... für Leser und Schreiber.  

Des Grünstreichers Kopf

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© Robert Zobel   
   
Ich möchte niemals so werden, wie mich. Oh, dieser Text ist völlig verkehrt. Es muss natürlich heißen: Ich möchte niemals so werden, als mich.
Wenn ich mich schon sehe, geht bei mir die Hutschnur ab, verwickelt sich um mein Gehirn und dreht ab. Was es abdreht, weiß ich nicht, weil es ja abdreht und ich dann nicht denken kann. Später aber, wenn ich mich nicht mehr sehe, denke ich dann, dass es was Wichtiges abgedreht hat und dann wird ich bös und garstig und schlag um mich herum.
Alle meine Freund mögen das nicht, wenn ich mich so aufrege und sagen dann immer: „Ruhig Brauner, ruhig“. Das mit dem Braun, kommt vom Solarium, dass ich immer auswendig kenne, weil ich immer drin bin. In dem Solarium mein ich und nicht in der Solariumsbettreiberin, die noch brauner ist. Aber die kann ja auch umsonst bräunen. Wie die will ich aber auch nich sein, weil die ja kein Mann ist. Was sollen dann meine Freunde auch sagen? „Ruhig braune Frau?“
Am liebsten bin ich wie ein Politiker wäre oder ein Kraftsportler ist. Oder wie der Grünstreicher von Nebenan. Der streicht Häuser, Regale und Bänke und immer nur grün. Von die anderen Farben bekommt er Arthrose, Hängehintern und Flutscheritis im Hals. Das ist wenn man was isst und das flutscht ganz schnell in den Magen und das ohne, dass man zum kauen kommt. Stell ich mir blöd vor und deswegen will ich der auch nicht sein. Wobei, wenn ich nur grün streiche, kann es mir ja gar nicht passieren. Will ich ihn also doch sein. Na Gott sei Dank, sonst hätte ich weiterüberlegen müssen und wer weiß, was passiert, wenn man ganz viel überlegt. Irgendwann ist man hart am Limit und es macht Bumm. Dann ist der Kopf explodiert und überall hängt Hautfetzereien und Blutmatsche. Peinlich, wie die Leute dann gucken würden und wenn ich der Grünstreicher wäre, würde ich durch das rot, Flutscheritis bekommen, aber das rot kann ich ohne Kopf gar nicht sehen und ohne Kopf kann ich auch keine Flutscheritis haben. Da wäre ich ja wieder fein raus. Gibt es Kopfprothesen? Kann ich denn ein andrer sein? Einfach hin zum Kopfprothesenmacher hin und sagen, dass ich mein Äußeren verwandeln will. Am besten ich mach das, wenn ich meinen Kopf noch habe, weil der Mann oder die Frau dann meinen Umfang bemessen kann, wegen Hemdkragen und so. Trag ja nur Hemden. Das ist cool und schwitzt nicht. Schwitzflecken sind der größte Feind von anderen Dingen, wie Pullover und was macht man um den Feind abzuschrecken, man hat keine.
Hätte ich aber Feinde, hätte ich keine mehr, wenn ich mir den Kopf von dem Grünstreicher raufmachen würde. Der hat nämlich keine. Außer den Rotstreicher, den Marmeladenstreicher und das Streicherquartett Wernigerode.
Was der Kopf von dem Grünstreicher wohl kostet? Und wenn ich machen mir den Kopf, ob man den auch ohne Flutscheritis bekommt?
Allen Spiegeln gehe ich seit Jahren aus den Weg, aber sie verfolgen mein Gesicht. Ich kann nicht alle kaputtschlagen. Bei der letzten Schaufensterscheibe habe ich zwei Finger verloren. „Nun ist aber Schluss“ sagte der Ladenbesitzer, der mich schon kannte. Der Laden liegt genau zwischen Solarium und Wohnung und wie ich gerade sehe, enden diese beiden Wörter nicht auf die gleiche Weise. Sie enden nämlich auf „um“ und „ung“. Das habe ich noch nie bemerkt. Ich schenk dem Wort Solarium einen neuen Kopf und nenn es Solariung. Die Wohnung kann sich überlegen, ob sie das „um“ nehmen will. Aber nicht so viele, weil andere Wörter auch schon gieren.
Mit Buchstaben geht das leicht. Eine Kopftransplantation geht wohl nicht so schmerzlos. Wobei ich hab das Solarium ja auch gar nicht gefragt, wie doll es weh getan hat, wenn es denn weh getan hat und davon gehe ich nicht aus und deswegen hab ich nicht gefragt. Das ich nicht von dessen ausgehe, heißt aber nicht, dass es so ist. Vielleicht hat es sogar ein wenig geschrieen und ich hab es nicht gehört weil ich ein anderer Mensch bin als ein Buchstabe und nur die Wohnung hat es gehört und die will nun das „um“ nicht. Zufall?
Gerecht wäre es jetzt, wenn ich mir den Kopf abschneide, dem Solariung zeige, dass ich es gut schätze und dann gleich zum Kopfmacher gehe. Ach nee, geht noch nicht. Brauch noch erst einen Lichtabdruck von den Grünstreicher. Kann ihn ja schlecht den Kopf wegnehmen, wobei dann die Flutscheritis weg wäre, aber mit der Krankheit auch die Gesundheit und ob er das will, ist eine andere Sache. Müsste er entscheiden. Hätte ich seine Nummer, würde ich ihn gerne mal anrufen, aber wo befindet sich seine Nummer? Das Telefonbuch wird ihm zu weiß sein. Da steht er nicht drin. Oder ich klingelinge an seinem grünen Haus und erbete Eintritt, lege mich dann auf sein Sofa und erkläre ihm, dass ich mich so nicht haben will und meine Zukunft mit seinem Kopf sehe. Nach einem Wodka sieht die Welt schon anders sein. Den hab ich na klar ich mitgebracht. Aber bloß nicht ins Glas schauen, weil ich dann mein Äußeres sehen könnte und die Hutschnur wieder was abschnüren könnte. Was er sagen würde, weiß ich nicht und auch oder durchsichtiges trinkt, ist mir unklar. Aber wenn er es nicht trinkt, ich trinke den Schnaps gerne aus. Und wenn ich ihm dann auf den Teppich kotze, wird er begeistert sein, von meiner entgegengesetzten Flutscheritis und sofort die Köpfe wechseln wollen.
Im Schlafzimmer habe ich eine Schultafel. Mit Magneten hängt da mich und nur der Kopf fehlt. Aus Illustrierten habe ich Köpfe abgeschnitten und die setz ich mir jeden Morgen auf. Also auf meinen Körper an der Tafel und dann tue ich so als wäre das ein Spiegel. Das macht viel Freude und je nach Kopf sehe ich ganz gut aus. Die Versuche mit Tierköpfen lasse ich jetzt, ab jetzt, denn heute Morgen mit Katzenkopf überkam mich ein Lachen, ich war im Taumel und bin umgefallen. Nicht auf mein Gesicht, aber es hätte das Gesicht sein können und dann wäre das ja beschädigt, aber könnte mir ja auch egal sein, weil ich das überhaupt nicht haben will, aber dann tauscht keiner mit mir und ich bleibe ich, aber ich bin gar nicht ich oder nicht? Was werde ich sagen, warum da ein paar Narben sind, wenn ich beim Kopfmacher bin, der will a auch nur leben und ich vermassel ihm das Geschäft und der Grünstreicher will niemals einen so einen Kopf. Aber ich bin ja nicht hingefallen, das ist mein Glück. Glück kann aber schnell zu Unglück führen. Man hat ja nicht immer Glück und das ist das gefährliche. Und.................Bummmmmm
 

http://www.webstories.cc 25.04.2024 - 19:03:12