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9 Seiten

Ahrok 2.Band - 14. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Vierzehntes Kapitel: In den Schlund der Meerhexe

Es war ihm, als hätte er gerade erst etwas Ruhe gefunden. Sein vollkommen geleerter Magen grummelte nur noch leise und mit etwas Glück war auch der Schlaf nicht mehr weit, doch plötzlich hatte jemand die Tür aufgestoßen und ihn hoch gerissen.
„Junge du hast mächtig Ärger.“, meinte jemand, den Ahrok nicht erkannte, denn erstens war es dunkel und zweitens handelte es sich höchstwahrscheinlich ohnehin um einen bösartigen Traum oder eine grässliche Halluzination, die ihm das Geschaukel wieder einmal spielte.
Mit kräftigen Stößen trieb man ihn hinauf an Deck.
Draußen peitschte ihm sofort der Wind entgegen und spritzte kaltes Wasser in sein Gesicht.
Langsam verschwand der Schleier vor seinen Augen und er erkannte, dass sich nahezu die gesamte Schiffsbesatzung hier oben versammelt hatte.
Ein weiterer Stoß beförderte ihn genau neben Ragnar der trotzig inmitten all der Anderen stand.
„Und ich sage wir schmeißen beide einfach von Bord!“, ereiferte sich jemand, „Sie haben einen Anschlag gegen meinen Herren verübt, das muss gesühnt werden!“
Ahrok, der gerade im Begriff war sich auf den Boden zu setzen, hielt inne. Anschlag?
„Aber warum denn auch der Junge?“
Was war denn nun schon wieder vorgefallen?
Einige der Ritter hatten sich sogar in ihre schöne Blechuniform gezwängt und ihre Waffen gezückt.
„Der steckt doch mit dem Zwerg unter einer Decke! Wenn diesen nicht die Seekrankheit befallen hätte, dann wäre dieser ohne Zweifel bei der Ausführung des Attentats dabei gewesen.“
„Wir müssen aber auch bedenken, dass der Herzog noch lebt.“
„Doch seine Verletzung ist sehr schwer, vielleicht übersteht er die Reise nicht. Ich verlange, dass diese beiden Dreckskerle über die Planke gehen!“
Ein anderer etwas älterer Mann meldete sich zu Wort: „Bitte, bitte meine Herren bleiben wir nüchtern und betrachten die Fakten. Wie wir alle wissen, ist der Herzog noch am Leben und dass diese beiden Abgesandten eines Grafen aus unserer Mitte sind, sollten wir auch nicht außer Acht lassen. Ihr könnt sie unmöglich so folgenlos töten wie simples Bauernvolk. Die Konsequenzen für die Adelshäuser der Swanmark wären unvorstellbar.“
Eisiges Schweigen legte sich über die Versammlung, denn die Ausmaße einer nicht gerechtfertigten Hinrichtung eines Gesandten ohne richterlichen Beschluss konnten in der Tat beträchtlich sein.
„Kannst du mir mal sagen was hier los ist.“, stieß Ahrok seinen kleinen Freund an, doch dieser machte keine Anstalten ihm zu antworten. Angesichts dieser beängstigenden Situation ging es ihm schlagartig etwas besser.
Schon kam wieder Regung in die Gruppe: „Ich hab einen Vorschlag, der uns von aller Schuld befreit. Wir setzen sie in einem Beiboot aus. Mögen die Götter über sie richten – so beschmutzen wir nicht unsere Hände.“
Mit einstimmigem Gemurmel bekundeter jeder seine Zustimmung für diese Idee.
„Ragnar? Was für eine Scheiße hast du hier schon wieder abgezogen?“, Ahrok bekam es jetzt wirklich mit der Angst zu tun. Sein Schwert hatte er nicht bei sich, einmal davon abgesehen, dass er ohnehin nicht in der Verfassung war all die Männer um ihn herum zu bekämpfen und der Valr zeigte ebenfalls keine Anzeichen davon die Jungs hier in Stücke zu hacken, wie es sonst seine Art war.
Spielte man ihm vielleicht nur einen Streich?
Doch als man ihn und Ragnar in das kleine Beiboot zwang, ihnen ihre Rucksäcke, Waffen und etwas Proviant zuwarf sank seine Hoffnung immer mehr, dass man ihm nur Angst machen wollte. Allein durch das Gewicht des Abschlachters schwankte das Boot gefährlich, während man sie zu Wasser ließ, deshalb entschied er sich geistesgegenwärtig das Schwert auf den Rücken zu schnallen.
Noch immer sagte Ragnar kein einziges Wort und fügte sich widerstandslos.
Ihr kleines Boot platschte in die Fluten und jetzt war sich Ahrok ganz sicher, dass hier etwas wirklich nicht in Ordnung war. Der Sturm heulte erneut laut auf und ließ ihren Kahn bedrohlich schaukeln.
Das kleine Holzding wurde vom Sturm gegen die Seepfeil gedrängt und das Holz knirschte bedenklich. Soeben zog man die letzten Taue hoch.
„Mögt ihr verrecken ihr Bastarde!“, schrie jemand von oben.
„Was hast du bloß wieder angestellt?“, brüllte er den Valr an.
Die Seepfeil entfernte sich rasend schnell von ihrer Position. Man hatte sie hier wirklich ausgesetzt. Das war ja nicht zu glauben!
Kara kauerte sich am Heck des Schiffes in die Schatten und blickte auf das kleine Boot, welches wie ein Spielball zwischen den großen Wellen hin und her geworfen wurde. Warum hatte der Zwerg das nur getan? Sie würde diese seltsamen Geschöpfe wohl nie verstehen.
Irgendwo tief in ihr empfand sie Mitleid für den jungen Kerl namens Ahrok, der völlig schuldlos dem sicheren Tod auf dem Meer überantwortet wurde, doch wie das kleine Beiboot zwischen den Wellenbergen verschwunden war verschwand auch dieses Gefühl in der Flut der Gedanken, die ihr durch den Kopf raste.
Sie hatte genug mit sich selber zu tun. Ihr neuer Herr lebte trotz des Angriffs weiter und würde ihr von nun an ohne Zweifel das Leben zur Hölle machen.
„Do svid Tawari Ahrok.“, sie verbeugte sich leicht in die Richtung in der das kleine Boot liegen musste und riss sich dann vom Anblick der See los. Noch immer die gewaltige Last auf den Schultern ging sie hinab in die Mannschaftsquartiere, dies war ein sehr schwarzer Tag gewesen.

„Du hast was getan?!“, Ahrok glaubte das er sich verhört hatte. Er war so geschockt, dass ihm das Ruder beinahe aus der Hand geglitten wäre.
„Ich bin dieser Dökkalfr gefolgt, weil ich natürlich wusste, dass sie nur Böses vorhat. Nun und dann, als ich sie in der Kabine des Herzogs gefunden habe, da kam es über mich. Ich wollte sie erschlagen. Da hol ich mit der Axt aus und treffe dummerweise dabei den Herzog mit der Kehrseite des Blattes.“
Ahrok hörte auf zu rudern. Das alles klang mehr als nur merkwürdig. Ein so versierter Kämpfer wie Ragnar traf nicht einfach zufällig jemanden beim Ausholen.
„Du wolltest Kara umbringen.“
„Ja.“
„Und hast dabei nicht sie getroffen sondern den anderen Kerl.“
„Ja.“
„Du weißt schon, dass das ziemlich seltsam klingt.“
„So war es aber!“, fuhr ihn der Zwerg an, „Ich wollte die Spitzohrenhexe erschlagen und hab dummerweise den Falschen getroffen.“
„Und warum hast du das getan du blöder Kerl? Konntest du nicht einmal deinen dämlichen Zwergenstolz für ein paar Tage ruhen lassen? Für ein paar beschissene Tage nur?!“, Ahrok ging es gleich viel besser wenn er sich aufregte, „Und warum rudern wir hier eigentlich?! Wir wissen doch nicht einmal wo wir sind!“
Voller Zorn warf er das Ruder ins Boot. Kaum passte er einmal nicht auf, schon sorgte der bekloppte Zwerg für ihr beider verfrühtes Ableben. Seine arrangierte Verlobung, seine glückliche Zukunft mit Ariane, sein Leben als strahlender Held – alles dahin. Nur weil dieser Valr seinen Hass auf die schnuckelige Kara nicht im Griff hatte.
„Du Idiot! Du riesen Vollidiot!“
„Nu krieg dich ma wieder ein.“, Ragnar hörte auch endlich auf zu rudern, „Du hast oft genug Mist gemacht. Jetzt war ich einfach mal dran.“
Ein bescheuerteres Argument hatte Ahrok ja noch nie gehört. Er riss sein Ruder hoch und holte zum Schlag aus. Der Zwerg rührte sich nicht. Ihm jetzt das Holzding über den dämlichen Schädel mit dieser dämlichen Frisur zu ziehen schien das einzig Vernünftige in diesem Moment.
„Pah!“, er warf das Ruder wieder ins Boot, „Wenigstens haben meine Dummheiten nicht dazu geführt, dass wir auf einem verdammt einsamen Meer verrecken!“
„Ja, ja, ich entschuldige mich ja.“
„Das war´s? Das war alles? Ein ´Huch tut mir leid, dass ich uns umgebracht habe´ soll genug sein? Was machen wir jetzt?“
Also er hatte Ragnar weitaus besser gefallen, als er noch krank und schwächlich gewesen war und nicht so viel geredet hatte.
„Das Schiff ist in der Richtung dort verschwunden. Wir rudern ihnen einfach hinterher.“, schlug der Valr vor.
„Und du hältst DAS für eine gute Idee?“
„Hast du etwa eine bessere? Wie weit kann´s schon noch sein, also fang an zu rudern!“

Der nächste Morgen hatte zumindest ein Gutes, denn Ahroks Seekrankheit hatte sich zusehends über Nacht verflüchtigt. Weder er noch Ragnar hatten in der Zeit geschlafen, denn dafür war der Wellengang einfach zu gewaltig gewesen. Mehrere Schritt große Wellen hatten sie in die Luft geschleudert und dann waren sie wieder krachend auf dem Wasser gelandet. Durchgeschüttelt, die Knochen und Gelenke angeschlagen, aber noch am Leben und genauso wehte noch immer der bösartige Sturm, schnitt ihnen mit eisigen Messern durch die nassen Hemden und spülte gallonenweise Wasser in ihr kleines Boot.
Eine weitere, kolossale Welle schleuderte sie erneut wie eine unbedeutende Nussschale hinweg und Ahrok musste sich ihr mit aller Kraft entgegen werfen, damit sie das Schiffchen nicht umwarf. All ihre Habseligkeiten würden zusammen mit dem letzten bisschen Proviant unwiederbringlich in den Tiefen des Meeres versinken, wenn das Boot kippte.
„Mach schneller Ragnar!“, brüllte Ahrok dem Zwerg durch den tosenden Sturm zu.
Dieser schöpfte mit beiden Händen ausdauernd das eiskalte Wasser und Dutzende zappelnde Fische wieder zurück in die See, während Ahrok immer noch darauf bedacht war, das Boot vom Kentern abzuhalten. Zwar mühte sich Ragnar redlich ab, doch war es offensichtlich, dass er das Rennen gegen die anstürmenden Wassermassen verlieren würde. Er selber saß schon bis über die Waden im Meerwasser und ihr kleines Boot lag merklich tiefer im Wasser als gut für sie beide war.
Also entschied er sich letzten Endes, die Ruder beiseite zu legen und Ragnar unter die Arme zu greifen.
Ahrok war nie ein besonders gläubiger Mensch gewesen, wenn man einmal davon absah, dass er die Götter für die meisten Unglücke in seinem Leben verantwortlich machte, doch in diesem Moment schickte er ein kleines Gebet an sie alle – nur um auf Nummer sicher zu gehen auch ja keine Möglichkeit ungenutzt gelassen zu haben, dies hier wieder heil zu überstehen.
Das widerlich kalte Wasser rann ihm schneller durch die klammen Hände, als er es aus dem Boot schöpfen konnte und Ahrok bezweifelte schon, dass ihre Bemühungen überhaupt von Erfolg gekrönt sein würden, doch der Wasserspiegel im Boot sank.
Urplötzlich merkte er, dass ihm das Wasser nur noch bis zum Schaft seiner Stiefel reichte und eine halbe Stunde später nur noch bis zu den Knöcheln. Sieben verschiedenfarbige Fische zappelten hilflos in den Pfützen auf dem Boden des kleinen Rettungsbootes und glotzten ihn mit ihren seltsamen Fischaugen an.
Sie hatten es geschafft.
Sie hatten es wirklich geschafft! Er blickte herausfordernd gen Himmel.
„Na was ist? War das alles?! He! War das etwas alles was ihr könnt?!“, lachte Ahrok laut.
Von einer Minute auf die nächste riss die Wolkendecke über ihnen auf.
Sturm und Regen verschwanden schlagartig und es wurde gänzlich still.
Noch immer schaufelte Ragnar wie ein Besessener das letzte bisschen Wasser hinaus ins Meer, doch Ahrok sank einfach nur staunend zurück auf die Ruderbank. Es war ein Wunder. Die schwarze Dunkelheit war verschwunden und hatte dem Licht des neuen Tages Platz gemacht. Kein Regen mehr, kein Geschaukel, nur noch Friede und Ruhe.
Erst als nun das Adrenalin verschwand, bemerkte Ahrok seine schmerzenden Glieder und die gewaltige Müdigkeit, die ihn nun befiel. Seine Kleider waren triefnass, es wehte noch immer ein kalter Frühlingswind und er hatte mächtigen Hunger, doch nichts davon konnte ihn abhalten jetzt endlich die Augen zu schließen und sich dem friedlichen Schlaf hinzugeben, der ihm schon so viele Tage verwehrt worden war.

Erst als Ragnars gerötete Hände über den Holzboden schrammten, hielt er inne.
Der Sturm über ihm war verschwunden, das Wasser hatte er fast gänzlich aus dem Boot geschöpft und Ahrok… schlief. Das war ja mal wieder typisch! Der Junge ließ ihn alle Arbeit machen, wie immer.
Zumindest konnte er sich jetzt ungestört über die Essensvorräte hermachen, ohne die besten Stücke mit dem faulen Jammerlappen teilen zu müssen. Sofort wankte er zu ihrem einzigen Rucksack hinüber. Den zweiten hatten sie entweder über Nacht verloren oder die verdammten Kerle, welche sie ausgesetzt hatten, hatten ihnen nur diesen einem mit gegeben. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, was davon zutraf.
Das kleine Boot schwankte bedenklich unter jedem seiner Schritte und er setzte sich lieber sofort wieder hin, um es nicht durch einen dummen Zufall doch noch zum Kentern zu bringen.
Vorsichtig zog er den klatschnassen und schweren Rucksack mit dem Stiel seiner Axt zu sich.
Das Lederband, welches ihn verschnürt hielt war in dem durchnässten Zustand unmöglich aufzubekommen, aber da sie ohnehin nicht großartige Chancen besaßen, je wieder Land zu sehen, riss er es einfach entzwei und schleuderte die Enden über Bord.
Was Ragnar nun erblickte war wenig erfreulich.
Nicht nur, dass die Kerle ihren Rucksack äußerst unfachmännisch gepackt hatten, sie hatten vergessen Brot und Dörrfleisch ordentlich einzuwickeln. Der Inhalt des Rucksacks war nur noch ein gewaltiger Klumpen Matsch, der sich mit Ahroks zweiter Hose und Ersatzstrümpfen verbunden hatte. Angewidert nahm sich Ragnar eine Handvoll des aufgeweichten Brotes und führte sie zum Mund.
Widerlich!
Pampig, durch und durch versalzen und einfach ungenießbar! Ihre Vorräte hatten sich schlagartig halbiert.
Schweren Herzens schöpfte Ragnar den Brotmatsch aus dem Rucksack in die See und probierte die restlichen Nahrungsmittel.
Die Äpfel waren zwar größtenteils zerquetscht oder besaßen zumindest riesige Druckstellen, waren aber ansonsten vollkommen in Ordnung. Nüsse und Fleisch hatten am wenigsten unter der Nacht gelitten und zum Glück hatten auch ihre zwei Wasserschläuche nichts abbekommen.
Ragnar zählte also vierzehneinhalb Äpfel, acht Streifen Dörrfleisch und eine gute Handvoll Nüsse – das war kaum genug für zwei entbehrungsreiche Tage. Den Männer, welche sie ausgesetzt hatten, war wohl nicht in den Sinn gekommen, dass sie lange überleben würden.
Sie Blick fiel auf die noch leicht zuckenden Fische zu seinen Füßen. Vielleicht konnten diese ja durchaus als alternative Nahrungsquelle dienen. Er packte das glitschige Ding und hob es hoch. Hässlich waren sie allemal, aber das hinderte ja niemanden daran, gut zu schmecken. Er würde jetzt erst einmal einen kleinen Bissen probieren und dann ihr Proviantproblem überdenken.
Plötzlich entwickelte der Fisch ungeahnte Aktivität und wand sich mit aller glitschigen Kraft aus Ragnars Fingern. Mit einem leisen Platschen glitt das Viech hinab ins Meer.
Missmutig schaute Ragnar seiner entkommenen Mahlzeit hinterher.
Unter der Wasseroberfläche näherte sich ein kleiner Schatten dem flüchtigen Fisch, der rasend schnell größer wurde. Nur wenige Augenblicke später durchbrach ein anderer, viel größerer Meeresbewohner die Wellen und sprang anmutig über ihr kleines Boot hinweg, Ragnars Fisch in seiner spitzen Schnauze.
Vollkommen überrumpelt stürzte Ragnar nach hinten. Wie eine panische Schildkröte lag er auf dem Rücken zwischen den Ruderbänken bis sich sein Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte.
Als er sich wieder aufgerichtet hatte, stellte er überrascht fest, dass der große Fisch mit langer Schnauze seinen Kopf aus dem Meer gesteckt hatte und ihn hämisch auslachte.
Noch während Ragnar überlegte ob er dem fiesen Vieh einfach das Ruder über den dämlichen Fischschädel ziehen sollte oder das Gelächter lieber ignorieren sollte, schoss ihm sein gestriges Gespräch mit dem alten Sturmsänger in den Kopf.
Der lachende Fisch, welcher flink um ihr kleines Boot herum schwamm und ab und zu gänzlich aus dem Wasser sprang, hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit der kleinen Eisskulptur. Er hätte sich die Viecher nur nicht so groß vorgestellt. War es möglich, dass Hadwin ihm einen dieser Iruka geschickt hatten?
„Hier Fischi, Fischi, Fischi.“, winkte er dem Iruka mit einem weiteren Fisch aus ihrem Boot zu.
„Such Fischi! Such mir einen Hafen!“, flink warf er den zappelnden Leckerbissen in Richtung des Iruka.
Dieser schnappte den Fisch mit seiner Schnauze und gackerte wieder fröhlich, dann drehte er noch ein paar Runden um das einsame Beiboot und verschwand dann wieder hinaus aufs Meer.
Sofort riss Ragnar die Ruder an sich: „Warte Fisch!“, rief er und legte sich mit aller Macht in die Riemen, um dem Iruka bis zum Festland zu folgen.

Es war unerwartet hell, als Ahrok vorsichtig die Augen aufschlug. Nein, die Ereignisse des gestrigen Tages waren offensichtlich nicht nur ein böser Fiebertraum gewesen, dem ihm die Seekrankheit gespielt hatte, denn er befand sich in einem kleinen Boot, das mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch die aufgewühlte See pflügte.
Ragnar ruderte wie ein Besessener und sah nur ab und zu aufs Meer hinaus, wo sich ein paar große Fische tummelten.
Sofort schnellte Ahrok hoch und blickte sich um. Vielleicht hatte der Zwerg ja wirklich Land entdeckt und steuerte nun darauf zu, doch nirgends war etwas anderes als die ewig blaue See zu erkennen.
Resigniert sank er zurück ins Boot.
Etwas Gutes hatte die ganze Sache zumindest, denn er fühlte sich bei weitem nicht mehr so Elend wie auf der Seepfeil und er hatte seit Tagen wieder einmal Hunger. Ein Streifen Dörrfleisch war jetzt genau das Richtige.
„Na? Alles klar bei dir?“, fragte er Ragnar während er seine erste feste Mahlzeit seit einer Woche verschlang.
Dieser blickte ihn völlig verwirrt an. Der Valr war so konzentriert gewesen, dass er nur langsam wie Wirklichkeit um ihn herum wahrnahm, seine mächtigen Arme zitterten vor Erschöpfung, als er kurz mit Rudern inne hielt.
„Los schnapp dir ein paar Ruder! Wir müssen den Iruka-Fischen da vorne folgen.“, Ragnar wies mit einem Kopfnicken auf die kleine Gruppe von menschengroßen Fischen, die in etwa einer Meile Entfernung von ihnen herumsprangen und spielten.
Den Streifen Fleisch im Mund ergriff Ahrok sofort das zweite Paar Ruder und passte seine Schläge Ragnars Geschwindigkeit an. Sofort pflügte das kleine Schiff wie der Speer des Erwachten durch das Wasser.
„Wo bringen die uns eigentlich hin?“, wollte Ahrok nach einer Weile wissen. Seit gut zwei Stunden ruderte er wie ein Wahnsinniger, seine ausgebrannten Muskeln waren müde und doch wurde die Distanz zu den Fischen einfach nicht kleiner.
„Zum nächsten Hafen nehm ich an.“, keuchte Ragnar. Seine Ruderschläge waren über die letzte Stunde immer langsamer geworden.
„Wie meinst du das? Du nimmst das an?“
„Ja, das hab ihn ihnen zumindest gesagt.“
Ahroks Ruder platschten ins Wasser. „Was?“
„Das sind Iruka. Die bringen Schiffbrüchige an Land hat mir der alte Sturmsänger erzählt.“
„Na wenn der dich mal nicht mächtig verarscht hat.“, meinte Ahrok skeptisch.
Nur zu gut wusste er, dass das Verhältnis zwischen Zwergen und Elfen nicht das Beste war. Es gab seit Jahrhunderten keine offene Feindschaft mehr zwischen den Völkern, aber kleine Sticheleien waren zwischen ihnen immer an der Tagesordnung. Offensichtlich hatte der Sturmsänger den leichtgläubigen Zwerg nur veräppelt. Fische die Leute nach Hause bringen – so ein Schwachsinn!
Ahrok warf noch einmal einen prüfenden Blick auf die vermeintlichen Retterfische. Wahrscheinlich lockten die sie genau in die Höhle eines gewaltigen Wasserungeheuers oder einer Meerhexe, jedenfalls war es besser, nicht weiter zu rudern.
Doch dann erregte ein kleiner Schatten hinter den Iruka Ahroks Aufmerksamkeit.
War dies schon ein riesiger Meerdämon?
Er tastete nach dem Heft des Abschlachters und die Berührung des kalten Stahls beruhigte ihn etwas. Langsam wuchs der Schatten an, doch Ahrok konnte noch immer nicht erkennen, was dort auf dem Meer auf sie zu trieb.
„Sach ma! Ruderst du überhaupt noch?“, schnaufte Ragnar.
Ahrok hing jedoch nur mit staunenden Augen am Horizont, an dem sich jetzt für ihn deutlich ein Schiff abzeichnete. Ein Schiff! Es war kaum zu fassen, aber das war tatsächlich ein Schiff. Mit prall gefüllten Segeln fegte es in ihre Richtung über das Meer.
Sofort sprang er auf und begann wild zu winken: „Hallo!!! Hier sind wir! Nehmt uns mit!“
Ragnar funkelte ihn böse an: „Du brauchst nicht so zu brüllen, die Iruka bringen uns schon in Sicherheit. Es wäre jedoch weitaus nützlicher wenn du wieder anfangen würdest zu rudern.“
„Ragnar! Da ist ein Schiff!“, rief er dem Zwerg freudig zu, „Hey! Hierher!“
Das große Boot veränderte etwas seinen Kurs und steuerte nun genau auf sie beide zu.
 
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Kommentare  

hatte ich doch den richtigen riecher: delfine (ich schreib’s mal ohne ph), man nennt sie auch die lachenden fische. ;-)
ansonsten wie immer toll geschildert, die beiden, und die dialoge sind zum piepen.


Ingrid Alias I (13.05.2012)

Nun es wird in der Geschichte kein spezieller Grund angegeben, warum Ragnar den Herzog nicht erschlagen hat, es liegt vielmehr im Charakter Ragnars, es nicht zu tun.
Durch die ganze Geschichte hinweg gibt es bislang nicht einen einzigen, den Ragnar umbrachte, wenn dieser nicht unmittelbar sein Leben oder das jemand anderes bedroht hatte.
Es ist ein bedeutender Teil der Geschichte, dass blinwütige, mörderische Wut eher der Metier des Bauernjungen ist und überlegte Zurückhaltung das des vermeintlich berserkerhaften Todessuchers.


Jingizu (09.05.2012)

Stimmt, Ragnar kommt da wirklich sehr sympathisch rüber, trotz seines grummeligen Gehabe.
Aber warum hat er den Grafen nicht getötet, nur verletzt? Das werden wir wohl erst später erfahren.


Jochen (07.05.2012)

Oh je, da hat ihnen Ragnar aber was eingebrockt. Süß, wie er versucht seine wahren Beweggründe zu verschleiern, aber im lügen ist er eben doch nicht sehr gut. Nur gut, das Ahrok so gutgläubig ist. Auch die Begegnung mit den Iruda ist schön beschrieben.

Tis-Anariel (05.05.2012)

Ach ja, so war das, jetzt fällt es mir wieder ein. Die beiden werden auf hoher See ausgesetzt. Köstlich wie Ragnar lügt. Er kann das nicht besonders, aber der naive Ahrok glaubt das dann doch - halbwegs. War wieder ein ganz tolles Kapitel. Was den zweien aber auch immer passiert.

Petra (05.05.2012)

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