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4 Seiten

Lucky John ist unsterblich und alternativlos

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Der Milliardär Lucky John besaß alles: Autos, Ländereien, Geld, Zeitungen, TV-Sender, Frauen und Macht. Eigentlich hätte er das Leben bis ins hohe Alter genießen können, aber Lucky wollte mehr: Unsterblich wollte er sein! Für immer und ewig Frauen und Sex bis zum Abwinken und Macht über alles und Menschen beherrschen und manipulieren nach Gutdünken.
Nun hatten Forscher in seinem Auftrag endlich dieses Wundermittel gefunden: Die Pille der Unsterblichkeit. Nachdem Lucky sie geschluckt hatte, ließ er alle beteiligten Forscher ermorden und alle Unterlagen vernichten; die Macht der Unsterblichkeit wollte er mit niemand teilen.
So vergingen Jahrzehnte. Lucky wurde zweihundert Jahre alt und mehr, hatte siebzehn Ehen und noch mehr Skandale hinter sich, war viermal zum Sonntagsfrühstück auf den Mond geflogen und einmal zum Lunch auf dem Mars, er hatte 25 Kriege in allen Ecken der Welt angezettelt und an jedem verdient, egal wer den Krieg gewann oder verlor, Lucky hatte seine Hände bei Öl und Waffen im Spiel und bei allem, was die letzten drei Jahrhunderte hervorgebracht hatten.
Aber eines Tages passierte Unvorhergesehenes: Lucky verliebte sich! Seine Auserwählte war kein Playboy-Häschen, sondern sie hatte, was Lucky bisher nicht kannte: Seele und Persönlichkeit und zärtliche Augen und eine eigene Meinung. Und vor allem: Selbstbewusstsein!
Lucky hatte bisher alles gekauft. Aber bei dieser Frau biss er auf Granit. Sie wollte ihn nicht und sagte: „Schau dich doch einmal im Spiegel an: Deine Augen verbissen, dein Herz boshaft, deine Haut faltig und verfallen wie die Figuren von Körperwelten, dein Geld und deine Macht imponieren mir nicht und du weißt nichts von der Liebe, also lass mich in Frieden!
Da erkannte Lucky, dass seine Forscher zwar die Pille der Unsterblichkeit erfunden hatten, aber nicht die Pille gegen den Alterungsprozess. Diesen konnte man zwar beeinflussen und verlangsamen, aber mit jedem Jahrzehnt wurde der Penis kleiner und kraftloser und die Knochen wurden morscher und damit musste Lucky nun für immer leben.
Also schickte er seine Späher in alle Welt, um neue Körperteile für ihn einzukaufen, der Preis spielte keine Rolle. In Indien war eine arme Familie bereit, eins ihrer sieben Kinder zu töten und Lucky das Herz und alle Innereien zu überlassen. In Afrika fand man einen kräftigen jungen Mann, der wegen Armut und Elend eigentlich mit einem Boot nach Europa flüchten wollte, aber dann seinen Penis an Lucky verkaufte und nun hatte die Familie in Afrika zu essen und Lucky einen neuen Penis.
Danach ließ er alle Kurtisanen der Welt einfliegen, die ihn trotz seines abstoßenden Äußeren wie jeden anderen Kunden bedienten, denn er zahlte gut, nahm täglich Viagra; doch er war nach den Nächten so ausgepumpt, das ihm das Spiel an der Wallstreet und auf den Kriegsschauplätzen der Welt keine Freude mehr bereitete und die Banker und Generäle waren Lucky über den Kopf gewachsen, sie machten was sie wollten und stürzten die Welt und die Menschen in immer neue und größere Krisen und Lucky hatte den Überblick verloren.
Alle Huren dieser Welt ließen ihn nicht jene Frau vergessen, die ihn einst abgewiesen und an seine fehlende Herzenswärme erinnert hatte. Im Alter von 324 Jahren hatte er schließlich alles tausendfach erlebt, nur nicht die Liebe, die war nicht für Geld zu bekommen, und so wurde ihm das Leben überdrüssig und tiefe Depressionen überkamen ihn.
Alle Läuterungsversuche scheiterten oder entpuppten sich als Augenwischerei. Lucky wurde noch gehässiger, zettelte noch mehr Kriege an, schikanierte die Menschen, brachte sie in Arbeitslosigkeit, ließ sie aus ihren Wohnungen werfen oder erhöhte die Mieten und setzte ihnen alle möglichen Daumenschrauben an. Doch alles wurde ihm nur noch langweilige Wiederholung öder Belanglosigkeiten. Lucky hatte das lange Leben so satt und siechte vor sich hin.
Aber er konnte nicht sterben, denn es gab kein Gegenmittel gegen die Pille der Unsterblichkeit. Man versuchte es im folgenden Jahrhundert mehrmals mit Gift, mit Pistolenkugeln, mit Revolutionen, man stürzte ihn von Felsen und hohen Rössern, aber Lucky war nicht tot zu bekommen.
Nun hatten kluge und weitsichtige Menschen aber herausgefunden, wie man Lucky doch ausschalten und überwinden könnte. Um ihm endgültig den Garaus zu machen, müssten nur alle Menschen erkennen, wie viel Boshaftigkeit in Lucky steckt und alle müssten ihm gemeinsam und gleichzeitig so viele Nadelstiche versetzen, dass Lucky begraben werden könnte. Aber hier begann das Problem, denn es musste GEMEINSAM und GLEICHZEITIG sein. Aber die Menschen waren nicht unter einen Hut und zu einer gemeinsamen Aktion zu bringen. Zwar wussten alle: Ohne Lucky wäre die Welt besser! Aber es gab einige unter ihnen, es waren höchstens fünf Prozent, die hatten ihm ein paar Vorteile zu verdanken. Ein Geschäft hier, ein Verwaltungsposten dort, ein paar Vergünstigungen im Alltag, ein bisschen mehr Brot als die anderen Fresser, eine neue Uniform, einen Titel und ein paar Orden zur Befriedigung der Eitelkeiten.
Diese Schleimer und Vasallen weigerten sich, Luckys Dasein zu beenden. Sie hintertrieben sogar alle Bemühungen von Luckys Gegnern und verbreiteten die Parolen „Wir sitzen doch alle in einem Boot! Wir müssen zusammenhalten! Denn wenn Lucky stirbt, dann geht die Welt unter!“
Und schließlich erfanden sie etwas ganz perfides: Sie erfanden Wahlen, die sie zu allem Überfluss auch noch „demokratisch“ nannten. Seitdem gehen die Menschen wählen, ohne zu merken, dass sie nur die Wahl zwischen Pest und Cholera haben und dass die wirklichen Entscheidungen dieser Welt nicht in einer Quasselbude namens Parlament, sondern hinter unserem Rücken von Lucky und seinen Vasallen getroffen werden.
Von dieser kleinen Clique werden die Menschen mit wissenschaftlicher Perfektion manipuliert. Egal ob es um Meinungen, Nahrungsmittel, Geld, Telefongeheimnis oder andere Lebensbereiche geht. Jeder Schritt wird überwacht und manipuliert.
Immerhin werfen Luckys Vasallen den Menschen noch ein paar Brocken zum Überleben hin, um sie bei der Stange und gerade noch ruhig zu halten. Nach dem alten Motto „Brot und Spiele“ gibt es die Fußballbundesliga, es werden Europa- und Weltmeisterschaften oder Autorennen organsiert und wer damit noch immer nicht zufrieden ist, sondern murrt und nörgelt, für den gibt es über hundert Fernsehsender und bunte Zeitungen zum Einlullen Und Luckys Vasallen schreien: "Schaut mal, welche Vielfalt wir haben!" Dabei sind Lucky und seine Helfer längst Besitzer von Presse und Fernsehen und das System von Manipulation und Verarschung funktioniert noch immer reibungslos.
Diese kleine Clique hat also nicht das geringste Interesse, Lucky endlich das Fell über die Ohren zu ziehen, denn das würde ihr eigenes Ende einläuten, ihre eigenen Pfründe würden versiegen. Sie würden die Macht ans Volk verlieren. Aber das Volk weiß nichts mit der Macht anzufangen. Das Volk kuscht lieber und sagt resigniert: "Was können wir hier unten schon erreichen? Die da oben machen sowieso was sie wollen! Also lasst sie weitermachen!"
Und deshalb bleibt die Welt wie sie schon immer war und der unsterbliche Lucky John keucht und röchelt und siecht und kriecht dahin wie eh und je.
 
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Kommentare  

Es wurde Zeit, die Geschichte vom "unsterblichen Lucky John" zu überarbeiten und neue Aspekte einzubauen.

Michael Kuss (18.09.2013)

ein schön schreckliches gleichnis - und der vergleich mit den "figuren von körperwelten", der hat sich jetzt in meinem kopf festgesetzt... ;-)
lieben gruß


Ingrid Alias I (30.04.2013)

Regt zum Nachdenken an und ist sehr unterhaltsam. Ein schönes satirisches Märchen.

Gerald W. (24.04.2013)

Haha, sehr schön, ohne erhobenen Zeigefinger und äußerst amüsant zu lesen.

Else08 (23.04.2013)

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