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Kleidung kaufen

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© Sven Wilhelm Busch   
   
Es gibt Dinge, die lassen sich vermeiden und man tut es meistens auch. Dinge wie mit der Gabel in die Steckdose pieksen oder einem Bus voll besoffener Schalke-Fans mit einem Dortmund-Schal zuzuwinken. Dann gibt es Dinge die eine genau so große Lebensbedrohung darstellen, wie Lawinen, Erdbeben, Vulkanausbrüche und nicht zu vergessen - mit der Freundin einkaufen.

Gestern war es wieder soweit. Es musste sein. Also seufzend angezogen und ab in die Herner Innenstadt zu C&A, was an sich mal wirklich ein bekloppter Name für einen Laden ist. Aber egal. Schon auf dem Weg dorthin wurde aus dem sonst recht monotonen und gleichmäßigem Bewegungsmuster meines Engels plötzlich ein hibbeliges und hektisches, ja kaum zu haltendes Dahinrasen. Ihre Augen leuchteten unheimlich und als wir endlich drin waren, hatte ich einen Moment lang die Befürchtung dass das Gesicht von nun an so stehen bleibt. Blieb es aber Gott sei Dank nicht.

Als erstes wurde das Geschäft inspiziert. Was steht wo? Dazu schaut man am Besten auf die Tafel an der Rolltreppe und rennt dann trotz allem den ganzen Laden ab. Nach einer Zeitspanne, in der ich persönlich den ganzen Wocheneinkauf geregelt hätte, schaltete meine Angebetete vom Aufklärungsmodus in den Angriffsmodus um. Sie holte tatsächlich eine Jeans aus dem Regal. Und dann noch eine. Ein liebevoller Hundeblick hypnotisierte mich die Dinger zu tragen. Zur Umkleide. Während sie sich in der Engen Kabine umzog, setzte ich mich auf einen schicken schwarzen Ledersessel. Er war gemütlich. Und auch wenn ich Jacke und Schal meines Schatzis auf dem Schoß hatte, dieser Sessel war eindeutig für die Männer dort aufgestellt. Der Verkaufsleiter musste ein Mann sein. Dieser Sessel symbolisierte "Setz dich, mein Junge - Sie brauchen um sich umzuziehen. Ruh deine Füße aus. Wir leiden mit dir."

Dann kam mein Schatzi in einer braunen Hose aus der Umkleide marschiert und wollte wissen, wie sie ihr steht. Ein nahezu erregtes Grinsen auf dem Gesicht. "Ähm... joa... ich denke sie passt..." - Kichernd verschwand sie wieder um die nächste Hose auszutesten. Gerettet. Noch hat sie so viele Endorphine im Blut, dass ich mit solchen Kommentaren weiter komme. Zufrieden strich ich über die Lehne dieses unglaublich gemütlichen Sessels und schaute auf die Jacken, die in einiger Entfernung dort standen. Ich beobachtete ein kleines Kind, welches auf einer Art Podest mit Geländer herumkletterte. Ich frage mich, wofür dieses Ding gut sein sollte. Die Mutter des Kindes fragte sich, wofür das Kind gut sein sollte. Ständig zog es das Kind weg, welches ebenso ständig auf das undefinierbare Etwas kletterte.

WUUSCH! - Das Vorhangsrauschen brachte eine Vorbotschaft. So leicht lässt sie sich jetzt nicht mehr abwimmeln...

"Schaaatz? Wie findest du die?"

Innerhalb von Sekunden ging mein Gehirn die letzten 3 Monate und alles was sie über Ihre Klamotten gesagt hatte durch. Mir musste ne gute Antwort einfallen. Dann kam die Erleuchtung!

"Scheuert die nicht zwischen den Beinen?" - "Nee, die ist voll gemütlich! Hihihi!"

Heißt, ihr gefiel sie - und was viel wichtiger ist - die Gegenfrage war gut - jetzt nicht nachlassen! Riskier was!

"Also, mir gefällt die wunderbar. Sogar noch besser als die Andere!" - "Ja, mir auch! Hihihi!"

WUUSCH! - Weg war sie. Ich habe die erste Runde überlebt! Ich war der Held. Ich lehnte mich in meinen Heldensessel und lächelte.

WUUSCH! - Da stand sie wieder. Dass ging schnell. Interessanterweise muss neue Kleidung irgendwie wohl irgendwie schwerer anzuziehen sein, anders kann ich mir den Umstand nicht erklären. Na ja egal.

Zu meiner Freude hängte meine Freundin die braune Jeans wieder weg. Zu meinem Leid bekam ich, zusätzlich zu Jacke und Schal, die ich immer noch trug, eine blaue Jeans in die Arme gedrückt. Weiter ging es zu den Pullovern. Und es drängte sich ein Fachgespräch auf - jetzt hieß es wachsam sein, gut ausweichen!

"Meinst du die hier?" - "Sehen doch schön warm aus..." - "Ja, aber die sind aus so einem Stoff, glaube ich, in dem man immer schwitzt..."

MOMENT! Bei 30 Grad im Schatten friert sie, aber in diesem Pullover würde sie schwitzen? Dass glaube ich nicht! Dieses Experiment musste gemacht werden!

"Du fährst doch bald nach Prag, da kannst du den doch anziehen - dort ist es kalt..." - "Hm... ich probier den einfach mal an"

Jippie - Ich komme zu meinem Sessel!!!

Diesmal saß ich dort mit Jacke, Schal und der soeben auserwählten Jeanshose. Gemütlich beobachtete ich wieder die Umgebung, während mein Schatzi in einer Umkleidekabine das physikalische Wunder anprobierte. Ein junger Mann, so um die 16, setzte sich auf einen Sessel neben mir und keine 5 Sekunden später hörte man seine Freundin keifen.

"Steh da auf, du bist unmöglich!" - "Was denn, die sind zum hinsetzen da!" - "Steh auf da!" - "Nein, du guckst doch da! Ich bin schon den ganzen Tag gelaufen" - "Und wenn ich jetzt weiter gehe?" - "Dann komme ich irgendwann hinterher" - "Ooohhh! Du bist unmöglich!"

Und sie tappte von dannen. Mein Leidensgenosse war mir sehr sympathisch und ich grinste in mich hinein. Er schaute mich an und meinte "Was denn?!? Ist doch wahr!" - "Ist schon richtig so, bleib hocken, die kriegt sich schon wieder ein".

Ich kam mir vor wie der Weise Mann vom Berge, der den jungen Männern von Morgen erklärt, wie die Frau tickt. Ich kam mir gut vor. Wir lächelten uns an.

WUUSCH! - "Schaahaaatz?" - "Jaahaa?"

Der junge Typ grinste und begann die Suche nach seiner Freundin zwischen den Wintermoden. Er litt sichtlich mit mir.

"Hier guck mal..."

Oh mein Gott! Was war dass denn? Darin sah sie aus wie eine Salami frisch in Kunstdarm gepresst!

"Hm... ein bisschen eng, oder?" - "Ja, denke ich auch..."

WUSCH! - Weg war sie.

Nach einem kurzen Aufatmen stand sie auch schon wieder vor mir. Meine Theorie mit den neuen Sachen schien sich zu bestätigen.

Gott sei Dank legte sie den Pullover wieder weg. D
 

http://www.webstories.cc 08.05.2024 - 08:34:10