... für Leser und Schreiber.  

Verboten

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© Tina Delight   
   
II. Erkenntnisse
Mit einem schnellen Galopp und dem kühlen Wind in meinem Gesicht versuchte ich meine Gedanken im Zaum zu halten.
Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen trat und mein Haar im Wind zerzaust wurde, genoss das Gefühl frei zu sein.
Im Grunde ein eher stiller Mensch, der taxierend in einer Gruppe Menschen stand, unauffällig. So sah ich mich, so fühlte ich mich.
Keine grosse Schönheit, eher eine zu gross geratene, grobmotorische Teeniegöre.
Für mein Alter vielleicht sogar schon zu alt, in meinem Kopf schien es jedenfalls anders zu laufen als bei anderen 16jährigen Mädchen.
Abgesehen von der Reiterei vermied ich sportliche Aktivitäten, schien ich doch weder meine Arme noch meine Beine unter Kontrolle halten zu können.
Was mich aber wohl am meisten ausmachte war die Tatsache, dass ich „everybody´s Darling“ sein musste. Obwohl ich bei vielen Menschen das Gefühl hatte, das ich ihnen die Meinung ins Gesicht schreien müsste, keine positive Meinung, hielt ich hinterm Berg damit.

Verborgen hinter blauen Augen und langen blonden Haaren, hinter der Fassade einer annehmbaren Figur schlummerte ein unsicheres Mädchen, welches das Gefühl hatte nicht in diese Welt zu gehören.
Gegen all das versuchte ich zu rebellieren.

Sowie ich bei meinem Vater eingezogen war, suchte ich mir neue Freunde und fand die wohl verrufenste Truppe. Wobei es in unserem Dorf überhaupt nicht verwunderlich war, das eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sofort einen schlechten Ruf genoss.
Schnell fand ich meine beste Freundin und auch Jungs, welche über Freundschaft hinaus an mir interessiert waren. Diese warfen keinen Blick hinter meine Fassade und sahen in mir nur das vorlaute, kokettierende Mädchen.
Hin und wieder liess ich einen der Jungen an mich heran, machte meine ersten Erfahrungen die über Händchenhalten hinaus gingen.
Nie fühlte es sich richtig an. Nie fühlte es sich so an wie jetzt.

Ich konnte dieses Gefühl nicht anders beschreiben, als mit dem Wort Liebe.
Und selbst dieses große Wort schien zu klein zu sein um alles was ich an diesem Morgen empfand, greifen zu können.
Es zusammen zu fassen und zu beschreiben.
Alles fühlte sich richtig an, als wäre es nie anders gewesen. Stille Übereinkunft über etwas, was wohl niemals hätte anders kommen können.
Schicksal.

Wieder Zuhause angekommen fasste ich einen Entschluss. Obwohl es nicht sein durfte, obwohl es gegen jede Vernunft war wollte ich heraus finden ob die Erlebnisse des Vorabends mir ein falsches Bild vermittelt hatten, oder ob ich wirklich mein Schicksal gefunden hatte.
Urplötzlich hatte ich es eilig nach Hause zu kommen, in der Hoffnung den Abend vor meinem geistigen Auge nocheinmal erleben zu können.

Mit meinem Tagebuch bewaffnet sass ich auf meinem kleinen Bett, im Haus herrschte eine grausame Stille die es mir unmöglich machte meine Gedanken und Gefühle im Zaum zu halten.
Mein Stift huschte über die Seite, schrieb ohne das mein Kopf den Befehl dazu gegeben hätten.
Meine Augen sahen nicht, was sich auf dem Blatt abzeichnete meine Augen sahen in deutlicher Klarheit noch einmal den gesamten Verlauf des Abends.

Eigentlich war es ein Abend wie immer.
Eine kleine Gruppe unseres Freundeskreises traf sich, wie beinahe jeden Abend, an der einer kleinen Hütte.
Die Hütte befand sich direkt an einem Fluss, über den eine Holzbrücke zu einem kleinen Pfad führte welcher dann an einem kleinen See endete.
Es war eine lockere Versammlung, gesplittet in Zweier oder Dreiergruppen, die sich unterhielten.
Ich stand mit einer Freundin, Valerie, etwas Abseits und nippte an einem Bier, ohne wirklich ihren Planungen für das Wochenende zu folgen.
Stattdessen lauschte ich der Gruppe, die in kurzer Entfernung von uns stand und sich... offensichtlich... über uns unterhielten.
Es waren drei der ältesten Jungs, die unserer Clique angehörten. Auch für sie war ich bisher nur das vorlaute Mädchen, das man aufgrund ihres Alters und ihrer Naivität necken konnte.
Die Fassade konnte mir durchaus nützlich sein.
„Valerie, entschuldigst du mich bitte mal?“ Gerade an diesem Abend hatte ich keine grosse Lust wieder das Objekt der Lächerlichkeiten zu sein.
„Hey... Marcus, Daniel, Hendrik, was gibt´s?“ meine Stimme klang gereizt, als ich mich den Dreien zuwandte.
Bisher hatte ich nicht viel mit den älteren unserer Gruppe zu tun gehabt und so war mir nicht bewusst, dass mein Verhalten auch bei ihnen für Aufsehen sorgte.
Wir wechselten ein paar Worte, die kleinen Seitenhiebe der drei entgingen mir nicht, doch ich behielt mein bekanntes Verhalten bei.
Ein bisschen Naivität gepaart mit einer ziemlich grossen Klappe.
Der Älteste der Gruppe, Daniel, blieb am hartnäckigsten dabei mich zu reizen.
Noch fiel mir nicht auf, wie seine Augen strahlten. Mir fiel noch nicht auf, wie weich seine Haut zu sein schien und wie voll seine Lippen wirkten.
Wie deutlich sich seine Oberarme durch das Shirt abzeichneten und wie gebräunt seine Haut war.
Ich merkte auch nicht, wie sehr sein Lächeln mir zu gelten schien, mehr als es die kleine Stichelei begründen könnte.
Ich wusste nichteinmal mehr, ob ich jemals zuvor ein Wort mit ihm gesprochen hatte oder ob dies der erste Abend an dem er mir auffiel.
Ich war verärgert über die Neckereien. Warum hielten sie mich für so dümmlich? War es nicht offensichtlich, das ich eine Maske trug? Oder trug ich sie nun schon so lange, das sie zu mir geworden war?
Daniel warf mir einen blöden Spruch an den Kopf, welcher auf meine Großmäuligkeit und der fehlenden dazu passenden Handlungen zielte.
„Klar, grosser Mund und nichts dahinter.“ Grinste er mich frech an.
Dem mussten Taten folgen, und so reagierte ich etwas überzogen als meine Hand vorschnellte und sich in seinem Schritt verkrallte. Ich trat noch einen Schritt näher an ihn heran.
„Ach ja?“ Blitzte ich und erfreute mich über sein schmerzverzerrtes Gesicht.
Mein Gesicht glühte rot vor Wut und ich versuchte mich an einem Lächeln, das sowohl Überlegenheit als auch meine Gleichgültigkeit widerspiegeln sollte.
Marcus und Hendrik prusteten los und klopften Daniel auf die Schulter, nachdem ich mich umgedreht und ihn mit Nichtbeachtung strafte.
Erst sehr viel später fiel mir auf, dass Daniel sich von uns allen entfernt hatte und nunmehr allein auf einer kleinen Bank sass, gleich am Anfang des dunklen Pfades.
Wenn ich jetzt in meine Gedanken versunken war, fühlte es sich so an, als hätte er auf mich gewartet. Als zöge sein Blick mich an.

Das Telefonklingeln zog mich aus meiner Starre. das Tagebuch fiel klappernd zu Boden, als ich schnell zum Telefonhörer sprang.
„Lessing?“
“Mel, ich bin´s. Was war gestern Abend los, du warst so schnell verschwunden?“ Valerie klang aufrichtig besorgt.
„Ah, hey Valerie. Nichts war los, ich war plötzlich sehr müde und bin Heim gegangen.“ Ich versuchte so locker wie möglich zu klingen, doch Valerie schnaubte. „Klar, erstaunlicher Weise war Daniel aber auch verschwunden. Komm schon, Mel. Was war los? Habt ihr euch gestritten?“
Ich konnte mir ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Gestritten...
„Nein, Val. Aber ich glaube ich habe überreagiert. Du, lass uns später reden, wir treffen uns an der Hütte.“
Valerie schien kurz nachzudenken, doch dann antwortete sie in ihrem üblichen Plauderton.
„Um acht, wie immer?!
„Um acht!“
Vor dem Bett lag mein Tagebuch, als ich es aufhob schlug die Seite auf, auf der ich gerade noch geistesabwesend gekritzelt hatte.
Ein Name prangte auf der Seite.
Daniel.
 

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