... für Leser und Schreiber.  

Lovely Rita

3
4 Stimmen
   
© Holly Parker   
   
Als ich Rita kennenlernte, war sie mir eigentlich total egal. Sie sah nicht besonders toll aus und auch ihr Lachen war seltsam. Sie lachte, aber irgendwie blieb alles an ihr ruhig ausser ihr Mund. Ihre Augen waren so traurig.
Ich wollte nie etwas mit so einem Menschen zu tun haben.

Ich weiss nicht wie, aber sie hat es geschafft, mich tatsächlich zu einem Treffen zu überreden. Wir trafen uns also an einem anderen Ort als in der Bank, wo ich arbeite, und sie ein Mal in der Woche zum Geld beheben hinkam.
Ich bin auch nicht gerade ein Schönling, nein wirklich nicht, aber ich weiss, wie die Frau aussehen soll, mit der ich den nächsten Lebensabschnitt verbringen will.
Ich meine, ich bin 29, da muss ich nicht viel an die Zukunft denken, aber trotzdem wissen, was ich will.
Als ich sie das erste Mal sah, lief sie beim Rausgehen in die Glasscheibe neben der eigentlichen Tür. Ich dachte mir nur, oh mein Gott, die muss ja total bekloppt sein.
Beim 2. Mal verlor sie sämtliche Kontoauszüge hinter meinem Tresen, keine Ahnung wie sie das geschafft hat, und ruinierte im selben Handgriff noch ihre Sonnenbrille, indem sie sie auf den Boden fallen liess und darüber stolperte.
So ging das immer weiter. Ich dachte mir ja schon, dass sie vielleicht etwas nervös sei, noch dazu war es ja heiss und meine Kollegen lachten nur darüber, dass sie immer zu meinem Schalter kam und sich dort so seltsam benahm.
Trotzdem war es mir irgendwann egal. Ich stufte sie halt einfach unter bescheuert ein. Dann kam sie circa einen Monat nicht und bei ihrem ersten Besuch sah mir tief in die Augen – ja allen Ernstes! – und fragte mich, ob ich mit ihr was trinken gehen will.
Ich war ziemlich baff und meinte „Ja wieso nicht“. Ich ging gleich nachher eine rauchen, war ja schon etwas seltsam. Mein Kollege Peter lachte nur und meinte „Die ist sicher eine Stalkerin oder so. Ich würd aufpassen“.

Rita war eigentlich total schön, wenn man näher hinsah. Ihre Augen waren wahnsinnig faszinierend und ihr Haar fühlte sich gut an, ihre Haut war immer weich und roch immer gut. Ich weiss nicht, wie ich sie beschreiben soll.
Als ich das erste Mal neben ihr einschlief, nahm sie meine Hand, legte ihre in meine und schloss ihre Finger so um meinen Daumen wie ein Baby. Fast so, als würde sie Schutz brauchen. Aber Rita brauchte niemanden, der sie beschützte. Sie tat aber ziemlich gern so. Dafür liebte ich sie.
Sie war unglaublich. Aber als sie mir sagte, dass sie krank sei, begann ich sie zu hassen. Ja, sie wusste es selbst erst seit kurzem. Trotzdem fand ich das einfach ungerecht. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen.
Aber eines Tages war sie weg. Sie kam auch nicht mehr in die Bank. Sie war einfach weg. Ich habe nie ihre Familie kennengelernt, kannte nur wenige ihrer Freunde, in ihrer Wohnung machte niemand auf und ihre Telefonnummer existierte nicht mehr.
Und ich weiss nicht, wieso.
 

http://www.webstories.cc 29.04.2024 - 11:06:52