... für Leser und Schreiber.  

Ghosts - Part I

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©  Fate   
   
Habe mich entschlossen meine Kurzgeschichte Ghosts komplett neu zu schreiben.
Hier nun der erste Teil der neuen Fassung.
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"Hey Sie da! Was machen Sie hier?"
Der Polizeibeamte schritt schnell auf den anwesenden Zivilisten zu.
"Dies ist ein polizeilicher Tatort, Zivilpersonen dürfen nicht …"
"Schon gut, schon gut", unterbrach ihm der Mann, "ich bin von der Presse."
Er hielt dem offensichtlich überanstrengten Beamten seinen zerknitterten Presseausweis vor die Nase.
"Jean Castle, Hamburger Abendblatt. Was ist hier passiert?"
"Ich darf ihnen nichts sagen."
"Ach kommen Sie …", Jean führte seinen Zeigefinger in Richtung des Namensschildes am Revier des jungen Polizisten und klopfte zweimal gegen das transparente Plastik, "… Steve. Seien Sie nicht so. Die Öffentlichkeit hat ein recht darauf alles zu erfahren."
"Wenn überhaupt, dann Steven. Und für Sie sowieso immer noch Herr Michelsen."
Der Beamte schien einen Funken von Stärke in seinem ausgelaugt wirkenden Kreislauf entdeckt zu haben.
"Okay, sorry. Herr Michelsen. Nur ein paar Infos, mehr will ich doch gar nicht."
"Nein, tut mir leid. Wenn Sie Informationen zum Tatbestand haben wollen, müssen Sie wohl die offizielle Presseerklärung abwarten."
Jean wollte gerade abdrehen und sich ein wenig beleidigt auf den Rückweg in die Redaktion machen, als eine weitere Person in ziviler Kleidung am Ort des Geschehens auftauchte.
"Michelsen", konnte man den etwas älteren Mann bereits aus einigen Metern Entfernung rufen hören.
"Ja Herr Oberkommissar?"
"Wer ist diese Person und was hat sie hier zu suchen?"
"Ein Reporter des Abendblattes. Er wollte gerade gehen. Stimmt's nicht Herr…"
"Castle, Jean Castle", musste Jean dem nervösen Polizisten aushelfen.
"Genau, Herr Castle wollte den Tatort, den er unrechtmässig betreten hat, gerade wieder auf direktem Wege verlassen."
Steven Michelsen blickte Castle scharf von der Seite an und ermahnte ihn so, keine weitere Zeit zu verlieren, sondern sich unverzüglich aufzumachen. Jean schritt auf den dazugekommenen Kommissar zu und an diesem Vorbei. Als sich beide auf gleicher Höhe befanden striffen sich ihre Jacketärmel für einen kurzen Augenblick und Jean nahm einen Lichtblitz in seinem Blickfeld war, der aber gleich darauf wieder verschwunden war. Optische Täuschung durch Überarbeitung, redete er sich ein. Von einem Moment auf den anderen, Jean Castle war gerade etwa zwei schritte am Oberkommissar vorbeigekommen, schrie der Polizist plötzlich auf.
Jean drehte sich um und erblickte nicht mehr die Gestalt von eben. Der Kommissar hockte zusammengekauert auf dem Boden und hielt sich mit beiden Händen die Stirn, während er das tat, entwichen ihm Schreie des Schmerzes. Ein Anfall, fuhr es dem Reporter durch den Kopf. Aber ein Anfall von was? Der junge Polizist Michelsen und Castle erreichten den Kommissar etwa zeitgleich.
"Chef, was ist mit Ihnen?"
"Was hat er?", fragte der Reporter.
"Keine Ahnung", erwiderte Michelsen und rief dann in die Menge der Beamten hinter sich: "Schnell, ich brauche hier Hilfe. Schneider geht es nicht gut. Einen Arzt, hot einen Arzt."
In der Menge hinter ihnen bewegten sich einige Gestalten und auf einmal waren alle in Aufruhr. Während sich die Traube aus Polizisten allmählich in mehrere Richtungen auflöste - einige eilten sich wohl bei dem Vorhaben einen Sanitäter heranzuschaffen, andere kamen herbeigerannt und wollten sich selbst um ihren Kollegen und Chef kümmern - konnte der Journalist einen Blick auf die Person werfen, die die Beamten einen Augenblick zuvor noch fest in ihrer Mitte umschlossen hatten.
Auf einem Stuhl, saß ein kleines Mädchen, nicht älter als acht schätzte Castle. Ihre Hände waren mit Handschellen aneinandergekettet und um ihre Hüfte war ein seil mit dem Stuhl verknotet.

Warum sollten sie ein kleines Kind wie einen Schwerverbrecher behandeln? Die Geschichte fing an wirklich interessant zu werden. Jean war so von dem Gesehenen erschrocken - und gleichzeitig bejubelte er seinen Spürsinn, dies musste einfach eine große Story sein, ein kleines Kind, festgehalten und anscheinend bewacht wie ein Terrorist - dass er das wirklich erschreckende gar nicht wahrnahm: Das Kind fixierte mit ihrem Blick ohne Zweifel den zu Boden gegangenen Oberkommissar. Ihre Lippen waren zu einem breiten Lächeln verformt und ihre Zähne boten einen diabolischen Anblick. Ihre Augen funkelten, als würden sie brennen und ein seltsames Leuchten ging von ihnen aus. Und dennoch, obwohl mitten in ihren Augenhöhlen ein überstrahlendes Licht lag, war ihr Gesicht eigentlich nicht zu erkennen. Sämtliche Fläche ihres Gesichtes war von Schatten bedeckt. Zwar stand der Stuhl genau unter einer Lampe, doch der Lichteschein schien ihre Haut zu meiden. Einzig ihre Augen und ihre weissen Zähne durchbrachen die Dunkelheit, die über ihr lag.
Auf einmal wendete das Mädchen den Blick vom Polizisten weg und fixierte den Reporter. Sofort spürte er ein Stechen in seiner Brust und vor seinem Auge nahm er wieder diesen Lichtblitz wahr. Er keuchte, es war ein Gefühl, als ob ihm jemand Eiswasser direkt in die Lunge geschüttet hätte. Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht und er sank auf die Knie.
Zur gleichen Zeit, ging es dem Oberkommissar auf einmal schlagartig besser und er konnte sich nicht einmal erinnern, dass er so eben noch in einem lebensbedrohlichen Zustand verweilte.
Jean hockte auf dem Boden und für einen Augenblick wurde die ganze Welt um ihn herum von einer undurchdringlichen Schwärze erfüllt. Doch dann, wich die Dunkelheit einem hellen Licht und schon eine Sekunde darauf hatte sch seine Atmung wieder normalisiert und seine Sicht wieder geklärt. Der Reporter aber konnte sich noch immer an jeden Augenblick dieses unerklärlichen Schwächeanfalls erinnern. Er stand auf und blickte das kleine Mädchen an. Noch immer fixierte sie ihn mit leuchtenden Augen. Doch das triumphale Lächeln auf ihren Lippen war einem Ausdruck der Enttäuschung gewichen. Ihre Augen hatten einiges von ihrem strahlen verloren.
Jean Castle verliess augenblicklich den Tatort und begab sich ohne sich noch einmal umzudrehen zum Ausgang der Schule, in der sich diese ganze Szenerie abgespielt hatte. Er wollte für den Moment gar nicht mehr wissen, was hier passiert war, bevor er angekommen war. Er wollte nicht einmal an die bevorstehende Presserklärung denken, geschweige denn an dieser teilnehmen.
Er fuhr auf direktem Wege in seine Wohnung und telefonierte noch aus dem Fahrzeug heraus mit der Redaktion um sich krank zu melden. Er erzählte von der geplanten Pressekonferenz, verlor aber kein Wort darüber, was ihm widerfahren war. Er legte der Sekretärin noch nahe, einen Kollegen zur Konferenz auszusenden, da sich durchaus eine passable Story ergeben könnte und damit hatte er seine journalistischen Pflichten für diesen tag erfüllt.
Zu Hause angekommen, fiel er erschöpft auf die Couch. Er schaltete den Fernseher ein, aber das Programm erreichte sein Bewusstsein gar nicht erst. Vor seinem inneren Auge schwebte das Bild des kleinen Mädchens - angebunden, mit Handschellen, vor allem aber mit einem Blick, der Feuer in Eis zu verwandeln imstande gewesen wäre.
 

http://www.webstories.cc 01.05.2024 - 03:00:13