... für Leser und Schreiber.  

Die Verabredung/erotische Geschichte 13/Grusel

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©  rosmarin   
   
Achtung! Nichts für schwache Nerven und Sensibelchen.

*







Die Verabredung
„Ich habe die Handschellen“, sagt Kastor, „du wolltest doch mal gefesselt werden. An deine Grenzen kommen. Sozusagen.“
„Wer sagt das?“
„Mein Gefühl.“
„Wann treffen wir uns?“
„So in einer halben Stunde.“
Wie im Traum klicke ich Kastor weg. Wieder muss ich über diesen ungewöhnlichen Namen lächeln. Kastor. Das war doch der Rossebändiger, der, der Herakles die Kunst, schwer bewaffnet und geordnet, im Felde zu fechten, lehrte.
Na, wie dem auch sei. Kastor hat recht. Ich verspüre plötzlich einen unwiderstehlichen Drang, mich zu unterwerfen, der Macht des Stärkeren, eines Mannes, eines Kastor, auszuliefern. Fast freue ich mich darüber. Vielleicht würden mich die Dämonen dann endlich in Frieden lassen. Wenn ich mich nicht mehr sträubte. Nicht immer um jeden Preis Ich sein will. Emanzipiert und distanziert. Natürlich nur, was die Männer und ihr Begehren betrifft.
Entschlossen springe ich aus dem Bett, gehe zum Fenster, ziehe die Vorhänge zurück, öffne es weit, atme tief durch, schaue den schnell vorüberziehenden Wolken nach, die den Vollmond in regelmäßigen Interwallen verdecken, um ihm dann, unverhofft, für Sekunden nur, einen freien Platz einräumen.
Natürlich brauche ich das passende Outfit. Im Schlafzimmer nehme ich die Sachen aus dem Kleiderschrank. BH, Tanga, Strapse, Spitzenstrümpfe, Minikleid. Alles in Schwarz. Dazu hochhackige rote Pumps. Ein Seidenband für die Haare. Natürlich ein rotes. Beides finde ich ganz unten. In einem Schubfach für besondere Gelegenheiten. Auch das Schmuckkästchen mit dem Silberschmuck von Enoch. Meinem Ex. Und ganz zuunterst, versteckt in einem kleinen Geheimfach, den schlichten Ring mit einem teuren Diamanten. Den hatte er mir geschenkt. Damals, als mit uns noch alles in Ordnung und der siebte Himmel offen war.
„Du bleibst, wo du bist“, sage ich energisch.
Im Bad vor dem großen Spiegel betrachte ich wohlgefällig mein Spiegelbild. Etwas Mascara und Lippenstift fehlen noch. So. Kein Rouge. Tadellos. Vollkommen.
Ich lasse mir Zeit, mich von allen Seiten selbstverliebt zu betrachten, während der Vollmond, der sich nicht mehr hinter den Wolken versteckt, das Badezimmer in seinen geheimnisvollen Glanz taucht.
Plötzlich steht Kastor hinter mir. Mit Schrecken sehe ich, wie er seine Hände, die ungewöhnlich groß und behaart sind, und in denen er eine Unmenge dicht beschriebener Blätter hält, auf meine Schultern legt. In diesem Moment vernehme ich eine seltsame Musik. Die Musik erinnert an Ozeanklänge. Wellenrauschen. Wellenrauschen. Möwengeschrei. Moldaureigen. Wellenrauschen.
Die dicht beschriebenen Blätter auf meinen Schultern bewegen sich wie Flügel, wippen lustig auf und nieder, breiten sich aus, falten sich zusammen.
„Ich habe erst so zwanzig Seiten gelesen.“ Kastors Hände umklammern meinen Hals. „Da kann man a, nicht viel sagen, und b, finde ich es ein
bisschen zu softig. Hausfrauensex. Sozusagen. Da stehe ich nicht so drauf.“ Er lacht frech. „Das kannst du doch besser.“
„Ist ja auch kein Porno“, versuche ich aufzutrumpfen, denke unsicher: ‘Wenn Kastor nun zudrückt? Mich erwürgt?’
Unsere Augen begegnen sich im Spiegel. Kastors spöttisch. Meine unentschlossen.
Nur keine Furcht zeigen.
„Ich schreibe doch nicht für Beate Uhse“, scherze ich boshaft.
„Warum eigentlich nicht?“ Kastors Griff wird fester. „Ansätze sind durchaus vorhanden.“
„Es ist eine tragische Liebesgeschichte“, piepse ich, versuche, dem Würgegriff zu entkommen, „mit einigen stark ausgemalten Sexszenen.“
„Vielleicht etwas für Frauen.“
„Enochs und meine Geschichte.“
„Lauter fliegende Blätter. Hui!“ Kastor lacht höhnisch, lockert aber seinen Griff. „Mist. Vergeudete Zeit. Schreib lieber was Vernünftiges. Nicht immer solche Schauergeschichten. Wer braucht die denn?“
Missmutig nimmt Kastor endlich seine Hände von meinem Hals. Ich atme erleichtert durch und auf. Dieser Mistkerl. Wollte mich nur erschrecken.
Der Mistkerl schlendert gelassen zum Fenster, wirft die Blätter hinaus.
*
Inzwischen hat sich das Bad in ein anheimelndes Zimmer verwandelt. Der nicht sehr große Raum ist plötzlich rund. Die Wände verkleidet mit rotem Samt. Die Musik verstummt. Statt ihrer erfüllt jetzt ein süßlicher Geruch, wahrscheinlich Weihrauch, das runde Zimmer.
Fasziniert betrachte ich das einzige Möbelstück. Ein antikes Tischchen von seltener Schönheit, bedeckt mit einem bunten Seidentuch. Darauf Döschen und Fläschchen mit Duftölen, Seifen, Kerzen, Wässerchen. Dazwischen glänzen und glitzern exotische Steine, Ketten, Armbänder, Kreuze, und eine Unmenge anderer geheimnisvoller Dinge in magischer Schönheit.
Kastor verteilt überall kleine Kerzen, zündet sie an, streut Rosenblätter auf den Fußboden, der ebenso wie die gewölbte Decke glasverspiegelt ist.
„Würdest du mich bitte fotografieren?“ Kastor ist nur mit einer Damenstrumpfhose bekleidet, hält mir auffordernd eine Digitalkamera entgegen. „Das macht mich geil“, sagte er errötend wie ein Schuljunge, „danach könnten wir das Erwünschte tun.“
Das Erwünschte tun. Neugierig betrachte ich Kastors makellose, glatte, weiße Haut über etwas zu viel Fleisch.
„Zum Fasching könntest du als Streichholz gehen“, spotte ich.
„Du könntest ja meinen weißen Körper rot anmalen, wenn dir mein roter Kopf nicht gefällt.“
„Oder deinen roten Kopf weiß. Hahahha.“
Ich zücke die Kamera, knipse wild drauf los, während Kastor von einer obszönen Pose in die nächste wechselt. Natürlich versäume auch ich nicht, meine doch sehr offensichtlichen weiblichen Reize immer unverhüllter zur Schau zu stellen, sodass sich die Stimmung immer mehr aufheizt.
„Stell dich da hin.“ Kastor weist mit seiner rechten Hand auf eine Stelle an der roten Samtwand. „Zwei Schritt davor.“
Gehorsam stelle ich mich vor die rote Samtwand.
Kastors Augen glitzern bewundernd über meinen Körper. Vom Kopf zu den Füßen. Von den Füßen zum Kopf. Bei diesen Blicken verspüre ich ein seltsam kribbeliges Gefühl, ein triebhaft gieriges Ziehen in meinem Unterleib, das mir das Blut in die Weichteile treibt. Ich spreize meine Beine, lächle Kastor verführerisch an.
„Wunderbar, wunderbar“, murmelt Kastor, „eine Frau wie dich zu besitzen, wäre das Größte. Du wirst dein blaues Wunder erleben, meine Schöne.“ Kastor ist jetzt dicht vor mir, entkleidet mich langsam, genüsslich. „Die Strümpfe behältst du an“, bestimmt er. „Die Higheels auch. Und natürlich die Strapse.“
„Und den Tanga?“
„Weg mit ihm.“ Mit einem Küchenmesser, das Kastor plötzlich in der Hand hält, schnippelt er an dem schwarzen Tanga herum, bedacht, nicht meine Haut zu berühren. „Das macht mich verrückt.“
„Sehr wohl. Zu Befehl, Königliche nackte Hoheit.“
Ich kichere dümmlich, stehe stramm.
Kastor lässt sich zu meinen Füßen nieder, küsst, streichelt, höher, noch höher, bis ich mich lüstern auf sein glühendes Gesicht gleiten lasse. Da öffnet sich wie durch Zauberhand eine Tür in der Wand. Daneben entdecke ich eine Ottomane, die ebenfalls mit rotem Samt bezogen ist. Kastor nimmt mich auf seine Arme, bettet mich behutsam auf das rote Ding, verschwindet. Doch nur einen Augenblick. Schon kommt er zurück, in der Hand einen Pokal, gefüllt mit perlendem Sekt.
„Augen zu.“
Wohlig schließe ich meine Augen. Der kühle Sekt prickelt in meine Körperöffnungen. Erzitternd spüre ich Kastors weiche Lippen, seine Zunge, die weiß, wohin sie soll, Hände, so zärtlich erfahren, dass ich mich leise seufzend einem nie erlebten wahnsinnig erregenden Gefühl, das in orgastischen Wellen meinen Körper heiß durchflutete, ergebe.
Kastor versteht es meisterlich, seine Spielchen Nuance um Nuance zu steigern, die Reize ins Unermessliche zu treiben. Mich damit in den Wahnsinn. Den erotischen Wahnsinn.
Schon bald winde ich mich in unbändiger Ekstase, stöhne laut in die Spiegel unter und über mir, die flackernden Kerzen, die den rotgläsernen Raum in ein gespenstisches, und doch anheimelndes, Licht tauchen.
„Bleib ganz ruhig liegen“, flüstert Kastor, „ich muss dich betrachten, sehen, riechen, fühlen, schmecken, so wunderschön, wie du jetzt aussiehst. Im Nachklang deiner Lust.“
Völlig verrückt. Ein Traum. Traum. Nur nicht erwachen.
Plötzlich befinde ich mich in meinem Badezimmer. Kastor ist nicht zu sehen. Bestimmt in die Küche verschwunden.
Mit Handschellen und dicken Stricken in seinen Händen kommt er zurück. Ich erstarre vor Schreck. Komme nicht zum Nachdenken.
An der Wand gleich neben der Tür droht ein Andreaskreuz mit entsprechenden Halterungen für Hände, Füße, Taille. Ehe ich es mich versehe, schlingt Kastor die Stricke um meinen nackten Körper, verschnürt ihn wie ein Paket, fesselt mich an dieses gespenstische Kreuz. Gruselschauer jagen kalt und heiß in Wellen meinen Rücken hinab. Mir ist, als sei ich in einer mittelalterlichen Folterkammer. Es fehlen nur noch die Folterknechte, die mich am Haarschopf packen würden.
Kastor verbindet mir die Augen mit einer breiten, schwarzen Binde, steckt einen Knebel in meinen Mund. Törichte Angst überfällt mich. Dieses Spiel geht zu weit. Überschreitet die Grenze. Ich will etwas sagen, mir solche Spielchen verbieten, mich wehren, doch der Knebel in meinem Mund hindert mich daran. Mein in Stricken gefangener an das Kreuz fixierter Körper ist nicht fähig zu der kleinsten Bewegung.
„Du musst mir vertrauen.“ Kastors zärtliche Stimme beruhigt mich ein wenig. Auch seine Hände, die jetzt wieder ganz sacht meinen Körper berühren. „Vertraust du mir, Liebes?“
Ich nicke ergeben. Er würde mir schon kein Leid antun. Alles in mir ist Erwartung. Erwartung auf ein nie erlebtes Spiel. Ein Abenteuer. Und was nun beginnt, ist Himmel und Hölle zugleich. Ein verruchtes Himmelhöllespiel.
Lustvoll genieße ich nochmals Kastors wilde Zärtlichkeiten. Er versteht es wirklich, eine Frau den Himmel sehen zu lassen, um sie dann, auf dem Gipfel ihrer Lust, brutal in die Hölle zu verdammen. Wieder und wieder. Das gleiche verruchte Himmelhöllespiel. Schaudernd durchlebe ich die gierige Glut meines Körpers, die fleischliche Lust.
Der Vollmond flutet jetzt in seiner ganzen Pracht ins Zimmer. Verzückt lächele ich hinter dem Knebel. Eine Vollmondsektsexnacht. Mit dem Doktor der Medizin. Kastor.
Doch der Kerl ist ein Sadist. Ein Ungeheuer. Ein Monster aus der Gosse. Gequält lache ich auf. Tränen laufen mir übers Gesicht, sammeln sich neben den Grübchen unten am Hals. Kastors Hände wühlen in meinem schwarzen Flaum, finden die Öffnung, stoßen kräftig zu. Mein Köper ist eine einzige Erregung, ein Kribbeln, ein Zittern, ein Nichtverstehen, was da vor sich geht. Eine einzige Lust. Lust in Flammen. Gefesselt an ein kunstvolles Andreaskreuz, einzig gefertigt, um diese bizarre Lust zu erzeugen. So stehe ich vor Kastor. Nackt. In High Heels und Strapsen. Gefesselt, geknebelt. Wehrlos. Ausgeliefert. Glücklich. Lustglücklich.
„Trink. Du wirst es brauchen.“
Kastor entfernt den Knebel aus meinem Mund, hält das Getränk an meine Lippen. Hastig schlürfe ich den Sekt. Kastor schenkt zufrieden lächelnd nach. Ein schwereloses Gefühl durchdringt meinen Körper. Macht ihn leicht und locker. Mein Kopf schwebt davon. In andere Dimensionen. Lässt meinen liebesmisshandelten Körper zurück. Wie durch dichten Nebel segelt Kastor auf mich zu, nimmt mich auf seine Arme, schwebt mit mir davon.
*
Lasziv rekle ich mich auf einer schwarzen Ledercouch. Bestimmt in einem Keller. Wände, Fußboden, Decke sind aus groben Feldsteinen gemauert. Schwarze Altarkerzen auf dem Boden neben der schwarzen Couch verleihen dem Raum etwas überaus Geheimnisvolles, Gruseliges. Gespenstisch tanzen flackernde Schatten an den Steinwänden. In einer Ecke stehen wie aufgereiht vier düstere kräftige Gestalten mit schwarzen Masken.
Mühsam versuche ich, mich aufzurichten.
„Hab keine Angst.“ Kastor drückt mich sanft zurück auf die Couch. „Es ist ein Spiel.“
Plötzlich flutet Licht in den Keller. Scheinwerfer blenden mich. Ich starre erschrocken in das rote Auge einer Kamera.
„Öffne deine Beine.“
„Nein!“
„Öffne deine Beine!“
Kastors Hände sind groß, kräftig. Laut aufstöhnend, bäume ich mich unter seinem groben Griff. Das rote Auge der Kamera funkelt böse.
„Rein in die Höhle.“ Kastors Stimme erinnert an das Fauchen eines wilden Tieres. „Die heiße, feuchte, nasse. Diese wunderbar tropfende Grotte.“ Erschauernd spüre ich Kastors Hände zwischen meinen Schenkeln. „Her mit den Pfoten!“, brüllt er plötzlich. „Her mit den Schwänzen!“
Augenblicklich lösen sich die vier maskierten Gestalten von den
Wänden. Die Schatten an den steinernen Wänden schwirren unruhig hin und her. „Ich brauche ihre Augen. Ihren Mund. Ihre Schreie.“
Die vier Kerle zerren mich von der Couch, hin zu einer mittelalterlichen Folterbank aus rohem Holz. Brutal werfen sie mich darauf, stecken meine Arme und Beine durch Ringe aus Eisen, schnallen sie mit den Riemen, die an den Seiten der Folterbank herunterhängen, fest.
Die ledernen Lendenschurze der vier Kerle, ihre einzigen Kleidungsstücke, wippen lüstern auf und nieder. Bevor ich auch nur einen Gedanken fassen kann, spüre ich ihre Hände, ihre Münder, ihre Schwänze. Mir ist, als hätten sie hundert Hände, hundert Münder, hundert Schwänze. Immer wieder saugen sie meinen Mund, schleimen meine Brüste, meinen bebenden Leib; tiefer und tiefer schlürfen sie meinen Saft, mein Leben. Begehren blitzt aus schwarzen Augenschlitzen, acht Handschuhhände reiben meinen Körper, in den sie unbarmherzig dringen. Schreiend zerre ich an den Fesseln, versuche, den animalischen Berührungen zu entkommen, die Kastor erbarmungslos filmt.
„Eine wunderschöne Hexe haben wir da.“ Wieder dringt eine Hand in meinen Schoß. Eine schwarze Handschuhhand. „Haltet ihre langen, schwarzen Haare, zeigt ihr, was Sache ist.“
Die Kerle zeigen mir, was Sache ist. Hecheln. Lachen. Ficken mich brutal mit ihren dicken, langen Schwänzen. Entsetzt starre ich in geschlitzte Augen, auf ungeschlachte behaarte tätowierte Arme, Ketten auf athletischen Brüsten, goldene Ringe an den schwarz behandschuhten Händen.
„Verdammte! Sauigel! Sackschweine! Wichser!“, brülle ich. „Arschgeigen! Macht mich endlich los! Lasst mich in Ruheeee!“
„Gut. Ja! Schrei. Schrei! Gib‘s ihnen! Süße.“ Kastor, der Rossebändiger, flößt mir wieder Sekt ein. „Ist gleich vorbei, Liebes.“
Ich lache hysterisch, kreische, zerre wie eine Verrückte an den Fesseln.
Die Fackeln in den Ecken sind fast niedergebrannt. Fledermäuse flattern aufgeschreckt umher. Endlich falle ich. Tief. Tiefer. Hinein ins Bodenlose. Schwarze. Zusammen mit den Fledermausvampirgesichtern, die mich böse angrinsen, den riesigen Spinnen, die sich von den steinernen Wänden lösen, dem Keuchen, Stöhnen, Ächzen über mir.
„Wir nehmen sie von hinten.“
Die Kerle binden mich los. Nehmen mich von hinten. Einer nach dem anderen.
„Und nun in beide Höhlen.“ Kastor lacht höhnisch. „Immer zwei und zwei. Du nimmst die Schwänze, Kleines. Los. Mach schon. Wirst schon nicht ersticken.“
Plötzlich fällt mir Sandra ein. Die Hexe Sandra. Die mir den grünen Ring geschenkt hat, den ich nie abziehe, in weiser Voraussicht, ihn doch mal gebrauchen zu müssen. Jetzt ist die Gelegenheit.
„Simsalabim!
Abrakadabra!
Dreimal schwarzer Kater!
Expelliarmus!
Finite incantem!
Peskiwichtli Pesternomi!
Schrumpft! Ihr Ungeheuer! Schrumpft!“
Im Augenblick kriechen vier eklige, schwarze Käfer langsam mit langen, dünnen Beinen über meinen geschundenen Körper, erheben sich in die Luft, verschwinden knurrend in den dunklen Ecken des Kellers.
Ich bin frei! Frei! Entkommen.
„Danke, Sandra.“
Wütend hetze ich in die Küche. Die Steakmesser!
Wahllos reiße ich ein Messer aus der Halterung, stürze mich auf Kastor, ramme mit voller Wucht das Messer in jede seiner Körperöffnungen.
„Peskiwichtli! Pesternomi!“, kreische ich. „Schrumpf! Du Ungeheuer!“
Und so, wie die vier Saukerle, diese brutalen Sackschweine, schrumpft Kastor zu einem ekligen, schwarzen Käfer, kriecht langsam über meine Füße, verschwindet leise knurrend in irgendeiner Ecke der Küche. Eiskalte Wut packt mich, gruseliges Entsetzen. Die Küche verwandelt sich im Hintergrund in das Badezimmer. Ich stehe wieder vor Kastor. Gefesselt, geknebelt. Ein wehrloses Bündel.
Was ist mit dem schwarzen Käfer?
Den Hexensprüchen?
Alles nur ein Traum?
„Schluss jetzt!“, brülle ich hinter dem Knebel, „los, du Schwein, nimm die Fesseln ab!“
„Wir hatten doch alles abgesprochen“, sagt Kastor kleinlaut, während er mich von den Fesseln befreit, „du wolltest es doch so.“
„Nein“, erwidere ich ganz ruhig, „wollte ich nicht.“
Ich kichere blöd vor mich hin. Kastor reicht mir ein Glas Sekt. Ich trinke hastig. Kastor auch.
„Auf uns“, sagt er, „du bist wundervoll. Wir müssen es tun. Du hast es versprochen. Vielleicht brauchst du etwas Zeit.“
„Vielleicht.“
Hatten wir nichts getan?
War nichts geschehen?
Ich habe es doch gefühlt.
Es war alles so real.
Das Badezimmer erstrahlt hell im Glanz des Mondes. Ich wanke zum Fenster. Blicke in den Himmel. Da hängt er. Mein Mond. Der Vollmond. Ungerührt. In vollkommener Schönheit. Majestätisch. Unnahbar. Erhaben. Über alles und jedes.
Plötzlich fühle ich das Messer wieder in meiner Hand. Kalt. Metallisch. Fordernd. Wie in Trance gehe ich zurück zu Kastor, der noch immer in der Mitte des Zimmers steht, das Glas Sekt in der Hand und mich beobachtet. Die Handschellen, Stricke, Knebel liegen noch auf dem Boden.
„Komm, Süßer“, sage ich zärtlich, „ich will dich die gleichen wahnsinnigen Gefühle erleben lassen, wie ich sie durch dich erlebt habe.“
Stück um Stück reiße ich Kastor die dürftigen Fetzen vom Leibe, ja, es sind Fetzen, widerliche, stinkende Fetzen. Ich fessle Kastor an das Andreaskreuz, stoße ihm kichernd den Knebel in seinen erstaunt offenstehenden Mund.
Hach! Ich habe die Macht. Doch meine Macht entbehrt jeder Zärtlichkeit. Meine Macht ist die Macht des Teufels. Höllenfeuer lodert in mir. Die Absätze meiner High Heels haben sich in Satanshörner verwandelt. Gerade richtig für Kastors weißes, bebendes Fleisch. Die Kerzen brennen dunkle Flecken hinein. Der Sekt löscht nur für einen Augenblick den höllischen Schmerz, bevor dieses teuflische Spiel von Neuem beginnt.
Unbarmherzig reiben meine Hexenbrüste Kastors Körper. Wieder und wieder bäumt er sich auf, wie ein Tier, das getötet werden, aber seine Qual noch etwas verlängert werden soll, ehe man ihm endlich den Gnadenstoß versetzt.
Kastor ist ohne Chance. Eine dicke Kerze auf dem Boden findet in seiner hinteren Öffnung ihre ungewöhnliche Bestimmung. Hätte er schreien können, wäre es der Brunstschrei des Teufels selbst gewesen. Doch meine Zunge, die Zunge der Schlange aus dem Paradies, lindert nicht seine Qual, leckt lüstern über meine Lippen, bereit, das Opfer zu verschlingen.
Zur Untermalung dieses bizarren Schauspiels ertönt wie aus weiter Ferne, und doch überaus nah, liebliche Musik. Nie zuvor habe ich solch berauschende, innige, zärtliche Töne vernommen. Schlangengleich umtanze ich Kastor, der versucht, sich mit gurgelnden Lauten bemerkbar zu machen. Aus der Traum. Verstummt die Musik.
Wie eine Wahnsinnige stürze ich mich auf Kastor. Das Messer in meiner Hand zittert nicht eine Sekunde. Zielsicher landet es in Kastors weichem, warmen Fleisch. Kräftig stoße ich zu. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Ein erotisches Blutrauschgefühl, das besser ist, als der beste Sex und alle anderen Gefühle und den Verstand ausschaltet, das nach mehr dürstet und dessen wahnwitzige Unersättlichkeit niemals gestillt werden kann, nimmt immer mehr Besitz von mir. Ich säble Kastor den Penis ab. Säble ihn einfach ab. Entmanne ihn auf das Grässlichste.
„So, da hast du! Da hast du!“, schreie ich. „Verschwinde endlich aus meinem Leben! Verschwinde aus meiner Seele! Lass mich leben! Enoch!“
Kastor ist nicht mehr Kastor. Kastor ist Enoch. Dieser Saukerl Enoch. Dieser verdammte Flachwichser. Ich muss ihn töten. Nur so kann ich endlich zur Ruhe kommen. Weg mit diesem Verräter! Mir ist, als müsste ich die Seele aus diesem vollen Leib schneiden, die Seele, die ich suche und niemals finden würde.
Der Mond torkelt ins Badezimmer, wie ein Lampion am unsichtbaren Stock, unheimliches Gelächter erfüllt den kleinen Raum. Kastor ist wieder Kastor.
Fassungslos breche ich über seinem blutüberströmten Körper zusammen. Blut an Händen. Füßen. Blut am ganzen Körper. Das Bad ist in ein Meer von Blut getaucht. Von der Decke regnet es Blut. Von den Wänden. Blutfäden. Überall. Bald haben sie mich ganz umhüllt. Ich bin nicht mehr fähig, mich zu bewegen. Bin gefangen, wie eine Spinne im eigenen Netz. Geschüttelt von Schluchzern und Kälteschauern.
Der Mond ist weitergezogen. Doch wie Wehgeheul erklingt die Musik. Wie der nicht enden wollende, melancholisch betörende Gesang ferner Sirenen.
*
Von Grauen gepackt erwache ich, setze mich erschöpft auf die Bettkante, wische mir mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht.
Das Handy!
„Ich bin es noch mal“, erinnert mich Kastor, „vergiss
unsere Verabredung nicht.“

Wie könnte ich.

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