... für Leser und Schreiber.  

Die 18 Abschiedsbriefe des Herrn Homeral

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© Robert Zobel   
   
Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn Sie meinen Leichensack zum Auto bringen dann hoffe ich, dass ich Ihnen
nicht zu schwer bin. Ich habe extra vor meinem Tod, den ich mehr als kommen
sah, nichts mehr gegessen. Ist es gut so?
Auch habe ich den Flur vom Telefontischchen und dem Regal befreit. Es war
ja schon immer ne totale Mühe die Kartoffeln in die Küche zu schleppen und
da will ich gar nicht wissen, wie blöd das ist meinen langen Körper zu
bugsieren. Gott sei Dank muss man sich nicht selber runter tragen wenn man
tot ist. Wobei es natürlich eine ehrenwerte Sache ist und man kann mich
natürlich nicht einfach so liegen lassen, weil es sonst eine riesige
Ungezieferpopulation in diesem Haus geben würde und ich würde sicher wieder
aus dem Himmel rausgeschmissen werden wenn es Gott zu Ohren kommt, dass ich
dann nach meinem Tod noch für eine Plage verantwortlich gewesen wäre. Also
lieben Dank.
Ja, irgendwie ist das Leben nicht nur an mir vorbeigeflossen, es ist aus
mir herausgeflossen. Mit jeder Stunde die verstrich ging es mir immer
schlechter, also nicht profan körperlich sondern ganz schön blöd seelisch.
Ich hab mir irgendwie alle meine Freude aus den Gehirnwendungen in die
Außenwelt gekotzt und war dann ganz leer und ein leeres Glas Wodka wirft
mich ja auch gegen die Wand und gut is.
Zurückgelassen hab ich niemanden, nur mich und so hat mich die
Zurückgebliebenheit zu diesem Entschluss gebracht, dessen Konsequenz jetzt
vor Ihnen liegt. Ich hoffe, ich habe die Pose die ich auf dem Teppich
abbilden wollte, erreicht. Ist es ein Regenbogen geworden? Hoffentlich,
denn sonst werden Sie die farbigen Striche auf mir nicht verstehen können.
Nicht das sie denken, dass ich einer dieser Perversen bin, der einen
abnormalen Hang zu Selbsbepinselung hat. So wie diese kranke Frau die daran
gestorben ist, dass sie sich mit Goldfarbe überall bemalt hat. Total
bekloppt.
Dieser Regenbogen hat natürlich eine Bedeutung. Eigentlich sogar mehrere.
Erst einmal hat ein Regenbogen ein Anfang und ein Ende. Vielleicht ist
Ihnen die Windel über meinem Kopf aufgefallen, welche aussagen soll, dass
ich im Kopf immer ein Kind blieb und die Füße in dem Eimer bedeuten, dass
ich in den Tod eintreten werde. Sie waren ja auch die erste Region, die der
Tod erreichte.
Und dann sagt man ja, dass am Ende des Regenbogens ein Kupferkessel voll
Gold vergraben ist und schauen Sie jetzt mal bitte unter den Teppich. Also
einmal am Kopf und einmal unter dem Eimer. Das ist für die
Leichensackträger, die ich dafür entschädigen möchte, dass ich Ihnen zur
Last liege. Es ist nicht viel, aber eine kleine Aufmerksamkeit ist immer
schöner als gar nichts. Merken Sie sich das gut, liebe Herren. Auch für das
Privatleben.

So, ich muss dann mal.

Heimal Homeral
 

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