... für Leser und Schreiber.  

"Come in änd feind autsch"

342
343 Stimmen
   
©  ThiloS   
   
Der Albtraum eines jeden echten Mannes: morgens der Griff in den Alibert und FUCK - das Rasierwasser ist alle. Gedankenschwer liegt das leere Armani-Flacon in der Hand. 5 Jahre hat er Dich morgens begleitet, der Duft der italienischen Grandezza und der Papparazzi an einem römischen Spätsommerabend. Und nun, von einem Tag auf den anderen: leer. Plötzlich riechst Du wieder nach Seife und Schweiß, schlimmstenfalls beidem. Andererseits: Dein Selbstbildnis hat sich sowieso gewandelt - und ein neuer Duft ist demnach eh fällig.

Also, nichts wie in die örtliche Fußgängerzone, vorbei an panflötespielenden südamerikanischen Lamahirten in Alpackadecken und in den Tempel der Düfte eingekehrt.

Ich gestehe: ich gehe gerne zu Douglas. Nicht nur, weil es da ausnahmsweise nicht nach frischgeputztem Lineoleum riecht, sondern auch, weil´s bei Douglas die besten Schnitten hat. Die sehen alle aus wie geleckt. Keine mit offensichtlichen Piercings, fettigen Haaren oder dämlichen Tattoos. Nur gutaussehende, gutgeschminkte Frauen mit gescheiterten Beziehungen und riesigem Einfühlungsvermögen. Eine wahre Fundgrube für Singles über 25. Ich habe immer so ein wenig den Verdacht, daß Douglas die abgelehnten Stewardessenbewerberinnen der Airlines abgreift, so toll, wie die da aussehen.

Und die Mädels da haben echt was auf dem Kasten. Die müssen sich nicht nur mit den Nebenwirkungen der angebotenen Chemikalien auskennen ("nein, von Opium können Sie keinen juckenden Hautausschlag bekommen, ja, mit Chloe können Sie auch die Alufelgen Ihres Autos putzen"), sondern benötigen das diplomatische Feingefühl von Richard Nixon in China.

Warum erwähne ich "diplomatisches Feingefühl"? Nun, zum Einen muß eine "Königin der Düfte" ständig entscheiden, ob sie der alten Krampfhenne an der Kasse jetzt noch Parfumpröbchen oder schon Augencremepäckchen in das soeben mit der Ware erworbene Beutelchen schmeisst, zum Anderen muß sie Männer so sensibel bedienen, daß diese nicht deprimiert den Laden verlassen - jedenfalls nicht, ohne vorher gekauft zu haben.

Zumindest mir als Mann geht es nämlich so: ich kann keinen Duft beschreiben, ohne mich wie ein kompletter Vollidiot zu fühlen. "Irgendwas Frisches, nicht zu aufdringlich, aber irgendwie präsent, so herb männlich" und dabei spiegle ich mich im Verkaufsständer und denke mir, daß mir der Geruch von frischer Bohnensuppe eigentlich am Besten stehen würde - "herb männlich" - so eine Scheiße. Und natürlich habe ich unterschwellig Angst,
daß, wenn ich jetzt der Duftwasserschlange den Ausdruck "herb männlich" an den Kopf schleudere, diese mich kurz von oben bis unten anguckt und dann japsend vor Lachen zusammenbricht......

Und deswegen sage ich lieber gar nichts. Sondern greife mir verstohlen ein paar Duftstreifchen, besprühe sie ein wenig hier und wedle ein wenig da und warte ansonsten, daß mich eine der edel gekleideten Düftungsschlitze mit einem "ich lächle, weil ich dafür bezahlt werde" - Lächeln anspricht und mich fragt, ob sie etwas für mich tun kann.

Dann hole ich tief Luft und sage den Satz, den ich auf dem Weg in den Odeur-Tempel hundertmal geübt habe: "ich suche einen neuen Duft für mich". Und damit habe ich elegant den Ball an die dezent kostümierte Duftbegleiterin zurückgespielt. Und ich habe noch keine, wirklich keine einzige Douglasine gehabt, die mich gefragt hätte "an welchen GERUCH ich da gedacht hätte"! Großes Kompliment. Die Dame (mit der ich mich in Gedanken beim Abendessen oder auf dem Eisbärfell sitzen sehe) taxiert mich kurz und sagt dann die beiden bösen Worte von sich aus: "herb männlich"? Jetzt kann ich nämlich unschuldig gucken und "wenn Sie meinen" sagen.....

Was dann folgt, gehört natürlich zur Show und folgt dem Motto "wenn Du nicht überzeugen kannst, dann verwirre wenigstens". Die Duftwaffenhelferin und ich bestäuben abwechselnd Papierstreifchen und wedeln hier und winken da, sprühen uns, ich möchte fast schon sagen "auf intime Art", gegenseitig Unterarme und Handgelenke, beschnüffeln uns dabei selbst und gegenseitig, wiegen beide bedächtig die Köpfe, schwelgen orgiastisch in Duftwolken und
meine Beraterin beschreibt die wabernden Geruchsblasen mit den lustigerweise immer gleichen Wortblasen.

Da sind die Düfte noch "frisch" und "sportlich" (ich dachte eigentlich, das müßte dann der Geruch von Schweiß sein - aber gut) und "irgendwie herb" oder "moschusartig" (was Frauen, glaubt man den Gerüchten, spitz wie Nachbars Lumpi macht) und natürlich, der Duftverkaufsklassiker: "ledrig".

Irgendwann lassen wir dann beide hechelnd Duftstreifchen und Arme sinken, sehen uns in die Augen und ich möchte meiner Verkäuferin sagen, daß ich jetzt so richtig geil bin und sie jetzt sofort vor der versammelten Kundschaft auf dem verdammten Teppichboden vögeln will und würge doch nur ein "haben Sie auch Armani?" heraus...

Was dann folgt, ist profane Verkaufswirklichkeit. Ich gehe brav an die Kasse, lasse mir mein Armani einpacken, zwei Duftpröbchen fliegen hinterher und "machtsechsundsechzigmarkneunzigsiezahlenmitKarte" und weg bin ich aus dem Laden, nehme Abschied von meiner Duftschlossherrin und sehe sie die nächsten 5 Jahre nicht wieder.

Und wenn ich dann daheim die Duftpröbchen aufschraube, erfahre ich, welchen Duft ich eigentlich WIRKLICH GERNE gehabt hätte. Selbst, wenn ich eine Probe von "old Spice" oder "Irish Moos". Aber, wie immer im Leben, ist es dann zu spät
 

http://www.webstories.cc 26.05.2024 - 22:54:14