... für Leser und Schreiber.  

Verboten Teil IV

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21 Stimmen
   
© Tina Delight   
   
IV. Wiedersehen

„Wie war dein Tag, Dad?“ Mein Vater war gerade zur Tür herein und streifte sich die Schuhe ab.
„Gut, viel zu tun.“ Brummte er mir entgegen, es war eigentlich sinnlos am Abend zu versuchen mit meinem Vater ein Gespräch zu führen.
Er freute sich auf ein warmes Essen, das Sofa und die Sportschau im TV.
Wir aßen schweigend, doch es war keine unangenehme Stille. Ich mochte die Tatsache dass mein Vater mich nie drängte ihm aus meiner Freizeit zu erzählen. Ihm genügten die Erzählungen aus der Schule und von meiner Stallarbeit.
Vielleicht war es ihm ganz recht dass seine Jugendliche Tochter ihm nichts von Jungs erzählte.

„Gehst du heute Abend noch aus?“ Ich schaute kurz starr aus dem Küchenfenster, als mein Vater die Frage an mich stellte.
„Hm, vielleicht mit Val kurz raus.“ Das war wenigstens die halbe Wahrheit, denn sicherlich würde Val heute Abend schon ungeduldig auf mich warten, während meine Gedanken doch um etwas anderes kreisten.
„Ok, ich geh heute früh ins Bett. Mach du bitte nicht so lange und vor allem...Mel... kein Alkohol!“ Ein kleines Zwinkern gab mir zu verstehen, dass er es nicht so ernst meinte, wie er es sollte.

Am Abend stand ich unentschlossen vor meinem Kleiderschrank, was sollte ich nur anziehen?
Legér in Jeans und Shirt oder doch schick mit Rock und Top? Was würde ihm besser gefallen? Worin würde ich ihm mehr auffallen?
Leise lächelte ich in mich hinein. Was für Gedanken sich da urplötzlich in meinen Kopf drängten, keinen Platz mehr lassen wollten für andere Dinge... scheinbar war alles andere unwichtig geworden und es gab nur noch einen Fixpunkt in meinem Leben. Der Grund, warum mein Herz mit voller Kraft gegen meine Rippen hämmerte wenn sein Name durch meine Gedanken zog oder ich sein Gesicht vor mir sah.
Ich zog unwillig meine Lieblingsjeans und ein hellgraues Langarm-Shirt aus dem Schrank und verzog mich ins Bad.
Ehe ich mich mit Stilettos und Röckchen auf die Nase legte und mich so zum Gespött der ganzen Gruppe machte, schlüpfte ich doch lieber in ein allbekanntes und bequemes Outfit.

Val konnte natürlich keine zwei Minuten warten und lief mir schon ganz aufgeregt entgegen, als ich auf den Treffpunkt unserer Clique einbog.
„Mel, da bist du ja endlich. Ich habe gewartet und Jennifer ging mir auf die Nerven, du musst mich retten und vor allem.... du musst mir jetzt endlich sagen was los war.“
„Valerie jetzt lass mich doch erstmal ankommen. Ist was zu trinken da?“ Noch hatte ich keine Ahnung welche Geschichte ich Val auftischen sollte, so dass sie mir auch glaubte. Ich zog mir etwas zu trinken aus der Kühlbox und setzte die Flasche an meine Lippen. Während ich ein paar kräftige Schlucke nahm, wanderte mein Blick suchend über den Platz. Er war noch nicht da.
Val zupfte an meinem Ärmel und begehrte nun endlich ihre Antworten.
Na schön. Ich seufzte tief und ging ein paar Schritte.
„Val, ich weiß nicht was du hören willst aber da war nichts. Ich habe überreagiert, bin mich entschuldigen gegangen und dann bin ich nach Hause.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen und rollte die Augen.
„Und das soll ich dir abkaufen? Ich hab doch gesehen dass ihr auf der Bank gesessen habt. Du und David, da läuft doch was.“
Ein kurzes, hysterisches Lachen drang aus meiner Kehle, die sich plötzlich sehr trocken anfühlte. Ich nahm noch einen kräftigen Schluck aus meiner Flasche.
Ja? Lief da etwas zwischen mir und David? Ich war mir urplötzlich nicht mehr so sicher, vielleicht hatte ich das alles doch nur geträumt? Vielleicht würde er sich gar nicht mehr daran erinnern wollen?
Ich keuchte auf. „Nee, echt Val... du hast eine großartige Phantasie. Ja, wir haben dort gesessen, weil ich mich entschuldigt habe. Wir haben uns ein paar Sätze lang unterhalten dann bin ich gegangen. Was er gemacht hat, weiß ich nicht. Muss ich mich nächstes Mal vielleicht bei dir abmelden?“
Mein Ton klang sicher gereizter als es angebracht wäre, doch mir fiel es schwer eine Freundin anzulügen. Vor allem da ich selber doch noch so verwirrt und verunsichert war.
Valerie zog ihre Stirn kraus und musterte mich einen Augenblick lang. „Na schön. Ich verstehe zwar nicht warum du so zickig bist, aber wenn du meinst.“
Sie schien ernsthaft sauer zu sein, doch ich hatte keine Luft mehr übrig um noch einen Satz an sie zu richten.
Denn ein großer Orange-farbener Transporter bog auf die Einfahrt. Mit einem Augenblick raste mein Herz hinauf bis zu meinem Hals und ich konnte nahezu fühlen, wie meine Pupillen sich weiteten.
Er war da.
Meine Augen nahmen jedes Detail seines Auftritts wahr, mit welchem Schwung er aus dem Transporter sprang. Wie seine Locken dabei kurz wippten um dann von einer kleinen Brise getroffen, sein Gesicht umwehten. Seine braune Haut, die in kurzen Arbeitshosen und einem T-Shirt wirkte wie dunkler Karamell.
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Gehofft hatte ich wohl darauf, dass er zu mir käme, mich in seine starken Arme schließt und mich nie mehr los lässt.
Absurd, aber mein Innerstes begehrte nach seiner Nähe nach einer kleinen Berührung. Einer kurzen Bestätigung dass ich nicht völlig verrückt war und mir all das nur eingebildet hatte.
Doch statt all der erhofften Szenarien übten wir uns darin, uns zu ignorieren. Ein kurzes „Hallo“, ein verschämter Blick von mir und schon zog der Rest des Abends in einer nicht enden wollenden Qual weiter.
Hatte er mir gerade einen Blick zu geworfen? Zwinkerte er mir zu? Warum hatte ich diesen Kloß im Hals, der sich nicht herunter schlucken lassen wollte?
Am liebsten wäre ich gleich wieder gegangen, zu beschämt um noch eine Minute in seiner Gegenwart auszuharren. Doch mein Körper war nicht dazu fähig sich von ihm zu entfernen.
Wie eine kleine Motte wurde ich von ihm als das Licht angezogen. Es war als wäre er meine Droge und ich brauchte eine Überdosis.
Gerade als der Drang einfach zu ihm zu gehen und ihn direkt anzusprechen nahezu unmenschlich groß wurde, schaute er in meine Richtung.
Was er in meinem Gesicht las, spiegelte sich in seinen Augen wieder. Sein Ausdruck wurde für einen Moment so weich, seine Augen so warm das es mir den Atem verschlug. Dann wandte er sich wieder seinen Freunden zu,
doch nur um sich im nächsten Moment gänzlich zu mir zu drehen und, ich erstarrte vor Schreck, in meine Richtung zu kommen.
Verging die Zeit tatsächlich gerade in Zeitlupe? Hörte jeder um mich herum, wie laut und unregelmäßig mein Herz schlug?
Die Welt schien still zu stehen, die Stimmen um mich herum wurden zu einem undeutlichen Summen, als David langsam hinter mir lang ging und mit seinen Fingerspitzen sanft meine Taille streifte.
Wenn ich jetzt nicht gehen würde, würde ich die Beherrschung verlieren. Ich würde mich ihm an den Hals werfen, meinen Kopf an seine warme Brust drücken und alle Welt wissen lassen das ich IHN liebte.

Benommen folgte ihm mein Blick, dann wandte ich mich Val zu. „Val, ich muss los.“ Kurzerhand und doch mit einem stechenden Schmerz in der Brust weil ich ihn verlassen wollte, ging ich über den Platz, verschwand hinter der ersten Kurve in der Dunkelheit.
Sobald ich mich in Sicherheit fühlte blieb ich stehen, ich brauchte auf einmal dringend mehr Luft.
Vornüber gebeugt, mich auf meinen Knien abstützend rang ich nach Atem und versuchte zu begreifen was mich so schüttelte.
Es dauerte einen Moment bis ich begriff, dass ich schluchzte und mir Tränen von den Wangen tropften.
Mit einem Mal verstand ich die ganze Tragweite meiner Situation. Ich war verliebt... nein... ich liebte ihn. Doch offen durfte es nie werden, denn obwohl ich nicht viel über sein Leben wusste, so wusste ich doch das er Verantwortung zu tragen hatte und die Beziehung zu einem 16jährigen Mädchen alles für ihn zerstören konnte.
Ich würde nie die Frau für ihn sein, mit der er leben konnte. Mit der er glücklich werden konnte.
Nichts konnte ich ihm bieten.
Es war besser, dass ich gegangen war. Ich würde jetzt weiter gehen und versuchen ihn auf Distanz zu halten.
Bei diesen Gedanken protestierte jede Faser meines Körpers, schrie nach seiner Droge.
Doch meine Entscheidung stand fest, jedenfalls in diesem Moment der Klarheit. Ich musste gehen.

„Melinda??“ Seine dunkle, leise Stimme drang zu mir durch. Schnell wischte ich mir die letzten Tränen von den Wangen, atmete tief durch und wollte mich hinter den Büschen verstecken oder wegrennen. Doch wieder quittierte mir mein Körper seinen Dienst und so blieb ich wie angewurzelt stehen.
„Ich hatte gehofft, dass ich dich noch einhole. Du warst so schnell weg... ist alles ok?“ Seine Stimme klang wie Milch und Honig und stillte sofort den Schmerz.
„Ich... ich muss weg.“ Noch klammerte ich mich an meinen Entschluss.
„Okay, ich begleite dich. Ohne dich habe ich hier doch ohnehin nichts mehr zu suchen.“ David streckte die Hand nach meiner aus und lächelte das süßeste Lächeln.
„Weiß nicht, es ist vielleicht besser wenn du bleibst. Ich meine... wenn du alleine bleibst... ohne mich.“ Es auszusprechen war undenkbar, also versuchte ich es ihm anders verständlich zu machen.
„Mel, was ist los? Hast du... ich meine, ist es doch nicht so wie ich dachte? Willst du.... das... nicht?“ Davids Stimme klang nun nicht mehr so fest und stark. Ich wollte ihn in den Arm nehmen, ihm sagen dass er jetzt gerade alles war, was ich wollte und es vermutlich für immer sein würde. Doch das wäre falsch, so falsch.
„Es ist nicht gut.“ Platzte ich heraus.“Ich kann... ich bin nicht genug für dich. Wie soll ich denn, ich meine... wie sollen wir das machen? Wenn es raus kommt? Wenn du alles verlierst, es wäre MEINE Schuld. Ich kann dir das nicht zumuten. Ich bin einfach.... zu jung.“
David zog eine Augenbraue hoch und sah mich fragend an.
„Denkst du nicht, dass ich diese Entscheidung treffen sollte? Ich bin ein großer Junge, Mel. Ich weiß was gut für mich ist und was nicht. Aber du warst schon immer so.“ Ein kleines lächeln umspielte seine Mundwinkel.
„Wie war ich schon immer? Und nein, du kannst das nicht entscheiden, verstehst du denn nicht das ich... und wenn du auch...“
Sanft legte David mir einen Finger auf die Lippen um mich zum Schweigen zu bringen.
„Seit ich dich kenne... und ich hatte dich schon vom ersten Tag an bemerkt... versuchst du die Last der Welt auf deinen Schultern zu tragen. Verantwortung zu übernehmen für alle deine Mitmenschen. Du tust es jeden Tag bei deinem Vater und jetzt.... jetzt denkst du du musst für mich Verantwortung übernehmen. Mel, du bist nicht zu jung... ich glaube du bist vorzeitig gealtert oder so, denn auf keinen Fall denkt eine normale sechzehnjährige wie du. Lass dieses Mal mich derjenige sein, der die Last der Welt trägt... ja?“
Daniel nahm meine Hand und zog mich mit sich. Ohne sich noch einmal umzudrehen ließ er unsere Freunde zurück und ging mit mir in die Dunkelheit.
Er geleitete mich schweigsam nach Hause, auch mir war nicht so sehr nach Gesprächen zu Mute. Wusste nicht, was ich ihm hätte sagen sollen zumal ich selber hin und her gerissen war.
Ich wollte ihn, ich brauchte ihn und doch wusste ich genau dass er einen Fehler beging wenn er mich in seiner Nähe wollte. Hin und wieder musterte er mich von der Seite, seinen Blick konnte ich in der Dunkelheit nicht deuten. Doch stets hielt er zärtlich meine Hand.
„Kommst du morgen zu mir? Bitte?“ Wir standen vor dem Haus meines Vaters und Daniel hielt mich an den Händen.
„Äh, ja. Soll ich meinem Vater sagen, ich sei bei Val?“ Hörte er, wie mein Herz sich gerade überschlug?
Daniel lächelte wieder dieses unwiderstehliche Lächeln, das seine Augen zum Strahlen brachte. „ Vielleicht, also wenn du nichts dagegen hast, sagst du deinem Vater dass du gern bei deiner Mutter übernachten würdest? Die beiden sprechen doch noch immer nicht miteinander, oder?“
Ich biss mir auf die Unterlippe, Daniel war zweifellos in den letzten Monaten sehr aufmerksam gewesen, was mein Leben betraf.
„Nein, kein Wort. Du möchtest das ich, also, ich soll bleiben? Bei dir?“ Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Denn bei all der Offenheit die ich innerhalb unserer Clique demonstrierte war ich doch in DIESER Hinsicht gänzlich ohne Erfahrung.
„Wenn du keine Angst vor mir hast, ja. Ich dachte, wir zwei machen einen Videoabend und... na ja... reden.“ Daniel bedachte mich mit einem warmen, fürsorglichen Blick. Hoffte er darauf dass ich zusagte oder machte er sich gerade Gedanken über meine Gesichtsfarbe?
„Ok, das klingt doch super.“ Sicher klang meine aufgesetzte Coolness nicht annähernd überzeugend.
Daniel gluckste leise, beugte sich dann jedoch zu mir herunter um mir einen kurzen dafür aber nicht minder berauschenden Kuss auf die Lippen zu drücken.
„Gute Nacht Mel, bis morgen. Ich freue mich auf dich.“ Viel zu schnell löste Daniel sich von mir, wandte sich um und ging davon.
Na toll heute Nacht würde ich kein Auge mehr zu machen. Mein Körper fühlte sich an als wären meine Gelenke aus Gummi, und meine Beine gehorchten nur mit Mühe meinem Willen.
Schnell verzog ich mich unter meine Bettdecke, kugelte mich ein und versuchte mich zu beruhigen. Dennoch dauerte es lang, bis ich in einen ruhigen, tiefen Schlaf fiel.
 

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