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Wie werde ich ein Genie (nur ein Satz)

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©  rosmarin   
   
Tagelang schon bin ich in absoluter Hochstimmung, fühle mich wie ein Schöpfer, denke, mit dem Verlegen meines Buches, meiner Schöpfung, bin ich all meine Sorgen, seien sie nun psychischer oder materieller Art, los, ja, ich habe mir mit diesem Buch all meine Probleme regelrecht, im wahrsten Sinne des Wortes, von der Seele geschrieben, weil ich denke, es ist so eine Art Selbsttherapie, eine Art Selbstreinigung, denn irgendwo habe ich gelesen, dies sei die beste Therapie und glaube nun, das Geld für einen Therapeuten oder eine Therapeutin einsparen zu können und außerdem nicht meine Seele bloßlegen zu müssen, obwohl ich dies, wenn ich es richtig bedenke, in meinem Buch ja auch getan habe, wenn auch nicht in diesem ganz persönlichen Maße, da ich als Autorin ja doch ziemlich anonym bin und die künstlerische Arbeit reine Fiktion gewesen sein könnte, jedenfalls im Auge des Lesers, und ich somit überhaupt kein Risiko eingegangen bin und denke nun, wenn ich mein Werk dann endlich in den Händen halte, meinen eigenen Händen, und es sich womöglich sogar bald auf den Bestsellertischen der Buchhandlungen stapeln wird, die Menschen bewundernd davor Schlange stehen und fragen, wer denn um Himmelswillen der begnadete Autor, beziehungsweise in diesem ganz besonderen Falle, die begnadete Autorin sei, dieses Genie, das die Welt nur einmal in hundert Jahren hervorbrächte, und die fieberhafte Suche nach ihm, eben diesem Autor, äh, dieser Autorin, beginnt, ich aber immer noch inkognito auftreten werde, weil ich ja den öffentlichen Rummel überhaupt nicht mag und niemals im Rampenlicht stehen wollen würde, aber mit dem Reichtum, der mir von nun an nur so zufließen wird, also, dem Produkt meines Hirnschmalzes, ich dann endlich ein neues Leben beginnen kann, ein Leben, das mir, dem Genie, ziemt, denn schon der Titel – Wie werde ich ein Genie -, so einmalig und genial er ist, bezeugt dieses, denn mit Büchern – Wie werde ich Nichtraucher – soll man ja auch nach dem Ende der Lektüre in der Tat mit dem Rauchen aufhören können, ja müssen, weil dem Leser dann niemals mehr eine Zigarette schmecken würde, oder ein anderes Beispiel - Wie angle ich mir einen Millionärsmann - , soll ebenfalls gute Ergebnisse hervor gebracht haben, und außerdem bin ich von Natur aus ein Menschenfreund und so kann jeder, der will, aus meinem überragenden Buch lernen und ja, das wollte ich eigentlich sagen, damit die Welt weiß, was sie erwartet, wenn es endlich, und das wird sehr bald sein, soweit ist, und, ach, ja, das ist mein voller Ernst, das sage ich jetzt und hier, ich das Genie in Spee, ach, was sage, schreibe ich denn da, ich bin das Genie, sonst hätte ich diesen inhaltsreichen Text ja wohl nicht in einem einzigen Satz unterbringen können; alles klar?

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http://www.webstories.cc 02.05.2024 - 19:55:32