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5 Seiten

Ahrok 2.Band - 29. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Neunundzwanzigstes Kapitel: Hoffnungslos

„Ariane!“, die Stimme ihres Onkels erreichte sie, bevor sie zur Haustür hinaus war.
„Ich will in die Stadt. Die Blumenfrauen in der Hubertusstraße sollen heute neue Gestecke im Angebot haben und ich muss auch noch zum Schneider, die Änderungen für das Maifest bestellen.“
„Warte doch bitte einen Moment. Ich möchte mit dir reden.“
Sie ließ die angehaltene Luft fahren und schloss die Tür zum Anwesen wieder vor sich. In letzter Zeit war es ihr wunderbar gelungen jeder Konfrontation und jedem tiefschürfenden Gespräch aus dem Weg zu gehen, aber nun war es wohl soweit.
„Was gibt es denn Onkel?“, fragte sie so unschuldig, wie sie nur konnte.
„Ich nehme an, du weißt genau, warum ich mit dir reden möchte.“
„Nein. Wieso sollte…“
„Es geht um diesen Mann.“, unterbrach er ihre Ausflüchte sofort. „Gilbert Krause und die Zeit, die du in den letzten Tagen und Wochen mit ihm verbringst.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn herausfordern an: „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
Der alte Graf von Lichtenstein rang mit den Händen.
„Ariane, Kindchen… ich bin nicht nur dein Onkel, sondern auch dein Vormund. Alles was du tust, geht mich etwas an und fällt auch auf mich zurück.“
Man sah ihm an, dass er sich in seiner Haut nicht wohlfühlte und die Sorge auf seinem Gesicht war vollkommen ernst gemeint, dennoch war Ariane wenig versöhnlich gestimmt. Diese Reise zu dem versunken Ort, um die Familie wieder zu neuem Glanz zu führen, die Hochzeitsvorbereitungen und dann die Verlobung mit dem Schlächter von Märkteburg – alles waren nur Ränke ihres Onkels gewesen und sie nur einer seiner Spielsteine.
Gilbert hingegen war allein ihre Entscheidung und an diesem schönen Gefühl, das sie gerade fühlte, würde kein anderer Mann, auch nicht ihr Onkel, etwas kaputt machen.
„Was willst du von mir? Soll ich in meinem Zimmer sitzen bis irgendwann im nächsten Jahr mein rücksichtsloser Verlobter wiederkommt, um mir Geschichten von den Dingen zu erzählen, die er erschlagen hat? Oder vielleicht kommt er ja auch gar nicht wieder! Soll ich deiner Meinung nach mit fünfzehn schon ewige Strohwitwe sein?“
„Darum geht es doch nicht Kindchen. Hör mir doch zu. Ich finde es schön, dich wieder so lebensfroh zu sehen und mir gefällt, dass du endlich das richtige Interesse an privilegierten Männern findest, aber…“
„Aber was?“
„Aber ein Magier? Wenn es deine Absicht ist, mich ins frühe Grab zu bringen, dann such dir bitte barmherzigere Wege als diesen.“
„Darum geht es also? Dass er ein Magier ist?“, ihr Brustkorb bebte vor Erregung und ihre Wangen glühten rot vor gerechtem Zorn.
„Es geht immer darum Ariane. Ganz besonders in unserer Familie. Die von Lichtensteins können sich keinen weiteren Skandal um einen Magus leisten.“
„Er ist nicht wie Vater!“
„Das weißt du nicht!“, rief der alte Graf ebenso aufgebracht zurück. „August war kein böser Mann, sondern ein fröhlicher Bursche, ein frommer Ehemann und Vater ohne jede Arglist, ohne die Spur des Bösen in seinem Herzen, aber diese Magie, diese Macht… sie hat ihn verdorben und krank gemacht! Und… hat ihn diese schrecklichen Dinge tun lassen.“, er strich sein Gewand gerade und atmete tief durch um sich zu beruhigen, „Er steckt in einem jeden von ihnen, deshalb werden sie auch ständig durch die Inquisition überwacht.“
„Gilbert ist anders, er ist ein Magier am Königshof und Dozent hier an der Universität!“
„Ich weiß.“, die nächsten Worte schienen ihm etwas schwerer zu fallen, denn er rückte nicht sogleich heraus mit der Sprache. „Gabriela von Braun hat mich gestern persönlich aufgesucht, um darüber mit mir zu reden.“
Ariane runzelte ihre Stirn, der Name kam ihr bekannt vor, sie wusste aber nicht mehr genau woher.
„Kannst du dir meinen Schrecken vorstellen, als mich ein Lord Inquisitor vom Orden des Hammers in meinem eigenen Haus aufgesucht hat? Sie war es, die deinen Vater und den Rest unserer Familie samt Dienerschaft mit einer einzigen Unterschrift auf den Scheiterhaufen gebracht hat und gestern steht sie erneut in diesem Haus und fragt mich, warum sich die Tochter von August dem Bleichen mit einem Magier einlässt. So wie sie mich ansah, hab ich schon den Reisig unter meinen Füßen knistern hören können. Sag mir also: Ist es wahr?“
„Ist was wahr?“, fragte sie eingeschüchtert.
„Hast du dich tatsächlich mit ihm eingelassen? All die Nächte, in denen du bei deinen Freundinnen übernachtet haben willst, warst du da bei ihm, so wie es die Protokolle des Ordens sagen?“
„Die Protokolle?“
„Ariane! Sag mir ob es wahr ist?!“, rief er der Verzweiflung nahe.
„Ja! Ja. Es stimmt. Ich war bei ihm.“
„Oh beim Namenlosen…“, Herbert von Lichtenstein fuhr sich mit der Hand über die Augen und lehnte kraftlos an der Kommode im Flur. „Was tun wir nur…? Was tun wir jetzt nur?“
Der Graf rutschte an der Wand hinunter und vergrub sein Gesicht in den Händen.
Die geladene Atmosphäre entspannte sich wieder und es wurde still im gräflichen Anwesen.
„Er ist wirklich anders Onkel…“, Ariane schritt auf den Grafen zu, der im Augenblick totenbleich zusammengesunken an der Wand saß. Ihre Stimme war weich und versöhnlich. Natürlich hatte sie von der Inquisition gehört und davon, dass sie böse Menschen jagen, aber diese Furcht, die ihr Onkel verspürte, konnte sie einfach nicht nachvollziehen. „Er ist so klug, so kultiviert, so einfühlsam und sieht so gut aus… er weiß so viele Dinge Onkel. Wenn du nur wüsstest…“
„Ach bitte. Hör auf ihn mir schmackhaft machen zu wollen.“, er sah sie an und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Irgendwo zwischen all den Jahren war aus dem kleinen Mädchen eine junge Frau geworden die ebenso furchtlos wie auch energisch von einer schlechten Partie zur Nächsten stolperte. „Ich will ihn nämlich gar nicht kennen lernen. Er wird dieses Anwesen niemals betreten.“
„Er hat ein eigenes Anwesen. Mitten in der Stadt in…“
„Ich weiß wo er wohnt. Der Bericht der Inquisition über ihn und eure Aktivitäten war… sehr detailliert. Ich hab große Angst um dich Kindchen. Versteh das doch. Ich will nicht, dass du so endest wie deine Mutter oder deine Geschwister.“
Sie beide schwiegen sich eine Weile an.
„Ich werde ihn trotzdem wiedersehen.“, sagte sie schließlich.
„Ich weiß.“, die Stimme ihres Onkels war kaum mehr ein Flüstern.

„Was ist passiert?! Was ist mit mir passiert?! Wo ist mein Bein?!“
Ahrok krallte sich in das Fleisch von Ragnars Nacken und schüttelten den Zwerg, aber dieser sagte keinen Ton, sondern blickte einfach nur an ihm vorbei zu Boden, so als könnte er ihn nicht einmal mehr ansehen.
„Nu beruhig dich doch mal wieder.“
„Beruhigen?! Hast du dir mein Bein mal angesehen?! Es ist weg! Mein Bein! Ist! Weg!“
„Ich weiß… das passiert nun mal im Kampf.“
„Ach ja? Das passiert nun mal?! Und warum gerade mir?! Du willst doch sterben!“
„Ich…“
„Das ist alles deine Schuld!“
„Ich weiß.“
„Du mit deinem blöden Gelaber über Rüstungen und… was?“
Ahrok starrte den kleinen Kerl verwirrt an, dann ließ er den Valr los und fiel nach hinten in die Kissen.
Die beiden Männer starrten stumm an verschiedene Ecken der Zeltbahn und das Schweigen wurde mit jedem verstreichenden Augenblick immer erdrückender. Nur wenige Schritte vor dem provisorischen Krankenzelt brannte ein großes Feuer, dass die tanzenden Schatten der feiernden Ritter und Edelleute an die Zeltwand warf. Ihre Lieder drangen bis zu ihm und die Fröhlichkeit darin verspottete ihn höhnisch.
Es verging eine Stunde, ohne das sich einer von beiden auch nur einen Zoll weit rührte. Keiner sprach ein Wort und sie wichen einander so ausdauernd ihren Blicken aus, als hinge ihr Leben davon ab.
Ahrok wär so gern wütend gewesen, aber wenn der Zwerg einfach nur so dastand und alles über sich ergehen ließ und ihm auch noch Recht gab, da wollte es ihm nicht gelingen, die Wut aufrecht zu erhalten.
„Und was nun?“, fragte er nach einer Weile.
„Ich weiß es nicht…“, murmelte der Zwerg tonlos.
Schweigen.
„Ich hab heute unsere Waffen wieder aus dem Caer geholt und dabei ein paar Knochen aus Jonas´ Körper gerissen. Für Tharo.“
„Ui toll… was soll ich jetzt noch damit?“
Der Zwerg nickte langsam und es wurde wieder still im Krankenquartier.
Nachdem draußen am Feuer zwei weitere Lieder verklungen waren, trat noch jemand durch die Zeltbahn hinein in diese Festung der Trostlosigkeit.
Kara trug nur ein dünnes Leinenkleid, welches lose auf ihren Schultern hin. Sie roch nach Schweiß und Sex und sie vermied es ebenfalls einen der beiden anzusehen. In ihrer linken Hand, direkt unter dem silberleuchtenden Armband, baumelte eine dickbauchige Flasche zwischen ihren Fingern.
Obwohl sie jetzt schon zu dritt waren, sagte dennoch niemand etwas. Ein jeder von ihnen hing in seiner eigenen, kleinen Welt, aus der es grad kein Entkommen gab. Ragnar war wie üblich zerfressen von Schuld, Kara eine erniedrigte Sklavin im Dienste eines verabscheuungswürdigen Mannes und er hatte gerade alles verloren, was ihn ausgemacht hatte. Ohne sein Bein… was war er da noch? Kein Gehen, kein Stehen, kein Laufen und auch kein Kämpfen mehr.
Er war einmal der Schlächter von Märkteburg gewesen. Er hatte sich durch so viele Feinde und Monster gehackt, nur um jetzt unbesungen und armselig als Krüppel sein Dasein zu fristen. Wie würde Ariane ihn ansehen, wenn er so zu ihr zurückkam? Was würde sie sagen, jetzt da er kein richtiger Mann mehr war.
Er griff nach dem Schnaps, den Kara neben seinem in blutige Verbände gehüllten Stumpf angestellt hatte. Die Flasche war noch randvoll, aber das würde nicht lange so bleiben, wenn Ragnar erst seine Hand danach ausstreckte. Als er sie zum Mund führte, stieg ihm dieser beißende Geruch nach Anis in die Nase und er verzog das Gesicht. Ahrok konnte dem Alkohol in jeglicher Form nichts abgewinnen. Vom Geruch wurde ihm übel, der Geschmack war nicht besser und das Gefühl, wenn er brennend die Kehle hinunterfloss, um im Magen weiter zu rumoren, war auch nichts, was er als besonders lustvoll empfand. Schlimmer war dann nur noch, dass ihn sein Körper am darauffolgenden Tag meist mit einer endlosen Übelkeit und Kopfschmerzen strafte. Doch für den kurzen Moment zwischen Ekel und Unwohlsein, in welchem das Gift seine Gedanken und Gefühle betäubte, hatte er etwas Ruhe von der bösen Welt.
Ahrok trank so viel er konnte ohne sofort speien zu müssen und stellte die Flasche in Ragnars Reichweite. Heute verstand er den Zwerg und sein Bedürfnis sich ständig zu betrinken zum ersten Mal.
„Kara?! Kara!!!“, schallte eine tieftrunkene Stimme durch das Lager bis zu ihnen.
Die Elfe zuckte kurz zusammen und er bemerkte, wie ein paar kleine Schweißperlen auf ihre Stirn traten. Ihr Kleid, welches die Konturen der Elfe sehr genau betonte, wehte leicht, als sie, wortlos wie sie gekommen war, das Zelt wieder verließ. Ahrok sah ihr nach, wie sie durch die Stoffbahn hindurch verschwand und bemerkte dabei, dass Ragnar es ihm gleich tat.
 
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Kommentare  

Hallo Petra,

ja der gute Onkel muss so einiges durchmachen mit seiner Ariane... dass ihr da plötzlich alle rauslest, dass Ragnar für Kara schwärmt, finde ich amüsant - das gefällt mir.


Jingizu (26.06.2012)

Onkelchen regt sich sehr über Ariane auf. Ich fühle richtig mit ihm mit. Denn wenn Ariane solch eine schlimme Vergangenheit hatte, dann könnte die Freundschaft mit dem Magier sehr gefährlich für sie werden.
Der arme Ahrok muss viel Schlimmes durchmachen. Gott sei Dank ist er ein zäher Kerl. Ich glaube das psychische Leid ist dabei schwerer zu verkraften als das physische. Wenigstens gefällt ihm Kara und der raue Ragnar schwärmt wohl auch so ein bisschen für sie, obwohl er das bestimmt nie zugeben würde. Freue mich schon darauf wie es weitergeht.


Petra (25.06.2012)

Hallo ihr drei!

@ doska: Im ersten Band wird erwähnt, dass die Familie von Lichtenstein wegen Verdachts auf schwarze Magie hingerichtet wurde und nur Ariane und ihr Onkel die Säuberung durch den Orden überlebten.
Ja was mit Ragnar, Ahrok und Kara noch wird, das zeigt sich erst noch ^^

@Jochen Ja Ahroks schwere Verletzung war schon im Spiel eine Herausforderung - mal sehen ob ich es auch in der Geschichte gut genug umsetzen kann

@Anariel Danke für deinen Kommentar. Ich hoffe doch die nächsten Kapitel können all eure Erwartungen auch erfüllen.


Jingizu (24.06.2012)

Oh je....der Onkel tut mir irgendwie fast schon ein wenig leid. Ich frag mich ja immer noch, was da hinter diesem Magier wirklich steckt.

Karas Schicksal ist schon hart und sie sperrt jedes Gefühl weg, sonst würd es sie vermutlich umbringen.
Ahrok verzweifelt grade so ein wenig, denn ihm wird nun klar, was es bedeuten mag, ein Bein zu verlieren. Und Ragnar gibt sich die Schuld daran, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Zumindest hat er an die Knochen für diese Quasselstrippe von Nekromanten gedacht.


Ich bin ja mal gespannt, wie du unsre drei Helden aus diesem Jammertal wieder rausholen wirst.


Tis-Anariel (24.06.2012)

Na wie wird das nun mit den beiden Damen und unseren Helden ausgehen? Ariane hat zwar Ahrok nicht vergessen, tröstet sich aber mit Gilbert Krause - köstlicher Name für einen Magier. Bei Kara sind gar keine Gefühle für irgendjemanden zu erkennen, dafür scheinen Ahrok und sogar Ragnar Augen für sie zu haben. Ich bin gespannt wie du das Problem mit Ahroks fehlendem Bein lösen wirst.

Jochen (23.06.2012)

Irgendwie ist Ariane zu verstehen. Sie fühlt sich von Ahrok in Stich gelassen und weiß nicht was der gerade durchmacht. Sie hat ja eine misteriöse Vergangenheit. Was mag damals geschehen sein?
Ahrok kann sich schwer mit seinem Schicksal abfinden und der einzige Trost scheint Kara zu sein. Aber auch Ragnar wirkt nicht so, als wäre er überhaupt nicht an der Elfe interessiert. Ein schönes Kapitel, dass einen sehr neugierig macht, wie es wohl wohl weitergehen könnte.


doska (23.06.2012)

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