... für Leser und Schreiber.  

Das Biest

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© Susan Quark   
   
Das Biest

Vielleicht ist er weg.
Hoffentlich ist er weg.
Und wenn nicht?

Zumindest seit gestern hat er sich vor dem Fenster nicht mehr blicken lassen. Vielleicht lauert er hinter den Büschen dort drüben? Dort wäre es schattiger. Der sandige Boden ist immer noch von seinen Spuren aufgewühlt. Wenigstens geht der Strom noch, wenn schon das Telefon nicht geht. Mir ist schlecht. Der Hunger ist kaum noch auszuhalten. Ich muss mich hinsetzen.

Das letzte Mal als ich rausging, bin ich nur knapp entkommen. Aber ich muss es versuchen, bevor ich zu schwach bin.

Eine tolle Idee war das: „Schreib dein Buch doch auf Bens Farm. Er muss ein paar Wochen nach Europa und wäre froh, wenn jemand auf seine Farm aufpasst. Du brauchst dich um nichts kümmern ausser das Haus, er hat einen Arbeiter, der alles versorgt“. Wenn ich nur auf meine Zweifel gehört hätte! Eine ältere Frau allein auf einer Farm im Outback, meilenweit von der nächsten Ortschaft.. Aber ich brauchte dringend Ruhe nach all dem Trubel mit Walters Firma, die pleite ging. Brauchte ich wirklich soviel Ruhe?

Der reinste Belagerungszustand. Dieses Mistvieh! Treibt sich tagelang draussen herum! Warum geht es nicht woanders hin? Wahrscheinlich, weil er sich hier zuhause fühlt. Der Bulle gehört zur Farm. Ich habe ihn bei der Ankunft gesehen, als Ben mir alles gezeigt hat. Bevor er mit dem Auto wieder heimgefahren ist. Zusammen mit Ben, den er zum Flughafen gebracht hat. In dem Gatter, gross und schwarz und hat schon so wild ausgesehen in dem Gatter. Da war Ben auch noch stolz drauf, dass der so wild war. Walter hat so komisch geguckt. Wie der wohl aus dem Gatter rausgekommen ist?

Das Haus hat 4 Seiten. Soll ich lieber nochmal alle Fenster kontrollieren? Dort drüben steht das zerbrochene Telefon. Das mit dem Telefon ist seltsam. Es ist Rot. Ben hat gesagt, dass es ihm heruntergefallen ist. Jetzt besteht es aus 2 Hälften, die windschief aufeinander gelegt sind Ob ich es nochmal probieren soll, ob es doch noch geht? Oder es irgendwie wieder zusammenstecken. Vergebliche Mühe!

Wie Walter das erste Mal von seinem Freund Ben erzählt hat und er ihn als „Stock Expert“ bezeichnet hat und ich gedacht hatte, er wäre Börsenmakler! Ha, Ha! Ein echt guter Witz.

Es wirklich verdammt ruhig hier. Wenigstens das hat gestimmt. Der Bulle macht keinen Lärm. Er steht nur herum und glotzt und frisst. Aber wehe, ich lasse mich blicken. Dabei habe ich gar nichts Rotes an. Es ist sowieso nur ein dummes Gerücht, dass Stiere auf Rot aggressiv reagieren.

Ich stelle mir Walter vor, wie er daheim in Melbourne sitzt und es sich gut gehen lässt. Jetzt wo er arbeitslos ist.. Es muss ihn doch auch wundern, dass er nichts von mir hört. Er war in der letzten Zeit manchmal seltsam gewesen. So zerstreut und hat kaum noch mit mir geredet. Und beim Abschied wieder so unnatürlich freundlich. Könnte er und Ben etwa zusammen..?

Der Kühlschrank ist schon seit Tagen leer und es gibt auch sonst keine Vorräte hier im Haus. Nur noch Wasser zum Trinken. Wo steckt nur dieser Arbeiter, der sich angeblich um alles kümmern soll? Ich habe ihn seit ich hier bin nicht gesehen. Der Typ wird doch nicht blau machen, wo sein Arbeitgeber verreist ist?

Vielleicht sollte ich es Nachts versuchen, irgendwann muss das Biest ja auch mal schlafen. Aber Nachts sehe ich nichts. Und der Weg ist weit.

Die Axt aus dem Keller liegt neben dem Schemel zu meinen Füssen. Eine richtige grosse Holzfälleraxt ist das. Wenn ich damit zuschlage.. Vielleicht wenn ich das Biest genau zwischen die Augen treffe? Ich muss ihn auf mich zukommen lassen und mich fest hinstellen. Die Axt muss ich fest mit beiden Händen nehmen, und weit ausholen. Es kommt auf den exakten Sekundenbruchteil des Schlags an.

Wenn ich überhaupt zum Schlag komme.

Also ich gehe jetzt raus. Immer noch besser als verhungern. Autoschlüssel habe ich. Axt habe ich. Nein, mir wird nicht schlecht..
 

http://www.webstories.cc 07.05.2024 - 16:56:32