... für Leser und Schreiber.  

Am See

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© Sven Jacobs   
   
Der Wind pfiff.
Er war alleine.
Er bewegte sich langsam, versuchte in alle Richtungen zu schauen.
Er war hierher gekommen, um seine Ruhe zu haben, um sich den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen, während es langsam anfing zu dämmern.
Er blieb stehen, dann herrschte Stille. Langsam senkte er seinen Kopf, schaute auf seine Schuhe, er richtete seinen Kopf wieder auf. Er stand auf einer kleinen Wiese, vor ihm der kleine See des Grüngürtels, wo er sich oft hin zurückzog, wenn es ihm nicht gut ging.
Während die Thermometer sich der null Grad Grenze näherten und der Wind immer stärker wurde, vergrößerte sich sein Unwohlsein. Er begann zu frieren, schloss sich seine Jacke und schaute über den See hinweg, darüber nachdenkend, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Er verließ die Realschule, um in die gymnasiale Oberstufe zu gehen, um in ein paar Jahren sein Abitur zu machen, doch so wie es gerade lief, hatte er sich das Ganze nicht vorgestellt. Eine vier nach der anderen, auch fünfen und sechsen schrieb er, sein nächstes Zeugnis würde nicht gerade berauschend aussehen, doch was sollte er nun tun? Hatte er einen Fehler begannen und ist seine Zukunft falsch angegangen?
Während der Wind immer heftiger wehte, erreichte die Dämmerung ihren Höhepunkt. Es wurde Nacht.
Ein knackender Ast veranlasste ihn, sich hastig umzudrehen und zu horchen, doch da war nichts, was dieses Geräusch hätte verursachen können.
Langsam wurde ihm bange und er beschloss, sich auf den Heimweg zu machen. Er ging den See entlang, einen kleinen Weg zwischen Sträuchern, die keine Blätter trugen und aussahen wie knochige Hände, die sich nach ihm ausstreckten und dicht und hoch gewachsenem Schilf, das den See umkreiste.
Kleine Äste schlugen ihn ins Gesicht, das Schilf bewegte sich im Wind. Er hatte das Gefühl, als folge ihm jemand, doch ohne sich umzudrehen, ging er weiter, versuchte seinen Schritt zu beschleunigen, rannte fast, um dem unsicherem Gefühl zu entkommen, sich von ihm zu entfernen. Er richtete seine Augen auf den unebenen Weg, um in seiner jetzigen Situation nicht zu Stolpern, aber gleichzeitig versuchte er, seine Augen zu den Seiten zu richten. Da er jedoch nicht den Mut besaß, sich umzudrehen, um wirklich sicher zu sein, dass er alleine war und sich keine Sorgen machen brauchte. Er wusste nicht, ob es der Wind war, der diese Geräusche verursachte, oder ob er wirklich in Gefahr war. Äste knackten, ein leises Rauschen war zu hören, Schweiß lief seine Stirn hinab.
Von einer auf die andere Sekunde herrschte Stille, er blieb stehen. Der Himmel verdunkelte sich, wurde schwarz. Eine dunkle Welle überzog den Grüngürtel, es wurde dunkler als die Nacht. Der Wind legte sich, die Temperatur schien zu sinken.
Seine Nackenhaare stellten sich auf, er hatte Panik, versuchte aber, dies nicht zu zeigen. Ein lautes Knacken brachte ihn nun dazu, sich umzudrehen. Im Augenwinkel sah er ein dunkles Etwas, das sofort verschwand. Seine Augen rasten von links nach rechts, sahen jedoch nichts ungewöhnliches, bis ein helles Licht im Wasser erschien. Dieses helle Licht war die einzige Quelle, die ihm Licht gab, an dem er sich hätte orientieren können.
Es wurde immer kälter, ganz plötzlich immer und immer kälter. Das Licht wurde schwächer, doch er starrte immer noch zum See, hypnotisiert vom Licht. Plötzlich begann die Mitte des Sees einzufrieren, eine Schicht Eis legte sich auf das Wasser. Der See fror zu, Eis strömte über die Wasseroberfläche bis hin zum Rand. Innerhalb weniger Sekunden froh der komplette See zu, das Licht unter der immer dicker werdenden Eisschicht wurde immer schwächer, bis es vollkommen erlosch.
Er erwachte aus seiner Hypnose, schaute nach links, nach rechts, sah Gestalten, Schatten oder Rauchschwaden, die sofort verschwanden, wenn er sie erblickte. Er fühlte sich umzingelt, versuchte zu rennen, konnte aber nur langsam gehen. Die Kälte brachte ihn fast um, fror ihn ein.
Ein Ächzen hinter ihm, ein Knacken, ein Rauschen. Er drehte sich erneut um, diesmal blieb er jedoch nicht stehen. Er ging, versuchte immer schneller zu werden, um vor diesem Etwas, das ihn verfolgte, zu flüchten. Etwas schwarzes, kein Mensch, kein Tier, war hinter ihm, bewegte sich schnell, verschwand, erschien wieder. Er ging weiter, ohne dieses Etwas aus dem Auge zu lassen, doch dann stürzte er, blieb liegen und konnte sich kaum bewegen. Er winselte, geriet in Panik.
Doch als sich dieses Etwas über ihn beugte und ihn mit seinen tief schwarzen Augen anstarrte, erkannte er, dass er keine Chance hatte.
Ihm war kalt, er hatte Schmerzen, konnte sich nicht bewegen, und war davon überzeugt, dass er sich nie wieder Gedanken über sein Leben machen müsste!
 

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