... für Leser und Schreiber.  

Lichtnetz (Part 13)

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©  Metevelis   
   
Lautlos streifte er durch die langen Korridore, ungesehen von den wenigen Dienern, die durch die stillen Gänge eilten. In bestimmten Abständen brannten Lampen und verbreiteten ein weiches, diffuses Licht. Trotzdem erkannte er seinen Weg. Er war mit einer Mission hier her gekommen, er konnte spüren, daß er sich seinem Ziel näherte.
Vorbei ging es an Porträts von Männern und Frauen, die weitgehend tot und zu Staub zerfallen waren. Nur vor einem einzigen Gemälde blieb er stehen. Es zeigte eine junge Frau, mit lebhaften, stolzen Zügen. Ihre feuerroten Locken wurden nur von einem prächtigen, goldenem Diadem zurück gehalten. Ein einzelner vollkommener Saphir zierte diesen Reif, in der Form einer makellosen Rose gestaltet. Er hatte Legenden über dieses Diadem gehört.

Doch noch mehr interessierte ihn das kleine Mädchen, zu Füßen der Frau. Sie war auf dem Bild etwa 9 Jahre alt. Ihre Haare waren von der selben Farbe, wie die der Frau und waren in einem komplizierten Zopf über ihre Schulter gelegt. Um ihre Stirn spannte sich ein schlichter Silberreif. Ihre hellgrünen Augen blickten neugierig und aufmerksam dem Betrachter entgegen. Aber etwas an ihren Zügen verriet bereits eine Spur von Willensstärke und Stolz. Von diesem Mädchen hatte er geträumt, Nacht für Nacht, seit er in den Dienst seines Herrn getreten war...

Einige Zeit verharrte er vor dem Bild, versuchte heraus zu finden, welche Bedeutung sie für ihn haben würde, doch als er in der Ferne Schritte hörte, besann er sich auf seinen Auftrag. Vor einer aufwändig beschnitzten Tür blieb er stehen und lauschte. Es war nichts zu hören, er öffnete die Tür und glitt lautlos in den Raum. Die Vorhänge waren zugezogen, er konnte nichts als Schatte und Umriße erkennen. Leise Atemzüge zeigten ihm die Richtung. Kurz darauf stand er vor dem Bett. Er konnte nur eine schemenhafte Erhebung unter den Decken erkennen. Lächelnd zog er das Messer mit der langen Klinge aus der Scheide unter seiner Weste. Er beugte sich über das Bett, hob das Messer, lauschte noch mal kurz und stach dann blitzartig zu. Doch bevor er seine Tat vollenden konnte, gellte ein schriller, abgehackter Schrei durch den Raum und sein zweiter Hieb rutschte ab. Er hörte ein unterdrücktes Stöhnen, gleich darauf flackerte ein flackernder, unbeständig leuchtender Lichtball über dem Bett auf.

In dem silbernen Licht sah er eine bleiche, dunkelhaarige Frau, die ihre blutüberströmten Hände wimmernd an ihren Bauch preßte. Ihre Augen waren vom Schock geweitet und starrten ihn an - nein - durch ihn hindurch.
Neben ihr blickte ihn sein wahres Opfer mit entsetztem Blick an. Einer der Feinde seines Herrn. Aus einer Wunde in seiner Schulter strömte helles Blut. Gut, wenigstens hatte er eine Arterie getroffen. Er schien etwas sagen zu wollen, aber es kam kein Ton über seine Lippen. Nun mußte er seine Arbeit beenden, bevor alle Aufmerksamkeit auf diesen Raum gelenkt wurde. Doch in diesem Moment fing das Mädchen wieder an zu schreien. Ihre Schreie gellten durch den Raum und taten seinen empfindlichen Ohren weh. Zu allem Unglück konnte er hören, wie nun auf den Gängen Tumult los brach. Er unterdrückte einen Fluch. So nah, so nah dran. Er warf seinem Opfer einen letzten Blick zu, glitt zum Balkon und verschwand lautlos in der Nacht...
 

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