... für Leser und Schreiber.  

Verboten!

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© Tina Delight   
   
„Wenn das Leben dir ein Körnchen Glück hinwirft, heb es auf. Ehe das nächste dumme Huhn es dir weg nimmt!“

I.Familie

Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Das Zimmer war in ein leichtes Licht getaucht, der Sonnenstrahl der durch das kleine Fenster einfiel wirkte milchig, voll von kleinen Staubpartikeln.
Noch ganz verschlafen rieb ich meine Augen, die Sicht etwas versperrt von der dicken Federdecke die mir vorkam wie ein warmes Nest.

Ich rollte mich auf die Seite, streckte meine Gliedmaßen und blickte mich in meinem kleinen Zimmer um. Alles schien wie immer und doch gleichzeitig so anders.
Gedankenfetzen schossen durch meinen Kopf, kurze Bilderfolgen die mir Stossweise den vergangen Abend ins Bewusstsein zurück holen wollten.

„Noch nicht“, dachte ich mit einem kleinen Anflug von dem kribbeligen Bauchgefühl, welches mich gestern Nacht stetig begleitet hatte.
Wie spät war es jetzt? Das Zeitgefühl hatte sich noch nicht eingestellt und so blickte ich, Gedankenverloren, aus meinem Zimmer durch den langen Flur aus der Terassentür in den Garten.
Die Sonne stand noch nicht sehr hoch, so dass unser grosser Garten zur Hälfte in dunkle Schatten getaucht war.

Ganz still lag ich in meinem Bett, horchend auf jedes Geräusch das die Anwesenheit meines Vaters bedeuten konnte.
Wie sollte ich ihm verheimlichen, was letzte Nacht geschehen war? Konnte er es nicht direkt meinem Gesicht ablesen, das etwas anders war?
Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht und ich sprang mit einem Schwung aus dem Bett.
In dem Moment trat mein Vater in den Flur, wohl im Begriff mich zu wecken.
„Ach, guten Morgen Mel. Wollte dich gerade wecken, das Frühstück ist fertig.“ Er lächelte und seine blauen Augen blitzten vor Freude.
Seit meine Eltern sich getrennt hatten und ich mich dazu entschieden hatte einige Zeit bei meinem Vater zu leben, war ihm deutlich anzumerken das er aus seiner Starre erwachte.
Die Trennung von meiner Mutter machte ihm schwer zu schaffen, doch es war ihm ein Trost nicht seine ganze Familie verloren zu haben.
„Ich komme sofort. Hast du Eier gemacht?“

Ich liebte dieses Leben. Mein Vater war alles andere als streng und dennoch fürsorglich, jeden Tag während der Ferien stand er in aller Frühe auf um frische Eier aus dem Stall zu holen und das Frühstück fertig zu machen.
Er mochte es nicht sonderlich, wenn ich den Tag verschlief. Ich wusste aber nie genau, ob es daran lag das er die Zeit mit mir verpasste oder ob er so lange leise in seinem Haus sein musste.
Er liess mir soviel Freiraum wie ich brauchte und stand doch hinter mir, wenn es Probleme gab.

Ich sprang unter die Dusche um auch den letzten Rest des Schlafes los zu werden, doch das heisse Wasser und die eintretende Klarheit in meinem Kopf liessen abermals diese kleinen Bilderfolgen und Gedankenblitze zu.
War das alles wirklich geschehen? Was wirklich ich das gewesen? Was genau war letzte Nacht passiert und wie würde ich heute dazu stehen?
Ganz leicht schüttelte ich meinen Kopf um die Gedanken zu vertreiben, meine nassen Haare blieben an den Wangen kleben.
Den Tag musste ich rum bekommen, ohne allzu deutlich werden zu lassen das meine Gedanken sich nur um eines drehten.
Doch wie?
Ich beschloss direkt nach dem Frühstück raus zu gehen, mein Pony zu schnappen und einen langen Ausritt zu wagen.
Nur so konnte ich ungestört meinen Gedanken nachhängen und versuchen zu ergründen, was ich tun sollte.
„Alles ok?“ mein Vater zog die Augenbrauen leicht zusammen, während ich abwesend am Küchentisch sass und in ein Brötchen biss „Du bist so still.“
„Hmm... ja, alles gut Paps. Ich habe nur gerade überlegt, welchen Weg ich heute reiten sollte.“
„Bitte reite nicht zu weit ins Moor, es hat in den letzten Tagen geregnet.“
Ich nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Teetasse, stand auf und warf meinem Vater einen bittenden Blick zu.
„Jaja, geh schon. Ich mache die Küche sauber.“
„Danke Dad, ich bleib nicht zu lange weg.“
Mit einem Rutsch nahm ich meine Weste, zog die Stiefel über und marschierte eilig die lange Auffahrt hoch.
Bis zum Stall waren es nur ein paar hundert Meter, mein Pony war schnell gesattelt und dennoch schien die Zeit still zu stehen.
Viel zu lange dauerte es, bis die mir nunmehr vertrauten Bilder und Gefühle durch den Körper zuckten. Wie kleine elektrische Schläge die ich herzlich begrüsste.
Allein hier, ohne vernünftig sein zu müssen und das verantwortungsbewusste Mädchen zu mimen, liess ich all die neuen Gefühle und Gedanken zu. Empfing sie mit offenen Armen und schloss sie fest in mein Herz.
Mein Kopf wehrte sich noch gegen diese Empfindungen, schalt mich naiv zu sein, und es nicht wahr sein durfte. Und dennoch schien es doch durch alle Fasern meines Körpers und jedem Partikel meiner Haut zu scheinen.
Die Gewissheit war so beängstigend wie klar, der klarste Gedanke der je in meinen Hirn platz gefunden hatte war:
Ich liebte!
 

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