... für Leser und Schreiber.  

Die Feder und das Wort

108
108 Stimmen
   
©  ThiloS   
   
Ich stehe an einem frostigen Wintermorgen im Versicherungsvertreterlederjäckchen am Bahnhofsparkplatz und mache mir, trotz Timer am Handgelenk, ein paar Notizen auf einem kleinen Schreibblock, den ich immer in der Tasche habe, als ein Herr, ungefähr in meinem Alter, auf mich zugestürzt kommt und mich anzischt:

„Was machen SIE denn da?“

„Ich schreibe auf“, gebe ich wahrheitsgemäß zurück.

Der Herr saust an den vor mir stehen BMW, guckt durch die Windschutzscheibe und zischt mich wieder an: „Ich habe noch (Blick auf die Uhr) noch EINE MINUTE PARKZEIT.“

„Das interessiert mich nicht“, gebe ich schon wieder wahrheitsgemäß zurück.

Der Herr, im braunen Winterkaschmirmantel, aus dem eine gelbe Krawatte lugt, reißt die Augen auf: „WAS? Das sind mir ja die Richtigen, die ihr Geld auf der Strasse verdienen.“

Nanu? Woher kennt der meinen Job? So ja nicht!

„Hören Sie:“ langsam werde ich auch sauer „ich schreibe hier, was ich will und wann ich will und ich glaube nicht, dass ich gerade IHNEN darüber Rechenschaft schuldig bin.“

„Na, DAS wollen wir mal sehen. Sowas können Sie mit Opel-Corsa-Fahrern machen, was glauben Sie, wer Sie sind?“

„ICH BIN DER, DER IHNEN SOEBEN EIN BRIEFCHEN SCHREIBT“, brülle ich zurück. „UND ICH SCHREIBE AUF, WAS MIR PASST.“

Der Bahnhofsparkplatzmussolini ist nun voll in Fahrt: „WIRD VON MEINEM STEUERGELD BEZAHLT UND LATSCHT HIER DURCH DIE GEGEND UND SCHREIBT RICHTIGPARKER AUF! WARUM MACHEN SIE NICHT WAS SINNVOLLES UND JAGEN TERRORISTEN!!!“

„WEIL DAS NICHT MEIN JOB IST, SIE NASENBÄR!!!“

Auerha. Das war die falscheste Antwort, die ich hätte geben können…

„ICH WILL IHRE DIENSTNUMMER WISSEN. DAS WIRD EIN NACHSPIEL HABEN, SIE HÖREN VON MEINEM ANWALT.“

„MEINE DIENSTNUMMER GEHT SIE EINEN DRECK AN UND IHR ANWALT KANN MICH GEPFLEGT AM ARSCH LECKEN.“

Ein Taxifahrer vom Taxistand, angelockt von unserem Gebrüll, kommt dazu, gerade richtig, um dem Kaschmirmantelterrorist in den Arm zu fallen, mit dem er mich eben wohl prügeln will. „Leut, was is denn hier los?“ will er wissen.

„DAS ARSCHLOCH DA IN DER LEDERJACKE SCHREIBT MICH AUF, OBWOHL ICH NOCH EINE MINUTE PARKZEIT HABE.“ „JA UND? IHRE SCHEISS-MINUTE INTERESSIERT MICH NICHT. AUSSERDEM IST DIE JETZT EH ABGELAUFEN UND SIE STEHEN IMMER NOCH DA!“

Der Taxifahrer versucht zu beschwichtigen. „Leut, des sind doch nur 10 Euro, is doch kei Drama nit“

„Nein“, antworte ich sachlich „das wird wohl etwas mehr…“

Aber nicht mit dem Kaschmir im Herrenmantel: „SIE SIND DOCH NICHT BEI TROST, SIE DÄMLICHE ZETTELPUPE.“

„IHRE ZEIT IST ABGELAUFEN, WAS IS JETZT, NEHMEN SIE DEN ZETTEL AN ODER NICHT???“

„SCHIEB DIR DEINEN ZETTEL IN DEN ARSCH, DU WICHSER!“, sprichts und springt ins Auto, startet den Motor und schießt mit aufheulendem Motor rückwärts aus der Parklücke und nur mein beherzter Sprung zur Seite verhindert seine Versicherungsrückstufung im nächsten Jahr.

„Sie haben es gehört, Sie sind mein Zeuge!“, sage ich zu dem Taxifahrer. „Er wollte meinen Zettel nicht…“

„Ja, hab ich“, sagt der Taxifahrer „aber was, um Gottes willen, kostet ihn der Spaß denn jetzt?“

„Naja, mit Ausbeulen und neu Lackieren ist unser Kaschmirmantelgeschoss wohl mal locker mit 500 Öcken dabei…“

Der Taxifahrer sieht mich verständnislos an…

„Naja, das ist so: ich hab´ ihm nämlich vorhin beim Einparken eine Delle in den hinteren Kotflügel gefahren und wollte ihm meine Daten unter den Wischer klemmen. Aber er wollte ja den Zettel nicht…“

Wie´s ihm wohl geht, dem Mantelträger? Ich habe nie wieder was von ihm gehört
 

http://www.webstories.cc 05.05.2024 - 22:45:12