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5 Seiten

Der Charmeur

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© Alvan
Was fällt dem Thesaurus zum Charmeur ein : Schürzenjäger, Belami, Casanova, Frauenheld, Don Juan, Frauenjäger, Herzensbrecher, Frauenliebling, Ladykiller, Schwerenöter, Playboy, Verführer, Weiberheld, Wüstling ... kann man damit zufrieden sein? Erklären diese Worte den Charmeur ? Nein, hier versagt das System genauso wie bei dem Versuch die "Ehefrau" zu ersetzen - man erhielte eine "Hausfrau", worüber man maximal nur drei Sekunden lachen kann, um danach eine eingefrorene Fratze im Gesicht spüren zu können, die einem bewusst werden lässt, dass die Generierung dieses Synonyms wohl sicher kein Scherz eines einzelnen, einsamen Programmierers ist, sondern gewiss nach streng sozial- und wahrscheinlichkeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt ist.

Seltsam ist auch, dass dem Thesaurus eine "Charmeurin" völlig unbekannt ist, vielleicht krankt jedoch auch mein Deutsch und es müsste "die Charmeur" heissen oder "Charmeurantin", sicher nicht Charmeuse, denn dies ist "maschenfeste Wirkware aus Kunstseide" (Duden sei Dank!)... wie auch immer, offensichtlich wird das Charmeurtum den Männern zugeschrieben, was natürlich Quatsch ist.

Was ist also ein Charmeur, eine Charmeurin? Ein Blick in den Duden entlarvt den (männlichen) Charmeur als "charmanten Plauderer", was sich irgendwie nicht gerade positiv anhört.
Aber sieh an: unter "Charme" finden sich etwas angenehmere, ungeschlechtliche Erklärungen wie "bezauberndes Wesen" und "Liebenswürdigkeit".
Offensichtlich kann also eine Frau, wenn sie nach Duden schon keine Charmeurin werden darf, zumindest Charme haben und damit zu einem bezaubernden Wesen werden.
Dürfte man dann einen Mann als "bezauberndes Wesen" bezeichnen, oder wäre dies ebenso ein Fauxpas wie wenn ein Engländer einen Mann als "nice boy?" bezeichnen würde ?

Ich denke es wird jetzt langsam offensichtlich, dass es Zeit ist, über den Charmeur nachzudenken, denn klar ist, dass es nicht sein kann, dass eine Charmeurin liebenswert und bezaubernd, ein Charmeur jedoch ein dummplaudernder Weiberheld ist !

Die Wahrheit ist, ich liebe Charmeure und Charmeurinnen, denn ich glaube, dass sie einen sehr wichtigen Bestandteil einer beliebigen zwischenmenschlichen Beziehung verstanden haben: die Lüge.

Die Lüge ist allgegenwärtig - sie zu ignorieren wäre blauäugig - sie zu lieben gefährlich - sie plötzlich zu erkennen, traurig. Jedoch mit ihr zu leben und sie als ständigen Bestandteil jeder menschlichen Beziehung zu akzeptieren, macht das Leben wirklich einfacher.

Zu lügen um zu lügen ist krank - lügen um sich einen persönlichen, materiellen oder gesellschaftlichen, Vorteil zu schaffen ist charakterschwach und wird stets, wie jede andere "schlechte" Lüge aufgedeckt und am Ende verachtet, wenn nicht von anderen, dann von einem selbst.

Der Charmeur lügt aus dem gleichen Grund, warum man jemanden eine Nackenmassage gibt, nämlich aus Uneigennutz - das macht den Charmeur zu einem sympathischen Lügner.

Niemand darf behaupten, er wüsste nicht, dass er von einem Charmeur angelogen wird. Jeder weiss, dass ein formulierter Superlativ genau die Wahrheit und Reichweite hat, die man selbst genau in diesem Moment sehen will - man WEISS, da man ihn hört, dass man belogen wird. "Du Charmeur !" antwortet man mit verschämten Grinsen auf ein Kompliment und meint : "Du Lügner ! - der du mir genau das sagst, was ich hören möchte?

Mir ist eine Charmeurin, die mir frech ins Gesicht lügt: "Du bist der schönste Mann der Welt" tausendmal lieber als eine, die das nicht schafft zu sagen, weil sie ja gar nicht alle Männer weltweit kennt. Und wie klingt das Kompliment :"Du bist der schönste Mann, den ich momentan kenne"? Ja genau, das ist eine Verhöhnung, fast wie ein Faustschlag ins Gesicht eines jeden anständigen Charmeurs.

Worauf ich eigentlich kommen möchte, ist die Frage, warum es in "normalen" Verbindungen zwischen Mann und Frau nach einer bestimmten Zeit zu Beziehungsproblemen kommt, die fast immer das Ende derselben einläuten.

Natürlich wissen wir alle, dass der Grund für dieses globale Beziehungsproblem die sogenannte "Evolutionssperre" ist, die, ich möchte das jetzt, in Ermangelung jeglicher fundierter Grundlage nur ganz kurz anreissen, besagt, dass eine Mann-Frau-Beziehung aus rein natürlichen, arterhaltenden Gründen nur 3-6 Jahre halten kann, weil dann die Kleinen "aus dem gröbsten raus" sind und falls keine Kleinen da sind, dann klar ist, dass einer von beiden Partnern unfruchtbar ist ... man also dann in jedem Fall nach dieser Zeitspanne einen neuen Partner braucht.

Das müsste jedoch nicht so sein, wenn, ja wenn wir mehr üben würden, Charmeur zu sein. Denn es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass die Lüge, als einzige menschliche Charaktereigenschaft, sich über alle natürlichen und evolutionsbedingten Schranken hinwegsetzen kann, denn der Mensch hat es geschafft, schneller das Lügen zu lernen, als es die Evolution geschafft hat, eine Gegenmaßnahme zu ergreifen. Die charmante Lüge hat dadurch die Fähigkeit, eine an sich von vornherein zum Scheitern verurteilte Beziehung theoretisch bis in die Unendlichkeit auszudehnen.

Also einfach ausgedrückt: Der Charmeur liebt länger, wird länger geliebt und ist dadurch glücklicher, da ja paradoxerweise das der Natur entgegengerichtete Ziel des Menschen (und damit die Erfüllung und das Glück) einer jeden Beziehung die Lebenslänglichkeit ist (müßig darüber zu diskutieren - es IST so).

Lustigerweise haben wir das "Charmeur sein" schon in uns, da wir gerade in der Anfangsphase einer sich aufbauenden Beziehung lügen müssen, um überhaupt zum Ziel zu kommen. Nachdem sich nämlich Männer ihre Frauen, oder Frauen ihre Männer nicht einfach mehr ohne Kommunikation nehmen dürfen, hat die Natur beiden Geschlechtern in relativ kurzer Evolutionszeit einen Balz-Instinkt integriert, der hauptsächlich auf Lügen aufgebaut ist.

Was wir jetzt lernen müssen, ist diesen Instinkt in "Wissen" umzubauen, zu erweitern, zu üben und ihn gezielt unser Leben lang einzusetzen um der Natur ein Schnippchen zu schlagen mit dem Ziel, DIE Beziehungen zu leben, die wir uns immer erwünscht haben.

In der Praxis sieht das so aus, dass nach dem instinktiv richtigen Verhalten der Startphase einer Beziehung ohne Übergang der Charmeurismus folgen muss. Im Übergang liegt ein kleines Problem begründet, denn WIE soll man merken, wann es soweit ist, manuell charmant sein zu müssen.

Nebenbei: "müssen" darf hier für den geübten Charmeur in keinster Weise negativ klingen, denn der echte Charmeur ist ein großzügiger Mensch, der gerne und mit viel Spass "gibt" und "schenkt" - "müssen" heisst hier lediglich, die Notwendigkeit erkennen.

Leider ertönt am Ende der Startphase kein Warnsignal, die Zeitspanne der Startphase ist auch nicht fest definiert - tatsächlich ist DAS ERKENNEN DES ENDES DER STARTPAHSE das große Problem.

Ein Lösungsansatz wäre es, wenn man die Möglichkeit hätte, sich mit seinem Partner in der Startphase ein Mal die Woche ein paar Stunden auf Video aufzunehmen, um dann ständig wöchentlich die Videos auf Veränderungen zu untersuchen...weitaus besser ist es, wenn man die Fähigkeit hat, sich und seinen Partner von Anfang an sehr kritisch beobachten zu können - vielleicht kann man auch einen Freund, oder Freundin mit der Beobachtung beauftragen.

In jedem Fall ungünstig ist es, den Zeitpunkt des Endes der Startphase zu verpassen, denn wichtig ist für die Glaubwürdigkeit des Charmeurs eine konstante Linearität seines Charmes.

Nun aber wirklich zur Praxis: Anfangen sollte man als Charmeur-Novize mit einigen einfachen Charmes:

"Du hast die traurigsten und zugleich schönsten Augen der Welt !" Wenn ich deinen Mund ansehe, spüre ich eine Erregung, die ich nie zuvor gespürt habe"

Richtig: Hier geht es um Äußerlichkeiten, die nicht zu allgemein sein dürfen, jedoch auch auf keinen Fall zu speziell, zum Beispiel also wäre falsch:

"ich hätte nicht geglaubt, dass mich so kleine und weit auseinanderstehende Augen so dermaßen geil machen können."

So wichtig, wie das charmieren von Äußerlichkeiten in allen Phasen einer Beziehung ist, so richtig wirkungsvoll sind nur die subtilen Seelen-Charmes, bei denen jeder Charme genau auf den Empfangenden abgestimmt sein muss - hier erkennt man den wahren Charmeur, die wahre Charmeurin. Im Allgemeinen ist es tatsächlich so, dass Frauen in diesen Bereichen des Charmes dem Manne weit überlegen sind.

Aus diesem Grund möchte ich an dieser Stelle einige sehr professionelle Charmes von Frauen als Beispiel wiedergeben, die jedoch in dieser Form so keinesfalls wieder verwendet werden sollten, denn was für den Einen absolut passend war, könnte für den Nächsten wie eine peinliche Lüge aussehen. Hier also nun ein paar professionelle Charmes:

"Das hat noch nie ein Mann bei mir bewirkt"; "normalerweise konnte ich diese Nähe nie ertragen, jetzt liebe ich sie;" "ich hatte noch nie dieses Gefühl, wie jetzt bei Dir, dass ich komplett verstanden werde"; "jetzt weiss ich, was Seelenverwandtschaft ist"

Klar, diese Sätze klingen banal, der gesamte Wortschatz des Charmeurs und der Charmeurin ist banal - aber genau in dieser Einfachheit der Botschaft liegt die Macht. Je komplizierter ein Charme ist, je ehrlicher man ihn formulieren will, desto wahrscheinlicher ist, dass er missverstanden wird und ein missverstandener Charme wird unendlich kompliziert. Einen Charme, den man erklären muss, der ist bereits verloren.
 
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Kommentare  

ABER...gaaanz wichtig, und DAS hast du vergessen... das wichtigste ist der augenkontakt...lol

darkangel (31.01.2007)

lol...wirklich witzig, vor allem weil ich einen solchen charmeur kenne und mich immer wieder gefragt habe wie so banale, fast dümmliche aussagen sooo toll klingen können...^^
JETZT ist mir alles klar, du hast mir die augen geöffnet;)
lg>lachende grüße
darkangel


darkangel (31.01.2007)

Ein Grundkurs für weibliche und männliche Charmeure oder solche, die es werden wollen!
Als solches sehr erklärend und einleuchtend.
Aber als Story.....
Ich gebe daher 3 Pts


Dr. Ell (27.01.2004)

Ich finde es sehr Amüsant, was aber nicht bedeutet das ich mir nicht eine ähnliche Frage gestellt habe wie Redfrettchen! Es regt auf jeden Fall zum nachdenken an und ist gut geschrieben, deswegen gebe ich ein Gut!

K.C. Crow (09.12.2003)

Gut beschrieben, doch frag ich mich: Was hilft mir das jetzt?
Jetzt kenn ich jede Einzelheit der Wörter mit dem Stamm 'Charm'. Toll.

Aber im Bezug auf die Kategorien ist es sehr passend.

Ich geb dem ein Gut.


Redfrettchen (09.11.2003)

Diese Erläuterungen zerstören mein Weltbild.
Sehr gut.


Oliver (19.07.2002)

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