... für Leser und Schreiber.  

Olympische Winterspielchen

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©  ThiloS   
   
Alle 4 Jahre wieder. Olympiade der "Jugend der Welt" – nebst Funktionärssenioren. Alle 4 Jahre das Gleiche: ellenlange Sportübertragungen auf allen Kanälen, ellenlange Interviews mit Sportlern, die nur in ihrem Heimatkaff bekannt sind und auf allen Titelseiten jubelnde Typen in Kasperle-Anzügen, die sich freuen, weil sie ein Stück Metall um den Hals tragen dürfen. Als ob das im Domina-Studio nicht billiger, weniger aufwendig, in jedem Fall aber weniger medienblockierend gewesen wäre.

Mir geht ja diese Begeisterung für Olympia völlig ab. Es hat auf mein Leben nicht den allergeringsten Einfluss, ob Schorschi Hackl am schnellsten Schlitten-Fahren kann, solange er es nicht mit mir tut. Es ist mir völlig wurst, was eine Gunda Niemann- Stirnemann (die alleine schon für diese absurde Namens- kombination eine Medaille verdient hätte - "Wider den tierischen Ernst") dazu sagt, wenn irgendeine magersüchtige Ukrainerin beim Wettbewerb "wer am schnellsten Schlittschuh fahren kann" volle Kanne in die Bande brettert. Unverdrossen zeigt mir das mit meinen sauer erarbeiteten Gebühren finanzierte Öffentlich- Rechtliche so spannende Auslosungen wie "wer am besten mit einem Stöckchen einen Badewannenabflussstopfen in ein Häuschen aus Netz schiebt" oder auch "wer am Dämlichsten beim Ausdruckstanz auf gefrorenem Wasser guckt." Meine Lieblingssportart ist übrigens "wer am schnellsten auf zwei Holzbrettern laufen kann und zwischendurch mit dem Gewehr Scheibchen abknallt". Das hat so einen Hauch von Ardennenoffensive.

Es ist mir ansonsten sowas von Banane, wer mit seinen Skiern am weitesten hüpft oder mit seinem Snowboard am wenigsten auf die Fresse klatscht.

Anders die Enthusiasten: die sitzen zittrig vor der Glotze und sehen den homoerotischen Teilnehmern der Fidschi-Inseln beim "Zu-viert-eng-im-Latexanzug-kuscheln-und-dabei-Schlittenfahren" zu und notieren sich penibel die Zwischenzeiten, um dann verzweifelt "des langt nit" vor sich hinzumurmeln.

Und diese Sportreporter. Offen gestanden glaube ich, daß jeder, der in der Lage ist, in einer Talkshow seine und "dem anderen seine" Meinung zu sagen, Sportreporter werden kann. Nehmen wir das Beispiel von oben. Eine Schlittschuhläuferin, die aussieht wie ein riesiges Insekt, durchbricht zwar nicht die Schallmauer, aber mit Karacho die Seitenbegrenzung, daß es nur so schallert. Da sagt dann eine Gunda Niemann-Stirnemann: "Sie hat Probleme mit der Körperbeherrschung".

Ja, das war deutlich sichtbar und das hätte auch von mir sein können. Gut, ich hätte vielleicht noch gesagt: "Flatsch. So wirds natürlich nix – mit der Goldmedaille." Die Fragen sind auch immer die gleichen: "Schorsch (Athleten werden immer gedutzt, schließlich ist er "einer von uns "und wir haben uns alle schrecklich lieb), warum wars heute nix mit der Goldmedaille (du Pfeife, du Abschaum, du Pickel am Hintern aller Schlittenfahrfans)?" und der Hackls-Schorschi pfeift asthmatisch und nuschelt brav in das vor ihm herumzitternde Mikro: "NoihabheutnetdesQuentchenGlückghabtdesd- haltabrachastwennstansoichenWöttbewerbgwinnawuisst".

Ah ja.

Schön auch die pausenfüllenden Interviews mit Athleten von vorgestern: "Bei mir ist heute der 28-Fache Olympiasieger der Winterspiele von 1942 in Stalingrad: Wie war das damals?" "No, wir hatten ganz andere Gewehre. Ich hatte damals eine Schmeisser-Maschinenpistole und habe beim Zwischenstopp vor der Traktorfabrik 10 Iwans ohne Fehlschuss getroffen."

Und dann die Athleten, die diesen frostigen Horror als erste überstanden haben: die stehen dann auf einem kleinen Podest und kriegen einen Blumenstrauß und eine Medaille. Der allerallererste steht ganz oben, die, die einen Wimpernschlag oder 5 Nanosekunden langsamer gerodelt sind, stehen als Rahmenprogramm daneben und sind der Depp des Tages. Finde ich ungerecht. Statt das man sagt "Ihr seid alle gut, ist doch egal".

Da wird dann für den Sieger noch seine Nationalhymne gespielt und tausende Amerikaner stehen vor dem Fernseher auf und legen sich die Hand aufs Herz. Und überschlagen den Medaillenspiegel, der so etwas wie der Nachweis der rassischen und kulturellen Überlegenheit des Sesselfurzers darstellt. Schlechte Zeiten für Marokkaner, die maximal den Streudienst mit ihrem Wüstensand versehen dürfen.

Abgerundet wird diese organisierte Lächerlichkeit dann mit einem medialen Rahmenprogramm, im dem der Knabenchor des Kindergartens "Eichkätzchen" aus Rostock-Lichtenhagen fröhliche Winterlieder zwischen zwei "wer am schnellsten den Berg auf zwei Brettern runterrutscht"- Contests zum Besten gibt oder in dem unschuldige Amerikaner zur Niederlage der tibetischen "Kegel-übers-Eis-schieben"- Mannschaft befragt werden und die dann alle mit "they were really great" antworten oder der Eiswart des olympischen Eiscafes über seine Umsatzzahlen ausgequetscht wird.

Ich erinnere mich an meine Winter-Kindheit und frage mich, wann endlich Schneeballschlachten olympische Disziplin werden.
 

http://www.webstories.cc 07.05.2024 - 04:44:17