... für Leser und Schreiber.  

Zweimal eine Realität

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© Robert Zobel   
   
Durch die Bäume laublöste der Wind und warf seine Ernte mit einem Knistern gegen die alte Stadtmauer. Oben auf dieser saß Susann mit verwischter Schminke, roten Strähnen in den blonden Haaren und dünnen Beinchen in Röhrenjeans. Sie weint schluchzend in einen Horizont aus Fingern.

Die Welt zieht sich in Farbstreifen. Es rattert, bimmelt und die Signale springen von rot nach grün und wieder zurück. Eine knarrende Stimme erinnert und hinten am Fenster sitzt ein Junge mit Schirmmütze und einem leichten Lächeln. Seine kleinen Augen blitzen und er scheint zu träumen.

Fußgänger eilen zur Arbeit. Man hört die Tippelgeräusche der Absätze und das Aufbrummen von kalten Motoren. Langsam wird es hell. Sie hat noch nicht geschlafen. Ein paar Mal ist sie weggenickt und wäre beinahe von der Mauer gefallen. Ihr Bauch tut weh und trotz der ersten Sonnenstrahlen zittert sie noch immer.

Thomas steht auf. Er ist soeben an seinem Wohnhaus vorbeigefahren und hat gesehen, dass seine Frau schon wach ist. Er muss aussteigen. Frische Luft strömt ihm entgegen, der Kioskbesitzer stellt gerade die Zeitschriften nach draußen und Thomas erinnert sich daran, dass er morgen unbedingt eine Zeitung kaufen muss.
 

http://www.webstories.cc 25.04.2024 - 06:34:44