein trüber Blick fiel auf einen Zwerg, der mit zum Schlag erhobener Axt vor ihm stand.
„Dever…“, grollte Ragnar verächtlich, dann sauste seine Waffe hernieder.

********************************************

Erklärungen
Ebisu - elfische Gottheit der Fischer und des Glücks
Dever - zwergisch für böser oder schlechter Mann
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

ungezwungene unterhaltung mit dem herzog... na, das war aber eine vergebliche hoffnung,
ein schöner zauber mit einer eisskulptur, vermutlich delfinähnlich.
und ein wahrhaft grandioses finale... sehr schöner, aufwühlender und spannender teil!


Ingrid Alias I (11.05.2012)

Ja ich mag dieses Kapitel auch sehr, da mir wie gesagt die Figur der Kara auch sehr viel bedeutet. Deshalb freut es mich umso mehr, wenn ich die Sympathie, die ich empfinde, auch auf andere übertragen kann.

Jingizu (10.05.2012)

Das war damals schon ein sehr gutes Kapitel und ist es heute erst recht. Ich finde, es ist eines deiner besten. Unwahrscheinlich spannungsgeladen und hervorragend die Charaktere herübergebracht. Überraschend Ragnars Handeln und wiederum auch zu verstehen. Spitzenmäßig.

Jochen (07.05.2012)

Danke ihr zwei. Ich find es immer wieder klasse, wenn ich auch andere mit meiner Geschichte begeistern kann und nicht nur mich ^^

Jingizu (06.05.2012)

Gott ist das spannend. Hatte das zwar noch von damals in Erinnerung, aber dass es derart packend war, wusste ich nicht. Du kannst wirklich schreiben- erste Sahne. Die arme Kara, hoffentlich wird sie befreit.

Petra (05.05.2012)

Oh je, ich hatte ganz vergessen, dass es Ahrok nicht so mit Schiffen hat. Der arme Kerl kann einem schon leid tun. Kara tut einem auch leid, sie hat schon ein schlimmes Los.
Ragnar hingegen ists langweilig und unbehaglich zumute. Und trotz seiner Abneigung gegenüber Schwarzalben, zeigt sich doch wieder, welch guten Charakter er da unter seiner derben Schale versteckt.


Tis-Anariel (03.05.2012)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Ahrok 2. Band - 41. Kapitel  
Berserkor der übelst Schreckliche - 1. Kapitel  
Nikolas - Inhaltsangabe  
Chris - Inhaltsangabe  
Berserkor der übelst Schreckliche - Inhaltsangabe  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De