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Ich und die Bundeswehr - Mein erster Tag

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© Homo Faber   
   
Am ersten Juli war der große Tag: Ich musste zur Bundeswehr. Große Lust hatte ich zwar nicht, aber irgendwie würde ich die zehn Monate schon herumkriegen, zumal beim Barras, so wie mir bekannt war, immer viel gesoffen würde. Na also, das war doch schon mal was, dann konnte es sowieso nicht so schlimm dort sein. Und außerdem befand sich die Kaserne in Coesfeld im schönen Münsterland.
Bis 17 Uhr musste ich vor Ort sein, bis Coesfeld war es etwa eine Stunde, aber ich musste ja noch die Kaserne suchen, also fuhr ich vorsichtshalber schon um 15.30 Uhr los.
Coesfeld erreichte ich wie vermutet um etwa 16.30 Uhr, nun musste ich nur noch die Kaserne finden. Eine schöne Stadt war es, ich liebte einfach das Münsterland. Von der Kaserne jedoch keine Spur. Ich hätte natürlich einen Fußgänger fragen können, aber ich sah nur ältere Leute, und die würden wahrscheinlich dort nur münsterländisches Platt sprechen, was ich aber nicht konnte. Es machte von daher keinen Sinn, sie zu fragen. Irgendwann sah ich endlich mal einen Wegweiser mit der Aufschrift „Kaserne“. Na also.
Um 17:05 Uhr kam ich dort an, auf die paar Minuten würde es ja wohl nicht ankommen. Ich meldete mich beim Pförtner, der erst mal einen langen Blick auf die Uhr warf.
„Ich hab mich ein wenig verfahren“, entschuldigte ich mich.
„Na ja, Sie können von Glück reden, dass das Ihr erster Tag ist“, meinte er unfreundlich.
Komm übertreib mal nicht, dachte ich mir.
„Personalausweis und Meldepapiere“, kommandierte er. Ich hielt ihm beides hin.
„Halten Sie es bitte so hin, dass man es lesen kann“, drängte er. Am liebsten hätte ich ihm beides um die Ohren gehauen. Aber mein Vater hatte mir vorher gesagt, dass ich dort alles schlucken müsse, was man mir sagte, egal in welchem Ton man dort mit mir sprach.
Ein anderer Soldat, der etwas freundlicher war, erklärte mir dann den Weg, wo ich hin sollte.
Eine riesige Schlange erwartete mich dort. Toll, da kam ich extra erst um diese Uhrzeit, und ich musste mich trotzdem noch so lange anstellen.
Nachdem ich fast eine Stunde anstand und mich der Typ auf seiner Liste als anwesend vermerkt hatte, dachte ich, für heute wäre alles erledigt. Aber da lag ich falsch. Jetzt mussten wir noch unsere Ausrüstung in Empfang nehmen. Wieder stundenlang anstehen.
„DER NÄCHSTE“, wurde ständig gerufen. Wieso schrie der so?
Als ich endlich an der Reihe war und ins Lager gerufen wurde, zählte mir derjenige, der mir die Ausrüstung gab, brüllend alles auf, was er mir in den Beutel legte.
„SCHUHPUTZZEUG, STIEFEL, TRAININGSANZUG…“. Ich stand doch direkt vor ihm, ich hätte ihn auch verstanden, wenn er leise mit mir gesprochen hätte. Aber irgendwie war es auch lustig. Ich konnte mir irgendwann ein Grinsen nicht mehr verkneifen.
„FINDEN SIE DAS ALLES LUSTIG?“, brüllte er mich plötzlich an.
„Nein, nein, natürlich nicht“, antwortete ich.
„DAS WILL ICH AUCH HOFFEN, SO UND JETZT WEGTRETEN.“
Wegtreten, wie sich das anhörte.
„DER NÄCHSTE!“, hörte ich ihn wieder. Als ich wieder den Flur betrat, konnte ich mein Lachen nicht mehr zurückhalten. Die anderen sahen mich schon alle erstaunt an.
Endlich, wir wurden zum Abendbrot geführt. Lecker, es gab Wiener Schnitzel mit Pommes. Ich fragte mich, was alle hatten, das Essen beim Bund war doch gar nicht so schlecht. Ich aß drei Portionen.
Danach waren wir allerdings immer noch nicht fertig, sondern es mussten noch irgendwelche Formulare ausgefüllt werden.
Gegen 24 Uhr kam ich endlich auf mein Zimmer, oh Entschuldigung, auf meine Stube.
„Wir sind hier nicht im Hotel, es heißt Stube“, sagten die Vorgesetzten ständig.
Unter einer Stube hatte ich mir eigentlich etwas Gemütliches vorgestellt, daher war ich schon erstaunt, wieso man Stube sagte. Aber diese Stuben sahen nicht viel anders aus, als ein Zimmer im Krankenhaus. Sogar mein Bett musste ich dort noch beziehen. Damit hätte ich gar nicht gerechnet.
Alle anderen von meiner Stube waren schon da. Ich machte mich zunächst mit ihnen bekannt. Einer von ihnen war eine Art Scherzbold, der Zweite wirkte wie ein Streber, zum Dritten konnte ich gar nichts sagen, der Vierte war total verklemmt und der Fünfte kam mir vor wie ein Halbstarker, aber er schien okay zu sein, denn er nahm alles genauso locker wie ich.
Alle hatten ihre Betten schon fertig bezogen, mürrisch bezog ich meins. Zwischendurch kam noch irgendein Unteroffizier herein und erzählte noch etwas, wo ich aber nicht hinhörte. Und um ein Uhr konnten wir endlich schlafen.
Wir lagen etwa zehn Minuten, ich versuchte zu schlafen, als ich dieses Schluchzen hörte. Erst ganz leise, ich dachte zuerst, irgendjemand habe die Nase verstopft und kriege keine Luft, doch dann wurde es lauter, da merkte ich, dass irgendjemand heulte. Das kam von dem Bett, wo der Verklemmte lag.
„Hallo?“, rief ich. Keine Antwort. Die anderen schliefen wahrscheinlich schon und bekamen nichts mit. Um die anderen nicht zu wecken, machte ich kein Licht und ging im Dunkeln zu seinem Bett.
„Hallo, alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich.
„Nein“, sagte er und schluchzte weiter. „Ich hab Heimweh.“
Ach du scheiße, dachte ich. Hoffentlich geht das jetzt nicht jede Nacht so.
„Ach komm Junge, wird schon nicht so schlimm werden“, sagte ich dann. „Ich hab auch keinen Bock auf den Laden hier, aber ich seh´ die Scheiße mit Humor. Weißt du was, morgen nach Feierabend gehen wir erst mal einen Saufen, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, oder was meinst du?“
„Ja gut“, antwortete er dann.
„So, dann versuch mal zu schlafen, um fünf Uhr wollen die Idioten uns schon wecken.“
Ich legte mich wieder hin, doch er heulte weiter, ich weiß nicht mehr wie lange, irgendwann schlief ich doch ein.

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Die ein oder andere Story dazu folgt noch
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