... für Leser und Schreiber.  

Schwarz oder Blau

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© Homo Faber   
   
Die neuen schwarzen Socken waren sehr schön, ich beschloss, sie einfach anzuziehen. Als ich das Paar aus der Schublade nehmen wollte, sah ich das blaue Paar dort liegen, was ich mir letzte Woche gekauft hatte. Da merkte ich, dass ich auch Lust auf Blau hatte, es war nämlich wirklich ein schönes Blau. Zieh doch die an, dachte ich mir, so zog ich sie an. Lächelnd betrachtete ich sie, sie sahen wirklich schön aus, so angezogen. Aber die Schwarzen sähen doch sicherlich auch gut aus. Gut, dann zieh die doch an, dachte ich dann. So zog ich die Blauen aus und die Schwarzen an. Wirklich schöne Socken, dachte ich zufrieden. Aber die Blauen sahen doch auch so schön aus. Vielleicht sollte ich dann doch lieber die wieder anziehen. So zog ich die Schwarzen wieder aus und die Blauen wieder an. Ja, sie sahen einfach nur klasse aus. Genauso wie die Schwarzen. Hm, oder sollte ich doch die Schwarzen wieder anziehen? Ich wusste es nicht. Ich beschloss, diese einfach noch mal anzuprobieren, und mich dann zu entscheiden. Also zog ich wieder Schwarz an. Noch immer konnte ich mich nicht entscheiden und zog sie wieder aus, um wieder Blau anzuziehen. Hm, welche sollte ich jetzt anziehen? Ich fand beide Paare so schön, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden.
Ich beschloss, eine Münze zu werfen. Bei Kopf wollte ich Blau anziehen und bei Zahl Schwarz. Das war wohl die beste Lösung.
Ich warf die Münze. Kopf. Also Blau. Also konnte ich sie anlassen. Aber irgendwie wäre es doch schade um die Schwarzen. Ich beschloss einfach, noch mal die Münze zu werfen. Zahl. Also Schwarz. Na also. Ich zog die blauen Socken wieder aus und die schwarzen wieder an. Aber ich war trotzdem nicht zufrieden mit meiner Entscheidung. Einmal hatte ich Kopf geworfen und einmal Zahl. Ich sollte die Münze noch einmal werfen zur endgültigen Entscheidung. Kopf. Also jetzt hatte ich zweimal Kopf und einmal Zahl, Kopf hatte also gewonnen und somit die blauen Socken. Noch einmal wechselte ich meine Socken.
Trotz eindeutiger Entscheidung der Münze war ich nicht zufrieden. Ich hatte trotzdem immer noch Lust auf die schwarzen Socken.
So langsam begann ich zu verzweifeln, ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Ich hätte außerdem schon längst auf der Arbeit sein müssen. Allmählich bekam ich die Wut und verließ schließlich das Haus ohne Strümpfe und fuhr mit quietschenden Reifen zur Arbeit.
Von meinem Chef bekam ich erst einmal eine Standpauke, dass ich zu spät kam, denn es stand schließlich eine wichtige Konferenz an, wo ich eine Präsentation halten musste, die gründlich verhaute. Kein Wunder auch, wenn der Morgen schon so angefangen hatte, da war es doch verständlich.
Der Kunde hatte jedenfalls kein Interesse mehr an unserem Produkt und ging.
"SIE VERDAMMTER ARSCH! KÖNNEN SIE MIR ERKLÄREN, WAS DAS EBEN SOLLTE?", brüllte mein Chef mich an.
"Tut mir leid, aber es ist heute nicht mein Tag", entschuldigte ich mich. "Am besten, ich nehme mir den restlichen Tag frei und fahre nach Hause."
"Wenn Sie jetzt gehen, dann sind Sie...", wollte er mir noch drohen, aber so weit kam er gar nicht, ich hatte das Gebäude schon verlassen.
Den ganzen Tag über kreisten meine Gedanken immer noch über die Frage, welche Strümpfe ich hätte anziehen sollen. Und Morgen würde ich ja wieder dasselbe Problem haben. Nun, vielleicht würde mein Therapeut ja eine Lösung wissen, dachte ich. Ich beschloss, ihn heute Abend einfach zu fragen.
Ja, er würde ganz gewiss eine Lösung für mich haben, dachte ich zufrieden und lächelte.
 

http://www.webstories.cc 07.05.2024 - 07:13:11