... für Leser und Schreiber.  

Zwiegespräch

150
150 Stimmen
   
©  Middel   
   
Wir beide. Blutend liegen wir hier. Verlassen. Uns überlassen. Im Zwiegespräch der Einsamkeit. Ruhelos verankert miteinander. Was bringt der ganze Weg, wenn am Ende nur der Schmerz übrig bleibt? Wenn nur die Frage an sich sinnloser erscheint, als die Antwort?

Wenn du andauernd versuchst die Frage zu beantworten, wird es dir nie gelingen den Schmerz zu besiegen. Der Weg ist das Ziel. Und wenn sich eine Gabelung auftut, bleibt Zeit zum reflektieren.

Wir leben in Erinnerungen. Unsere einzige messbare Zeit ist die Lebensuhr. Sie tickt und tickt im Takt des Herzens. Unaufhaltsam, fast sichtbar wie in einer Sanduhr, rieselt das bisschen Zeit, das uns bleibt, davon. Langsam, aber spürbar, vergehen die Sekunden, Minuten, Stunden. Aus Tage werden Wochen, Monate, Jahre. Und was bleibt am Ende? Nur das schale Lächeln, das es nicht vermag, die Wahrheit zu verschieben, geschweige denn die Schmerzen zu nehmen.

Schales Lächeln verbiegt keine Realitäten und es heilt auch sicher keine Wunden. Doch ein ehrliches hilft sie abzudecken, sie unsichtbar erscheinen zu lassen für die Augen der Unwissenden.

Es gibt so viele, die meinen sie würden mich kennen. Doch sie kennen nur den Schein. Sie hinterfragen nicht das Lächeln. Wagen es nicht an der Oberfläche zu kratzen. Vielleicht aus Angst, man könnte auch bei ihnen anfangen den Schein zu hinterfragen? Vielleicht aus Müdigkeit?

Eine Welt, die uns täglich neu erscheint in ihren alten Farben. Die schneller wird, dreister, unnachgiebiger. Die einen braucht um zu funktionieren. Eine Welt, die keine Ecken und Kanten duldet.

Alleinige Rettung vieler bleibt die Flucht in die Zweisamkeit. Das Elend wird aufgeteilt. Man nimmt es sich ab – anfangs. Ziemlich schnell lässt man es wieder von sich abprallen. Der andere wird zu Belastung. Entweder man fügt sich dieser Last, da sie als Alternative zur Einsamkeit noch besser erscheint, oder aber man sucht sich einen neuen Leidensgefährten. Geteilte Zeit ist doppelte Zeit. Sie erscheint fruchtbar. Doch ist sie es wirklich?

Wir beide. Lebenstrunken taumeln wir gedanklich dem Unvermeidlichen entgegen. Verwechseln Überdruss mit Weisheit, Kapitulation mit Erkenntnis und ergeben uns dem Schicksal, während wir unsere Wunden lecken. Unser einziges Vergnügen ist die Missgunst und das Suhlbad im Morast unseres eigenen selbstverschuldeten Elends. Und doch stehen wir wieder auf, überschminken unsere Wunden, nehmen brav unsere Medizin und erwarten nichts sehnsüchtiger als den einsamen, aber ehrlichen, Abend. Du und ich. Wir beide.
 

http://www.webstories.cc 09.05.2024 - 01:39:15