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11 Seiten

Ahrok 2.Band - 18. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Achtzehntes Kapitel: Neue Freunde, neue Feinde

Als Ahrok sich umdrehte, sah er, dass der Wirt seinen Zweihänder während des Streits außer Reichweite geschleift hatte und noch bevor er realisierte, wie tief er in der Bredouille steckte, traf ihn auch schon der erste Schlag an den Kopf.
Der Treffer kam aus dem Nichts und völlig unerwartet, weswegen er einige Schritte nach rechts taumelte und erst zum Halten kam, als er sich an einem Stuhl abstützen konnte. Stechende Schmerzen, die nicht allein von dem Schlag kommen konnten, rasten durch sein Hirn. Ahroks rotgerändertes Sichtfeld verengte sich, bis er nur noch seine Opfer vor sich wahrnahm.
Wut war das Einzige, das ihn antrieb und nur eine Flut aus Blut konnte das lodernde Verlangen danach wieder ersticken.
Eben diese Sitzgelegenheit, an der er sich gerade noch krampfhaft festhielt, brachte er in einem kräftigen Aufwärtsschwung nach oben und erwischte einen der Männer am Kinn. Niemand im Raum konnte in der Hektik nicht sagen, ob das erklungene Knacken von den Stuhlbeinen oder vom Kieferknochen des Mannes kam, denn Ahrok schwang seine vierbeinige Waffe wie wild gegen den Mob.
Knochen brachen, Holz splitterte und nur Ahroks animalische Laute übertönten die Schmerzensschreie der Getroffenen.
Erneut traf der Stuhl auf etwas Hartes und seine kräftigen Schwünge endeten abrupt. Vier Männer standen vor ihm. Dem Äußersten hatte dieser Treffer zwar die Rippen bis zum Rückgrat eingeschlagen, aber die anderen drei hielten plötzlich seine improvisierte Waffe fest und rissen sie ihm aus den Händen.
Ahrok warf seinen Angreifern Tische und Stühle entgegen, als er einen Knüppel gegen das Knie bekam, der ihn auf der Stelle zu Boden riss.
Binnen weniger Augenblicke war der ganze Schwarm aufgebrachter Männer über ihm, wobei ein jeder versuchte einen Faustschlag oder Tritt zu landen. Er schrie und wehrte sich gegen die Männer, welche ihn am Boden hielten mit kräftigen Bissen. Ahrok schmeckte Blut, aber selbst dieser verzweifelte Befreiungsversuch verpuffte wirkungslos unter dem Gewicht der wütenden Gäste. Schwitzende Körper lagen auf ihm, raubten ihm die Luft, erdrückten ihn und schlugen nach jeder freien Stelle. Es war eng und stickig. Schweiß und Speichel tropften auf ihn und plötzlich war das Gefühl der Angst stärker als seine Wut.
Als man ihn auf die Beine riss, waren die Kopfschmerzen bereits verschwunden, dafür hatte der Rest seines geschundenen Körpers überall kleinere Blessuren erlitten. Noch bevor er wusste wie ihm geschah, wurde er auf einen Tisch gepresst. All seine Kraft war nicht genug um die Männer abzuschütteln, die ihn auf das Holz drückten und seinen Arm langzogen.
„Wir haben ihn! Wir haben ihn!“, johlte die Taverne.
„Welchen Finger soll der Mohrenküsser als Erstes verlieren?“, rief jemand und dutzende Stimmen antworteten ihm mit Vorschlägen, doch Ahrok hörte die Stimmen gar nicht mehr.
Die Tür der Taverne fiel ins Schloss und schwere Stiefel scharrten über den schmutzigen Boden.
Ahrok konnte den Kopf nicht heben, dennoch grinste er und zeigte seine blutigen Zähne.
„Jetzt seid ihr aber sowas von am Arsch.“

„Wo bist du gewesen?!“, fuhr sie Jean an. Der Leibdiener des Herzogs baute sich vor ihr auf und blickte ihr unverhohlen feindselig in die Augen. Offensichtlich hielt er sich in diesem Moment für etwas ganz Besonderes.
„Was geht dich das an?“, Kara hatte nicht die geringste Lust darauf sich von diesem Kerl auch noch herum kommandieren zu lassen.
Er besaß nicht im Mindesten Macht über sie, solange der Herzog nicht anders entschied und dieser war ja im Moment nicht in der Verfassung, so etwas jetzt zu befehlen.
Die Augen ihres Gegenübers wollten aus seinen Höhlen treten. Eine derartige Respektlosigkeit hatte er nicht erwartet. Am allerwenigsten von einer Leibeigenen ohne Rechte wie sie es eine war.
Sofort hob er die Hand zum Schlag.
Leicht fing Kara sie ab.
„Vergiss eines nicht Mensch. Ich gehöre zwar deinem Herzog, doch du hast keinerlei Befugnis mir Befehle zu erteilen.“, ihre rauchgrauen Augen glühten vor Zorn und es zeigte den gewünschten Erfolg.
Jean schluckte schwer und versuchte seine sonst so unerschütterliche Fassung zurück zu erlangen. Ungeschickt wischte er den für einen Leibdiener des Herzogs unangemessenen Angstschweiß von seiner Stirn. Manchmal vergaß er, dass der neue, tollwütige Hund des Herzogs eine viel zu lange Leine besaß.
„Das war ein Fehler Paria!“, er räusperte sich, um das Zittern aus der Stimme zu verbannen. „Der Herzog ist erwacht und hat sich entschieden die Reise fortzusetzen. Alle Mitglieder der Expedition bereiten sich auf den Aufbruch vor, also pack deine Sachen und finde dich in einer halben Stunde vor dem Tempel des Erwachten ein.“
Sie verbeugte sich spöttisch: „Oh ja oberster Ssluga. Ich werde sofort tun wie ihr mir geheißen.“
„Verkneif dir deinen Hohn Weib! Wenn der Herzog erst wieder gesund ist, wird hier ein anderer Wind wehen!“, entrüstet drehte sich der Leibdiener um und ging aufgebracht davon.
Kara lächelte sauer. Es war zwar ein gutes Gefühl gewesen, diesen Njewescha zurecht zu stutzen, doch im Endeffekt hatte sie sich nur einen weiteren Feind geschaffen, der ihr von nun an mit Freuden das Leben schwer machen würde. Sie schalt sich selbst für ihr vorschnelles Handeln.
In düsteren Gedanken versunken schritt sie in Richtung der Herberge, in welcher sich die gesamte Reisegruppe einquartiert hatte. Für die Verhältnisse von Kasam konnte man dieses Etablissement ruhig als Luxusherberge bezeichnen. Das Gebäude bestand nämlich aus festem Stein und für einige Gäste gab es sogar Einzelzimmer und das war wahrlich ein einmaliger Luxus in dieser verkommenen Stadt. Selbst Kara hatte auf Geheiß des Herzogs ein eigenes Zimmer bezogen, da dieser ständig bemüht war, sie vollkommen isoliert zu halten.
Nun war sie auf dem Weg dorthin, um ihre Habseligkeiten zusammen zu packen. Wie immer handelte es sich hierbei jedoch nur um sehr wenig Gepäck. Zwar hatte der Herzog anordnen lassen, sie neu einzukleiden und sieben farbenfrohe Kleider lagen auf ihrem Bett verstreut, doch nicht eines davon sagte Kara im Geringsten zu. Alle waren viel zu weit, zu aufgeplustert und mit allerlei unnötigem Tand besetzt, der die Bewegungsfreiheit zugunsten einer idealisierten, weiblichen Figur einschränkte. In den Korsetts bekam man kaum Luft und die weiten Röcke begrenzten ihre Laufgeschwindigkeit auf ein Minimum. Die Mode hatte sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert – und das nicht gerade zum Besseren.
Sie ließ diese schrecklichen Verbrechen an dem weiblichen Körper liegen und würde auf Nachfragen des Herzogs behaupten, dass sie diese Dinger einfach vergessen hatte einzupacken. Das konnte ja in der Hektik des Aufbruchs einer ungeschickten Frau durchaus passieren. Stattdessen schnallte sie sich ihren Waffenrock um.
Das schwere Leder des Wehrgehenks war von den Jahren auf See spröde geworden und bedurfte dringend einer Behandlung.
In den Schlaufen links und rechts baumelten zwei Toporüi von ihrer Hüfte. Es waren nicht wirklich typische Waffen ihres Volkes, dennoch stammte das Metall und die Verzierungen darauf aus den Schmieden des Unterreiches. Links hing die Kleinere und Leichtere der beiden Äxte. Sie hatten den typischen Kopf eines Beils und war leicht zu verbergen, die Rechte besaß hingegen ein langgezogenes Blatt aus festem Stahl, welches fast so lang war wie der Schaft. Es waren keine Waffen, mit denen man lange Gefechte führte, denn dafür ermüdete man viel zu schnell, aber wilde Schlägereien und Kämpfe waren ohnehin nur etwas für Männer, die sich, von ihren Hormonen angestachelt, nicht im Zaum hatten. Schwarzelfen kämpften nicht, sie siegten. Schnell, präzise und vorausschauend, wie nur Frauen es sein konnten.
Gedankenverloren ruhten ihre Hände auf den Axtköpfen. Die von den Rückständen des Giftes Ijad geschwärzten Klingen der beiden Beile hatten lange Zeit in ihren ledernen Schutzhüllen geruht und das Gewicht des Gürtels fühlte sich heute so fremd an.
Sieben Jahre war es her.
Sie zog die namenlosen Äxte aus ihren Schlaufen und wog sie in ihren Händen. Sieben Jahre lang hatte sie die beiden nicht mehr getragen, geschweige denn benutzt, aber dies schien ein guter Zeitpunkt die Waffen erneut anzulegen.
Nur die wenigsten Leute wagten sich überhaupt in die Gebiete, die während des Zeitalters der Bestrafung derart verwüstet wurden wie die Südlande und das aus gutem Grund. Diese Landstriche waren selbst in diesen Zeiten mit Magie durchtränkt und deshalb boten sie genügend Lebensraum für diese undurchschaubaren Wesen aus den Tiefen des Nichts. Kaum eine Abenteuergruppe kehrte von solchen Expeditionen zurück und wenn, dann nur um mit leeren Händen und einem winzigen Bruchteil der einstigen Teilnehmerzahl von Fehlschlägen zu berichten. Dort draußen gab es keine Reichtümer. Nur den Tod.
Kara warf noch ein paar praktische Dinge, die sie auf ihren Streifzügen durch die Stadt entdeckt hatte, in einen kleinen Rucksack. Leichte Bergstiefel, zwei Halstücher, die man in Wasser getränkt als feuchtigkeitsspendenden Mundschutz gebrauchen konnte und noch etwas Proviant.
Ein paar getrocknete Früchte, Dörrfleisch und eine Wasserflasche für den Fall, dass die Nahrung knapp wurde. Kara hatte schmerzlich gelernt, dass in diesem Fall immer zuerst an den Sklaven gespart wurde und sie hatte wirklich keine Lust, sich mit knurrendem Magen und schwach vor Hunger gegen ein wildes Raubtier der Wüste erwehren zu müssen.
Dann war sie auch schon fertig.
Aus sicherer Entfernung sah sie aus dem Fenster hinunter auf die Straße. Dort unten versammelten sich bereits die ersten adligen Expeditionsteilnehmer. Von hier oben sah es so aus, als tratschten sie belanglos, so als ob diese lebensgefährliche Reise nichts weiter wäre als ein Wochenendausflug, oder aber diese Männer konnten ihre Angst noch weit besser verbergen als Kara.
Dann ging es jetzt also hinaus in die Wüste. Sie verließ die Herberge, jedoch nicht ohne vorher noch einen verächtlichen Blick auf die Kleider zu werfen, und gesellte sich stumm zum Rest der Gesellschaft.
Zwei fürstlich bezahlte, einheimische Reiseführer standen neben den herausgeputzten Männern und versuchten diese durch Haltung und Sprache davon zu überzeugen, dass sie auch wirklich jedes Goldstück wert waren. Etwas abseits hatten sich zwei Dutzend heruntergekommener Söldner zusammengerottet, bei deren Anblick Kara vermutete, dass es eine eher schlechte Wahl gewesen war, sie anzuheuern.
Wenn diese Kerle nur halb so gerissen und skrupellos waren, wie es den Anschein hatte, dann würden die sie ein paar Meilen hinter der Stadt einfach alle abschlachten und die Leichen fleddern. Denn das war bei weitem ungefährlicher und bestimmt auch einträglicher, als Leibwächter auf einer ungewissen Entdeckungsreise in den sengenden Tod zu spielen.
Andererseits war ihr bisheriges Geleit aus gerade einmal sieben silberglänzenden Rittern bei weitem nicht ausreichend für eine solch gefährliche Reise.
Aus dem Augenwinkel erspähte Kara dann auch schon die Sänfte, welche vorsichtig die lange Treppe des Tempels des Erwachten hinunter zur Straße getragen wurde. Ihr voran schritt ihr neuester Nemesis, der Leibdiener des Herzogs.
Ihr Herr, der junge Salinis, war also wieder reisebereit.
Dies bedeutete dann bestimmt auch, dass er auch bald wieder von oben herab auf sie einreden und dabei aufdringlich fummeln konnte. Schade. Sie hatte gehofft, dass er noch einige Monate oder zumindest Wochen in diesem hilflosen Zustand verbringen würde, aber es bestand immer noch die Hoffnung, dass er den Ausflug in die Südlande nicht überleben würde. So eine Wüste war schon für einen gesunden Menschen nicht ohne Gefahren.
„Ah mein lieber Salinis. Euer Anblick erfüllt uns alle mit großer Freude. Wie geht es Euch denn heute?“, empfingen man die schaukelnde Sänfte überschwänglich.
Jean hob beschwichtigend die Hand: „Der werte Herzog schläft im Moment, aber ihm geht es schon viel besser und er bedankt sich für Eure Anteilnahme. Er fühlt sich nun bereit die Strapazen der Reise auf sich zu nehmen. Wir können daher jederzeit aufbrechen meine Herren.“
Die Strapazen der Reise auf sich nehmen? Kara verzog angewidert das Gesicht. Der faule Kerl ließ sich dabei doch nur in einer Sänfte herumtragen, wo hingegen den vier schwarzen Trägern des herzoglichen Gefährts schon kräftig der Schweiß die nackten Oberkörper herunterrann.
Eine leichte Nervosität legte sich nach diesen Worten über die Anwesenden. Jetzt da der Zeitpunkt des Aufbruchs gekommen war, konnte man die nahende Gefahr kaum mehr verleugnen und die Anspannung wurde immer größer.
Mit fester Stimme durchbrach ein alter Mann die aufkeimende Unruhe: „Ihr habt es alle gehört. Es geht los!“
„Paria! Hierher!“, kommandierte Jean, „Du gehörst an die linke Seite des Herzogs. Dein Platz ist es, einen Schritt neben der Sänfte herzulaufen.“
Ohne Widerrede, doch auch ohne ein Zeichen der Unterwürfigkeit fügte sich Kara.
„Werte Herren. Das Abenteuer beginnt. Ruhm und Ehre erwarten uns.“

Ahrok passte den Fliehenden kurz vor der Tür ab und fegte ihn mit einem unschönen Tritt von den Beinen. Mia hätte ihn sicher für diese unsaubere Technik gescholten. Das machte ihn noch wütender, als die Platzwunden und die Schnitte, welche ihm die Männer gerade noch zugefügt hatten.
„Was, was, was? Erst einen auf große, starke Meute machen und dann weglaufen, wenn es nicht läuft?“, Ahroks Stiefel traf den liegenden Mann mitten auf die Nase und schleuderte dessen Kopf herum, „So etwas gibt es bei uns im Norden nicht. Da wird gekämpft bis zum bitteren Ende!“
Aus irgendeinem unerklärlichen Grund widerstand er dem drängenden Impuls den Schädel des Mannes unter seinen Sohlen zu zerquetschen und entspannte sich stattdessen wieder etwas. Seine verzerrten Gesichtszüge glitten in ihre ursprüngliche Form zurück und Ahrok ließ die Fäuste sinken. Sein Atem ging ruhiger und er schüttelte dieses ungute Gefühl ab, das sich in seiner Magengegend einzunisten drohte.
Das Erste was ihm in den Sinn kam war, dass es ein seltsames Gefühl war, nicht gegen monströse Kreaturen aus den Schatten zu kämpfen, sondern gegen Männer derselben Rasse… Wie auch immer es war um Längen einfacher.
Mehr oder weniger zufrieden sah sich Ahrok in der Taverne um oder eben in dem, was nach dem Ansturm eines wilden Valr davon noch übrig war. Um den gesplitterten Stützbalken lagen acht Leute herum. Die meisten von ihnen waren bereits tot, einige Glückliche vielleicht nur bewusstlos.
Tief in Ahrok regte sich nicht einmal mehr etwas, als er die Toten sah. Damals im Kerker des Händlers war es ihm noch schwer gefallen ihnen in die starren Gesichter zu blicken, jetzt zollte er ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit als den zerbrochenen Stühlen und Tischen.
Er ging hinüber zu seinem Abschlachter, der noch immer hinter der Theke lag und nahm das riesige Schwert wieder an sich. Das Hochgefühl einer gerächten Demütigung verflüchtigte sich, noch bevor er es richtig genießen konnte.
Was war hier nur wieder passiert?
Er wollte ein Bier trinken und etwas mit den Einheimischen plaudern, aber jetzt waren auf einmal acht Leute tot und er wusste gar nicht mehr so richtig, wie das alles gekommen war. Ein Wort hatte das andere ergeben, viele Minuten lang hatte er die Gelegenheit gehabt, sich einfach zurückzuziehen und es auf sich beruhen zu lassen, aber das hatte er nicht getan. Von dem Moment an, als die Krüge mit dem Bier durch die Luft gesegelt waren, hatte er gewusst, dass er diese Männer töten würde, dass er sie töten wollte und dieser Gedanke machte ihm Angst.
Er wandte sich von dem Blutfleck an der Wand ab und wollte mit Ragnar über dieses beunruhigende Gefühl sprechen, aber der Zwerg saß bereits an dem einzig heilen Tisch im Raum und grinste ihn breit und fröhlich an.
„Ich find es toll wie schnell du überall Freunde findest.“
Ahrok schob seine Gedanken fort und lächelte gezwungen zurück: „Ja. War zumindest ein gutes Training oder?“
„Training? Du hast echt ´nen Sockenschuss Kleiner. Wenn es hier nicht so beschissen heiß wäre, dann würdest du mich nicht mal schwitzen sehen. Siehst du die Pfütze da unten?“
„Du meinst das Blut?“
„Nein nicht die. Die da! Das vergossene Bier. Die Ärsche haben mitten in der Wüste Bier verschüttet. Wenn ich könnte, so würd ich ihnen gleich noch mal die Hälse umdrehen. Was war hier überhaupt los?“
„Ich weiß auch nicht.“, Ahrok wischte sich den Schweiß mit dem schmutzigen Ärmel von der Stirn, „Es… die Leute hier, ich meine… Die hatten so ein paar Dunkelhäutige schikaniert und da… ich weiß auch nicht.“, Ahrok setzte sich müde neben den Valr.
„Ah, so ´ne Scheiß Rassisten gibt’s überall. Hast der Welt ´nen Gefallen getan sie abzumurksen.“
„Nu hör doch auf. Du bist doch keinen Deut besser als die.“
„Äh was?“, Ragnar rückte ein Stück von ihm weg. „Was war das gerade?!“
„Na nu tu doch nicht so. Du hast doch was gegen Elfen.“
„Das ist ja wohl was anderes! Hab ich etwa jemals einen Shin verprügelt?“
„Natürlich. Ich war oft genug selber dabei.“
„Ich meine grundlos, eben nur, weil es Elfen waren.“
„Na das war doch neulich erst. Was war mit dieser Elfe auf unserem Schiff? Kara? Wegen dieser Scheiße wären wir fast draufgegangen.“
„Die hab ich doch gar nicht…! Na ja… ähm… doch… aber das ist trotzdem was anderes! Weißt du was? Halt die Klappe! Ich will jetzt ein Bier.“
Alles blieb still.
Niemand erhob sich, um dem Zwerg seinen gewünschten Humpen zu besorgen.
„Du der Wirt liegt irgendwo da unten.“, Ahrok wies auf das Gewirr aus Blut, Leibern und Holzsplittern. „Der wird dir keins mehr bringen fürchte ich.“
„Ach Scheiße… na gut dann beraubst du jetzt die Typen hier unten und ich seh nach, wo es hier noch etwas zu trinken gibt.“
„Für mich bitte kein Bier. Wasser oder Milch… oder warte, warte mal ein Saft wäre schön. Guck mal ob du da ´nen Krug Saft findest.“
„Ja, ja ich schau nach deiner Mädchenplörre. Sorg du lieber dafür, dass sich das große Loch in unserer Reisekasse schließt, bevor hier noch die Stadtwache vorbeischaut.“
„Stadtwache? Ich bin seit ´ner halben Stunde hier und die halbe Straße hat das Geschrei gehört. Wenn jetzt keiner hier ist, dann kommt auch keiner mehr.“
Ragnar schwang sich über den Tresen und wäre dabei beinahe mit den fünf schwarzen Gestalten zusammengestoßen, die dahinter kauerten.
„Bitte nicht schlagen Herr. Bitte nicht schlagen!“, flehten sie ängstlich.
„Ja da scheiß mir doch einer in die Stiefel, man seid ihr schwarz. Ich hab Kerle gesehen, die zehn Stunden in Kohlenflözen gebuddelt haben, ohne derart dreckig zu sein. Aber jetzt macht euch mal nich ins Hemd, denn die bösen Kerle sind tot und ich tu euch nichts. Weiß einer von euch Dreckspatzen, wo es hier was zu trinken gibt?“, Ragnar schwenkte zur Untermalung seines Gelüstes einen leeren Krug vor den Gesichtern der Männer.
„Warum haben du das getan Herr?“
„Trinken! Kannst du mir mal antworten? Ich hab Durst, verstehst du? Bier! Wo? Ist? Das? Bier?!“, Ragnar verlor in dieser drückenden Hitze erstaunlich schnell die Geduld.
„Dort hinten Herr.“
„Na also! Weiß du… bring uns einfach ein paar Krüge zu dem Tisch da hinten. Alles verstanden? Danke.“, Ragnar nickte den Männern noch einmal griesgrämig zu und sprang dann zurück über die Theke.
Auf dem Weg zum Tisch stieß er ein paar Holzsplitter beiseite, um seinem irrationalen Ärger
Luft zu machen. Einer der Männer am Boden kroch gerade stöhnend Zoll für Zoll Richtung Ausgang. Ragnar stieg mit einem großen Schritt über den Kerl hinweg.
„Es gibt nur Bier hier.“, nickte er Ahrok zu, „Also? Wie viel haben wir?“
„Elf Silberstücke.“
„Was? Hast du alle durchsucht?“
„Ja.“
„Iss doch nich zu glauben. Wir haben hier eine Kompanie Bettler verhauen.“
Einer der Schwarzen, Ahrok wusste nicht ob es sich dabei um Samuel handelte, weil die fünf für ihn alle gleich aussahen, trat an ihren Tisch.
„Hier bitte. Bier Herr.“
„Danke. Hier, kauf dir was Feines.“, Ahrok schnippte dem jungen Mann eine Silbermünze zu.
„Ahrok was…? Gib mir das Geld!“, schnauzte ihn der Zwerg an, „Deine Verschwendungssucht ist noch unser Ende.“
„Weißt du Ragnar… vielleicht hätten wir nicht alle so zurichten sollen. Bestimmt hätte uns einer von denen sagen können, wo sich Onkel Herberts Caer versteckt hält.“ Ahrok drehte einen Mann, der direkt neben ihrem Tisch lag, mit dem Fuß um. Starre, leblose Augen ließen keinen Zweifel daran, dass dieser ihnen nichts mehr verraten würde. „Außerdem fangen die hier langsam an zu stinken. Muss wohl an der Hitze liegen.“
Bereits jetzt hatten sich schon ganze Fliegenschwärme in der Spelunke versammelt und badeten ihre Füße in dem noch warmen Blut.
„Ja das war unglücklich, aber sicher gibt es noch genügend Kneipen in dieser Stadt. Keine Angst wir finden schon jemanden, der weiß, wo Kupferglanz liegt.“
„Was sein Kupferglanz. Vielleicht können Samuel helfen?“, meldete sich ihre Bedienung vorsichtig.
Ragnar schenkte dem Mann einen abschätzenden Blick. Der junge Bursche hielt sich immer noch wehleidig mit der linken Hand seine kaum verletzten Rippen und außerdem sah der nicht gerade aus wie ein Gelehrter der wissen konnte wo sich ein bisher ungeöffneter Caer befand.
„Nee lass mal Junge. Wir...“
„Ja, vielleicht kannst du uns tatsächlich helfen.“, unterbrach Ahrok den Valr. Dieser rollte nur beleidigt mit den Augen und widmete sich dann dem Bier. „Wir suchen nach einem Caer. Verstehst du?“
„Ka… err?“, ahmte ihn Samuel nach.
„Ja genau. Das ist eine große Höhle, eine unterirdische Stadt. Tief unter der Erde.“
Ragnar stellte den ersten leeren Humpen unnötig laut auf dem Tisch ab: „Lass gut sein Ahrok. Der weiß doch nichts.“
Ihre dunkelhäutige Bedienung wandte sich wieder ab und verließ ihren Tisch. Kurz darauf begannen die fünf Männer hinter dem Tresen sich in einer singenden, klickenden Sprache zu unterhalten.
„Und nun?“
„Neue Schenke.“, schlug Ragnar vor und leerte gerade den dritten und letzten Bierkrug. „Wir sollten hier ohnehin verschwinden, denn immerhin sind ja ein paar deiner Freunde entkommen. Die wollen sich vielleicht rächen.“
Der Zwerg stellte den Krug ab und schwang sich auf die Beine.
„Herr warten, warten bitte.“
Ahrok, der schon halb im Gehen war, drehte sich den Männern zu.
„Ja?“
„Sein viel Erdloch. Draußen in rot Staub Wüste. Jumbe Momo kennen alle. Bestimmt auch Ka Err Kupferschmalz.“
„Da. Da! Hörst du Ragnar? Die Leute hier wissen was.“, rief Ahrok plötzlich freudig.
Der Valr rammte seine Axt in einen Stützbalken: „Ja gut, du hattest Recht und ich Unrecht. Bist du nun zufrieden? Besuchen wir diesen Momo. Wo wohnt der denn hier?“
„Jumbe Momo sein groß, mächtig jumbe von ganz Volk Manu. Leben weit draußen in rot Staub Wüste. Sein sehhhhr weis Mann.“
„Ach bei Rangos stinkenden Stiefeln, der wohnt nich hier, sondern mitten in den Südlanden? Ihr habt ja wohl den Arsch offen. Das iss ´ne gefährliche Gegend da draußen.“, Ragnar schnalzte missmutig mit der Zunge, „Wie lange braucht man denn bis zu eurem Lager?“
„Juma… juma zima. Viel Tag. So viel.“, Samuel spreizte alle zehn Finger.
Ragnar seufzte: „Meine Fresse. Zehn Tage? Das iss ´ne ganz schöne Entfernung für ein ´vielleicht´. Außerdem werd ich ganz sicher nicht ohne einen Führer einfach so mitten in die Südlande spazieren. Ich bin doch nicht bescheuert. Diese Scheiß Idee kannst du dir in die Haare schmieren.“
Ahrok nickte widerwillig. Die Sache war zu unsicher, dabei hatte alles so vielversprechend angefangen.
„Herr warten bitte. Samuel und Freund wissen, wo kambi le hema von jumbe Momo stehen. Wenn Samuel und Freund mitnehmen, dann Samuel führen zu jumbe Momo.“
„Was hältst du jetzt davon Ragnar?“
Der kraulte sich am Bart: „Hm… ich find´s immer noch ´ne beschissene Idee, aber einen Versuch ist es wert. Warum wollt ihr Kerle hier überhaupt weg?“, hakte er misstrauisch nach.
„Wir kommen nach groß Stadt Kasam um machen groß Glück und reich. So viel Mond her. Doch kein Glück in Kasam. Kein reich, nur Arbeit und Schlagen. Wir wollen zurück.“, die anderen vier nickten den Worten zustimmend zu.
„Tja da lob ich mir doch unser Leben. Man kommt rum, trifft auf viele Leute – und haut denen aufs Maul.“
„Du hörst es Ragnar. Das ist unsere Gelegenheit, die anderen noch einzuholen.“
Der Zwerg hatte sich schon wieder gesetzt und schwenkte einen leeren Bierkrug: „Von mir aus. Ich genehmige mir hier noch ein, zwei Literchen und du machst derweil gegenüber die Besorgungen für die Reise. Hier hast du unser Silber.“
„Und was ist jetzt mit der Stadtwache?“
„Ach die kommt schon nich. Nu hop, hop streng deine langen Beine mal an.“

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Juma zima – eine ganze Woche
Jumbe – Häuptling
Kambi le hema - Zeltlager
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Topor (Mehrzahl Toporüi) - Axt
Ssluga – Diener, Gesinde
Njewescha – Flegel, unhöflicher Mensch
 
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Kommentare  

Also sowas...da entführt dieser Wicht von Wirt doch Ahroks Schlachter...tztztz.
Aber Ragnar hat natürlich geholfen und zusammen haben sie mit dieser Bande schön aufgeräumt und zugleich sogar noch jemanden getroffen, der ihnen vielleicht weiterhelfen kann.

Kara hingegen tut mir irgendwie ein wenig leid. Sie wirkt so deprimiert und dieser Leibdiener... na das kann ja noch was werden.

Ich bin aufs nächste Kapitel gespannt.


Tis-Anariel (05.06.2012)

stimmt, wer kennt schon die alten griechischen gottheiten? sind ja jetzt schon verschollen.
aber vielleicht gibt es ja einen rachegott in diesem zeitalter, der männlich ist, ragnar hat bestimmt so was in petto... ;-)


Ingrid Alias I (20.05.2012)

Tja warum sind wohl all jene die schreckliche Rache verkörpern nur weiblich... ? ^^ Aber du hast Recht das Wort ist zwar im üblichen Sprachgebrauch mit keinem Gender verknüpft, passt aber gar nicht in die Geschichte hinein und wird damit ersatzlos gestrichen. Danke

Jingizu (20.05.2012)

ahrok ist mal wieder in schwierigkeiten,und kara schnallt sich ihre äxte um...
"Ihr voran schritt ihr neuester Nemesis, der Leibdiener des Herzogs." nemesis, ist die nicht weiblich? dummerweise sind auch die anderen rachegötter weiblich, z.b. erynnien und furien - ich schlage vor, den leibdiener als "männliche nemesis" oder "furie" zu bezeichnen.
der zwerg rettet ahrok mal wieder, und sie haben jetzt begleitung. ein sehr schönes und vielschichtiges kapitel, aufbruch ist wohl die aussage. ;-)


Ingrid Alias I (20.05.2012)

Da schließ ich mich mal Petra an. Sehr lebendig und echt wie Ahrok denkt und wie die anderen, die es mit ihm aufnehmen. Ragnar tauchte da wirklich im richtigen Moment auf. Auch ich musste schmunzeln.

Jochen (16.05.2012)

Danke Petra. Das war ein schöner Kommentar, der mich doch gleich zum weiterschreiben animiert.

Jingizu (16.05.2012)

Na da hat ihm Ragnar mal wieder aus höchster Not geholfen. Er müsste ihn küssen, den Kerl. Was mir wieder gefallen hat, ist die große Klappe der beiden. Ich liebe deinen Wortwitz. Kara versucht sich in der Not so gut zu behelfen wie sie nur kann. Es geht ja doch weiter mit der Reise und irgendwie scheint ihr das Spaß zu machen. Ich hoffe , dass sie irgendwann einmal wieder auf Ahrok und Ragnar stoßen wird :=)

Petra (15.05.2012)

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