... für Leser und Schreiber.  

Hautveränderung

31
31 Stimmen
   
© Robert Zobel   
   
Meine Haut fühlte sich so merkwürdig an. So, als würde noch eine Schicht darauf liegen, aber doch kein Fremdkörper sein. Eine weitere Epidermis irgendwie, die erst einmal eingefühlt werden muss.
Ich hab es das erste Mal bemerkt als ich mir übers Gesicht gefasst und nur noch die Hälfte gespürt habe. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade die Grippe hatte, hab ich dem nicht so viel Gewicht gegeben, weil man ja in der Krankheit auch verschiedene Symptome aufweist. Eine meiner Symptome war damit ein verändertes Hautgefühl und fertig. Als ich aber auf Grund dieser Sache keinen mehr hochbekam und auch für Masturbierzwecke keine Lust aufbringen konnte wurde es kritisch.
Nun, sechs Monate nach meiner Krankheit, bin ich der einzige Überlebende der Schweinegrippe. Ich existiere immer noch in Lüneburg, plündere die Geschäfte und füttere Rehe und Wölfe aus meinem Fenster heraus.
Anders als bei den übrigen Menschen hat sich mein Körper mit der Schweinegrippe wohl arrangiert. Die Hautveränderung zum Beispiel war der Übergang von normaler Haut zur Schwarte. Ich wiege nun statt 78 Kilo 170 Kilo und verdanke das alles dieser dicken Haut.
Ich sehe auch nicht mehr so gut aus, aber dafür ist mir nicht so kalt und ich kann die Pizza mit der bloßen Hand aus dem Herd nehmen.
Wirklich schwierig ist für mich immer noch der hier herrschende Gestank. Die toten Menschen liegen ja noch überall herum und die wilden Tiere können gar nicht so viel fressen, wie sie fressen könnten. Meine Nase ist nun zu keiner Schweinenase geworden, aber ich rieche trotzdem besser. Das schreibe ich mal den fehlenden Autoabgasen zu und wenn ich heute in die Zeitung von vor 6 Monaten schaue kann ich auch nur lachen. Erdölknappheit? Quatsch, für mich reicht das noch alle Mal.
Eigentlich geht mein Leben nun weiter wie bisher. Ich hab auch einen Ersatz zur menschengängigen Masturbation gefunden. Ich muss mich mit meinem Unterkörper einfach an festen Sachen kratzen. An Bäumen zum Beispiel oder an Hausecken. Übrigens brauch ich mich dazu nicht einmal entkleiden, denn durch die Schwarte ist Kleidung für mich zum Fremdwort geworden.
Der Fernseher geht nicht mehr und das liegt nicht am Strom. Notstromaggregate habe ich genug gefunden. Die Sender haben einfach nichts mehr zum Senden. Also keine Menschen zum Beispiel. Gibt aber genug DVDs um medial über die Runden zu kommen und viel schöner als vor dem Fernseher zu sitzen ist es eh in fremde Wohnungen einzubrechen und die Geschichte der Menschen auf einen wirken zu lassen. Das ist wie süße Detektivarbeit. Ich blättere fremde FotoAlben durch, lese Tagebücher und hab nun ein viel intimeres Verhältnis zu Menschen als vorher. Manchmal bin ich sogar traurig darüber, dass ich ganz alleine bin, aber fühle mich nun mit der Natur und der Erde wirklich im Einklang. Das ist im Moment viel wichtiger. Davon war vor Monaten auch noch die Rede. Also ich meine, als die Leute noch alle da waren, aber wie soll man Einklang mit der Erde bekommen, wenn man viel zu „viel“ Menschen ist und ihr dadurch schadet?
Schlussendlich wird sich Gott schon etwas dabei gedacht haben, dass er mich zu einem schweinähnlichen Menschen gemacht hat. Ich scheue nur noch den Kontakt zu echten Schweinen. Wahrscheinlich soll ich aber gerade die mit meinem Teil Vernunft implizieren um einen neuen Versuch hier an intelligentem Leben zu starten. Eine andere Theorie hab ich nicht und mittlerweile wird meine Abscheu gegen Säue echt geringer. So, als würde sich mein Körper und damit auch mein Geist weiterentwickeln.
 

http://www.webstories.cc 26.04.2024 - 15:45:26