... für Leser und Schreiber.  

Ein besonderer Fund (World of Warcraft, Rollenspiel, Fantasy)

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©  Lankin   
   
Zur Zeit schreibe ich an etwas, das einmal ein World of Warcraft-Roman werden soll. Das Folgende hatte ich einmal als Vorgeschichte gedacht, eventuell packe ich es leicht verändert nun doch ins letzte Drittel.
Für die nicht mit World of Warcraft vertrauten Leser ein kurzes Glossar:

Azshara: Ein etwas abgelegenes Land, immer noch voller Magie, benannt nach einer Elfenmagierin, die in ihrer Gier nach Macht und Magie den Dämonen Zugang zur Welt verschaffte. In den darauf folgenden Ereignissen wurde das nach ihr benannte Land zerstört, große Teile versanken im Meer.

Orc: Eigentlich nicht von dieser Welt stammend, auch wenn ihre Heimatwelt der Heimat der Menschen und Elfen gleicht.
Orcs sind naturverbundener als andere Völker. Sie sind kräftig, ausdauernd, fast unbezwingbare Kämpfer, aber auch begabte Hexenmeister oder Jäger.

Blutelf: Blutelfen -- die einstigen Hochelfen, zu denen auch die Magierin Azshara gehörte -- haben wenig zu tun mit Tolkiens Elfen. Sie sind schön, elegant aber nicht besonders naturverbunden oder gar moralisch; Und sie hungern nach Magie.
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Die Sonne berührte den Horizont über dem Meer. Endlich Feierabend. Was es wohl heute zu Essen gäbe? Magh'ira hatte keine großen Ansprüche, hoffentlich war es nahrhaft, fettig und möglichst warm. Sein Rücken schmerzte, seine Hände hatten Schwielen, obwohl er den ganzen Tag keine Waffe, sondern nur ein lächerliches Messer benutzt hatte.

Auch wenn er wusste, dass es am nächsten Tag um so mehr schmerzen würde, kratze er eine Blase an seiner linken Hand unterhalb des Mittelfingers auf und berührte die Stelle mit seiner Zunge. Der süßliche, leicht widerliche Geschmack füllte seinen Mund. Er fuhr sich mit seiner anderen Hand über die Augen, die vor Schweiss und Staub brannten. Als sich sein Blick wieder klärte, glaubte er, im Licht der Abenddämmerung etwas entdeckt zu haben. Etwas wie ein Lichtreflex, am Rande seines Gesichtsfeldes. Es war mehr ein Instinkt, denn in den alten Mauerresten der Elfenruinen blitzte das weisse Mauerwerk mit seinen Kristalleinschlüssen in der Abenddämmerung ständig. Er würde später nie mehr sagen können, was genau ihn bewogen hatte, gerade diesem Aufblitzen nachzugehen.

Magh'ira lief an die ansonsten unspektakuläre Stelle. Er bückte sich, um das Blitzen genauer zu betrachten.

Ein anderer Initiand, ein Blutelf, lief an ihm vorbei.
“Doral ana'diel?”
“Müde und hungrig.” Mist ... Er wollte dem Elf lieber nicht auf die Nase binden, wieviel er von seiner Sprache verstand. Er war wirklich müde.
“Was hast du gefunden?”
“Ich weiss es nicht.” Er konnte ihn nicht leiden. Unter ihrem “Meister” -- ihm war danach, in den Sand zu spucken -- würde dieser es bestimmt weit bringen. Genau die richtige Mischung von Kriechertum, Gehorsam und auch noch das Aussehen, das ihn befähigte, dem “Meister” für speziellere Dienste zur Verfügung zu stehen.

“Initiand”. Da gab es Abstufungen. Das hatte er schon gemerkt. Das einzige wozu er, ein Orc, initiiert worden war, war “Hier hast du ein Messer, grab da, von der Säule da vorne bis da drüben, und zwar vorsichtig, Schicht für Schicht.” Nach was, hatte ihm natürlich keiner gesagt. Alles Erdenkliche -- Scherben, Teile alter Kunswerke, Münzen -- wurde gesammelt und mehrmals am Tag in das Lager gebracht.

Magh'ira war jedoch intelligenter, als es die meisten von einem Orc erwarteten. Allen Ernstes... die Burning Blade ließen doch nicht hundert Mann hoch die Elfenruinen von Azshara umgraben, um mit Antiquitätenhandel reich zu werden. Es musste etwas Wichtiges sein. Etwas, für das es sich lohnte, ein Risiko einzugehen, denn eine so große Aktion konnte nicht auf Dauer unentdeckt bleiben.

Er rechnete nicht im Ernst damit, nun etwas Wichtiges gefunden zu haben. Aber vielleicht etwas Schönes, was er für seinen Privatbesitz abzweigen konnte. Er hegte eine große Ehrfurcht für die Hochelfen der alten Zeit. Meister der Magie, der Schmiedekunst, der Wissenschaft. Seine Mutter würde sagen “Du bist eben aus der Art geschlagen!”, aber ihn gleichzeitig stolz und liebevoll ansehen. Ob sie darauf stolz wäre, dass er nun bei den Burning Blade war? Wohl eher nicht, aber die Welt hatte sich verändert, seit sie jung war und wie sein Vater Thrall die Treue geschworen hatte.

Würde dieser Blutelfen-Affe endlich weitergehen?
“Wir sehen uns gleich beim Essen.”
“Ja, beeil dich, der Meister mag ausgeschlafene Arbeiter!” Er lachte sein klares, penetrantes Elfenlachen und lief in Richtung des Camps, unterhalb der Timbermaw-Feste. Beschwingt und als hätte er heute weniger Stunden gebuckelt als er. 'Wenn er jetzt noch hüpft oder ein Liedchen pfeift, muss ich kotzen.', dachte er.

Ob der Elf gemerkt hatte, dass er ihn loshaben wollte? Wahrscheinlich nicht, oder er hätte ihn gründlich unterschätzt. Er widmete sich wieder der merkwürdigen Stelle im Boden. Er hatte schon sein Messer in der Hand, um den Boden darum aufzulockern, wie er es den ganzen Tag getan hatte, aber irgendetwas hielt seine Hand zurück. Er beugte sich mit Gesicht über - das Ding? Eher eine merkwürdige Stelle im Boden, etwa eine Handfläche groß.
Sie war irgendwie ... nicht wirklich. Wie Wasser, und doch anders. Magh'ira kannte Magie -- dieses war anders. Es war ... lebendig. Er bewegte seine Hand auf die Stelle zu, sie fühlte sich weder warm noch kalt an, doch es war, als würde seine Hand leicht gestreichelt werden. Die Haare an seinem Unterarm stellten sich auf. Er musste dieses Dinge nun unbedingt berühren.
Sacht führte er die Fingerkuppen auf die bläuliche unwirkliche Fläche. Er fühlte sie nicht, wie man ein Ding fühlt, seine Hand glitt einfach durch die Oberfläche. Er konnte sie etwa bis zum Handgelenk in die bläuliche, unwirkliche Masse stecken, als er an etwas stieß.

Seine Hand schloss sich um einen länglichen Gegenstand, er konnte ihn bequem umfassen. Als er ihn zu sich bewegte, sah er, dass es eine Art Glasflasche war, von der Art wie sie Alchimisten benutzen, doch diese musste viel älter sein. Sie war mit einem Glas- oder Kristallverschluss verschlossen. Ohne nachzudenken öffnete er den Verschluss und liess seinen Zeigefinger über den Rand fahren.

Er fühlte alle Müdigkeit von sich abfallen, er verstand auf einmal. Sein Leben, die Welt. Alles. Die Zeit schien auszusetzen.

“Ich sehe, du hast etwas gefunden? Gib es mir!”
Die Stimme seines Meisters riss ihn brutal in die Wirklichkeit zurück. Der logische Teil seines Denkens funktionierte noch nicht, er fühlte sich, als sei er aus tiefem Traum gerissen worden. Nach einem Wimpernschlag des Zögerns gab er dem Meister die Phiole.
“Gut. Hübsch - eine alte Blumenvase vielleicht.” Der Meister lachte.
Magh'iras wieder in die Welt findender Geist dachte “Das glaubt der doch nicht, dass ich ihm das abnehme”. Im selben Augenblick wusste er, dass er recht hatte.
“Ich werde dich für deine Verschwiegenheit und deine Leistungen belohnen.”
Magh'ira verbeugte sich, Reden war gegenüber Höhergestellten nur auf direkte Aufforderung erwünscht.

Mit respektvoll gesenkem Haupt sah er aus dem Augenwinkel den Meister gehen. Der leichte Luftzug durch dessen schwere Robe liess Maghira frösteln. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Das Gefühl, gerade noch einmal davongekommen zu sein, schwappte über ihn wie eine Welle.

Da traf ihn der Zauber. Der Meister war gnädig. Er hatte einen schnellen, tödlichen Zauber gewählt. Magh'ira sah auf seine Brust und betrachtete die schwärzliche, wabernde Masse, die einmal sein Brustkorb gewesen war. Da traf ihn der Schmerz. Er hatte oft nachgedacht, wie ein letzter Atemzug sein würde. Er hätte ihn gern bewusst genossen. Schade. Auch Schreien konnte er nicht mehr.

Schwarz. Dann weiss. Sein Geist verliess den geschundenen Körper. Ohne besondere Emotion sah seinen toten Körper unter sich liegen. Ob genug Hass in ihm wäre, seinen Meister heimzusuchen? Wer weiss ... Sein Leben, seine Eltern, Steppe, Grasebenen, dann -- kein Gedanke mehr.
 

http://www.webstories.cc 02.05.2024 - 01:07:17