... für Leser und Schreiber.  

… oder einfach mal auf IneS hören (Teil 6)

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©  Middel   
   
In der Tür stand, grinsend und in Unterhose, Martin, einer meiner abgefahrendsten Freunde. Wenn man wirklich was Außergewöhnliches erleben möchte – Martin ist der Mann dafür. Erst letzte Woche hatte Martin nach einer Party völlig besoffen angerufen und mir mitgeteilt, ich solle ihn doch aus einer misslichen Lage befreien. Und zwar war er, so teilte er mir mit, in einem Fenster festgeklemmt. Nun sei es an mir, ihn da herauszuholen. Ein typischer Martin-Anruf.
Er hing übrigens fest, weil er sich durch eine viel zu enge Fensterluke zwängen wollte, um einer seiner Kurzzeitbekanntschaften zu entkommen. Leider war er zu benebelt, um zu bemerken, dass selbst für ihn dieses Kellerfenster ein wenig zu knapp bemessen war. Ich holte ihn dann morgens um fünf mit schier unmenschlichen Kräften da raus. Ein paar der Verletzungen, die er sich dabei zugezogen hatte, waren auch jetzt noch zu sehen. Schrammen, blaue Flecke, nichts ernstes – Martin halt.

„Kann es ein, dass wir gestern irgendwas zusammen unternommen haben?“, grinste mich Martin an, als ich an ihm vorbei in meine Wohnung stürmte. „Ich geh mal davon aus“, erwiderte ich und zog ihn mit in die Wohnung, ehe ich die Tür hinter uns schloss. „Egal wer gleich klingelt, du machst nicht auf, okay?“ „Kann ich mir von dir ein paar Klamotten leihen?“ „Ja klar. Aber öffne die Tür unter keinen Umständen, verstanden?“ „Sicher. Was machst du denn?“ „Ich werd' erstmal duschen.“ „Alter, das halte ich für 'ne begnadete Idee, du stinkst wie'n ausgewachsener Puma.“

Zwei Minuten später stand ich unter der Dusche und hörte das Dauerklingeln an der Tür. Zehn Sekunden später hörte ich Martin mit jemandem sprechen. Wiederum zehn Sekunden später stand er in der Badezimmertür und meinte trocken: „Ähm, ich glaube da will wer was von dir.“ Aaaargh!

Kurz darauf stand ich in Bademantel und mit klatschnassen Haaren an der Wohnungstür und verhandelte mit Toto und Harry (oder wem auch immer) darüber, dass ich keine Hilfe brauchte (zumindest keine in der Richtung, die sie mir angedeihen lassen wollten) und dass keinesfalls ich sie hergerufen hätte. Meine liebe Nachbarin stand in gebührendem Abstand hinter den Beiden und schaute mich abschätzig an.
„Wenn es ein Straftatbestand ist, dass ich vor unserm Haus in den Büschen lag, dann bin ich wohl schuldig. Ansonsten möchte ich sie höflichst bitten, mich jetzt in Frieden zu lassen. Dankeschön!“, beendete ich unser nettes Gespräch und schloss vor den völlig verdutzt dastehenden Beamten die Tür.

„Geil, Alter!“, zischte Martin, der direkt hinter mir gestanden hatte. Langsam drehte ich mich zu ihm um. „Warum in Gottes Namen hast du die Tür geöffnet?“ „Ähm“, versuchte er sich rhetorisch zu rechtfertigen, „weil es geklingelt hat?“ Eigentlich ganz logisch. „Scheiße man, dieser Tag hat es echt in sich.“
Während ich mir ein paar Klamotten überzog und einen von Martins Hallo-wach-Kaffees in mich hinein schüttete, fiel mein Blick auf die Wanduhr. „Ich glaub ich weiß wieder, wie ich in deine Wanne gekommen bin.“ „Später, Martin, später. Ich muss schleunigst zur Uni, langsam wird die Zeit knapp. Ich hab meine Prüfung in exakt 58 Minuten.“ Martin schien zu nachzudenken. Zumindest sowas in der Art. „War die nicht heute Morgen?“ „Die ist verschoben worden.“ Ich schnappte mir meinen Schlüssel (!) und meine Brieftasche und verließ die Wohnung in dem Wissen, dass ich das Schlimmste eigentlich schon überstanden hatte. Doch IneS war da ganz anderer Meinung.
 

http://www.webstories.cc 06.05.2024 - 18:30:12