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Die Hygiäne (leicht editiert)

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©  Killing Joke   
   
Elli kam von der Arbeit nach Hause, pfefferte ihre Tasche nebst Jacke und Schal in die Flurecke und fiel erschöpft aufs Sofa. Ihre Füße ragten hinten ein Stück über und berührten mit den Zehnspitzen dreckigen Teppichboden.
Der linke dicke Zeh spielte mit einem Stück Brotrinde und das erinnerte sie an ihren Haushalt. Gestern hatte sie eigentlich putzen wollen.
Sie seufzte resigniert und erhob sich wieder von dem allzu gemütlichen Möbel, ging in den Flur und hängte ihre Klamotten an die Garderobe, griff in die Hosentasche, fingerte nach den Zigaretten, zündete sich eine an und blies den Rauch in zwei Strahlen durch die Nase aus. Jetzt war sie bereit. Die Zigarette im Mundwinkel, rüstete sie sich mit Besen und Kehrblech, stellte den Boiler in der Küche über der Spüle an und begann den Flur zu fegen. Eine Dreiviertelstunde später glänzte ihre Wohnung als hätte Elli eben renoviert. Nur die Abstellkammer in der Flurnische hinter der Garderobe war noch zu entrümpeln. Dort lagerte sie ihre Gelben Säcke und den Papiermüll. Mitunter gab sie sich ihrem Ruhebedürfnis etwas zu bereitwillig hin. Selbst in der Fleischfabrik, wo sie tote Hühner auf stahlspitzen pfählte, begab sie sich jede Dreiviertelstunde für eine Zigarettenlänge auf das Damenklo. Bei Besorgungsgängen verweilte sie oft eine Zeit im Café, oder setzte sich im Stadtpark auf eine der Bänke. Es war schon vorgekommen das ein Streetworker sie im Winter, zwischen vier, fünf Tüten sitzend auf den hiesigen Tagesaufenthalt aufmerksam gemacht hatte, und ihr eine Karte mit der Adresse in die Tüte warf.
Mopp und Wischtuch verschwanden zusammen mit dem halbvollen Putzwassereimer auf dem Balkon und die nächste Zigarette wurde geraucht.
Vorsichtig öffnete Elli die Holztür der Abstellkammer. Der oberste der gelben Säcke beugte sich freudig zur Begrüßung vor, wurde aber sofort wieder auf seinen Platz verwiesen. Elli keuchte und versuchte so flach wie möglich zu atmen, um den süßlich süffigen Gestank der ihr entgegendrang wenigstens ertragen zu können und packte die gelben Säcke, zog sie heraus und fluchte lauthals, als zwei von ihnen rissen und ihren bepilzten Inhalt auf den Flurboden und das Altpapier erbrachen. Sie ließ die schlaffen Bündel fallen, stellte den dritten Sack an die Straße und riss das Flurfenster auf, als sie wieder in der Wohnung war.
Mit Besen und Handschuhen bewaffnet beseitigte sie die geschehene Schweinerei und verpackte den Müll in neue Säcke, die ebenfalls an die Straße wanderten. Elli machte sich nicht die Mühe noch einmal zu wischen, sondern ging daran die zwei Altpapierkartons aus der Kammer zu ziehen. Etwas von dem schwarzen Belag krümelte noch im Flur herum aber zum Teufel damit! So wusste ihr Körper wenigstens wogegen er sich zu wehren hatte. Nach zwei weiteren Ladungen Papier war sie endlich fertig mit der Abstellkammer und genehmigte sich eine weitere Zigarette als Belohnung für die verrichtete Arbeit. Eine halbe Stunde später hatte Elli sich Nudeln gekocht, bestäubte dieselben mit Puderzucker und hockte sich auf ihr Sofa um Fern zu sehen.
Im Flur hatte irgendetwas einen feuchten Klatschlaut von sich gegeben. Wahrscheinlich war der Putzlappen von der Heizung gerutscht. Demgegenüber völlig desinteressiert, aß ihre Nudeln zu Ende und entschloss sich dazu, das nächste Mal eine der Fertigsoßen im Glas auszuprobieren. Sie stellte den Teller auf den Wohnzimmertisch und ging in die Kochecke um sich aus dem Kühlschrank etwas zu trinken zu holen. Eine offene, halbleere Flasche Mezzomix sollte sie wohl noch haben.
Mit einem leisen „Pfropf“ öffnete sich der Kühlschrank und gewährte Einblick in sein inneres. In der hinteren linken Ecke des Schranks bildete sich bereits eine schwarze Schmierschicht, die ihren Ursprung wohl in einer Dose Fertigravioli fand. Elli ignorierte es und griff nach der Plastikflasche, schloss den Kühlschrank und...
Plopp! Kam es aus dem Flur.
Sie stutze und lehnte sich aus dem Raum, sah in den dunklen Flur und erspähte gerade noch den länglichen Schatten von etwas grün-grauem, das im Türspalt der Abstellkammer verschwand. Na schön, hatte sie eben auch noch Mäuse. Oder Ratten. Wenn sie recht überlegte, war der Schatten für eine Maus zu massig gewesen. Wieder auf dem Sofa trank sie langsam den letzten Viertelliter aus der Flasche und ging dann zu Bett. Ihre Füße berührten die kalte Wärmflaschenhaut von letzter Nacht und stießen sie aus dem Bett. Sie leistete erheblichen Widerstand. Aber Elli nahm den Verschluss zwischen die Füße und beförderte sie gnadenlos über die Bettkante, wo das Ding gluckernd zu Boden fiel. Sie las noch ein wenig im zweiten Akt von „Der König in Gelb“ und sackte mit dem Buch in der Hand langsam weg. Sie träumte von einem riesigen Besen aus Altpapier und gelben Säcken, der sie einen gigantischen Flur entlang kehrte. Durch das Plastik der Säcke hindurch, spürte sie etwas Weiches, Kaltes über sie hinweghuschen, als der Besen über sie hinwegfuhr und Elli an der Ecke vor der Abstellkammer landete. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und sie hatte den Eindruck dort drinnen etwas Grünes aufblitzen zu sehen.
Mit einem brüchigen Keuchen fuhr sie erschreckt in die Wachwelt und blickte sofort auf den Digitalwecker. Sie hatte gerade eine halbe Stunde geschlafen. Elli vergrub sich wieder unter der ranzigen Decke und schlief traumlos bis ein enervierendes Piepen sie um halb sechs weckte.
Noch halb bewusstlos taperte sie zur Kochnische, stellte den Boiler an und wusch sich mit heißem Wasser aus der Spüle. Dann zog sie sich an, aß zwei Scheiben Brot mit Butter, würgte einen kalten Kaffe vom Vortag herunter, den sie in einem Becher beim Abwaschgeschirr fand, und schlüpfte in die Jacke. Als sie die zwei Schritte durch den Flur ging, die zur Wohnungstür führten, bemerkte sie, dass die Gelben Säcke eine Spur aus undefinierbarem hinterlassen hatten, die in der Abstellkammer verschwand und über den halben Flur führte. Sie zuckte darüber die Achseln und verließ die Wohnung um Fünf lange Stunden ihre Arbeit zu tun. An der Bushaltestelle tummelten sich zu laute Jugendliche und im Bus selbst wurde ihr die Ehre zuteil, den einzigen Stehplatz neben einem stark nach Schweiß riechenden Mann zu ergattern. Ein wundervoller Morgen war das...

Die was-auch-immer Spur war inzwischen kaum mehr auszumachen, dafür entdeckte sie eine zweite, die unter ihrem Kleiderschrank hervorkam und ein Stück in den Raum hineinführte, eine Kurve beschrieb und wieder unter dem Möbel verschwand. Im Normalfall bewarte sie keinen Müll unter dem Schrank auf. Elli vergaß für den Moment ihre Sorgen und begab sich auf alle viere, lugte unter den Schrank und gab einen leisen Seufzer des Erstaunens von sich. In die Wand hinter dem Schrank war ein Kopfgroßes Loch gebrochen worden. Die Spur führte direkt hinein.
Was in des drei Teufels Namen kroch da nur durch ihre Wohnung? Sie sprang in den Flur und betrachtete die andere Spur. Sie war fast ganz verschwunden, als wären die trockenen Krümel ausgetrocknet und zu Staub geworden.
Der Traum von voriger Nacht klopfte an die Pforten der Erinnerung und mit Schaudern eilte Elli zum Bett und zog die Decke weg.
Bei dem sich ihr bietenden Anblick würgte sie, stand eine Weile mit zusammengekniffenen Augen und der Hand vor dem Mund, in dem Versuch ihren spärlichen Mageninhalt nicht auf den Teppich zu spucken gefangen, vor der Sauerei.
Was immer sie sich zur Untermiete eingefangen hatte war letzte Nacht mit ihr zusammen im Bett gewesen. Während sie schlief. Eine weitere Erinnerung stieß unangenehm ins Bewusstsein. Ihre Wärmflasche war letzte Woche in den gelben Sack gewandert. Sie hatte Schimmel angesetzt, als diese sich mit einem alten Joghurtbecher zwei Wochen unter dem Bett vergnügt hatte. Elli rannte zur Spüle und erbrach sich mehrmals in das Becken.
Das sie mitunter kleinere Tiere in ihrer Wohnung hatte, war ihr nichts neues, aber DAS HIER musste größer sein. Nachdem sie sich mit Mühe und Not zusammengenommen hatte, stocherte Elli mit einem Besen unter dem Schrank herum, prökelte im Loch in der Wand. Da sich dort nichts regte ließ sie den Besen fallen und begann den Schrank leer zu räumen, hievte ihn ein Stück von der Wand weg und betrachtete das Loch eine Weile ratlos. Dann zückte sie ihr Feuerzeug, kroch in den Spalt zwischen dem Möbel und der Wand und versuchte in das Dunkel dahinter zu leuchten.
Was immer sie erwartet hatte war nicht da. De facto sah sie weiter nichts als einen Schlund, der die gleichen Ausmaße hatte wie das Loch und nach oben, dem nächst höheren Stockwerk führte. Elli dachte nach. Sie hatte von Mardern gehört; und das diese Tiere sich wohl gern in alten Häusern einnisteten, in den holen Wänden herumturnten und meist auf dem Dachboden anzufinden waren. Aber von Kopfgroßen Löchern in Hauswänden hatte sie im Zusammenhang mit diesen Tieren nie gehört. Aber wer wusste schon... vielleicht war das hier ja ein ganz besonderer Marder. Irgendeine neue Art oder so. Sie dachte einen Augenblick nach. Dann holte sie aus dem Ofen ein Backblech, lehnte es vor das Loch und schob den Schrank wieder davor. Ein Blick bestätigte ihr, dass das Möbel es an die Wand presste. Nach fünf Minuten war der Schrank wieder eingeräumt, doch Zehn Minuten der Suche später fand sie ein weiteres Loch hinter ihrem Nachttisch. Ein wenig verwundert über die Größe desselben verfuhr sie hier, genau wie beim Schrank, nahm dazu aber die Fettpfanne. Ein wenig beruhigt setzte sie sich aufs Sofa und entschied, später den Hausmeister anzurufen. Unter einem Kissen holte sie die Fernbedienung hervor und schaltete sich missmutig durchs Nachmittagsprogramm. Anderthalb Stunden später hörte sie ein leises Kratzen und Schaben vom Nachttisch kommen und lächelte hämisch. Der würde nicht so schnell wieder mit ihr die Bettdecke teilen.
Dann meldete sich ihr Magen.
Der versuch das Hungergefühl zu ignorieren glückte keine vier Stunden und ein genauerer Blick in den Kühlschrank ergab die entmutigende Bilanz. Zwar besaß Elli durchaus noch einige offene Dosen Linseneintopf und Ravioli, doch vermied sie es aus gesundheitlichen Gründen, da genauer hineinzugucken. Das Eisfach war komplett leer. Sie kratzte sich am Kopf. Ein weiterer Blick ins Portmonee, und die Zählung des darin befindlichen Kupfergeldes, brachte sie auch nicht näher an eine Mahlzeit. Die Münzen zählten genau neunzehn Cent. Nicht einmal eine Packung Nudeln bekäme sie dafür, geschweige denn etwas zu trinken. Hungrig und enttäuscht klappte sie die Börse zu und warf sie auf dem Wohnzimmertisch. Wieder vernahm sie ein Kratzen und diesmal sogar einen Dumpfen Knall von ihrem Nachttisch. War er nicht gerade ein Stück zur Seite gerückt? Blödsinn. Zwar war ihr nie das Bild eines Marders untergekommen, doch sie hatte gehört, das es ein Nagetier war, nicht größer als eine Katze, und sicher nicht stark genug einen Nachttisch umzuschubsen. Sie rückte den Nachttisch wieder zurecht und stellte ein paar schwere Bücher obendrauf. Das würde wohl genügen. Es klingelte an der Haustür. Elli stutzte und öffnete. Ihr Nachbar von oben stand mit ernster Miene da und stierte sie an.
Er stierte recht oft – und sehr beharrlich.
„Ja, bitte?“
„Guten Tag Frau Häfig. Ich wollte ihnen nur diesen Brief geben, der lag im Hausflur. Haben sie übrigens bemerkt das wir wahrscheinlich Marder im Haus haben?“
„Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Die Tiere haben bereits zwei Löcher in meine Wände gefressen und sich in meiner Wohnung rumgetrieben.“
Der Mann stierte noch ein bisschen mehr.
„Ah ja? Äh … Nun, dann haben sie aber große Tiere. Hm. Ich geh dann mal lieber wieder.“
„Tschüss.“
Merkwürdiger Kerl.

Sie vermied es auf den Briefumschlag zu gucken und ließ diesen hinter ihrer Flurkommode verschwinden. Eben wandte Elli sich von der Haustür ab, da hörte sie ein schabendes Geräusch aus dem Wohnraum. Gerechter Zorn über die Unverschämtheit und Dreistigkeit gewisser Nagetiere stürmte sie zurück ins Wohnzimmer und kam gerade rechtzeitig um den Nachttisch mit einem gezielten Tritt an der Wand zu halten. Sie hörte, wie etwas dahinter in den Schacht zurückfiel. Etwas, das mehr Masse haben musste als ein Nagetier. Im Flur knarrte etwas. Plötzliche Verwirrung machte sich in ihr breit. Aus der Wohnung über ihr klang ein Aufschrei, gefolgt von einem dumpfen Knall, wahrscheinlich hatte der Kerl mit dem stierenden Blick gerade einen der Marder erschlagen.
Sollte der Hausmeister einen Kammerjäger bestellen, so würde der jede Menge zu tun bekommen.
Ihr Magen meldete sich plötzlich, merkte aber an, das Nahrung aus dem Kühlschrank nicht zur Debatte stand. Ein Gedanke kam und sprach: Nougat! In ihrer Handtasche musste noch eine halbe Tüte Nougatkugeln liegen, die hatte sie letzten Monat auf dem Weg zur Arbeit gegessen - in Ermangelung von Zeit hatte sie damals das Frühstück ausfallen lassen. Von dem Einfall erfreut peste durch den Raum auf die Flurtür zu, durchrauschte den Türzagen und erstarrte wie Lots Frau zu Salzsäule. Aus der einen Spaltbreit offen stehenden Abstellkammer heraus, führte eine Spur schwarzer Krümel nach links aus ihrem Blickfeld. Ein Marder war in ihrer Wohnung.
Mit Grausen dachte sie an das Tier, das sie nachts mit den Füßen aus ihrem Bett befördert hatte. Glatt. Weich. Feucht. Wie ein benutztes Kondom, in das jemand Eier gedrückt hatte, mit einem Wärmflaschenverschluss am vorderen Ende.
Ohne zu atmen lugte sie adrenalingeladen um die Ecke und da lag das Ding. Ein meterlanger grüner Schlauch, gluckernd und blubbernd, mit Beulen und Dellen. Tatsächlich sah der Marder so aus, als hätte er gerade eine ganze Zehnerpackung Eier verschluckt. Kopfgroße Eier, schwarz gefärbt. Wie es hier auf einmal stank! Süßlich, fast nach dem Modellbaukleber, den sie früher benutzt hatte, nach Annanas. Am vorderen Ende ging das Grün ins Beige über und der Körper des Hausmarders mündete in etwas, das aussah wie ein Aftermuskel, an dem sich symmetrisch gegenüberliegend vier Daumendicke Auswüchse befanden, die in schwarzen Punkten endeten. Schneckenaugen, dachte Elli, ohne wirklich zu denken.
Ihr Magen knurrte wieder und bei diesem Laut drehte das Vieh sich überraschend schnell um, richtete seine vier Augenstiele genau auf Ellis Füße.
Elli Häfig war verdutzt. So hatte sie sich einen Marder gar nicht vorgestellt. Ihr war etwas Ähnliches wie ein pelziger Tintenfisch vorgeschwebt. Gebannt blickte sie auf das Ding herab, das jetzt langsam auf sie zurobbte. Dabei rollten sich die Eier im innern des Schlauch um das jeweils vorliegende und der Hautschlauch wurde einfach nachgezogen, bis es so aussah als schlobbere ein Kugeleierkondom auf sie zu.
Geistesabwesend griff Elli zur Seite und packte, ohne den Blick von dem quietschenden Biest abzuwenden nach der Gardinenstange die neben der Tür lehnte. Sie richtete die Stange auf den Wurm, um es auf Distanz zu halten, doch als dieser die Stange berührte, streckte er sich wieder auf einen Meter und wand sich um das Eisen wie eine Schlange. Erschrocken jappste Elli schlug das Monster brutal gegen die Wand, doch das schien das Ding nicht zu beeindrucken - es war einfach zu elastisch um zu zerplatzen. Von einer Sekunde auf die andere hatte sie den Aftermund auf Ellenbogenhöhe, aber irgendwas stimmte nicht mit diesem Anblick.
Panisch schleuderte sie den Arm umher, als ihr in einer eklen Offenbarung klar wurde, dass der Wurm ihren linken Arm halb verschluckt hatte. Ihre Hand durchfuhr das sämige Innere des Marders ohne etwas wirklich Festes zu ergreifen. Die Eier blobberten um ihre Haut und wo sie sie berührten, brannte ein stechender Schmerz auf.
Elli stolperte zurück und drückte mit ihrem Schulterblatt den Lichtschalter an. Zum ersten Mal schrie sie, als sie sah, dass ihr Arm nicht das einzige Körperteil im Wurm war, welcher sich inzwischen mühte, den Arm noch weiter in sich reinzuzwängen. Da drin waren Zähne, Nägel und Klammern, Knochenreste und ein Goldring schwamm wie ein Auge genau über dem Aftermund, schien Ellie in ihrem Befreiungsveitztanz höhnisch anzublicken.
Das Wesen zitterte als es seinen Mund noch fester um Ellis Oberarm schloss und schmerzhaft abschnürte. Sie konnte ihre Hand so fest in das cellophanartige Gewebe krallen wie sie wollte, die rechte Hand glitt jedes Mal ab wenn sie daran zog. Der Aftermund färbte sich dunkelrot unter der Anstrengung. Inzwischen schrie Elli wie am Spieß. Warum hatte ihr nie jemand gesagt, dass Marder Menschen fressen?
Schreiend rannte sie, den Wurm an die Wand schlagend in die Kochecke und drehte ihren Gasherd auf, zündete mit dem Ticker die Flamme und hielt den Wurm über die Flamme. Sofort wand sich das Biest, eines der Eier platzte auf und im Schmerzkrampf drückte der Aftermund in das Fleisch von Ellis Arm. Blut spritzte in übertrieben grotesker Menge aus der Wunde, besudelte in Sekundenschnelle Elli und die Küche. Das Feuer ließ den Wurmschlauch allmählich verkohlen. Die zerstörten Eier zerflossen in faserigen Schwaden im Körper des Dings. Ohne zu sehen blickte sie an die Zimmerdecke, schlug den Arm auf das Feuer und stampfte mit den Beinen auf den Boden so fest sie konnte. Sterne tanzten wilden Reigen vor ihren Augen und schwarz kroch von den Seiten über ihr Blickfeld. Fegefeuer.
Dann war der Schmerz weg. Ellis schreie erstarben. Sie blickte langsam an ihrer Schulter herunter und starrte, ohne entsetzt zu sein, auf den Stumpf ihres abgetrennten Armes, um den noch immer der quaddelige Aftermund des Marders geschnürt war. Er band die Wunde ab.
Ihr Blick wanderte zum Herd.
Darauf lag der Wurmkörper - reglos. Zeitlupenartig griff ihre verbliebene Hand zum Herd und stellte das Gas ab, wanderte weiter zur Besteckschublade und zog daraus ein Messer hervor, glitt wieder zurück zur Leiche des Schwarzeierwurms und schnitt eine Scheibe des gegarten Wesens ab. Eins der heilen Eier kullerte heraus. Sie nahm es, betrachtete es – und biss hinein.
Als ihre Zunge etwas wie heiße Margarine schmeckte, begann sie ihre Zähne tiefer hinein zu graben und kaute auf dem Bissen herum. Sie schluckte. Dann nahm sie ein Brotmesser aus der Schublade und sägte sich eine weitere Scheibe von dem toten Ding herunter, pulte das Knochenstück ihres Armes heraus, schob sich den Bissen in den Mund und begann zu kauen.
 

http://www.webstories.cc 08.05.2024 - 13:41:00