... für Leser und Schreiber.  

Der geborene Pechvogel - oder sechs Richtige

10
17 Stimmen
   
© Homo Faber   
   
Toll, vierzig Euro Strafe, weil ich mein Semesterticket nicht dabei hatte. In den ganzen Jahren war ich nicht ein einziges Mal schwarz gefahren, und kaum fuhr ich einmal ohne Ticket, kam ein Konti. Dass ich auch immer so ein Pech hatte. Und das ausgerechnet jetzt, wo ich meinen Job verloren hatte und jeden Cent sparen musste, weil ich mit meinem Ersparten nur noch etwa drei Monate über die Runden kam.

Ich konnte nicht verstehen, wieso ich das Ticket nicht dabei hatte, ich hatte es doch immer im Portemonnaie. Wahrscheinlich hatte ich es verloren. Da fiel mir ein, dass es mir am vergangenen Samstag in der Kneipe, als ich bezahlt hatte, irgendwie so vorgekommen war, als sei etwas aus meinem Portemonnaie gefallen. Nur war ich da so besoffen gewesen, dass ich es nicht so ganz geschnallt und daher auch nicht nachgesehen hatte. Tja, dort hatte ich es wohl verloren. Ein neues Semesterticket würde mich auch wieder 30 Euro kosten, es war echt alles zum Kotzen.

Doch das war noch nicht alles, als ich nach Hause kam, wartete schon die nächste Überraschung auf mich: Meine Stromabrechnung lag im Briefkasten. 180 Euro durfte ich nachzahlen. Zahlen, zahlen, zahlen, immer nur zahlen. Wieso klebte das Pech ständig an mir, konnte ich nicht einfach mal Glück haben?

Ich musste so schnell wie möglich einen neuen Job finden. Ich las die Stellenanzeigen im Internet. Doch keine Stelle für mich dabei, fast alles mit Vermittlungsgutschein. Konnte ich nicht einfach mal im Lotto gewinnen? … Nun, vielleicht sollte ich es einfach mal versuchen. Sechs Millionen waren diese Woche im Jackpot. Wenn ich die gewinnen würde… Natürlich würde ich den niemals knacken, aber vielleicht würde ich ja ein paar richtige Zahlen haben und 100 Euro oder so gewinnen, das wäre ja schon mal etwas. Ich beschloss, es einfach mal zu probieren und besorgte mir einen Lottoschein.

Ein paar Tage später war es so weit, gespannt saß ich vor dem Fernseher, um die Lottoziehung zu sehen. 3…21…16…33…7….9…und die Zusatzzahl 41. Ich verglich die Zahlen mit meinen Zahlen. 3…7…9…16…21…33 und die Zusatzzahl 41. Das konnte doch nicht sein, das waren genau dieselben Zahlen. Ich verglich die Zahlen noch einmal. Es gab keinen Zweifel, ich hatte sechs Richtige und die Zusatzzahl, in meinem Kopf schrie alles: "GEWONNEN"! Ich sprang in die Höhe und hüpfte wie ein Verrückter durch die Wohnung.
„Ich hab GEWONNEN“, rief ich laut vor mir her. „HAAAAAAH!“ Ich riss das Fenster auf. „ICH BIN REICH“, brüllte ich.
„Ruhe da oben“, rief jemand.
„Ha, ihr könnt mich mal“, rief ich zurück. „Ich ziehe jetzt nämlich aus, ich habe den Jackpot geknackt.“

Nach einer schlaflosen Nacht bestellte ich mir am nächsten Morgen ein Taxi, um den Lotteschein bloß nicht zu verlieren und ließ mich zum Lottogeschäft fahren.
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte der Mann von der Lotterie, als ich ihm lächelnd den Lottoschein unter die Nase hielt. „Das macht dann 1,39 Euro für Sie.“
Verdutzt sah ich ihn an. „Eh, Entschuldigung“, sprach ich. „Ich habe sechs Richtige und die Zusatzzahl, und das bei einem Jackpot von sechs Millionen!“
„Das ist schon richtig“, antwortete der Mann. „Allerdings gibt es diesmal so viel Gewinner, wie es noch nie gab. Außer Ihnen haben nämlich noch 4316545 weitere Menschen den Jackpot geknackt, und das macht pro Gewinner 1, 39 Euro. Möchten Sie Ihren Gewinn bar oder soll er auf Ihr Konto überwiesen werden?“
 

http://www.webstories.cc 03.05.2024 - 15:28:49