52


2 Seiten

Budapest Keleti pályaudvar

Nachdenkliches · Poetisches
(Budapest Ostbahnhof)


Trotzend erhebt sich der Stolz der einstigen Donaumonarchie
Schon damals prägte der Prunk die kaiserliche Lebensphilosophie
Österreicher und Ungarn lebten gemeinsam im Habsburger Reich
Das mit dem Ende des ersten Weltenbrandes zerfiel sogleich

Im kalten Krieg, der scheinbar alle Hoffnungslichter stahl
Grinste sein monarchischer Charme weder dunkel noch fahl
Mit einer Brise Westwind versüßte ihr János die feurigen Magyaren
Die andere Welten eroberten in all den scheinbar dunklen Jahren

Und fuhren in jene Länder, von denen die Ostdeutschen träumten
Die den mediteranen Zipfel der großen Weiten in Scharen besäumten
Der Express „Wiener Walzer rollte alltäglich ins bildschöne Österreich
Der „Hungaria“ schluckte die Unterlegenen dorthin, wo die Fassaden so bleich

Im Sommer Fünfzehn platzte der Alte dauernd aus allen Nähten
Obwohl einst die klugen Köpfe am eisernen Mark des Kommunismus sägten
Menschenlawinen überrollten Polizisten in der Sehnsucht nach dem einen Ziel
Das war auch für die leidgeprüfte Herrlichkeit des Ostbahnhof's zu viel

Die zu erdrosseln drohte, unter dem wütenden Sog der Massen
Was selbst die härtesten Gesetzeshüter nicht konnten fassen
Die stählerne Wucht der Stöcke reizte die Verbitterten nur noch mehr
Der Weg nach Germany formte die Fliehenden zu einem unbesiegbaren Heer

Das in purem Mute der Verzweiflung all die Ländergrenzen förmlich überrannte
Da deren einziger Hoffnungsstrahl nur noch den selben Namen kannte
In voller Inbrunst hallte hundertfach das Echo; Germany, Germany, Germany
Wo schon seit Langem regierte, der eisige Dünkel verschrobener Liberty


Die geballte Faust der Ohnmacht hat den Wiener Charme von Budapest geschasst
Und dennoch lächelt in alter Blüte der Neorenaissance scheinend des Kaisers Trutz
Um sich erzürnend zu ängsteln vor dem tiefschwarzen schrundigem Weltenschmutz
Der plötzlich anschob, die Wellen der Sehnsucht nach Wohlstand und sicherem Schutz





Anmerkungen: Mit János meinte ich den langjährigen ungarischen Präsidenten János Kadar, der bei den Ungarn ein hohes Ansehen genossen hatte, da Ungarn jenes Land im damaligen Ostblock war, das den Menschen die meisten Freiheiten gewährte. Im Gegensatz zu den ehemaligen DDR-Bürgern konnten die Ungarn im Abstand von drei Jahren ins westliche Ausland reisen. Ins Nachbarland Österreich war dies ständig, und sogar visafrei möglich. Und auch die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs war wesentlich besser als in der DDR. Nicht umsonst machte im Westen das Wort vom „Gulaschkommunismus“ die Runde. Der Budapester Keleti pu. Weckt derzeit in mir Erinnerungen an meine Jugendzeit. Ich spürte ein wenig den Puls der großen weiten Welt und hatte das Gefühl im Westen zu sein In den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, stieg ich auf dem Weg vom Balaton (Plattensee) auf dem Ostbahnhof um. Für mich Grund genug, die derzeitigen Flüchtlingsströme, die sich fast alltäglich durch diesen schmucken Bahnhof wälzten, die den internationalen Zugverkehr zeitweise lahmlegten, mit besonderem Interesse zu verfolgen. Wehmut befiel mein Gemüt als ich im TV. sah, dass die Flüchtenden sogar auf Lokomotiven kletterten, nachdem Polizei den zwischenzeitlich gesperrten Bahnhof wieder freigegeben hatte. Überfüllte Züge und Bahnhöfe kannte ich schon von der Zeit unmittelbar nach der Maueröffnung. Aber jene Bilder aus Budapest sprengen auch bei mir jeden vorstellbaren Rahmen. Eine Entwicklung, die sicher nicht nur ich mit größter Sorge betrachte. Hiermit ist ein weltweiter Flächenbrand entstanden, der nur verdammt schwer einzudämmen ist.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Liebe Else: Deine Meinung kann ich nur dick
unterstreichen. Mich erinnert das an jene Zeit,
als noch die DDR-Flüchtlinge von der Prager
Botschaft aus gen Westen fuhren. Damals hatte
die DDR die Zeit die Grenze zur damaligen CSSR
ganz geschlossen. Die gegenwärtige Situation
halte ich allerdings für noch gefährlicher, da die
Anzahl der weiteren Flüchtlinge überhaupt nicht
mehr absehbar ist. Deshalb halte ich es,
nachdem innerhalb einer Woche ca. 65000
Flüchtlinge München erreicht haben, für richtig,
Schengen vorübergehend außer Kraft zu setzen.
Nach meinem Dafürhalten hätte dies schon viel
früher passieren müssen und stattdessen hätte
Deutschland Geld in die Flüchtlingslager im
Libanon sowie im Nordirak und anderswo
investieren sollen. Was die Außenpolitik angeht,
hat die Merke-Regierung auf der ganzen Linie
versagt und die Kommunen, sowie die vielen
freiwilligen Helfer, die mit ihren Kräften
wahrlich am Ende sind, müssen die Sache nun
ausbaden. Herzlichen Dank für den sehr guten
Kommentar!
LG. Michael


Michael Brushwood (14.09.2015)

Klasse Gedicht und anschließend ebenso guter Text dazu. Man ist gepackt von deinen Empfindungen und hat alles bildlich vor Augen. Schöne Vergleiche von dem "damals " und "jetzt". Ja, was sich in diesen Wochen ereignet, ist wirklich ungewöhnlich und äußerst besorgniserregend. Hoffentlich kriegt Deutschland das alles noch gut hin.
Ganz liebe Grüße


Else08 (13.09.2015)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Gefühlskanäle  
Geklaute Ruma  
Ostermontagslektion  
Sich fühl'n wie Seifenblasen  
Kalt und heiß  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De