... für Leser und Schreiber.  

Liebesbriefe die keine Frau erhalten will Teil 30

24
24 Stimmen
   
© Robert Zobel   
   
Liebe Olivia,

ich weiß gar nicht wo ich jetzt anfangen soll. Es fällt mir nicht leicht Dir diesen Brief zu schreiben und ich bin mir sicher, dass es Dir auch nicht leicht fällt ihn zu lesen. Weinst Du schon?
Ich hab vorhin kurz geweint und werde es nachher wieder tun. Warum? Na, weil ich Dich so vermisse. Du kommst mich ja auch nicht wirklich besuchen. Da bleiben mir ja nur die Tränen und manchmal denke ich, dass ich versuche Deine Schädelform in Tränenflüssigkeit zu pressen und Du Dich an meine Wange schmiegst wenn mir ein Traurigkeitstropfen die Backe rinnt. Is natürlich Quatsch, aber Du weißt ja wie ich bin.
Und genau darum geht es ja. Du weißt wie ich bin und gerade dass hätte Dich niemals so weit bringen können, dass Du die Polizei rufst. Nicht deswegen und Du hast natürlich maßlos übertrieben. Ich hab niemals eine Faust gegen Dich erhoben und wenn dann nur in Bauchnähe und niemals Dein Gesicht. Was ich mache wenn ich betrunken bin entzieht sich meinem Gedächtnisspeichers. Wahrscheinlich weil er voller glücklicher Momente mit Dir ist. Wahrscheinlich ist es uns zu gut gegangen in all der Zeit. Glaubst Du, ich habe Deine Glücksschluchzer nachts neben mir im Bett nicht gehört? Klar doch. Mensch, Mensch, Mensch. Du machst Sachen.
Und eine Anzeige wegen Körperverletzung nur wegen dem Tattoo. Ich bin vor Gericht fast aus den Latschen gekippt. Das war doch nur zu Deinem Besten und war nicht irgendwie eine Wutlaune, Hasskappenverpuffung oder verrückte Aktion. Erinnere Dich doch mal. Du hast damals echt viel getrunken und genau deshalb hab ich Dir auch meine Handynummer auf den Po tätowiert. So wusste ich immer, ich kann Dich auf Partymachen ziehen lassen. Irgendein Typ würde mich bei eventuellen Fremdgehaktionen dann sicher anrufen und auch für Dich wäre es ja ideal bei Demenz und so.
Scheint bei Dir ja eh schon anzufangen. Hast ja auch vergessen wie sehr ich Dich liebe. Keine einzige Postkarte hab ich bekommen, keine Zeile und auch keinen Besuch. Ich denke mal, da steckt Deine beschissene Mutter dahinter. Die hatte doch eh immer was gegen mich. Ich denke mal, dass Du nach ihrem Tod eh wieder zu mir zurückkommst und wenn nicht, dann hol ich Dich, weil Du dann sicher nur nicht gewusst hast wo ich stecke.
Doch das ich jetzt gerade im Gefängnis bin musst Du ja wissen und meine liebe Olivia, ich muss sagen, manchmal ist das hier gar nicht schön. Das Fernsehprogramm kommt nur verschwommen an und man ist immer eingeschlossen.
Sag mal, kannst Du mir vielleicht ein wenig Geld schicken? Muss ja keine große Summe sein, aber besser wäre es natürlich. Das Geld wird dann auf mein Gefängniskonto gezahlt und ich kann mir hier dann Zigaretten kaufen. Ich hab nämlich mit Rauchen angefangen und außerdem kann man sich für Zigaretten hier alles kaufen. Leider keine jungfräulichen Frauen, aber muss ja auch nicht sein.
Gerade bekomme ich Kopfschmerzen und müde bin ich auch. Kannst Du mich mal zwischen meinen Zehen streicheln? Das wäre jetzt schön. Ich träume eigentlich fast jede Nacht und von Dir.
Entschuldige, es muss natürlich heißen, dass ich jede Nacht von Dir träume und von dem Umstand, dass Du auch zwischen meinen Zehen manchmal gestreichelt hast. Mein Psychologe hier meint, ich hätte Dich in meinem Leben mehr in den Vordergrund stellen sollen, weil ich mich stets mehr beachtet habe und Dich als meinen Fußabtreter benutzt habe. Das finde ich zwar nicht, aber vielleicht bringen die weisen Worte ja was und schinden bei Dir Eindruck. Schon alleine, weil Du dann vielleicht wirklich Geld schickst.
Ich will jetzt auch nicht schreiben, dass ich ein neuer Mensch bin und mich geändert habe. Sagen wir mal so. jeder Traum endet damit, dass ich Dir eine schallernde Ohrfeige verpasse und es ist kein Alptraum.
Auch kann ich Dir nicht versprechen, dass ich nach meiner Haftstrafe mich nicht bei Dir für die Haftstrafe bedanken komme und das soll keine Drohung sein. Ich hab nämlich keine Lust, dass Du mir deswegen sonst noch mal die Staatsanwaltschaft auf den Hals jagst.
Weißt Du, ich habe Dich immer geliebt und werde es immer tun. Das weißt Du und kennst mich und genau deshalb tut es so weh. Hier, schau! In meiner Brust. In deiner ist wohl alles nur noch kalt. Du hast mich nie geleibt.

Dein Joachim
 

http://www.webstories.cc 20.04.2024 - 09:15:51